IMPRESSUM

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en-Zeitung versteht 
sich als unabhaengiges Organ von Studierenden fuer 
Studierende, das keiner Institution, Gruppierung oder 
Weltanschauung verpflichtet ist. Die Zeitung erscheint dreimal 
im Semester,  jeweils Anfang Mai, Juni, Juli, November, 
Dezember und Februar. Mitarbeiter(innen) und 
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willkommen; die Redaktion trifft sich waehrend des Semesters 
jeden Montag um 20.00 Uhr im Haus der Studierenden.
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Die Redaktion: Till Baernighausen (T.B.), Frank Barsch (fb), 
Bertram Eisenhauer (bpe), Susanne Foerster (sf), Harald 
Nikolaus (hn), Inken Otto (io), Annika Ramm (ar), Raimuth 
Zohlnhoefer (rz).
Freie Mitarbeiter: Axel Hesse (ah), Alfred Schmit (As), 
Katharina Schattling (ks), Marcus Collalti, Iris Zimmermann, 
Tanja Ruhnke, Eckhard H. Nickel, Frank Spielker, Henning 
Banthien, Astrid Moeslinger.
Redaktionsschluss fuer ruprecht Nr. 24: 1. Juni; fuer ruprecht 
Nr. 25: 28. Juni.


JETZT ABER WIRKLICH - STUDI-TICKET KOMMT IM 
WS 93/94

Der unendlichen Geschichte vorlaeufiger Abschluss: Das 
Studi-Ticket, die verbilligte, teilweise ueber den Sozialbeitrag 
finanzierte Semesterfahrkarte, wird im naechsten 
Wintersemester auch in Heidelberg probeweise eingefuehrt. 
Alle Studierenden werden dann eine Erhoehung ihres 
Semester-Obulus um 18,50 DM pro Semester hinnehmen 
muessen. Dafuer kann dann, wer will, zum Preis von 100 
Mark eine 6-Monats-Fahrkarte fuer alle oeffentlichen 
Verkehrsmittel von Worms bis Sinsheim kaufen.
Auf einen entsprechenden Vertrag haben sich Vertreter von 
Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), Universitaet, 
Studentenwerk und Fachschaftskonferenz (FSK) nach fast 
zweijaehrigen Verhandlungen geeinigt. Wenn diese 
Vereinbarung, nach Abstimmungen in den 
Entscheidungsgremien der einzelnen Parteien, Ende Mai 
unterschrieben wird, ist Heidelberg die erste baden-
wuerttembergische Stadt mit einer solchen Einrichtung.
Das Abkommen ist ein Kompromiss. In der 
Fachschaftskonferenz z.B. haette man lieber eine weitere 
Erhoehung des Semesterbeitrages und dafuer eine sehr viel 
staerkere Herabsetzung des Preises fuer die Semesterkarte 
gesehen (Rechnungen haben gezeigt, dass man mit einer 
Erhoehung des Sozialbeitrages um 46,50 DM fuer alle 
Studierenden an Uni und PH die Semesterkarte kostenlos 
haette herausgeben koennen). In anderen deutschen Staedten 
Deutschlands wird das Studi-Ticket nur mit einer Erhoehung 
des Semesterbeitrages bezahlt - das sogenannte 
"Solidarmodell".Trotzdem stimmten zaehneknirschend auch 
die Studentenvertreter dem Mischmodell zu, nachdem sie sich 
in der letzten Vollversammlung zumindest die Zustimmung 
der grossen Mehrheit der 650 Anwesenden fuer diese 
Loesung geholt hatten.
Auch Dieter Gutenkunst, Geschaeftsfuehrer des 
Studentenwerks, meinte: "Aus meiner Sicht waere das 
Solidarmodell die beste Loesung gewesen." Und das, obwohl 
das Studentenwerk fuerchten muss, dass einzelne Studenten 
sich mit Gerichtsklagen gegen den pauschalen Beitrag fuer das 
Studi-Ticket zu wehren versuchen. (deshalb sind in den 18,50 
DM uebrigens auch 50 Pfennig zur  Risikoabdeckung fuer das 
Studentenwerk enthalten).  
Es war der VRN, der eine eine Loesung weiter in Richtung 
des "Solidarmodells" verhinderte: Er fuerchtete den Verlust 
staatlicher Zuschuesse, wenn alle Studierenden ihren Uni-
Ausweis als Semesterkarte benutzen koennten. Mit den 
anderen Verhandlungparteien konnte man sich nicht darauf 
einigen, mit welcher weiteren Erhoehung der Pauschale die 
Studierenden sich eine Senkung des Verkaufspreises haetten 
erkaufen koennen. Subventionen von Stadt, Land oder Bund, 
mit denen man den Ticket-Preis haette herabsetzen koennen, 
gibt es bisher nicht. Auch die angestrebte Einfuehrung von 
Parkgebuehren im gesamten Neuenheimer Feld und deren 
Verwendung zu diesem Zweck ist noch nicht verwirklicht 
worden. 
Was bedeutet nun die Einfuehrung der Semesterkarte fuer die 
Studierenden an Uni und PH? - Fuer die etwa 4.000 
bisherigen regelmaessigen Benutzer von Bussen und Bahnen 
wird es ein gutes Geschaeft: 118, 50 DM entsprechen nur 
zweieinhalb Monatskarten. Aber auch diejenigen 14.000, die 
mit dem Rad oder zu Fuss zur Uni kommen, koennen schnell 
auf ihre Kosten kommen - durch ein paar Fahrten zu 
Veranstaltungen in der Umgebung oder verbilligte Zugtickets 
fuer die Fahrt heim zu Mami, weil man sich die Fahrkarte ja 
erst ab dem Rand des VRN-Gebietes kaufen muss. Die 
motorisierten Studierenden (von denen es mindestens 7.800 
gibt) aber, die ja vor allem aus ihren Autos herausgelockt 
werden sollen, muessen sich jetzt sehr scharf ueberlegen, ob 
sich die Benzin- und Fixkosten fuer ihr Auto im Vergleich 
zum Preis der Semesterkarte noch lohnen und ab wann die 
Bequemlichkeit des eigenen Vehikels dank Parkplatzsuche 
und Staustress eher zur Belastung wird.
Die naechsten Jahre werden zeigen, ob das Semesterticket 
Erfolg bei den Studierenden hat, ob Leute weg vom Auto in 
den Oeffentlichen Nahverkehr geleitet werden und ob der 
VRN mit mehr Fahrgaesten auch sein Streckennetz und die 
Taktfrequenz der Busse und Bahnen ausbaut. Vor allem aber 
muessen die Verhandlungspartner darueber nachdenken, ob 
die Reise nicht doch weiter in Richtung des "Solidarmodelles" 
gehen soll.                                               (hn)


STUNDE DER WAHRHEIT - DIE CONSULTANTS 
KOMMEN AN DER PHYSIK-FAKULTAeT AN

Die Durchleuchtung der Heidelberger Physik-Fakultaet durch 
Unternehmensberater hat begonnen. Etwas ausserhalb des 
Rampenlichtes - die Studenten sind im Moment, wenn 
ueberhaupt, eher mit den dramatischen Mittelkuerzungen im 
Bereich ihrer Hiwis beschaeftigt - hat die vom 
Wissenschaftsministerium Ende letzten Jahres ausgewaehlte 
Zuericher Consulting-Firma Hayek  im Maerz damit 
begonnen, neben drei anderen Physik- und drei 
Germanistikfakultaeten in Baden-Wuerttemberg auch den 
Heidelberger Fachbereich unter die Lupe zu nehmen. Hayeks 
3 Personen starke Truppe, zu der sich auch ein Beamter des 
Wissenschaftsministeriums gesellt hat, sammelte im Verlaufe 
eines einwoechigen Besuches bei den Physikern Zahlen und 
Daten und sprach mit Professoren und 
Verwaltungsmitarbeitern in den verschiedenen Instituten. 
Anhand dieser Materialien wollen sich die Schweizer einen 
ersten qualitiativen Ueberblick ueber die Ablaeufe in der 
Fakultaet verschaffen (ebenso geht man an den anderen 
untersuchten Fachbereichen im Lande vor). Eine erste 
Auswertung will die Unternehmensberatung  Ende Mai im 
Stuttgarter Wissenschaftsministerium vorstellen; diese soll 
dann von den Rektoraten der Universitaeten an die 
betroffenen Fakultaeten weitergeleitet werden. Danach 
bekommen die Fakultaeten wieder Besuch, diesmal von 
einzelnen Hayek-Leuten. Bei dieser Gelegenheit, so 
versicherte ein Sprecher des Unternehmens ruprecht 
gegenueber, werden dann auch Studierende aus der 
Fachschaft befragt werden. Im Juli soll dann erneut ein 
Zwischenbericht mit tiefergehender Beurteilung folgen. Erst 
im Abschlussbericht Ende November wollen die Consultants 
eine richtige Wertung formulieren, Schwachstellen aufzeigen 
und auch Loesungsansaetze praesentieren.                                       
(hn)


AUCH DIE JURISTEN SPECKEN AB

Bei der Reform an deutschen Hochschulen gehen die Juristen 
mit gutem Beispiel voran. Seit 1. April gilt die neue JaPrO 
(Juristenausbildungs-Pruefungsordnung). Ihr Ziel ist eine 
Verkuerzung der Studienzeit und eine freiere Studienplan-
Gestaltung. Ihr Wissen wird den Examenskandidaten jetzt in 
sieben (statt neun) Klausuren im 1. Staatsexamen abgefragt. 
Hinzu kommt eine Begrenzung des Pruefungsstoffs, da 
einzelne Rechtsgebiete - wie das Voelkerrecht und 
Arbeitsrecht - an Bedeutung verlieren. Dagegen erfaehrt das 
Europarecht eine staerkere Gewichtung. Um den Uebergang 
zu erleichtern, koennen Prueflinge bis 1996 zwischen alter und 
neuer Pruefungsordnung waehlen.   
Doch wirkt sich die neue Studienordnung auch schon im Lauf 
des Studiums nachhaltig aus. Verwirrung stiftete anfangs die 
radikale Abschaffung verschiedener Scheine. So sollen die 
Zwischenpruefung und mit ihr der laestige VWL-Schein und 
ein Grundlagenschein entfallen. Der Seminarschein kann durch 
einen weniger aufwendigen Grundlagenschein ersetzt oder an 
einer anderen auslaendischen Fakultaet erworben werden. Bei 
vielen erweckte dies den Anschein, ihre - im Gegensatz zu 
anderen Studiengaengen  - ohnehin stressfreieren 
Anfangssemester noch angenehmer gestalten zu koennen. 
Doch sind diese Aenderungen mit Vorsicht zu geniessen. 
Noch ist naemlich nicht abschliessend geklaert, ob eine Art 
Zwischenpruefung uni-intern weiterhin verlangt wird, verlangt 
das Universitaetsgesetz im Laendle (im Gegensatz zur JaPrO) 
doch eine Zwischenpruefung bei Studiengaengen mit acht 
Semestern Regelstudienzeit. 
Positiv wirkt sich die Entwicklung vor allem auf die 
praktische Studienzeit aus. Die Aufhebung der starren 
Vorgaben ermoeglicht eine freie Gestaltung, denn erforderlich 
ist nur eine praktische Rechtsanwendung. Unter dieser 
Vorgabe koennen Praktika beliebig auch im Ausland 
absolviert werden.
Als Reaktion auf die Neuordnung ist fuers naechste Semester 
eine Umstrukturierung des Studienplans vorgesehen. Auf 
jeden Fall wird sich dort die neue Gewichtung der 
Studienfaecher wiederspiegeln. Wie sich die JaPrO jedoch 
konkret in der Studienplanung niederschlaegt muss noch 
abgewartet werden.                    (sf/ar)


ALLES KLAR, ODER?

"Alles klar, Herr Kommissar?", so fragte Schnupfnase Falco 
noch zu Beginn der Achtziger Jahre rappenderweise in den 
Raum. War damals die inbruenstige Hoffnung, dem 
Kriminalbeamten sei gar nichts klar ueber seine illegalen 
Vergnuegungen, der entschiedene Impuls seines Gesangs, so 
ist es heute die sichere Gewissheit, dass ueberhaupt nichts klar 
ist, wenn die zwei entscheidenden Worte wo auch immer 
fallen. 
Sicher ist es Ihnen schon aehnlich ergangen- Ob im ICE beim 
Vorzeigen des Bordpasses, beim Bankgespraech um einen 
hoeheren Ueberziehungskredit oder waehrend des 
freundschaftlichen Handschlags mit Ihrem Lieblingsbarkeeper: 
"Alles klar" heisst nie: "Ich hoffe, bei Ihnen ist alles in 
Ordnung." oder: "In Gottes Namen, ich wuensche, dass sich 
Ihre Verhaeltnisse so klar praesentieren wie der Himmel heute 
blau ist.". Nein. Es heisst auch nicht "Mit uns beiden, die wir 
uns gerade getroffen haben, ist alles bestens bestellt. 
Toitoitoi." Njet. Leider heisst es nichts weiter als "Lass mich 
ja in Ruhe." oder etwa "Zieh Deiner Wege  und stoer mich 
bloss nicht:" oder gar: "Ein Glueck, um Gottes Willen, dass 
mit diesen beiden meinen Worten jetzt unser sei es auch noch 
so kurzes Gespraech beendet ist. Auf Nimmerwiedersehen." 
Aber die eigentliche Pointe dieser beschwichtigenden 
Glasiertheit ist das grundlegende Desinterresse des 
sozialitaeren Doppelschlags. Aus dem Fragezeichen ist ein 
Ausrufezeichen geworden. "Alles klar!", dabei denken sich die 
meisten nicht einmal die soeben vorgefuehrten Hintersaetze, 
sondern einfach gar nichts. Das Fatale ist nicht die 
Verdunkelung, die Unklarheit, die jeder jedem gegenueber 
empfindet, sondern die totale Gedankenfinsternis, die laenger 
als die uebliche Stunde andauert. Es heisst nichts. Es ist 
einfach die schnellste Moeglichkeit, eine wie auch immer 
geartete Kommunikation zu beenden oder zu vermeiden. Dass 
dies inzwischen wie selbstverstaendlich geschieht, ohne dass 
man es ueberhaupt bemerkt, weist auf ein bemerkenswertes 
Bewusstseinsniveau hin. Aber, wie war das noch mit dem 
Bewusstsein? - Hat noch keiner gesehen. Und so 
verschwindet mit der inflationaeren Sprachklarheit jeder noch 
so aufklarende Gedankenhimmel in finsteren Glitzerkellern. 
Kein Glanz in kleinen Huetten. Claro que si? 
                           (Eckhard H. Nickel)


LESERBRIEF

17.02.1993

Betr.: Letzte Ausgabe des "ruprecht"; "Artikel" ueber 
Selbstverteidigungskurse fuer Frauen

Mal ganz ernsthaft: was Ihr da gebracht habt, ist schlicht und 
einfach das Allerletzte.
Der Mensch, der das geschrieben hat, hat offenbar voellig 
uebersehen, dass es triftige - und zwar durchweg maennliche - 
Gruende fuer Frauen gibt, zu lernen, wie man sich gegen 
(maennliche) Bedrohung und Anmache (die auch bei 
Musterung einer "Schoenen", Blicken und Pfiffen laengst 
angefangen hat) wehren kann. Er (und umso schlimmer, wenn 
es eine Sie gewesen sein sollte - bezeichnend, dass 
ausgerechnet dieser Beitrag nicht namentlich gekennzeichnet 
war!?) hat nichts, aber auch gar nichts kapiert. Es gibt nur 
noch einen Begriff, der darauf passt: ekelhaft.
Wer so etwas schreibt oder veroeffentlicht bzw. sich einer 
Veroeffentlichung nicht widersetzt, ist mehr als 
frauenverachtend.
Fuer mich Grund genug, den "ruprecht" in Zukunft keines 
Blickes mehr zu wuerdigen.
Gruss, Caecilie Kowald

Anmerkung der ruprecht-Redaktion: Im Gegensatz zu 
Caecilies Annahme war der so heftig umstrittene Artikel 
"Maennermord als Uni-Sport" doch namentlich 
gekennzeichnet, naemlich durch das Kuerzel "tb"; im 
Impressum haben wir es allerdings versaeumt, das Kuerzel in 
den vollen Namen des Redakteurs (Till Baernighausen) 
aufzuschluesseln.
Weitere Leser-Meinungen zu diesem Artikel, die wir im 
Rahmen unserer Umfrage aus der letzten Ausgabe erhielten, 
sind in "Die Maennermord-Debatte" auf Seite 13 
dokumentiert.


"MAN MUSS NICHT SO EINE ANGST HABEN" - 
RUPRECHT SPRACH MIT DER BUeRGERRECHTLERIN 
BAeRBEL BOHLEY

Der erste Eindruck: Baerbel Bohley ist unbeschwerter, als 
man sie aus den "Schickt Stolpe zum Teufel"-Diskussionen im 
Fernsehen kennt - und vielleicht noch ein bisschen 
zurueckhaltender, bescheidener. Nach Heidelberg ist die 
Malerin, DDR-Buergerrechtlerin, Mitbegruenderin des 
"Neuen Forums" und Mitinitiatorin des "Runden Tisches von 
unten" gekommen, um beim Symposium "Falsch 
programmiert?!" am 22./23. April in der Stadthalle ueber 
"Politik und Propaganda" zu sprechen. Als ruprecht sie um ein 
Interview bittet, sagt sie sofort zu. Nur: "Ich moechte hier 
nicht so spaet weg, weil ich noch eine Freundin in Frankfurt 
besuchen will." Nach Vortrag und Mittagessen treffen wir sie 
zwischen dunklen Jugendstil-Moebeln im "Fuerstenzimmer" 
der Stadthalle. Sie fragt nach der Damentoilette, will sich den 
Fleck Tomatensosse von der schwarzen Bluse wischen, den 
sie sich beim gemeinsamen Mittagessen im Kreis der 
Referenten zugezogen hat: "Ich habe immer drauf gewartet, 
dass die anderen Herren sich auch bekleckern - kam aber nicht 
vor." Als sie erfaehrt, dass sich die Damentoilette im 
gegenueberliegenden Fluegel der Stadthalle befindet, ist sie 
kurz davor, den Fleck mit Hilfe einer Papierserviette und 
"Schweppes" aus der Getraenke-Bar zu entfernen - da findet 
sich doch wenigstens noch eine Flasche Mineralwasser. 
"Ausgerechnet hier, wo doch alle so gut angezogen sind", 
meint ein ruprecht-Redakteur, und Baerbel Bohley bestaetigt, 
ja, dass hier alle so fein aussehen, habe sie auch schon 
bemerkt. Als wir sie nachher draussen vor der Stadthalle 
photographieren, ist sie ein wenig verlegen und sagt: "Jetzt 
muss ich laecheln, sonst sagen meine Freunde wieder, Du 
kuckst immer so ernst."
ruprecht: Frau Bohley, Sie spielen - ob in Vortraegen, 
Fernsehdiskussionen, Interviews oder anderen oeffentlichen 
Auftritten - die Rolle einer Anwaeltin der ehemaligen DDR-
Buerger. Und die einer moralischen Instanz: Wenn Baerbel 
Bohley oeffentlich erklaert, sie glaube Manfred Stolpe nicht, 
dann hat das schon moralisches Gewicht. Sind Sie eigentlich 
gluecklich mit dieser Rolle?
Bohley: Ja, wenn das Folgen haette - aber alle anderen 
glauben Manfred Stolpe. Dann macht es ueberhaupt nichts, 
dass ich ihm nicht glaube.
ruprecht: Kommen Sie denn bei all Ihrem Engagement - Sie 
sind ja eigentlich Malerin - ueberhaupt noch zum Malen?
Bohley: Nee, ich komme nicht dazu, aber das bedauere ich 
auch nicht so sehr. Ich denke mal, alles zu seiner Zeit. Ich 
habe mich irgendwann in diese Politik begeben, und jetzt 
bleibe ich da auch noch 'n Weilchen drin, bis ich mich 
sozusagen ganz beruhigt zurueckziehen kann. Natuerlich 
vertrete ich die Ostdeutschen, weil ich die Ostdeutschen 
kenne; die im Westen kenne ich nicht so. Ich will allerdings 
nicht die ostdeutschen Interessen gegen die westdeutschen 
ausspielen, weil ich glaube, dass es viel mehr gemeinsame 
Interessen gibt. Ich ahne, dass es hier auch viele Leute gibt, 
die echte Schwierigkeiten haben. Wenn ich mich speziell fuer 
die ostdeutschen Interessen einsetze oder sie vertrete, dann 
geschieht das nicht aus DDR-Nostalgie, sondern wirklich aus 
dem Gefuehl, dass ich die Leute ganz gut kenne, weil ich da 
eben fast 50 Jahre gelebt habe.
ruprecht: Diese Aufgabe ist Ihnen zugefallen, oder besser 
gesagt: Sie haben sie sich gestellt. Haben Sie jetzt das 
Gefuehl, Sie muessen sie auch zu Ende bringen - zumindest 
solange, bis Sie zufrieden sind?
Bohley: Na ja, ich habe schon die Vermutung, dass eine 
Daueraufgabe daraus wird. Die Frage ist: "An welcher Stelle 
willst Du die Aufgabe erfuellen? Denkst Du, das kann man 
nur in Bonn, wenn man als Abgeordnete da sitzt, oder kann 
ich das nicht auch in Berlin?" Mein soziales Engagement wird 
in der naechsten Zeit wahrscheinlich nicht abnehmen, weil ich 
einfach die sozialen Schwierigkeiten als die groessten 
Probleme sehe. Es fliesst eigentlich genug Geld in den Osten - 
ich glaube, es sind 150 Millionen Mark am Tag, das muss man 
sich mal vorstellen -, und es liegt uns daran, dass kontrolliert 
wird, wie es verwaltet und wofuer es eingesetzt wird - wer es 
bekommt."
ruprecht: Von Ihnen stammt ja der beruehmte Satz, der schon 
fast zur stehenden Redewendung geworden ist, ...
Bohley: Oh jeh ...
ruprecht: ... von der Gerechtigkeit, die die DDR-Buerger 
gewollt haben, und dem Rechtsstaat, den sie bekommen 
haben. Das klingt, wenn nicht bitter, so doch ein wenig 
resignativ.
Bohley: Man muss natuerlich immer erklaeren, wie das Ganze 
zustandekam. Es steht naemlich nicht da: "den westlichen 
Rechtsstaat haben wir bekommen". Das habe ich naemlich 
gesagt, und ich glaube, da gibt es schon noch einen 
Unterschied. Der westliche Rechtsstaat ist nicht mit unseren 
Problemen gewachsen. Der war ja da und wendet sich jetzt 
aber unseren Ungerechtigkeiten im Osten zu. Da stellt sich 
heraus, dass mit dem westlichen Rechtsstaat das Unrecht im 
Osten nicht aufzuarbeiten ist. Wer das Zitat immer so auf 
mich anwendet, bei dem habe ich langsam den Verdacht, er 
will mir im Grunde genommen unterstellen, dass mir am 
Rechtsstaat nicht viel gelegen ist, und dass ich nur eine blinde 
Idealistin bin, die glaubt, die Gerechtigkeit so als Engel durch 
die Lande schweben zu sehen. Ich glaube schon an Gesetze, 
ich glaube auch an Recht, aber es muss auch was mit den 
Leuten zu tun haben, auf die es angewendet wird. Man muss 
auch sehen, was sind das fuer Menschen, und was war ihre 
Situation. Das ist wichtig, um sich der Gerechtigkeit zu 
naehern.
ruprecht: Wie steht es in diesem Zusammenhang mit der 
Tatsache, dass Erich Honecker nach Chile hat ausreisen 
duerfen? Ist das nicht so ein Fall, wo der Rechtsstaat an seine 
Grenzen kommt?
Bohley: Erich Honecker ist natuerlich insofern ein besonderer 
Fall, weil er ein uralter Mann ist. Ich habe prinzipiell etwas 
dagegen, uralte Maenner in Gefaengnisse einzusperren. Ich 
behaupte sogar - und das muesste man einfach in Prozessen 
und Untersuchungsausschuessen beweisen -, dass Erich 
Honecker in den letzten zehn Jahren schon gar nicht mehr 
regiert hat, dass das ganz andere Leute waren. Ich wundere 
mich, dass man heute zu den Buhmaennern die Alten zaehlt - 
Mielke, Honecker und so weiter -, waehrend man von solchen 
Leuten wie Schalck-Golodkowski oder Markus Wolf gar 
nichts oder wenig hoert - und das ist ja eigentlich die 
Generation, die meiner Meinung nach wirklich zum Schluss 
DDR-Politik gemacht hat.
ruprecht: Schalck wohnt ja inzwischen am Chiemsee.
Bohley: (lacht) Tegernsee.
ruprecht: Wenn Sie sehen, dass der deutsche Rechtsstaat auf 
diese DDR-Untaten nicht anwendbar ist - nehmen Sie das mit 
einer gewissen Melancholie hin, macht Sie das wuetend, oder 
wie reagieren Sie darauf?
Bohley: Sie sehen ja vielleicht, wie ich bei Stolpe darauf 
reagiere. Ich bin eben der Meinung, wenn es so ist, dass man 
mit rechtsstaatlichen Mitteln das wenigste Unrecht erfassen 
oder ahnden kann, dann muss man politische Entscheidungen 
treffen, um Rechtsbewusstsein entwickeln zu helfen. Und da 
glaube ich schon, dass das, was das Neue Forum von Anfang 
an gesagt hat, immer noch seine Gueltigkeit hat: dass bei 
dieser Umgestaltung der DDR bestimmte Berufsgruppen 
augenblicklich nicht aus ehemaligen Mitarbeitern der 
Staatssicherheit bestehen duerften - und das sind die 
Berufsgruppen, bei denen es auf Vertrauen ankommt. Da, 
meine ich, sollte man wirklich versuchen, Leute zu finden, zu 
denen man Vertrauen haben kann. Ansonsten muss man das 
viel individueller sehen. Ich halte es nicht fuer gerechtfertigt, 
zu sagen: "Alle aus dem oeffentlichen Dienst raus". Denn 
nachdem ich nun wirklich etliche Akten - auch etliche IM-
Akten, in denen deren Berichte gesammelt sind - gesehen 
habe, kann man einfach sagen, dass es die unterschiedlichsten 
Leute gab. Es gab Leute, die versucht haben, objektiv zu 
berichten und den Leuten keinen Strick zu drehen, und es gab 
Leute, die ihren ganzen eigenen Frust und ihre eigene 
Unbedarftheit abreagiert haben, indem sie versucht haben, 
anderen Leuten ein Bein zu stellen. Und das muss man alles 
auseinanderhalten. Das ist schwierig und wird auch sicher den 
einen oder anderen in Form von neuer Ungerechtigkeit 
einholen. Aber man muss es versuchen. Ich glaube, was jetzt 
gemacht wird, bringt viel mehr das Gefuehl von 
Ungerechtigkeit.
ruprecht: Der Westen war in der DDR durch die 
Schaufenster-Ideologie ja schon zu einer Art Schlaraffenland, 
zu einer real existierenden Utopie geworden. Wie hat sich Ihre 
Wahrnehmung des Westens in den vier Jahren, in denen Sie 
sozusagen dazugehoeren, veraendert?
Bohley: Also, ich habe diese Utopie ja nie gehabt. Ich habe 
immer sehr genau die Nachrichten verfolgt, habe mir nicht den 
Kopf mit Krimis und Talk-Shows und irgendwelchen 
komischen Sachen vollgehauen, sondern habe mir ganz 
bewusst politische Sendungen angesehen,  weil ich immer 
wenig Zeit hatte. Und ich glaube, ich habe schon immer ein 
ziemlich differenziertes Bild vom Westen gehabt. Fuer mich 
ist jetzt die Situation so: Ich wollte ja damals, dass diese Zeit 
der DDR noch verlaengert wird, damit die Menschen selbst in 
Ruhe die naechsten Schritte bestimmen koennen. Das ist nun 
nicht passiert, die Mehrheit hat es nicht gewollt, und es hat 
keinen Sinn, dagegen anzujammern. Jetzt bin ich im Westen 
angekommen und versuche, die Dinge auf meine Weise 
mitzuveraendern. 
ruprecht: Andere ehemalige DDR-Buerger haben da ganz 
andere Erfahrungen gemacht; sie sind mit grossen 
Erwartungen in den Westen gegangen und hier nicht 
zurechtgekommen.
Bohley: Ich kann das ein bisschen bestaetigen; der Westen ist 
uns auch noch sehr viel fremder als der Osten. Ich waere jetzt 
nicht bereit, nach Duesseldorf zu ziehen. Ich bin heilfroh, 
wenn ich wieder in Ost-Berlin gelandet bin. Ich brauche mein 
Umfeld, das sich natuerlich stark veraendert, was ich aber 
noch mitvollziehen kann. Hier wuerde ich einfach in 
Duesseldorf ankommen und sagen: "Wo bist du denn jetzt?" 
Ich habe eben daran geglaubt - und glaube immer noch -, dass 
weder die eine noch die andere Seite das Gelbe vom Ei ist, 
sondern dass der goldene Mittelweg gesucht werden muss. 
Dass das schwierig ist und eine ewige Gratwanderung, weiss 
ich auch. Aber ich glaube, dass man sie unternehmen muss.
ruprecht: Es gibt ja eine ganze Reihe von Leuten, die 
triumphieren, weil der dritte Weg angeblich nicht gangbar sei.
Bohley: Ach, die  merken auch noch, dass der jetzige Weg 
auch nicht gangbar ist, und dann wird die Diskussion erst 
interessant. Ich persoenlich habe in den letzten drei Jahren ein 
paar Erfahrungen gemacht, da sage ich mir immer, bei 
manchem, was ich denke, da presche ich nicht wieder so vor. 
Es hat mir ganz schoen viel Dresche eingebracht, dass ich 
irgendwann mal ueber den Fall der Mauer gesagt habe, da sind 
die Leute kopflos und die Regierung verrueckt geworden, 
oder so aehnlich. Ich habe wahrscheinlich durch meinen Beruf 
eine andere Kreativitaet und Phantasie, die noch 
ungebrochener ist. Letzten Endes habe ich immer nur ein paar 
Monate vorher gesagt, was andere Leute hinterher gesagt 
haben. Und jetzt warte ich bei manchen Dingen einfach ab.
ruprecht: Was meinen Sie denn, was wir Westdeutsche an den 
Ostdeutschen nicht verstehen?
Bohley: Ich denke, unsere Geschichte. Man muss verstehen, 
dass die Leute in der DDR innerlich in der Abwehr gegen das 
System gelebt haben. Sie haben zwar nach aussen manchmal 
mitgemacht, aber innerlich haben sie in der Abwehr gelebt - 
und in dieser Abwehr ihr Leben gerettet. Man kann sagen, im 
Osten sind die Leute am wenigsten geschaedigt, die am 
wenigsten Karriere machen wollten in der DDR. Die, die was 
wollten, sind am meisten geschaedigt, weil sie sich am meisten 
anpassen mussten, am meisten Zugestaendnisse machen 
mussten. 
Ich sage mal: lauter kleine Bonsais. Das wollen die meisten im 
Westen nicht wahrhaben, die denken, jetzt sei doch alles in 
Ordnung. Die sagen: "Was haengt ihr denn hier wie die 
Trauerkloesse rum? Macht doch mal, packt doch mal!" Wenn 
ich das immer hoere: "Aermel hochkrempeln", packt mich 
wirklich die Wut. Es muessten jetzt kluge politischen 
Entscheidungen getroffen werden, die den Leuten wieder 
klarmachen, dass sie jemand sind, dass sie die Moeglichkeit 
haben, etwas zu machen und sich wenigstens auf einem Gebiet 
zu realisieren. Aber zum Beispiel scheitert eine Verbesserung 
auf dem Wohnungssektor, wo noch Potentiale brachliegen, an 
der Eigentumsfrage. Da werden 16 Millionen an die Wand 
gedrueckt, und das wird sich auf Dauer raechen. Denn 16 
Millionen, die weiter im Osten resignieren, bringen auch die 
alten Bundeslaender an den Bettelstab. Ich stimme dem 
unbedingt zu, dass die Ostdeutschen eine gewisse Traegheit 
ueberwinden muessen. Das ist voellig klar. Aber auf diese 
Weise kann man sie nicht ueberwinden; man muss ihnen auch 
den entsprechenden Anreiz geben. Das ist machbar.
ruprecht: Es ist eigentlich erstaunlich, dass es in einer 
Situation, in der in den neuen Laendern Zehntausende 
arbeitslos werden, dort nicht zu massiven sozialen Konflikten 
kommt, wo doch im Westteil der Republik schon gestreikt 
wird, wenn 1.500 Arbeiter entlassen werden. Wie erklaeren 
Sie das - durch Apathie?
Bohley: Das hat mehrere Ursachen. Eine ganz wichtige 
Ursache ist, dass die Leute ihre Betriebe kennen und sehr oft 
wissen, dass die eigentlich ziemlich sanierungsbeduerftig sind 
- und solche Betriebe lassen sich schlecht bestreiken. Auch 
laesst das Wissen, dass es so viele Arbeitslose gibt und auch 
im Westen viele Betriebe aus der gleichen Branche 
dichtmachen, die Streikbereitschaft nicht gerade wachsen. 
Zum anderen geht es - materiell gesehen - auch vielen Leuten 
nicht schlechter. Es gibt Leute, denen es schlechter geht, aber 
das kann man nicht von der Mehrzahl sagen. Trotz 
Arbeitslosigkeit - man sieht es ja - sind die Strassen voller 
Autos, kaufen die Leute ein, essen bessere Sachen als frueher, 
schmeissen ihre Moebel weg. Und sie haben auch noch andere 
Moeglichkeiten, Frust abzubauen; sie koennen vielleicht doch 
mal verreisen. Und sie sehen, in der ganzen Welt ist es jetzt 
schwierig, und ihnen geht es noch am besten von allen 
Ostblock-Laendern. Das alles fuehrt dazu, dass man das alles 
etwas ruhiger angeht. Aber das heisst ueberhaupt nicht, dass 
man in Bonn darauf bauen sollte; das kann ganz schnell 
umkippen. Obwohl ich merke, dass ich auf ganz grosse 
Aggressivitaet stosse, wenn ich sage: "Uns geht's materiell 
doch gar nicht so schlecht." Man hat das Gefuehl, man ist 
ausgeschlossen oder schliesst sich selber aus, wenn man nicht 
mitjammert.
ruprecht: Das ist die enttaeuschte Erwartungshaltung ...
Bohley: Man darf nicht vergessen - das wird im Westen 
meistens vergessen -, dass die Mehrzahl der Leute die ersten 
direkten Erfahrungen mit dem Westen nach '89 gemacht 
haben; die waren vorher noch nicht im Westen.
ruprecht: Man hoert bei DDR-Intellektuellen, besonders 
jenen, die die Revolution von '89 mitgetragen haben, 
gelegentlich die Klage, von der Geschichte uebergangen 
worden zu sein, weil sie heute keine politischen 
Mitwirkungsmoeglichkeiten mehr haben. Empfinden Sie das 
als berechtigte Klage?
Bohley: Ich finde, man kann das bedauern, aber es zu 
beklagen, halte ich fuer ein bisschen uebertrieben. Man wird 
einfach von der Geschichte nicht belohnt. Man macht sein 
Ding und rechnet damit. Man lebt und macht seine Sache und 
moechte auch gerne Erfolg haben - den hatten wir auch -, und 
wenn man dann noch die nachfolgenden Prozesse 
mitbestimmen kann - wunderbar. Das kann ich auch, obwohl 
ich nicht in Bonn sitze, und insofern finde ich das alles nicht 
so dramatisch.
ruprecht: Aber ist es nicht eine bittere Erfahrung, dass Ihre 
Landsleute nach der Revolution die D-Mark gewaehlt und die 
fortschrittlicheren Kraefte, die noch nach einem dritten Weg 
suchten, uebergangen haben - so dass die 
Buergerrechtsbewegung heute praktisch bedeutungslos ist?
Bohley: Ja sicher, aber das ist ja kein Grund zum Verzweifeln. 
Die Opposition ist jetzt ueberhaupt ziemlich bedeutungslos. 
Ich glaube, das sind auch immer  Zeiten zum Atemholen oder 
dazu, um nachzudenken oder sich neu zu orientieren. Man 
muss nicht so eine Angst haben. Wovor ich wirklich Angst 
habe, ist, dass die Gewaltbereitschaft waechst, und da sind alle 
Parteien aufgerufen, etwas dagegen zu machen.
ruprecht: Eine letzte Frage (und eine, die kommen muss): 
Dem Brandenburger Ministerpraesidenten Manfred Stolpe 
haben viele sein Verhalten zu DDR-Zeiten vergeben, es ihm 
nachgesehen oder die Diskussion abgeschlossen. Warum 
wollen Sie das partout nicht tun?
Bohley: Wenn sich das durchsetzt, dass man einfach so ueber 
die eigene Vergangenheit und Geschichte hinweghuschen 
kann, dann ist der Opportunismus so gross, dass es mich 
deprimieren wuerde. Dann hat wirklich der Westen 
gewonnen.                          (fb/bpe; Photos: fb)


WIR SIND SO FREI - VON UNSEREM UMGANG MIT 
DEM MUeLL

Ob ich meine Cola aus einer Dose oder einer (Pfand-) Flasche 
trinke, entscheidet niemand anders als ich. Das ist meine 
Freiheit." Ob ausgesprochen oder nicht, bezeichnet diese 
Aussage die Grundhaltung in Denken und Handeln von einem 
Grossteil der auf dem Campus wandelnden zukuenftigen Elite 
Deutschlands. Gewiss, um Entscheidungsfreiheit handelt es 
sich hier. Doch lassen sich deren Konsequenzen in jedem Falle 
gutheissen? Eine Entscheidung und ihre Folgen aber werden 
in dem Moment ethisch relevant und anfechtbar, wenn sie fuer 
Mensch und Umwelt schaedlich sind. "Moment", wird man 
hier einwenden. "Hier geht es um Dose oder Flasche, nicht um 
das Abtoeten von Babies im Mutterleib." Mit Ethik 
anzuruecken, erscheint leicht ueberzogen, kippt doch unser 
Gegenueber nicht gleich tot um, wenn wir mal aus einer Dose 
trinken.
Doch wir wissen:
- Die Energie, die zur Herstellung einer Alu-Dose 
aufgewendet werden muss, entspricht zwei Dosenfuellungen 
Rohoel.
- Aus einer Dose wird nie wieder eine Dose. Beim Recycling 
verliert der Wertstoff stark an Qualitaet. Zudem entstehen bei 
diesem sehr energieaufwendigen Prozess toxische Abgase.
- Die Recycling-Technik steht noch in ihren Anfaengen. 
Gerade bei Material-Mischformen (wie etwa einer 
Weissblechdose mit Aludeckel) stehen keine 
umweltfreundlichen und wirtschaftlichen 
Verwertungsmethoden zur Verfuegung. So liegt der Preis von 
Kunstoff-Recyclingmaterial bei ca. DM 3,-, der von 
Neumaterial bei ca. DM 1,35. 
- Das "Duale System Deutschland", das Monopolunternehmen 
fuer Recycling in der Bundesrepublik ("Gruener Punkt"), kann 
von 760.000 Tonnen Kunststoffmuell lediglich 30.000 Tonnen 
verwerten. Aufgrund fehlender Kontrollen wandert ein 
Grossteil des Muells ins Ausland.
- Pfandflaschen koennen im Durchschnitt bis zu 60 mal 
wiederverwendet werden. Erst danach werden sie recycelt. Im 
Gegensatz dazu durchlaeuft eine Einweg-Verpackung wie die 
Blechdose schon nach einmaliger Benutzung den aufwendigen 
Recyclingprozess!
Angesichts dieser Fakten gibt es offensichtlich doch Gruende, 
die Frage "Dose oder Flasche?" ethisch zu bewerten. Freilich: 
diese Bewertung erfordert eine weitere - unseren direkten 
Sinnen nicht mehr gegebene - Umsicht. Und eigentlich duerfte 
jetzt keiner mehr aus der Dose trinken.
Nichtsdestotrotz pochen wir noch immer auf unsere 
Entscheidungsfreiheit - auf die Freiheit, aus der Dose zu 
trinken! Besehen wir uns diese Freiheit an einem verwandten 
Anschauungsbeispiel doch einmal genauer: der Einfuehrung 
von Porzellan-Tassen in der Triplex-Cafeteria. Bis zum WS 
'92/93 wurden dort nur Pappbecher (fuer unsere 
Ewiggestrigen: Pappbecher sind umweltschaedlich) 
ausgegeben. Niemand kam auf die Idee, deshalb seinen Tee 
oder Kaffee nicht dort zu trinken. Denn: Wir sind so frei! 
Aber dann wurden Porzellan-Tassen eingefuehrt. Es wurde 
also von oben in unsere so vehement vertretene Freiheit 
(immerhin haben wir gegen besseres Wissen aus Pappbechern 
getrunken, weil es ja Ausdruck unserer Freiheit ist, das zu 
tun) eingegriffen. Aber jeder trinkt weiterhin seinen Tee oder 
Kaffee - so als sei nichts geschehen, nun eben aus den 
Porzellan-Gefaessen. Protest fand nicht statt. Es soll nun 
keiner sagen, hier zu protestieren, waere laecherlich gewesen. 
Denn dies haette ja geheissen, dass wir laecherliche Figuren 
waren, als wir aus Pappbechern tranken und von Freiheit 
toenten, wo wir (durch den fehlenden Protest eingestanden) 
gar keine sahen. Wir treten also gar nicht fuer unsere Freiheit 
ein. Freiheit erweist sich als Gleichgueltigkeit - 
Gleichgueltigkeit dem gegenueber, was wir tun und was mit 
uns gemacht wird. Zum anderen zeigt sich eine Ignoranz dem 
Leben gegenueber. Denn wer - obwohl er weiss, dass sein 
Handeln negative Folgen fuer Natur und Mensch hat - 
dennoch so handelt, ist dem Leben gegenueber gleichgueltig. 
Dieses Verhalten  ist bekannt: Man schert sich um nichts, ist 
ignorant und vollkommen egozentrisch. Der klassische 
Spiesser. Was frueher der gehegte Vorgarten war, ist heute 
die Dose oder der Pappbecher.
Wer aber nicht bereit ist, fuer seine Handlungen einzustehen,  
ist auch nicht faehig, Verantwortung zu tragen. Ein Einzelner 
darf Selbstmord begehen. Das Recht, alle anderen zu toeten, 
hat er nicht. Hat er aber das Recht, alle anderen zu retten?                  
(Henning Banthien)


KEINES ANDEREN KNECHT - PARACELSUS, 
HUMANIST UND DESPERADO FUeR EINE BESSERE 
MEDIZIN WIR 500.

Theophrastus Bombast von Hohen-heim aus Einsiedeln, 
beider Medizin Doctor und Professor gruesst die 
Studierenden der Medizin.
So, verehrte Studierende, begann ich 1528 in Basel meine 
Intimatio: eine Schrift, von der man heute sagt, sie haette 
epochalen Charakter und sei der Hippokratische Eid der 
Reformation. Sie trug mir den Ruf des "Luther medico-rum" 
ein. 
Aber gestatten Sie mir, dass ich mich vorstelle. Mit dem 
Theophrastus Bom-bast aus der ersten Zeile werden Sie nicht 
viel anfangen koennen. Besser bekannt bin ich unter meinem 
Schrifsteller-pseudonym: Paracelsus.
Dieses Jahr feiere ich meinen fuenfhun-dertsten Geburtstag. 
Ich denke, dass ist eine gute Gelegenheit, Ihnen in wenigen 
Stichworten mein Leben und meine Persoenlichkeit zu 
schildern. Eine Persoenlichkeit, ueber die Carl Gustav Jung 
schwaermt: "Er war wie ein gewaltiger Sturmwind, welcher 
alles auseinanderriss und alles zusmmenwirbelte, was sich 
irgendwie von der Stelle ruecken liess." Und: "Er ist eine jener 
grossen Gestalten der Renaissance, welche in ihrer 
Abgruendigkeit auch heute ... uns noch problematisch sind." 
Zugegeben, Bescheidenheit war noch nie meine Sache. Aber 
warum sollte ich Bescheidenheit heucheln? Die Heidelberger 
Universitaets-bibliothek zaehlt einundzwanzig Werke zu 
meinem Leben und Wirken. Ich bin Lerninhalt der 
Gegenstandskataloge zu den medizinischen Staatsexamina. 
Wenn GEO-Wissen die Geschichte der Pharma-kologie 
nacherzaehlt, schmueckt ein Gemaelde meiner Wenigkeit den 
Artikel. Allein in diesem Jahr werden zwei neue 
Mammutwerke erscheinen, in denen Groessen aus  Geschichte 
und Medizin mein fuenfhundertstes Jubilaeum feiern. Es 
stimmt schon, was Herr Johann Wolfgang von Goethe da 
ueber mich aeussert: "Man ist gegen den Geist und die Talente 
dieses ausserordentlichen Mannes in der neueren Zeit mehr als 
in einer frueheren gerecht."
Aber von vorne bitte:       
1493 Einsiedeln, Kanton Schwyz. 
Ich, Theophrastus Bombastus Aureolus Philipus von 
Hohenheim, erblicke als Sohn des Schwaben Doctor 
Wilhemus von Hohenheim und seiner Frau Els das Licht der 
Welt. Meine Mutter leidet an einer Krankheit, die man heute 
als  Schizophrenie bezeichnen wuerde. Als ich neun Jahre alt 
bin, ertraenkt sie sich. Mein Vater verlaesst Einsiedeln und 
zieht nach Villach. Dort weist er mich in die Geheimnisse der 
Natur ein - insbesondere in die Medizin und die Philosophie. 
Spaeter schreibe ich ueber die Vater-Sohn-Beziehung:"...also 
wird ein ietlicher geboren in die art sines vaters. was im vom 
selben ingebildet wird, mag er vollstrecken. also ist der son 
gwaltig in sinem veterlichen erb zehandlen."
Von Villach aus besuche ich die Klosterschule Sankt Paul, wo 
mir die Moenche die Harmonie des Dreiklangs Gott, Mensch, 
Natur erklaeren und sich in mir der Grundstein meiner 
Philosophia adepta formt - der Philosophie, die vom 
Menschen nicht zu lernen ist, sondern alein aus der schul, der 
Natur.

1509 Wien.
In Wien besuche ich die Universitaet und lerne mit dem 
spaetmittelalterlichen Gedankengebaeude der "Sieben Freien 
Kuenste" umzugehen: Neben dem Trivium, dem "Dreiweg", 
aus Grammatik, Rhetorik und Logik studiere ich das 
Quadrivium, den "Vierweg", aus Arithmetik, Geometrie, 
Astronomie und Musik. Ich erwerbe das Bakkalaureat, den 
untersten akademischen Grad, die Vorraussetzung fuer ein 
Fachstudium.
1512 Ferrara.
Ferrara hat eine der hervorragendsten Universitaeten der 
Renaissance. Vor neun Jahren promovierte hier Kopernikus in 
Jura und Theologie. Die medizinische Fakultaet ist eine der 
besten Italiens. Sie bietet mehr als den starren Dogmatismus 
des spaeten Mittelalters: In den Vorlesungen der Professoren 
Nicolaus Leonicus und Johannes Manardus erfahre ich von 
einer Medizin der Empirie und Praxis. Welch ein 
phantastischer Kontrast zu den anderen Lehrveranstaltungen, 
in denen stumpfsinniges Buecher-bueffeln und das unkritische 
Diskutieren ueber die griechischen und arabischen 
Standardwerke - dem Galen und dem Avicenna - aus 
Studenten -Aerzte machen soll! Ein abschliessendes Urteil 
erlaube ich mir allerdings erst fuenfzehn Jahre spaeter, 
nachdem ich fortschrittliche gegen konservative Medizin an 
eigenen Erfahrungen abgewogen habe: Ich hab am ersten den 
alten schriften gwaltig glauben geben und sie gleich dem 
Evangelio gehalten, bis mir klar wurde, dass dieser glaub auf 
einen sant gestellt ist worden.  
An dieseer Stelle moechte ich meinen Lebenslauf fuer einen 
kurzen Exkurs unterbrechen. Was soll ich ueber mich selbst 
philoso-phieren, wenn es heute so viele grosse Geister gibt, 
die das viel besser koennen? 
Frage: Wo sind eigentlich die Frauen bei Paracelsus?
Es antwortet: Heinrich Schip-perges, emeritierter Ordinarius 
des Heidelberger Institutes fuer die Geschichte der Medizin: 
"Da hat man natuerlich immer wieder daran herumgehaeckelt. 
Man hat ihn spaeter einen Eunuchen genannt und sowas alles. 
Aber das ist aus der Luft gegriffen. Frauen spielen in seinem 
biographischen Szenario zwar keine Rolle.Sie spielen aber in 
seinem Werk einen grosse Rolle. Er hat die Frauen ganz 
besonders geschaetzt! Die Frau war fuer ihn eine eigene Welt. 
Die Frau ist bei Paracelsus gewissermassen eine dritte Welt. 
Die grosse Welt ist der Makrokosmos, die kleine Welt ist der  
Mikrokosmos und die Frau ist in sich eine eigene Welt. Aber 
jetzt duerfen sie keinen Feministen aus ihm machen!"
Was heisst hier Feminist oder nicht Feminist? Ich habe mich 
noch nie in Schemata pressen lassen! Ich habe immer 
geschrieben wie mir der Kopf stand - auch ueber die Frau: 
Wer kann einer Frauen Feind sein, sie sei gleich wie sie woll? 
Denn mit ihren Fruechten wird die Welt besetzt, darumb sie 
Gott lang leben laesst, ob sie gleich gar ein Gall waere. Etwas 
weniger euphorisch bemerke ich spaeter: Die Frauen 
uebertreffen im Imaginieren die Maenner.
Aber zurueck zur Chronik: 1516 promoviere ich unter dem 
Gewoelbe der Anatomie in Ferrara zum "Doctor beyder 
arzneyen", das sind die Leib- und Wundmedizin. Es folgt die 
Zeit auf den Kriegsschauplaetzen Europas. Als Feldarzt 
nehme ich am venedischen, niederlaendischen und daenischen 
Krieg teil. Zwischen den Kriegen wandere ich in allen Teilen 
Europas. Waehrend dieser Wander-jahre praegt sich mein 
starker Charakter    - und auch meine Unabhaengigkeit:
Wo ich hinkomme, ecke ich an: Sie trieben mich aus Littau, 
darnach aus Preussen, darnach aus Poland, war nicht genug. 
Ich gefil den Niderlendern auch nicht, weder den Jueden, noch 
moenchen. Ich dank aber Gott, den kranken gefiel ich!
1524 Salzburg. 
Ich will mich niederlassen, eine Praxis gruenden, schreiben! 
Das gelingt mir nur kurz. Aber ich bringe in Salzburg meine 
Krankheitslehre zu Papier: die Lehre von den fuenf Entien, 
den fuenf Fuersten, die unser Leben regieren.
1. Das Ens astrale.
Heinrich Schipperges: "Das ist immer wieder verwechselt 
worden mit Astrologie. Aber hier geht es eigentlich nur um 
das Problem der Zeit. Dass nicht nur die Natur uns gegeben 
ist, sondern wir sind auch in die Zeit geworfen. Es gibt den 
schoenen Satz von Paracelsus: `Die Zeit ursachet die Faeule in 
den Dingen.` Deswegen glaubt Paracelsus: Man muss die Zeit 
beobachten! Und die Zeit ist ja etwas anderes als die mit der 
Uhr gemessene Zeit. Es ist die Erlebniszeit, es ist die 
erfahrene Zeit, die uns von der Kindheit bis in den Tod 
begleitet. Und die Zeit hat die Medizin heute vergessen. Wir 
kennen ja nur noch das, was man messen kann."
Wie schrieb ich doch noch so treffend: Die Zeit ist scharf und 
gewaltig ueber die Kunst und das Leben: bricht der Arznei 
ihren Effekt, bricht der Kunst Vorsatz, bricht seine 
Proprietaet, sein Element, sein Essenz, sein ganz Form und 
was darin ist. 
2. Das Ens veneni.
Heinrich Schipperges: "Er glaubte, die ganze Umwelt steckt 
voller Gift. Und es ist nur die Dosis, die macht, dass das Gift 
kein Gift ist. Das heisst wir koennen diesem Gift nicht 
entrinnen. Wir leben im Gift; wir ueberleben durch Gift - aber 
wir muessen es beherrschen, indem wir es dosieren."
Dazu formuliere ich folgendes treffendes Beispiel: Ein Stier 
der da Gras isset, der isset ihm sein Gift und sein Gesund. 
Denn ein Gras ist Nahrung und Arznei; aber dem Gras an ihm 
selber ist sein Gift. 
3. Das Ens naturale.
Heinrich Schipperges: " Das ist das, was uns mitgegeben ist 
von Natur: unser Erbgut. Wir sind determiniert durch die 
Natur."
Die Schrecken der moderne Molekula-rbiologie! Was bei mir 
noch die Leiblichkeit des Menschen war, ein Weg zu seinem 
wahren Wesen, heisst heute DNA - und man spricht von 
Determina-tion!  
4. Das Ens spirituale.
Heinrich Schipperges:"Das heisst, es gibt geistige und 
psychosoziale Aspekte in unserem Leben, die uns auch krank 
machen und wieder gesund machen. Psychopathologie, 
Psycho-therapie und auch die Imagination spielen eine grosse 
Rolle. Paracel-sus sagt:'Kann Schrecken und Aerger uns 
krank machen, so kann Freude und Hoffnung uns auch gesund 
machen!'"
Das moechte ich doch noch einmal betonen: Ich, Paracelsus - 
Vater der Psychotherapie.
Ueber diese vier  profanen Entien stelle ich das Ens dei.
Heinrich Schipperges: "Der Mensch ist im letzten abhaengig 
von einem Absoluten. Unsere Abhaengigkeit von Gott, wenn 
sie so wollen. Dass wir nicht uns selbst gemacht haben, nicht 
autark sind, nicht autonom, sondern geworden, erschaffen. 
`Erloest`, sagt Paracelsus."  
Aber ich sage noch mehr zum Thema Gott. Z. B. auch: So ist 
denn der Arzt euer Naechster, und Gott ist sein Naechster. Er 
ist nichts Geringeres als der Voll-bringer der Werke Gottes.
Weniger als ein Jahr bleibe ich in Salzburg. Dann muss ich 
fliehen, da ich offen mit den aufstaendigen Bauern 
sympathisiere, die um ihre soziale Stellung kaempfen.

1527 Basel.
Mein Ruf ist gut. Meine Erfolge weithin bekannt. Ich 
therapiere erfolgreich den einflussreichen Verleger Johannes 
Froben. Erasmus von Rotterdam bittet mich schriftlich um 
Diagnose und Therapie seines Nieren- und Leberlei-dens. Der 
Basler Magistrat traegt mir die Stelle des Stadtarztes an, die 
mit einer Dozentur an der Universitaet verknuepft ist. Ich 
greife zu. Ich weiss: Meine Medizin ist um ein Vielfaches 
leistungsfaehiger als alles , was bei der spitzfindigen 
Auslegung der antiken Autoritaeten herauskommt. Mein 
eigenes medizinisches Lehrgebaeude, einer grossen 
Hoererschaft revolutionaer denkender Studenten 
nahezubringen - das ist  eine willkommene Herausforderung! 
Revolutionaer - und damit den Konservativen ein Dorn im 
Auge -bin ich nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Form. 
Als erster Professor ueberhaupt halte ich Vorlesungen auf 
Deutsch! Denn: mein fuernehmen ist hie, zu erklaeren, was ein 
arzet sein sol, und das auf teutsch, damit das in die gemain 
(Sprache) gebracht werde.
Ich verfasse die Intimatio, eine Kampfansage an das 
verknoecherte Professorendenken und ein Programm fuer eine 
moderne Medizin. Unter anderem schreibe ich: Nicht Titel 
und Beredsamkeit, nicht Sprachkenntnisse, nicht die Lektuere 
zahlreicher Buecher ... sind Erfordernisse eines Arztes, 
sondern die tiefste Kenntnis der Naturdinge und 
Naturgeheimnisse, welche einzig und allein alles andere 
aufwiegen. Und: Meine Lehrbuecher sind nicht etwa aus 
Hippokrates und Galenos oder irgendwelchen anderen 
Lehrbuechern zusam-mengebettelt, sondern vermitteln das, 
was mich die hoechste Lehrerin Erfahrung und eigene Arbeit 
gelehrt haben.
Wie koennte es anders kommen? Ich werde beschipft, mit 
dem Namen C a c o phrastus statt T h e o phrastus verhoehnt 
und schliesslich durch richterlichen Beschluss aus der Stadt 
gejagt. Nach einem halben Jahrtausend, denke ich, steht mir 
etwas Haeme zu: Wer, Ihr hochgeehrten Herren Professores, 
die Ihr mich damals so schaendlich behandelt habt, kennt 
heute noch Eure werten Namen? Wenn Euch heute noch 
jemand liest, dann doch nur als Fussnote in einer meiner 
Biographien! Und das ist auch als Warnung an die heutigen 
Professoren gemeint: Nehmt die Kritiker und Neuerer ernst, 
wenn Ihr nicht als Fussnote in einer Hackethal-Biographie 
enden wollt!
Meine letzten Lebensjahre verbringe ich mit Wanderungen. 
Der Geist geistet, wa er will! Und ueberall mache ich mir 
Feinde. Als Laienprediger passe ich weder den Reformatoren, 
noch den Katholiken. Mit meinen Schriften ueber die Syphilis, 
der Franzosenkrankheit, verderbe ich den Fuggern das 
eintraegliche Geschaeft mit dem Gujak-Holz, der weit 
verbreiteten, aber leider voellig wirkungslosen Droge gegen 
die Syphilis. Die Anfeindungen machen mir das Leben schwer. 
Aber ich beuge mich nichts und niemanden: Keines anderen 
Knecht ist, wer sich selbst treu bleibt! Haette ich mit meinen 
Ideen mehr Erfolg haben koennen, wenn ich diplomatischer 
gewesen waere? Heinrich Schipperges: "Ja, natuerlich. Ja, ja, 
er war kein Diplomat. Dazu war er zu quer - auch von seinem 
Charakter her. ... Da war er zu unstet. Er hatte keine Ruhe. Er 
war ein unrastiger Geist." 
Unrastig - aber genial! 1534 schreibe ich Von der Bergsucht 
und begruende damit die Arbeitsmedizin. 1536 beende ich 
mein Werk Von den Tartarischen Krankheiten - die grosse 
Gruppe der Stoffwechselerkrankungen ist entdeckt!            
Meine letzte Veroeffentlichung Die Grosse Wundarznei bleibt 
bis in das 16. Jahrhundert hinein hochaktuell.
1541 Salzburg.
Ich sterbe im Alter von achtundvierzig Jahren. 
Schon frueh in meinem Leben habe ich einen Aphorismus des 
Hippokrates kommentiert: Das Leben ist kurz, die Kunst aber 
lang! 
                                        Euer T. B.
   

DIE PH - BALD 19. PROVINZ DER UNIVERSITAeT?

Wie lange wird es noch eine eigen-staendige Paedagogische 
Hochschule in Heidelberg geben? Wird sie bald Teil der 
Universitaet sein, entweder als 19. Fakultaet oder aber 
aufgesogen von verschiedenen Fachbereichen? 
Eine von der Landesregierung einberufene Kommission 
"Lehrerbildung 2000" befasst sich gerade mit der Neuordnung 
der 6 Paedagogischen Hochschulen in Baden-Wuerttemberg. 
Die Struktur der PH's  soll insgesamt ueberholt, das Konzept 
der Hochschulen fuer die Ausbildung der Lehrer und 
Lehrerinnen bewertet werden. Wenn dieses aus 
Wissenschaftlern, Ministerialbeamten und Vertretern der 
Universitaeten (nicht der PH's, man wollte moeglichst Leute 
ohne Partikular-interessen)  bestehende Gremium im August 
seinen ersten Bericht vorstellt, wird man moeglicherweise  die 
Integration der Paedagogischen Hochschulen in die 
Universitaeten des Landes  vorschlagen: Baden-Wuerttemberg 
ist das einzige Bundesland, in dem es ueberhaupt noch eigene 
Anstalten fuer die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern 
gibt. 
Einiges spraeche tatsaechlich dafuer, diese Hochschulen enger 
an die anderen Universitaeten anzubinden:
- Immer noch glauben viele Idealisten daran, dass sich in 
Institutionen, die zu groesseren Einheiten zusammengefasst 
sind, der Verwaltungsaufwand reduzieren laesst.
- Lehramtsstudierende  und deren Dozenten koennten die 
Einrichtungen der Uni nutzen und braeuchten z.B. kein 
eigenes Labor fuer die Chemie-Ausbildung zu unterhalten.
- Die Befuerworter der Vereinigungsplaene hoffen, dass die 
PH von der fachlichen Forschung und Lehre an der 
Universitaet ebenso profitieren kann wie umgekehrt die 
lehrerausbildenden Fachbereich der Uni von der Erfahrung der 
PH'ler in der Fachdidaktik.
- Die Jungpaedagogen koennten unein-geschraenkt ihren 
Doktorhut oder Pro-fessorentalar erwerben; die 
Paedagogischen Hochschulen haben zur Zeit nur ein sehr 
eingeschraenktes Promotionsrecht und ueberhaupt kein 
Habilitationsprivileg.
Drei Moeglichkeiten stehen jetzt schon zur Debatte, obwohl 
viele Parteien, unter anderem das Wissenschaftsmi-nisterium, 
noch gar nicht bereit sind, Stellungnahmen abzugeben, bevor 
der Bericht der Komission vorliegt (man begnuegt sich mit 
inoffiziellen Andeutungen): Einerseits koennte z.B. die PH in 
der Keplerstrasse eine neue Faktultaet an der Ruperto Carola 
bilden. Andererseits kann sie auch auf die schon bestehenden 
Fachbereiche aufgeteilt werden. Eine dritte Loesung waere es, 
dass die Hochschule  eigenstaendig bleibt, aber zu einer 
bildungswissenschaftlichen Universitaet ausgebaut wuerde.
"Neben einigen Vorteilen gibt es fuer uns auch viele Nachteile 
bei einer Integration der PH's in die Universitaeten", meint 
Daniel vom Asta der Heidelberger PH. "Erstens haben nicht 
alle PH's eine Uni in der Nachbarschaft. Was machen die PH's 
in Weingarten und Schwaebisch Gmuend?  Ganz abschaffen 
kann man diese Anstalten erst recht nicht, denn diese Schulen  
bringen ja auch den laendlichen Regionen, in denen sie stehen, 
Impulse. Zweitens fuerchten wir, in einer Universitaet zu viel 
vom Anteil der Fachdidaktik in unserer Ausbildung zu 
verlieren. Das Vermitteln der Lerninhalte an die Schueler wird 
bei uns staerker betont als bei der Gymnasiallehrer-
Ausbildung an der Uni. Wenn wir erst in der Uni drin sind, 
kann es uns passieren, dass der Didaktik Stellen entzogen und 
an anderer Stelle eingesetzt werden, ohne dass die ehemaligen 
PHler grossen Einfluss darauf haben. Wenn die Einver-leibung 
allerdings kommt, dann ist uns eine eigene Fakultaet allemal 
lieber als das Aufgehen in anderen Uni-Fach-bereichen." 
Die Meinung der Dozenten und Professoren an der PH ist 
geteilt. Einige sehen fuer sich und ihr Fach natuerlich eine 
Chance, wenn es an einer Universitaet gepflegt wird (und sie 
sich Universitaetsprofessoren nennen koennen). Andere 
fuerchten, aehnlich wie der Asta, dass ihr Fach untergehen 
oder zumindest in den Hintergrund gedraengt werden 
koennte. 
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die 
Arbeitnehmer-vertretung der Lehrerinnen und Lehrer, 
befuerwortet im Gegensatz zum Asta das Zusammengehen 
von Unis und PH's. Hier hofft man vor allem auch auf eine 
bessere Ausbildung der Gymnasiallehrer und -lehrerinnen an 
den Unis, wenn die Paedagogischen Hochschulen in den 
Fachbereichen aufgehen und sich dort ihr Einfluss bemerkbar 
macht.
Allgemein wuenschen sich der Grossteil der PH-Lehrenden 
und -Lernenden eine eigene Bildungswissenschaftliche 
Universitaet mit vollem Promotions- und Habilitationsrecht 
und der Moeglichkeit, auch staerker in anderen Bereichen als 
dem Schuldienst aktiv zu sein und beispielsweise neben dem 
Lehrerexamen und dem Paedagogik-Diplom auch 
Magisterabschluesse in Betriebspaedagogik oder 
Kommunikationswissenschaften anzubieten. Das wuerde die 
PH's auch unabhaengiger von den Einstellungswellen des 
Schuldienstes machen, der, weil sich  Studierwillige danach 
richten, die PH's in regelmaessigen Abstaenden stark fuellt 
oder wieder leert. 
Hier wuerde aber keine blosse Namens-aenderung und 
Erweiterung der Rechte ausreichen: Die innere Struktur der 
PHs muesste auch in diesem Fall voellig umgekrempelt 
werden.
"Eine Vereinigung der PH mit der Uni wird nur dann etwas 
bringen, wenn die alten, lehrerausbildenden Fachbereiche z.B. 
an der Ruperto Carola auch dazu bereit sind, von der Art, wie 
an der PH jetzt Lehrerinnen didaktisch vorbereitet werden, zu 
lernen und Lehrende und Lernende der PH nicht einfach 
schlukken,"meint man im Asta in der Keplerstr. "Wenn die 
Vereinigung denn kommt, dann brauchen wir ein ordentliches 
Ueberleitungsgesetz, das grundsaetzlich festschreibt, was 
Lehrerbildung leisten soll  und dafuer sorgt, dass die PH-
Studiengaenge ihre Schwerpunkte in Fachdidaktik und 
paedagogischer Ausbildung auf lange Sicht in die Universitaet 
einbringen koennen. In den anderen Bundeslaendern waren 
diese Regelungen zum Teil nicht praezise genug; die 
Paedagogik und Fachdidaktik ist untergebuttert worden. 
Heute sind die Leute schon ziemlich ungluecklich darueber".
Im August, wenn die Kommission ihren Bericht 
veroeffentlicht, wird man sich auch dem 
Wissenschaftsministerium erklaeren muessen.                                          
(hn)


DURCHLEUCHTUNG -IN BASEL HAT MAN'S SCHON 
HINTER SICH

Fuer Schweizer Studierende ist Hayek Engineering kein 
Unbekannter. Die Zuericher Unternehmensberatung hat schon 
einige Erfahrungen mit der Durchleuchtung von 
Hochschuleinrichtungen gemacht. 1985 bekam sie den 
Auftrag, die ausseruniversitaeren Forschungseinrichtungen der 
Schweiz, d.h. die Eidgenoessisch-Technischen Hochschulen in 
Zuerich und Lausanne und ihr angeschlossene Einrichtung, auf 
Effizienz zu untersuchen.
Auch in der aeltesten Universitaet der Schweiz in Basel kennt 
man Hayek sehr gut. 1990/91 waren die Consultants hier im 
Auftrag der Verwaltungen der Kantone Basel-Stadt und 
Basel-Land "zu Gast". Der Ursprung dieses Auftrages geht 
auf eine Streitigkeit der beiden Kantone um die Traegerschaft 
und damit um die Finanzierung der Universitaet Basel 
zurueck. Aufgrund steigender Studentenzahlen aus Basel-
Land forderte die Stadt eine staerkere Beteiligung des Land-
Kantons an den Kosten der von  ihr getragenen Hochschule. 
Nach laengeren Verhandlungen stimmte Basel-Land 
schliesslich einer paritaetischen Finanzie-rung der Uni zu.  
Allerdings sollte diese einer umfassenden Reform unterzogen 
und die traditionell gewachsenen Strukturen durchforstet 
werden, um eine vollstaendig neue, Organisation zu schaffen. 
Man wollte eine unabhaengige, nicht-staatliche Institution mit 
dieser Aufgabe beauftragen. In einer Ausschreibung bekam 
darauf hin die Unternehmensbera-tung Hayek Engineering 
unter 4 Bewerbern den Zuschlag.
Bis dahin war die Universitaet nicht an diesen politischen 
Entscheidungen beteiligt gewesen. Vor Beginn der 
Untersuchung aber wurde dann ein Steue-rungsausschuss 
eingerichtet, in dem ein Professor der wirtschaftswissen-
schaftlichen und einer Professorin der medizinischen Fakultaet 
die Universitaet vertraten und in dem auch Vertreter der 
Kantone sassen. Die Firma Hayek schickte eine Gruppe von 5 
staendigen Mitarbeitern nach Basel, denen dort ein Buero zur 
Verfuegung gestellt wurde. Nach Aussagen eines Mitgliedes 
der Universi-taetsverwaltung bestand ein "hervorragender 
Kontakt" der Consultants zu allen Gruppen. 
Das Ergebnis der Untersuchung bestand in einem Ablaufplan 
der zentralen und dezentralen Verwaltung, in dem die Rolle 
der zentralen Verwaltung ganz neu geplant wurde. Dabei 
sollte erwaehnt werden, dass sich die Verwaltung der Baseler 
Hochschule aus ca. 200 Personen zusammensetzt. Es gab 
auch unerwartete Ergebnisse, die mittels einer 
Stichprobenuntersuchung, wie sie in Baden-Wuerttemberg 
durchgefuehrt wird, nicht zu Tage gekommen waeren, z.B. 
ein hoeherer Personalbestand an der chemischen Fakultaet als 
angenommen. Das groesste Problem der Untersuchung bildete 
jedoch die medizinische Fakultaet mit ihrer Vermischung der 
Stellenbeschreibungen mit dem staatlichen Gesundheitswesen 
- ein Problem, das auch Hayek nicht loesen konnte: Nicht 
einmal die Consultants gelangten an alle noetigen Unterlagen. 
Im grossen und ganzen scheint man an der Universitaet Basel 
nach einer anfangs recht kritischen Einstellung von der 
Kompetenz und dem Einfuehlungsvermoegen der Hayek-
Leute sehr positiv ueberrascht gewesen zu sein: "...die 
konnten zuhoeren und versuchten, sich in unsere Lage 
hineinzuversetzen". Nachdem der Abschlussbericht von den 
beiden Kantonen "positiv zur Kenntnis" genommen worden 
ist, ist man zur Zeit mit Eifer dabei, die Ratschlaege auch 
umzusetzen. Wie aus der Universitaetsverwaltung zu erfahren 
war, laeuft das aber auch nicht ohne heftige Revierkaempfe 
ab.
Auch in der Studentenschaft der Universitaet zieht man eine 
positive Bilanz des Hayek-Besuches. Zwar war man auch hier 
anfangs sehr skeptisch: Die Studierenden hatten bei der 
Evaluierung der Technischen Hochschulen 1985 voellig im 
Abseits gestanden, waren zu nichts befragt worden und 
konnten selbst den Abschlussbericht nur unter allergroessten 
Schwierigkeiten einsehen. Doch in Basel schlug Hayek eine 
ganz andere Linie ein: Die Studierenden wurden von Anfang 
an in die Evaluation mit einbezogen. Eine Kommission der 
Studentenschaft erarbeitete ein eigenes Papier, das in den 
Abschlussbericht einbezogen wurde. "Hayek war nicht 
verkehrt", resuemierte Gunnar Mikosch, Sekretaer der 
Baseler Studentenschaft, "die Unternehmensberatung hat 
immerhin Anstoesse zu Veraenderungen gegeben, die jetzt 
teilweise auch realisiert werden". 

Rene Becker / (hn)


TAGELOeHNER DER WISSENSCHAFT - DIE LAeNDER 
WERFEN DEN VEREINBARTEN TARIFVERTRAG FUeR 
HIWIS UeBER BORD

800 wissenschaftliche Hilfskraefte in Heidelberg, etwa 
100.000 in der ganzen Bundesrepublik, haetten sich freuen 
koennen: Noch im November letzten Jahres hatte es so 
ausgesehen,  als ob sie bald ausgewachsen Arbeitnehmer mit 
(fast) allen Rechten werden koennten. Die Gewerkschaften 
Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Oeffentliche Dienste, 
Transport und Verkehr (OeTV) hatten sich nach 
zweijaehrigen Verhandlungen am 26.11. mit der 
Tarifgemeinschaft deutscher Laender (als 
Arbeitgebervertreter) auf den ersten Tarifvertrag fuer 
wissenschaftliche Hilfskraefte ueberhaupt geeinigt.
Die studentischen Beschaeftigten sollten damit zum ersten 
Mal nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundesangestelltenta-rif 
vor mehr als zwei Jahrzehnten wieder in den Genuss einer 
allgemeinen Vereinbarung ueber Bezahlung, Sozialleistungen 
und Arbeitsbedingungen kommen. Berlin und das Saarland 
waren in dieser Sache - sehr zum Verdruss der auf 
Gruppendisziplin bedachten anderen Laender - schon 
vorgeprescht und hatten mit ihren Jungakademikern 
entsprechende Vereinbarungen geschlossen. 
Jetzt, ab dem 1. April, sollte endlich ein bundeseinheitlicher 
Vertrag gelten. Zur Zeit ist die Behandlung der 
wissenschaftlichen Adjudanten nur in einer Richtlinie der 
Tarifgemeinschaft der Laender umrissen. Diese enthaelt zum 
Teil nur das, was sowieso gesetzliche vorgeschrieben ist, oder 
aber "Kann"-Bestimmungen, die keine sichere Grundlage fuer 
die Beschaeftigten sind. Lohnerhoehungen werden ohne 
gewerkschaftlichen Verhandlungs-partner nach Belieben an 
die Beschaeftigten herabgereicht (und das auch nicht 
regelmaessig, wie einige in den 80er Jahren verordnete 
"Nullrunden" zeigten)  
Doch was muendlich in zaehem Feilschen schon ausgemacht 
worden war, trug, auf Papier gebracht, auch im April noch 
bloss die Unterschrift der Gewerkschaften. Die Laender 
wollen von diesem Kompromiss ploetzlich nichts mehr wissen 
und liessen den Termin, an dem der Pakt in Kraft treten soll, 
einfach verstreichen, ohne ihn zu unterzeichnen.
Selbst wenn niemand mit Aussagen ueber das Verhalten der 
einzelnen Laender in deren Tarifgemeinschaft zitiert werden 
willl, so scheint doch klar zu sein: Auch Baden-Wuerttemberg 
hat nach anfaenglich zoegernder Zustimmung zu den 
Vereinbarungen gegen eine Unterzeichnung des Vertrages 
gestimmt. Es ist wohl vor allem der Druck der 
Universitaetsfuehrunge n (die Hochschulrektorenkonferenz 
hat die Idee eines Tarifvertrages schon in einem Beschluss im 
November 1991 abgelehnt), der die Laendervertreter auch in 
Baden-Wuerttemberg zum Rueckzug veranlasst hat. Rektoren 
und Kanzler glauben, dass die Hochschulen an Flexibilitaet bei 
der Einstellung der Hiwis verlieren: Der Tarifvertrag verlangte 
eine in der Regel mindestens einsemestrige Ver-tragsdauer 
fuer Einstellungen. Ausserdem wird der Hiwi durch 
Lohnerhoehung und groessere Sozialleistungen teurer. Man 
kann also mit dem gleichen Geld nicht so viele Gehilfen 
einstellen.
Weniger schwer scheint bei Land und Universitaeent das 
Argument zu wiegen, dass ein abgesicherter und 
einigermassen atrraktiv bezahlter Hiwi natuerlich auch mehr 
leistet. Ausserdem koennte man, waere man nicht selber 
Student und somit Nutzniesser der Unis, diesen leicht 
haemisch zurufen: "Ihr habt Euch ins eigene Fleisch 
geschnitten!". Denn fuer die kontinuierlichen, am 
Oeffentlichen Dienst orientierten Lohnerhoehungen innerhalb 
eines Tarifvertrages koennte man sehr viel einfacher auch 
regelmaessig steigende Betraege vom Lande erhalten. Jetzt 
aber sind die Hiwi-Toepfe sehr viel staerker unter der Fuchtel 
des Wissenschaftsministeri-ums.
Das Nicheinhalten von tariflichen Vereinbarung ist in 
Deutschland offensichtlich in Mode gekommen. Auch wenn 
die Laendern damit juristisch keinen anfech-tbaren 
Rechtsbruch betrieben haben: Sie haben ein eindrucksvolles 
Beispiel ihrer Zuverlaessigkeit gegeben und demonstriert, wie 
verlaesslich Verhandlungen mit ihrer Tarifgemeinschaft sind 
und wie sehr ihnen die unterste Klasse der Mitarbeiter in der 
Wissenschaftler-hierarchie am Herzen liegt.  In einem 
weiteren Punkt muessen sich die Hiwis  ausserdem fast noch 
mehr  verladen vorkommen als beim Bruch der Zusage zum 
Tarifvertrag:  Lohnerhoehungen wurden seit September  1991 
immer wieder mit dem Hinweis darauf verschoben dass man 
diese ja bald anlaesslich eines Tarifvertrages festlegen werde.
(hn)     


DOKTORANDEN KELLNERN WIEDER - DIE MITTEL 
FUeR DIE BEZAHLUNG VON HIWI-GEHAeLTERN 
WERDEN UM 25% GEKUeRZT

Die Aufregung ist nicht unerheblich an vielen Instituten in 
Heidelberg und den anderen Unis im Land. Die Etatverwal-ter 
muessen mit einem Viertel weniger Geld fuer 
wissenschaftliche Hilfskraefte auskommen als noch im letzten 
Jahr. Der Nachschlag, den es fast jedes Jahr auf die im 
Dezember festgelegten, zunaechst in den Haushalt 
eingeplanten Betraege gab, wird diesmal ausfallen. Da aber 
diese Mittel bisher mit aller Regelmaessigkeit kamen - und sie 
vor allem bitter noetig war, um wenigstens die jetzige 
bejammernswerte Situation in Hoersaealen und Bibliotheken 
aufrechtzuerhalten - hatte man diese Mittel zumeist schon 
ziemlich fest eingeplant. 
In vielen Bereichen stehen jetzt dramatische Einschnitte 
bevor: Tutorien koennen nicht mehr organisiert werden, 
Uebungen muessen zusammengelegt werden, Bibliotheken 
ihre Oeffnungszeiten einschraenken. Am Institut fuer 
Theoretische Physik konnten Professoren 
Einstellungsversprechen, die sie  hoffnungsfrohen 
Doktoranden  gegeben hatten, nicht mehr halten. Erst 
rueckwirkend  erfuhren sie, dass kein Geld fuer sie da sei - 
obwohl sie eigentlich schon seit dem 1. April in Lohn und 
Brot stehen  sollten. Andere, die schon  mitten in ihrer 
Doktorarbeit waren, haetten mit einem Mal soviele iher 
Wochenarbeitsstunden abgeben muessen,  dass ihnen zum 
Ueberleben wohl nur die Kellnerei geblieben waere. In der 
ersten Woche auch die von Hiwis geleiteten 
Anfaengeruebungen, bis nach einer Woche die verbleibenden 
Stunden so umverteilt und die Mittel so aus einem anderen 
Topf  ergaenzt waren, dass die Haertefaelle notduerftig 
abgefedert waren und der Uebungsbetrieb wieder 
aufgenommen werden konnte (die Professoren liessen in ihren 
Reihen sogar den Spendenhut kreisen). Bis zum Beginn des 
Wintersemesters wird man mit dem Geld jetzt einigermassen 
hinkommen. Wie es danach weitergeht, weiss allerdings noch 
keiner. 
"Die Universitaeten bekommen in diesem 


FORSCHUNG IST NICHT ALLES - PROF. KLAUS VON 
BEYME ZURUeCK IN HEIDELBERG

"Studenten sind eine wichtige Kontrolle fuer Professoren. 
Man merkt, wenn man seine Sachen vortraegt, ob man schon 
spinnt oder noch verstanden wird." Klaus von Beyme, Leiter 
des Institus fuer Politikwissenschaft,  ist wieder in Heidelberg, 
zurueckgekehrt von  einer einjaehrigen Forschungsprofessur 
am Berliner Wissenschaftszentrum. Schon im Februar '92 
hatte von Beyme beim ruprecht-Interview angekuendigt, er 
werde das Angebot, auf Lebenszeit in Berlin zu bleiben, erst 
einmal pruefen. 
Obwohl er sich seinerzeit sehr fuer Berlin als Hauptstadt 
eingesetzt hat, ist er kein Hauptstadtbewohner geworden; und 
wer seine Vorlesung am ersten Mittwoch des neuen Semesters 
gehoert hat, glaubt gerne, dass er sich hier in Heidelberg 
wohlfuehlt: Gutgelaunt unterhaelt von Beyme sein Auditorium 
zunaechst mit ein paar sueffisanten Bemerkungen zum neuen 
Uni-Ranking, bevor er zum Vorlesungsstoff uebergeht: 
Einfuehrung in die Theorie der internationalen Politik. 
Von Beyme nervt nicht mit monotoner Routine - dreissig 
Jahre Lehre sprechen fuer sich -, sondern wuerzt die Materie 
stets mit dem ein oder anderen Bonmot. Nur schade, dass 
diesmal kaum innerdeutsche Probleme zur Sprache kommen, 
die beliebten Sticheleien ueber Kohl und das Bonner Polit-
Kabarett werden in diesem Semester wohl rar bleiben. 
Rueckblende: September '92. Von Beyme sitzt in seinem 
Berliner Buero am Reichpietschufer, unweit des Potsdamer 
Platzes. Bereitwillig gibt er Auskunft ueber seine Taetigkeit 
am Wissenschaftszentrum: Momentan arbeite er an einer 
Studie ueber die wichtigsten Entscheidungen des deutschen 
Bundestages seit 1949. Von Interesse seien dabei die 
Auswirkungen, die wissenschaftliche Beratung auf politische 
Entscheidungen und die Entstehung neuer Gesetze hat. 
Ausserdem erforsche er Transformationsprozesse ehemals 
sozialistischer Laender. Dabei gehe es besonders um den 
Aufbau von Parteien und Interessengruppen sowie um die 
Schaffung neuer Institutionen.
In Berlin ist von Beyme Mitglied der Kommission gewesen, 
die den Neuaufbau der Sozialwissenschaften an der Hum-
boldt-Universitaet uebernommen hat. Dabei hat er vor allem 
als unbefriedigend empfunden, dass viele der Ost-
Wissenschaftler nicht uebernommen werden konnten. Im 
Bereich der Politikwissenschaft habe es noch besondere 
Schwierigkeiten gegeben, weil es eigentlich gar keine 
Politikwissenschaftler in der DDR gegeben habe. "Es gab 
ueberhaupt keine professionalisierten Politologen", so von 
Beyme, "es waren sehr haeufig Marxisten-Leninisten, die dort 
ihre ideologischen Griffe geklopft hatten, und sich dann bei 
der Wende als Politologen drapierten." 
Die Kommission hatte allerdings nicht die Aufgabe, die 
politische Vergangenheit der jeweiligen Wissenschaftler zu 
pruefen. "Wir haben nur evaluiert, was die geschrieben hatten, 
und - vielleicht noch wichtiger: was sie nach der Wende 
gemacht haben." Gerne haette die Kommission mehr 
ostdeutsche Wissenschaftler uebernommen, doch von Beyme 
stellt fest: "In unserem Fachbereich,  wie man sich das 
gewuenscht haette." 
Ob er mit der reinen Forschungstaetigkeit zufrieden ist? 
"Nein, ich muss eigentlich sagen, dass mir die Studenten 
fehlen. Ich habe zwar etwas mehr Zeit, als ich in Heidelberg 
gehabt haette, doch auch in Forschungseinrichtungen ist nicht 
alles Gold, was glaenzt." 
Jetzt hat er es wieder: sein Heidelberger Publikum; und es ist 
ihm anzumerken, dass er es geniesst. Einziger 
Wermutstropfen fuer von Beyme: Die Begruessung zum 
Vorlesungsbeginn fiel weniger herzlich aus, als der Abschied 
im vergangenen Jahr - damals entliessen ihn die Studierenden 
mit minutenlangem Beifall aus dem Hoersaal Nummer sechs 
der neuen Uni. Im Sommersemester '93 nun muss er 
Politikprofessor  mit der fensterlosen Heuscheuer 
vorliebnehmen. Der Haken: Im Verzeichnis war der Hoersaal 
10 eingetragen; die meisten Zuhoerer kamen zehn Minuten zu 
spaet - kein Antrittsapplaus. Von Beyme traegt's mit Fassung: 
"So ist das, wenn man eine Weile weg war: Aus den Augen, 
aus dem Sinn. Fuer Sie hat die Heuscheuer natuerlich einen 
Vorteil: Sie sind hernach schneller in der Mensa."                                        
(As)


UNBEHAGEN IM FAHRRADSATTEL - VIELE 
RADFAHRER FUeHLEN SICH AUF HEIDELBERGS 
STRASSEN NICHT SICHER

Was die radfahrenden Verkehrsteilnehmer fuer unsere urbanen 
Zentren bedeuten, liegt auf der Hand: eine Entlastung von 
giftigen Abgasen und penetrantem Laerm. Obendrein ist der 
Radfahrer im staedtischen Verkehr schneller am Ziel als der 
Radfahrer. Fragt man nun danach, was die Grossstadt dem 
Radler bietet, so ist die Antwort weit weniger erfreulich. Der 
Grossteil von ihnen fuehlt sich im taeglichen Verkehr bedroht, 
denn dort gilt letztendlich das Recht des Staerkeren. An 
gejagte Hasen erinnern die Radfahrer, wenn sie sich auf den 
mehrspurigen Asphaltpisten zwischen den Autoreihen 
durchzuschlaengeln versuchen.
In einer Umfrage des Heidelberger Umwelt- und Prognose-
Instituts (UPI) beurteilten 53 Prozent der Befragten die 
Heidelberger Radfahrbedingungen als schlecht. Die gleiche 
Umfrage wurde auch in Muenster veranstaltet. Hier zeigten 
sich nur vier Prozent unzufrieden mit der Situation in ihrer 
Stadt. Eine weitere Untersuchung fuehrte das Psychologische 
Institut Heidelberg im August '92 durch. Psychologie-
Studenten befragten 300 Radfahrer nach ihrer Meinung ueber 
die Radwege in Heidelberg. Die Umfrage bestaetigte, dass 
sich ein Grossteil der Radfahrer auf Heidelbergs Radwegen 
gefaehrdet fuehlt. Hindernisse wie Ampeln und 
Strassenquerungen sowie die haeufige Wegteilung mit 
Fussgaengern und Autos werden als Gefahrenherde 
angesehen. Separate Radwege dagegen als sicher und 
angenehm.
Aus der Unfallstatistik der Polizei-direktion Heidelberg geht 
hervor, dass 1992 weniger Radfahrer als im Vorjahr in 
Unfaelle verwickelt waren: die Zahl ging um 3,3 Prozent 
zurueck. Allerdings stieg der Anteil der verletzten Radfahrer 
weiter an. Im vergangenen Jahr wurden 252 Radfahrer bei 
Unfaellen verletzt; das sind 5,4 Prozent mehr als 1991. Damit 
setzt sich die negative Entwicklung in der Unfallbilanz fort. 
Der Leiter der  Polizeidirektion, Horst Kretschmer, unterstellt 
vielen Radfahrern eine "abenteuerliche Fahrweise". Zu den 
haeufigsten Verstoessen gehoerten "das Ueberfahrenen des 
Rotlichts und defekte Be-leuchtungs- und 
Bremseinrichtungen".
An den Unzulaenglichkeiten der Radfahrer allein kann es aber 
nicht liegen. Viele Zwischenfaelle sind bedingt durch den 
wachsenden Verkehr, unuebersichtliche Verkehrsfuehrungen 
und fehlende Sicherheitsvorkehrungen. Von einem Mitarbeiter 
der Abteilung Verkehrswesen der Polizei konnten wir 
erfahren, dass besonders Ein- und Ausbiegespuren, 
Ausfahrten und Wege, die sich Radfahrer und Fussgaenger 
teilen, unfalltraechtig sind. Die Stadtverwaltung habe zum 
Beispiel den kombinierten Rad- und Fussweg an der 
Neuenheimer Landstrasse fuer Radfahrer wieder gesperrt, da 
sie haeufig mit Fussgaengern kollidierten. Weitere Gefahren- 
bereiche stellten `92 die Kasernenaufahrt am Kirchheimer 
Weg, die Ernst-Walz-Bruecke, Bergheimer- und Mitter-
maierstrasse sowie die Moenchhofstrasse  dar. Hier fuehrt der 
Radweg zwischen dem Gehweg und parkenden Autos 
hindurch. Der Autofahrer, der aus einer Seitenstrasse oder 
Ausfahrt einbiegt, muss auf zweierlei achten: den Pkw-
Verkehr auf der Moenchhofstrasse und die Radfahrer, die 
unvermittelt hinter den parkenden Autos auftauchen.
Im Maerz 1991 rief Heidelbergs Ober-buergermeisterin Beate 
Weber ein Verkehrsforum ins Leben, das sich aus Vertreten 
verschiedener Koerperschafen, Instituten, Parteien, Initiativen, 
Behoerden und Stadtteil-Vertretungen zusammensetzt. 
Gemeinsam mit dem Gutachter Professor Wermuth aus 
Braunschweig erarbeitet das Forum einen Verkehrs-
entwicklungsplan, der fuer eine langfrist-ige Konzeption bis 
ins Jahr 2000 angelegt sein soll. "Das Verkehrsforum 
beguenstigt im allgemeinen die Radfahrer", erklaert Carsten 
Schulz, der Pressesprecher des ADFC. Lediglich bei der 
CDU, den freien Waehlern und dem Einzelhandel rege sich 
Widerstand gegen den Ausbau des Radwegenetzes. Dabei 
seien die finanziellen Gruende, die die CDU teilweise vorgibt, 
ziemlich fadenscheinig, da die Partei andererseits den 
wesentlich kostspieligeren Bau der Nordumgehung zwischen 
Heidelberg und Leimen unterstuetze.
Die Einrichtung einer Fahrradspur auf der Bismarkstrasse 
hatte bereits zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen 
den verschiedenen Interessenverbaenden (siehe Interview) 
gefuehrt. Was fuer die einen ein Gluecksfall war, betrachteten 
andere als "Verkehrsschikane". So beklagte Stadtrat Werner 
Poppen (FWV) die "blindwuetige Autofeindschaft" in 
Heidelberg, die die "Mobilitaet der Buerger schikaniert". 
Trotzdem plant das Stadtbauamt weitere Verkehrsent-
lastungen in der Innenstadt: noch in diesem Monat soll die 
Ploeck vom Friedrich-Ebert-Platz bis zur Heiliggeistkirche zu 
einer Fahrradstrasse umgestaltet werden. Diesen Bereich 
duerfen dann lediglich Zulieferer und Anlieger passieren. 
Ausserdem hat der Fahrradbeauftragte Bert-Olaf Riek 
beschlossen, einen Grossteil der Einbahnstrassen fuer Radler 
in Gegenrichtung zu oeffnen.
Anfang 1992 hat die Projektgruppe Verkehr, die sich aus 
Vertretern der Stadtverwaltung, der HSB und verschiedenen 
Buergerinitiativen zusammensetzt, ein Gesamtkonzept fuer 
den Ausbau des Radwegenetzes entwickelt. Einerseits sollen 
entlang der Hauptverkehrsstrassen Schnellverbindungen fuer 
Radfahrer eingerichtet werden, andererseits plant die 
Projektgruppe sogenannte ruhige Verbindungen durch die 
Wohnviertel. Auf solchen Fahrradstrassen werden Radfahrer 
Vorfahrt gegenueber dem motorisierten Verkehr haben. Die 
Projektgruppe moechte damit ein lueckenloses Rad-wegenetz 
ausbauen, das die einzelnen Stadteile miteinander verbindet. 
"Wichtig in diesem Zusammenhang ist", so erklaert Matthias 
Reichmuth, ein Sprecher des VCD Rhein Neckar, "dass 
Radwege dem Fahrradfahrer ein Gefuehl der Sicherheit 
vermitteln."
Der ADFC vertritt die Auffassung, dass Radwege nicht immer 
die Sicherheit der Fahrradfahrer erhoehen, und fordert daher 
eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 
Stundenkilometer in den Staedten. Eine Forschungsarbeit der 
Universitaet Lund (Schweden) liefere dafuer den Beweis. Die 
schwedische Forschergruppe verliess sich nicht auf die 
Unfallstatistiken der Polizei, sondern stellte an Kreuzungen 
Videokameras auf. Damit konnten saemtliche Zwischenfaelle 
erfasst werden - auch solche, die nicht zu Unfaellen fuehrten. 
Die Auswertung des Filmmaterials ergab, dass die Benutzung 
des rechten Radweges, wie auch das Linksabbiegen auf der 
Fahrbahn 3,4 mal gefaehrlicher ist als das Geradeausfahren auf 
einer Fahrbahn. Beim Linksabbiegen vom Radweg und beim 
Benutzen von Zweirichtungsradwegen steigert sich das Risiko 
sogar um den Faktor 11. "Daher", so Carsten Schulz, "sind 
uns Regelungen, wie sie beispielsweise in der 
Mittermaierstrasse bestehen, ein Dorn im Auge."
Es bleibt zu hoffen, dass es den Verkehrsplanern gelingt, die 
Gefaehrdung der Radfahrer zu verringern und damit die 
Attraktivitaet des Radfahrens zu erhoehen. Derzeit sind 
ungefaehr 20 Prozent der Verkehrsteilnehmer in Heidelberg 
mit dem Fahrrad unterwegs. Nach Auffassung des ADFC 
liesse sich der Anteil der Radfahrer auf 30 Prozent erhoehen. 
Dies bestaetigt auch die Studie ueber das 
Verkehrsaufkommen in Heidelberg von Professor Wermuth. 
Danach legen 56 Prozent der Autofahrer, die den 
Bismarkplatz passieren, eine Strecke von weniger als fuenf 
Kilometern zurueck. Ein Grossteil von ihnen ist potentieller 
Benutzer von oeffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrraedern.


FAHHRADLOBBY IN HEIDELBERG

VCD, Fahrradinitiative und ADFC haben sich zur Interes-
sengemeinschaft Fahrrad zusammengeschlossen. Dieses 
Gremium diskutiert ueber aktuelle Planungen, fuehrt den 
Dialog mit den zustaendigen Aemtern und tritt auch mit dem 
Uni-Bauamt zusammen, wenn es beispielsweise um die 
Radwegeplanung im Neuenheimer Feld geht.
Die Interessengemeinschaft Fahrrad trifft sich jeden 
Donnerstag um 20.00 Uhr in der Hauptstrasse 42 beim VCD.
Der ADFC ist eine bundes-weite Interessenvertretung mit 80 
000 Mitgliedern. Seit zwei Jahren hat der ADFC einen 
Infoladen in der Roe-merstrasse 17 a (Oeffnungszeiten: 
montags bis mittwochs von 17-19 Uhr), in dem er unter 
anderem Literatur zu Fahrrad und Radkarten anbietet. 
Ausserdem organisiert der Fahrradclub Reperaturtreffs, 
Beleuch-tungsaktionen und Fahrrad-Flohmaerkte.
 

ZWISCHEN "SCHRAMMBORD" UND 
"STAUWIRKUNG" - DREI MEINUNGEN ZUM 
HEIDELBERGER STRASSENVERKEHR

ruprecht sprach mit einem kom-munalen Verkehrsplaner, 
einem Vertreter des Einzelhandels und einem Polizisten

Verkehrsplaner Kay Kettemann:
In der Verkehrsabteilung der Stadt Heidelberg traf ruprecht 
auf Herrn Kay Kettemann, Leiter des Sachgebiets Allgemeines 
Verkehrswesen. Er setzte sich - in Vertretung des 
Fahrradbeauftragten Herrn Dr. Riek - nicht nur mit unseren 
Fragen auseinander, sondern konnte darueber hinaus einige 
interessante Neuigkeiten mitteilen.

ruprecht: Welchen Einfluss hat die Verkehrsabteilung auf den 
Heidelberger Strassenverkehr?
Kettemann: Die Verkehrsabteilung umfasst drei Sachgebiete: 
die Zulas-sungsstelle, die Fuehrerscheinstelle und mein 
Sachgebiet, das allgemeine Verkehrswesen. Wir sind 
zustaendig fuer alles, was mit dem Strassenverkehr zu tun hat. 
Das faengt mit dem Anbringen von Verkehrszeichen und 
Verkehrs-regelungen an, geht ueber die Erteilung einer 
Sondernutzungserlaubnis oder Parkgenehmigung bis hin zur 
aktiven Teilnahme an der Verkehrsplanung. Dabei wird 
zwischen baulichen und verkehrsrechtlichen Massnahmen 
unterschieden. Ueber bauliche Massnahmen muss der 
Gemeinderat entscheiden, waehrend verkehrsrechtliche 
Massnahmen von der Verwaltung, deren oberstes Organ die 
Oberbuergermeisterin ist, ergriffen werden.
ruprecht: Wie sollten Radwege gestaltet sein, um eine 
Konfrontation mit anderen Verkehrsteilnehmern 
weitestgehend zu vermeiden?
Kettemann: Darueber gibt es geteilte Meinungen. Manche 
Radfahrer wollen moeglichst nahe an der Fahrbahn fahren, 
weil sie meinen, dort waeren sie sicherer. Dabei gibt es 
allerdings immer den Konflikt mit den Rechtsabbiegern. 
Andere wollen den Radweg moeglichst weit abgesetzt von der 
Fahrbahn, was zur Folge hat, dass man den Fahrradfahrer 
unter-ordnen oder separat regeln muss. Fuer die Anlage von 
optimalen Radwegen braucht man Platz, viel Platz, und der ist 
in Heidelberg nicht ueberall gegeben.
ruprecht: In der Kleinen Ploeck gibt es eine 
Fahrbahnmarkierung, einen Halte-streifen, speziell fuer 
Radfahrer. Ist damit ein Radweg gekennzeichnet?
Kettemann: Wir haben die Kleine Ploeck fuer Radfahrer 
geoeffnet, damit sie ueber die Sophienstrasse in die Ploeck 
fahren koennen; wir sind damit dem Prinzip der "unechten 
Einbahnstrasse" gefolgt, das wir vor ca. 10 Jahren bei der 
Beruhigung der Weststadt eingefuehrt haben.
Wir haben diese Markierung angebracht, weil sich die 
Radfahrer vorher links und rechts der Strasse aufstellten und 
die einfahrenden Kraftfahrzeuge dadurch behindert wurden. 
Wir werden diese Markierung verlaengern, damit die 
Autofahrer merken, dass sie diese Stelle umfahren muessen.
Die Ploeck wird Anfang bis Mitte Mai zwischen Grabengasse 
und Friedrich-Ebert-Platz als Fahrradstrasse ausgewiesen. 
Dabei handelt es sich um eine rein verkehrsrechtliche 
Massnahme (die im Gegensatz zu baulichen Massnahmen, die 
der Gemeinderat entscheidet, von der Verwaltung, deren 
oberstes Organ die Oberbuergermeisterin ist, ergriffen wird - 
d.Red.; siehe oben). Der Gemeinderat ist bereits informiert; 
vor der Einfuehrung wird noch eine Bezirksbeiratssitzung 
stattfinden. Dann sollen Gespraeche mit den Anwohnern der 
Ploeck stattfinden, und daraufhin soll dieses Projekt 
ausgefuehrt werden.
ruprecht: Wird der neue Radweg am Bismarckplatz vom 
Umbau des Marien-hauses betroffen? Warum hat man fuer 
diese kurze Zeit einen Radweg - der sicher sein Geld kostet - 
angelegt?
Kettemann: Die Entscheidung fuer diesen Radweg hat der 
Gemeinderat gefaellt; zunaechst handelt es sich um ein 
Provisorium. Bei der endgueltigen Ausfuehrung des 
Radweges wird die Baustelle im Bereich des Marienhauses 
beruecksichtigt.  Der Radweg wird demnach im 
Baustellenbereich nicht so breit sein, wie er momentan ist, 
aber man wird ihn noch befahren koennen.
ruprecht: Welche Entlastungsmassnah-men plant das 
Verkehrsamt parallel zur Einfuehrung von Radwegen?
Kettemann: Ein allgemeines Ziel der Stadt ist die 
Verminderung des Indivi-dualverkehrs. Das kommt in den 
Eroerterungen im Rahmen des Verkehrsforums zum 
Ausdruck. Man versucht einerseits, den Umstieg auf das 
Fahrrad, andererseits den Umstieg auf oeffentliche 
Nahverkehrsmittel zu erleichtern. Es gibt Plaene fuer 
"Park&Ride"-Plaetze in Verbindung mit der neuen 
Autobahnausfahrt und in Schlierbach, Plaene fuer die 
Umgestaltung des Bahnhofvorplatzes.
Ausserdem wollen wir im Mai eine Aufklaerungsaktion mit 
dem voraus-sichtlichen Titel "Parke nicht auf meinen Wegen" 
starten.



Einzelhandels-Vertreter Erwin Schmalzhaf:

Beachtung in den lokalen Medien fand der 
Einzelhandelsverband Nordbaden zuletzt wegen seiner 
harschen Kritik am neuen Radweg entlang der Bismarck-
strasse. Eine eventuelle Klage gegen die Stadt wird er 
unterstuetzen. Mit dem Geschaeftsfuehrer des Verbandes, 
Herrn Erwin Schmalzhaf, fuehrte ruprecht ein Gespraech 
ueber die Bedeutung von Fahrradfahrern und Verkehrspolitik 
fuer den Einzelhandel in Heidelberg.

ruprecht: Welches Interesse hat der Einzelhandelsverband an 
Verkehrs-politik?
Schmalzhaf: Wir versuchen die Erreich-barkeit der Stadt 
Heidelberg fuer die Kunden des Einzelhandels zu sichern. Von 
den Heidelbergern, die in der Stadt einkaufen, kommt ein 
Viertel mit dem Auto, der uebrige Teil zu Fuss, mit dem 
Fahrrad oder in oeffentlichen Verkehrsmitteln. 52 % der 
Heidelberger Kundschaft kommt allerdings aus dem Umland 
und nicht aus der Stadt. Von diesen benutzen nahezu zwei 
Drittel das Auto. Wird fuer diesen Grossteil der Kundschaft 
die Erreich-barkeit des Stadtzentrums erschwert, so weicht er 
in andere Zentren, die leichter erreichbar sind, aus. Dabei 
macht der Kundenverkehr nur 14% des Gesamt-
verkehraufkommens aus, waehrend der Berufsverkehr mit 
ueber 40% beteiligt ist. An diesen Zahlen sollte man die 
Verkehrspolitik orientieren und Massnahmen daran knuepfen, 
die helfen, den Berufsverkehr zu reduzieren.
ruprecht: Der Einzelhandelsverband hat sich gegen den 
Fahrradweg am Bismarck-platz in seiner jetzigen Form 
ausgesprochen. Warum?
Schmalzhaf: An der Sicherheit fuer die Fahrradfahrer besteht 
ein berechtigtes Interesse. Auf der anderen Seite stehen die 
Stauwirkungen und dadurch die hoeheren Umweltbelastungen 
fuer Anwohner, Geschaefte oder die Radfahrer selbst. Ich 
glaube, es besteht kein Verhaeltnis fuer ein paar Radfahrer, 
die dort verkehren, und den erhoehten Stauwirkungen, der 
Laermbelaestigung und Abgaserhoehungen, vor allem in der 
Tiefgarage des Darmstaedter-Hof-Centrums. Diese 
Massnahme wirkt geradezu kontraproduktiv.
Wir sind nicht grundsaetzlich gegen den Radweg, aber 
zumindest eine Einfaedel-spur fuer das Parkhaus sollte es 
noch geben. Es wurde ja auch empfohlen, die drei Fahrbahnen 
zusammenzuruecken und die Fahrradspur etwas schmaler zu 
gestalten. Der breite Sicherheitsstreifen, der ueberhaupt nicht 
befahren wird, koennte wegfallen. Es waere anders gegangen; 
man wollte nur nicht. In der betreffenden Sitzung des 
Stadtentwicklungsaus-schusses hiess es, der Autofahrer sei 
intelligent und nach einigen Wochen werde die Stauwirkung 
absinken. Eine solche Ausweicherscheinung konnte gar nicht 
einsetzen, da es in der Stadt ja nur zwei 
Durchfahrtsmoeglichkeiten, die Ernst-Walz-Bruecke und eben 
die Bismarckstrasse, gibt.
ruprecht: Ungefaehr 20% aller Einkaeufe in Heidelberg 
werden mit dem Fahrrad erledigt. Laufen Sie nicht Gefahr, 
durch Ihre Haltung diese Kundschaft zu verprellen?
Schmalzhaf: Ich glaube nicht, dass wir durch diese 
Einzelfallerscheinung die Radfahrer verprellen - eine 
Entscheidung, die sich ja nicht gegen den Fahr-radfahrer 
richtet, sondern gegen die Auswirkungen, die diese konkrete 
Fahrrad-spur in ihrer jetzigen Form mit sich bringt.
Fahrradfahrer sind uns willkommen. Ueberall wo der 
Einzelhandel die Erreichbarkeit der Stadt fuer diese sichern 
kann, da wird er das auch tun. So unterstuetzen wir die Idee 
des Verkehrs-forums, auf der B3 einen Weg fuer Radfahrer 
einzuraeumen. Nur auf Durch-fahrtsstrassen kann man 
Fahrradfahrern keinen Vorrangt einraeumen, weil der 
Verkehrs-fluss dadurch zum Erliegen kommt.
ruprecht: Was kann man Ihrer Meinung nach tun, damit sich 
Fahrradverkehr und Autoverkehr nicht gegenseitig behindern?
Schmalzhaf: Man muesste den Autofahrern eine Alternative 
zum Umsteigen anbieten. Es gibt keinen Platz, den der 
Autofahrer vor der Stadt anfahren kann, und er hat kein 
Verkehrsmittel, das ihn schnell und guenstig hierher bringt. So 
finanziert der Einzelhandel an langen Samstagen einen 
Zubringerdienst vom Neuenheimer Feld in die Stadt und 
gleicht damit - obwohl das nicht seine Aufgabe ist - ein Defizit 
des oeffentlichen Nahverkehrs aus. Auf diese Weise haben wir 
an diesen Samstagen der Stadt ca. 1.500 Autos erspart.
Gaebe es ein solches Zubringer-System aus Neckargemuend, 
Leimen oder Rohrbach und von der Autobahn her, dann 
waere Heidelbergs Verkehrsproblem geloest. Man braeuchte 
dazu natuerlich einen Umsteigeplatz, der etwa 1.000 PKWs 
Platz boete. Das waere teilweise machbar, ist aber politisch 
nicht durchsetzbar, weil zum Beispiel die Gruenen sagen, ein 
"Park&Ride"-System wuerde die Autofahrer anlocken.
ruprecht: In vielen Geschaeften kann man sich die Parkhaus-
Gebuehren auf den Preis anrechnen lassen - was kann der 
Einzelhandel den Radfahrern anbieten?
Schmalzhaf: Der Handel ist schon nicht bereit, dem Kunden 
die Strassenbahn-Fahrkarte zu zahlen. Dafuer gibt es 
verschiedene Gruende, zum Beispiel die grosse Gefahr des 
Missbrauchs durch den Kauf kleinpreisiger Artikel.
Es koennten in einigen Bereichen noch Fahrradstaender zur 
Verfuegung gestellt werden, doch duerfen diese nicht im 
Strassenraum untergebracht werden. In vielen Bereichen der 
Altstadt fehlen einfach Privatflaechen fuer diesen Zweck. 
Jeder Quadratmeter wird teuer bezahlt. Welcher Haendler 
kann es sich bei Quadratmeter-Preisen bis zu 120 Mark 
leisten, eine ausreichende Flaeche bereitzustellen?
Um das Bild ausgewogen zu zeichnen, muss man sagen, dass 
derjenige, der mit dem Auto kommt, in der Regel einen 
doppelt so grossen Einkaufsvertrag hat wie der mit dem 
Fahrrad. Mit dem Fahrrad wird eingekauft, was sich auch 
transportieren laesst. Hier wollen wir die Radfahrer 
unterstuetzen, indem wir einen Gepaeck-Service installieren. 
Wir wollen in Zusammenarbeit mit einem Versand-
unternehmen eine Gepaeckauslieferung organisieren, so dass 
er Kunde mit dem oeffentlichen Nahverkehr ein Fernsehgeraet 
einkaufen kann, weil er weiss, das Geraet wird dann 
angeliefert.
ruprecht: Herr Schmalzhaf, kommen auch Sie gelegentlich mit 
dem Fahrrad in die Stadt?
Schmalzhaf: Frueher, als ich noch hier gewohnt habe, fuhr ich 
mit dem Fahrrad. Seit ich in der Gegend von Sinsheim wohne, 
muss ich leider das Auto benutzen. Allerdings werde ich jetzt 
im Fruehjahr, um meine Termine hier in der Stadt 
wahrzunehmen, das Fahrrad benutzen.



Polizei-Pressesprecher Heinz-Guenther Fischer:

Kriminalhauptkommisar Heinz-Guenther Fischer ist seit 23 
Jahren Polizist. Er arbeitete bei verschiedenen Dienststellen in 
Karlsruhe und Mannheim. Seit eineinhalb Jahren leitet er die 
Pressestelle der Polizeidirektion Heidelberg. Mit ruprecht 
sprach er ueber die Situation der Radfahrer im Heidelberger 
Strassen-verkehr.

ruprecht: Gehoeren Fahrradfahrer auf den Gehweg oder auf 
die Fahrbahn? Wie werden Verstoesse von Fahrradfahrern 
gegen die Strakenverkehrsordnung (StVO) in der Regel 
geahndet?
Fischer: Es ist sicher so, dass ein Fahrradfahrer zu den 
"schwaecheren" Verkehrsteilnehmern zaehlt, und gerade dort, 
wo aufgrund der Verkehrdichte oder anderer Ursachen eine 
Gefaehrdung besteht, sollte man - wo es moeglich ist - 
versuchen, den Fahrradverkehr von der Fahrbahn 
wegzubringen. Der Fussgaenger ist aber sicher noch ein 
"schwaecheres" Glied im Verkehrsgefuege als der Radfahrer. 
Wenn ein Radfahrer, der nicht zur Gruppe der Kinder (die ja 
auf Gehwegen fahren duerfen) zaehlt, auf einen Gehweg 
faehrt, weil die X-Strasse besonders stark befahren ist, so 
kann er von der Polizei nicht erwarten, dass dieses Verhalten 
toleriert wird. Verletzt er dabei einen Fussgaenger, muss ein 
Strafverfahren wegen fahrlaessiger Koerperverletzung 
eingeleitet werden.
 Bei Verstoessen gegen die Strassenverkehrsordnung kann ein 
sogenanntes Verwarnungsgeld von 20 oder 40 Mark erhoben 
werden. Handelt es sich um gravierende Verstoesse, wie zum 
Beispiel das Ueberfahren eines Rotlichts, wird eine 
Ordnungswidrigkeitenanzeige an die Bussgeldstelle geschickt, 
die dann das Bussgeld festsetzt. Faehrt ein Radfahrer 
betrunken Fahrrad, so ist das - wie beim Autofahrer - ein 
Straftatbestand, der unter Umstaenden einen Fuehrerschein-
entzug (sofern er einen besitzt) zur Folge hat.
ruprecht: Welche Vorteile bieten Radwege fuer Radfahrer, 
Fussgaenger und Autofahrer? Welche Nachteile entstehen?
Fischer: Radwege erhoehen die Sicherheit sowohl fuer Rad- 
als auch Autofahrer. 
Statt von Nachteilen wuerde ich lieber von Problemen reden, 
die sich innerorts vor allem auf die Raumfrage konzentrieren. 
Das sehen Sie am Beispiel des Radweges am Bismarckplatz: 
durch die erhoehte Sicherheit fuer die Radfahrer fehlt es an 
Platz fuer den Autoverkehr. Zusaetzlich Platz schaffen kann 
man nicht, und so wird immer ein Verkehrsmittel verlagert, 
wenn ein anderes bevorzugt wird. Ich schaetze, dass man 
ueber einen Zeitraum von zehn bis fuenfzehn Jahren den 
Autoverkehr aus der Innenstadt heraus-draengt. Dabei handelt 
es sich um politische Entscheidungen, die wir (die Polizei - 
d.Red.) akzeptieren muessen.
ruprecht: Wo sind die Hauptgefahren-stellen fuer Radfahrer? 
Wie soll sich ein Radfahrer verhalten, der auf die Fahrbahn 
ueberwechseln muss, weil der Radweg endet?
Fischer: Wenn keine spezielle Be-schilderung fuer Radfahrer 
angebracht ist, muessen die Regelungen, die fuer den Auto-
verkehr gelten, analog beachtet werden. Grundsaetzlich gilt 1 
der StVO: gegen-seitige Ruecksichtnahme. Sie hilft in vielen 
Faellen weiter. Die Strasse ist sicher der falsche Ort, um 
Rechtspositionen bis zum Ende durchzufechten.  Ich habe in 
manchen Staedten auch schon Hinweis-schilder "Radweg 
muendet ein" fuer Autofahrer gesehen. Unserer Abteilung, in 
der saemtliche Unfaelle ausgewertet werden, sind zur Zeit 
keine Unfallschwer-punkte mit ueberproportionaler 
Beteiligung von Radfahrern bekannt. Es gibt einen kritischen 
Bereich - nicht aufgrund der Unfallhaeufigkeit, sondern 
aufgrund der Wegfuehrung - auf der Mittermaier-strasse in 
Richtung Neuenheimer Feld, und es gibt Bedenken bezueglich 
des Radweges auf der Bismarckstrasse, wo die Radfahrer vom 
Neckar her kommen und dann den Rechtsabbiegeverkehr 
kreuzen. Hier muss man noch abwarten, wie sich die Lage 
entwickelt; waehrend der Wint-terperiode gab es ja noch kein 
erhoehtes Fahrradverkehrsaufkommen.
(Iris Zimmermann/ Markus Collalti)


RUPRECHT GOES TO THE MOVIES

PETER'S FRIENDS
Kenneth Branagh hat mit seinem Erstling "Heinrich V." einen 
Shakespeare-Film von atemberaubender Dynamik geschaffen; 
in "Peter's Friends" - der das ist, was man einen "kleinen Film" 
nennt - schoepft er Atem. Peters Freunde sind eigentlich 
Branaghs Freunde (und die seiner Frau Emma Thompson, 
gerade Oscar-preisgekuert) aus der Zeit vor dem grossen 
Ruhm, und so ist die Stimmung des Streifens wie in 
Melancholie getaucht: Sechs Freunde sehen sich nach 10 
Jahren auf dem Landsitz des adligen Peter wieder. Zunaechst 
ist nichts mehr wie frueher, jede(r) mit sich selbst beschaeftigt. 
Dann aber - nachdem auch die diversen Liebhaber(innen) aus 
dem Haus vertrieben sind - kommt die alte Vertrautheit  
wieder. "Peter's Friends" ist in vielem der "Grosse Frust" fuer 
die Generation der 80er Jahre - die Ikonen: Margaret 
Thatcher und Bruce Springsteen - mit ausgezeichneten 
Schauspielern, subtilem Humor, dem Blick fuers Wesentliche 
und einer beruhigenden Nachsicht gegenueber gescheiterten 
Traeumen. (Ach ja: "Henry V." - der haette 5 Ruprechts, auch 
wenn es das eigentlich gar nicht gibt.)

BLOODY MARIE
Nach dem Genuss des neuen Vampirfilms "Bloody Marie" von 
"Blues Brother" John Landis wuerde selbst der toughste 
Transsylvanier zu einem haerterem Drink als dem ueblichen 
Blut greifen. Die "lustige" Persiflage ist naemlich nichts weiter 
als Dracula fuer Arme. Eine neue "Prinzessin aus Zamunda" 
geht als Vampyrette in einer Grossstadt auf Saugstreifzuege. 
Dabei laesst sie ihren Freund, den guten Polizisten Joe, aus, 
schlaegt dabei aber bei einem boesen Mafiosi zu.  Gut und 
Boese geraten durch- und aneinander - Sex, Tod und Liebe 
tun ihr Uebriges. Leider ist der Grusel splatterdings nicht zu 
unterbieten, und der Ueberziehungskredit beim Zuschauer 
durch unglaubwuerdige Handlungsspruenge laengst 
ueberschritten. Klassiker des Gruselgenres werden schlecht 
zitiert und als Niveaufahrstuhl missbraucht. Fuer diesen 
klebrigen Cocktail aus Vampirliebe in den Zeiten von AIDS 
hat Landis endlich ein Drehverbot verdient: Sonnenbrille 
runter! 

SOMMERSBY
Unser Liebling Jodie Foster  muss sich in "Sommersby" in den 
schleimigen Richard Gere verlieben - eine Konstellation, aus 
der einfach Unheil erwachsen muss. Die Schnulze spielt zu 
Zeiten des amerikanischen Buergerkriegs; Richard kommt zu 
Jodie zurueck und behauptet, ihr verschollener Mann zu sein. 
Im Verlauf der Story hat Richard Gelegenheit, gegen 
Rassendiskriminierung zu kaempfen, ein ganzes Dorf vor dem 
wirtschaftlichen Ruin zu retten und die Liebe einer schoenen 
Frau zu gewinnen. Natuerlich gibt es Neider, die Richard in 
einem ebenso ergreifenden wie peinlichen Plaedoyer fuer die 
Liebe in den Boden stampft. Reichlich Traenen fliessen 
sowohl beim anwesendem Gerichtspublikum wie auch bei den 
Kinozuschauern. Also unbedingt Taschentuecher mitbringen.


DER DURFT DER FRAUEN
In diesem Film wird keines der altbekannten amerikanischen 
Klischees ausgelassen: Armer, aber ehrlicher College-Boy 
wird von reichen, aber korrupten Mitschuelern unter Druck 
gesetzt, trifft aber dann Gott sei Dank den nicht nur blinden 
und cholerischen, sondern auch anfaenglich unausstehlichen 
und suizid-gefaehrdeten Ex-Offizier Al Pacino. Und dieser 
lehrt ihn schliesslich nicht nur das wahre Leben (wobei nur der 
Duft der Frauen auf der Strecke bleibt), sondern bewahrt 
seinen neugewonnenen Freund fuers Leben mittels eines 
ergreifenden Schlussplaedoyers vor der versammelten 
Schulbelegschaft auch noch vor dem drohenden 
Karriereknick. Nach diesem Film weiss man wieder einmal, 
warum man auch schon "Rain Man" und den "Club der Toten 
Dichter" nicht leiden konnte.


EINE GEFAeHRLICHE AFFAeRE
Also, da is' der Mann, und der liebt die Frau, aber die gehoert 
zu 'nem Ander'n, der is' aber zu dem Mann nett, aber nur bis 
er rausfindet, dass der mit seiner Frau und so, da bringt der - 
also der And're - seine Frau um, und der Mann will sich 
raechen. (Will sagen: Wir raten ab, trotz Costner und Quinn.)           
(ruprecht)

SINGLES - GEMEINSAM  EINSAM
Ein Problem unserer Zeit: Der oder die Richtige existiert 
nicht. Immer mehr Ehen werden geschieden und die Anzahl 
der Singles nimmt immer weiter zu. In Nordrhein- Westfalen, 
dem Bundesland mit der hoechsten Bevoelkerungsdichte, 
kommen auf 2,4 Millionen Familien 2,6 Millionen Singles. Das 
bringt Wohnungsprobleme und v.a. Gefuehlsprobleme mit 
sich. Warum moegen sich immer weniger Menschen binden? 
Liegt es daran, dass Selbstverwirklichung nur alleine moeglich 
ist, oder stecken andere Probleme dahinter? Lebt  Prince 
Charming nur in der Welt der Illusion - oder doch nicht?  
Viele Fragen stellen sich, auf die der Film "singles" allerdings 
auch keine Antwort gibt. 
Der ehemalige "Rolling Stone"- Journalist Errol Morris siedelt 
seinen Film in der Musikszene von Seattle an. Sechs Singles 
im Alter zwischen zwanzig und dreissig scheinen mit ihrem 
Zustand ganz zufrieden zu sein, und doch suchen sie alle einen 
Partner. Fuenf von ihnen werden am Happy End des Films 
nach einigen Verirrungen und Verwirrungen das Glueck zu 
zweit geniessen koennen. 
Da ist der Ingenieur Steve (Campbell Scott), der mit seinem 
Superzug das Verkehrsproblem loesen will, und der schon als 
Kind von seinem dahinscheidendem Vater mit dem Slogan 
"Werd' gluecklich, werd' Single" fuers Leben ausgeruestet 
wurde. Verstanden hat er das schon damals nicht. Steve lernt 
Linda, die engagierte Greenpeacelerin, kennen und beide 
verlieben sich ineinander. Eigentlich eine ganz einfache 
Geschichte, wenn Linda nicht schon soviele Enttaeuschungen 
hinter sich haette und hinter dem Traummann einen Haken 
wittert. Kein Wunder, nachdem sie ihren liebsten 
Garagenoeffner einem windigen Luftikus anvertraut hatte, den 
sie wenig spaeter mit einer anderen Schoenen sieht. Linda ist 
sehr vorsichtig und geraet in Panik, als Steve ihr seinen 
Garagenoeffner anbietet. Auch Steve ist vorsichtig, denn er 
will diesmal keine Fehler machen, und macht sie deswegen am 
laufenden Band. So diskutiert er mit seinen Freunden die 
wohlbekannte Frage, wann er denn bei ihr anrufen soll. Er ruft 
sie erst nach vier Tagen an, was Linda wieder misstrauisch 
macht. 
In Steves Single-Haus wohnt auch noch seine Ex-Freundin 
Janet, die in ihren Wohnungsnachbarn, den exzentrischen 
Rockgitarristen Cliff (Matt Dillon), verliebt ist. Im gleichen 
Haus wohnt auch die Maenner konsumierende Debbie, die mit 
Hilfe von skurilen Videos ihren Mann fuers Leben finden will 
und die doch nur jemanden sucht, der ihre Vorliebe fuer 
ueberdimensionalen Ohrringe teilt. Sie wird einen reichen 
Mexikaner finden, der ihren Namen in Rosenblaettern 
schreiben laesst.
Der Einzige, der am Schluss des Films einsam bleibt, ist 
Steves Freund David, der Telefonnummern von Maedchen 
sammelt, die er nie anrufen wird. Vielleicht liegt es daran, dass 
er nicht weiss, wie man waehlt?    
Mit der gar nicht so ueberraschenden Erkenntnis, dass wenn 
Singles minglen auch ein gluecklicher Jingle herauskommen 
kann, findet vielleicht auch der blindeste Zuschauer seinen 
ganz persoenlichen Garagenoeffner.
(io)

FOREVER YOUNG
Vor vielen Jahren gab es schon mal einen Film mit aehnlichem 
Inhalt: Mann liebt Frau. Mann wird ein paar Jahrzehnte auf 
Eis gelegt. Mann wird aufgetaut. Mann liebt Frau immer noch. 
Diese neueste Version der Geschichte ist nun besonders gut 
gelungen. Vom Zeitpunkt des Auftauens an halten den 
Zuschauer viele fesselnde Fragen in Atem: Liebt der 
Aufgetaute die Krankenschwester, die ihn in ihr Haus 
aufnimmt? Liebt sie ihrerseits den Aufgetauten? Oder liebt sie 
den verklemmten Arzt, der staendig mit ihr Essen gehen will? 
Oder liebt sie am Ende ihren Ex-Freund, der sie verpruegelt? 
Das ist alles so aufregend, dass man gerne verzeiht, dass die 
Schauspieler - allen voran Jamie Lee Curtis - schlecht sind, 
Handlungsstraenge ins Leere laufen und sogar die Kuesse 
voellig unecht sind. Und wer noch weiss, dass Mel Gibson 
privat ziemlich langweilig ist, kann das Kino getroestet 
verlassen.              (ruprecht)


MUSEEN IN HEIDELBERG - DEUTSCHES 
APOTHEKEN-MUSEUM

Das war das Geheimrezept des Philosophen und Arztes 
Theophrastus Bombastus von Hohenstein oder einfach 
"Paracelsus". Spitze Zaehne - sie galten im ausgehenden 
Mittelalter als die staerksten Arzneien - konnte man zu 
Paracelsus' Zeiten in Apotheken bekommen. Heute muesste 
man sich aufs Heidelberger Schloss in das dortige Apotheken-
Museum begeben, wollte man in einem Selbstexperiment 
dergleichen Medikamente ausprobieren. 
Gleich in der Eingangshalle des Museums steht der aus dem 
18. Jh. stammende Apothekenschrank der Klosterapotheke 
von Schongau. Dieser ist mit 180 mundgeblasenen und 
kunstvoll bemalten Standgefaessen gefuellt, welche so 
manches, seltsam anmutendes Mittelchen enthalten: "Pulmon 
vulpis", pulverisierte Fuchs-Lungen, wurde Patienten mit 
Lungenentzuendung verabreicht. Man glaubte, dass der in 
Hoehlen lebende Fuchs besonders kraeftige Lungen habe, und 
schrieb ihnen somit auch Heilkraefte zu. 
Oder "sale viperum volatile", fluechtiges Vippernsalz wurde 
bei Schlangenbissen als Gegengift verwendet. "Laeusesamen" 
benutzte man zur Vertilgung von Ungeziefer. 
"Baldrianwurzeln" dienten auch damals schon als 
Beruhigungsmittel.
Dagegen schwor so mancher auf "unicorno", das Horn des 
Einhorns, als bewaehrtes Potenz steigerndes Mittel. 
Abgesehen davon stammte das Horn nicht von einem Einhorn, 
das nur ein Fabelwesen ist, sondern von einem Narwal. 
Nachdem man so in die medizienische Welt der unbegrenzen 
Moeglichkeiten gefuehrt wurde, glaubt man sich im 
"Apothekerturm" des Schlosses in einer Folterkammer 
wiederzufinden. Destilieroefen, Handpressen, 
Tablettenmaschinen, Zahnmahlmaschienen, Moerser in allen 
Variationen und riesige Salbenmischer fuellen den Raum. Die 
Kuehle des Gewoelbes und das gedaempfte Licht bewirken 
eine Atmosphaere, wie man sie aus Umberto Ecos Roman 
"Der Name der Rose" kennt. 
Aber dies ist nur ein Teil der 14 Raeume umfassenden 
Ausstellung. Neben vielen anderen Raritaeten der 
althergebrachten Apothekerkunst kann man im 14. Raum die 
Geschichte der deutschen Pharmazie der letzten beiden 
Jahrhunderte nachvollziehen. Auch die Mercksche 
Drogensammling ist Aufmerksamkeit wert.
Wen also das Zipperlein plagt, dem sei ein Besuch dort oben 
geraten, denn "jedes Ding ist Gift, nichts ist ohne Gift, allein 
die Dosis macht, wenn Ding kein Gift ist."                                               
(ks)
Oeffnungszeiten: 1.04. - 31.10. taeglich von 10 -17 Uhr; 1.11. 
- 31.03.  Sa. und So. 11- 17 Uhr;Eintritt: fuer Studenten 1.50 
Mark + der neuerdings verlangte Eintritt fuer den Schlosshof 
von einer Mark = 2.50 Mark


LESEERFAHRUNGEN IN DER BRANDUNG - EIN 
KURZER VERSUCH UeBER MARTIN WALSER

Meine Begegnung mit Martin Walser begann mit dem Satz: 
"Halm stand vor dem Spiegel im Bad, hatte das Rasieren 
hinter sich, konnte aber nicht aufhoeren, sein Gesicht mit einer 
unaufloesbaren Mischung aus Missgunst und Genuss zu 
betrachten." Wie eindringlich dann in dem Roman "Brandung" 
Gedanken und Gefuehle ausgebreitet wurden, ging mir 
beinahe zu weit und trotzdem konnte ich nicht aufhoeren, dem 
Bewusstseinsstrom des leicht paranoiden 
"Hosentraegertraegers" Halm bis zum Ende des Buches zu 
folgen, in dem Walser seinem Anti-Helden gnadenlos-liebevoll 
die gummigefederten Beinkleider herablaesst.
Halm wird ohne Blumen in den Haaren ueber den Campus 
von Berkley gehetzt, von dem einst die amerikanische 
Studentenrevolte ausging, und wo er jetzt sportbegeisterte 
Milchtrinkerinnen und angehende Selfmademaenner 
vertretungs-weise unterrichten soll. Immer einen Schritt neben 
dem Takt. Immer zu aengstlich, um richtig Anschluss zu 
finden, immer befuerchtend, alle anderen koennten entdecken, 
dass hinter seinen Rettungsringen aus Bauchspeck ein viel zu 
weiches Herz schlaegt. So mit sich selbst beschaeftigt, 
doelmert er ueber den sonnigen Boulevard of broken dreams 
(und Leichen pflastern seinen Weg).
Eigentlich geht einem diese Figur auf die Nerven und 
trotzdem liest man weiter, fuehlt sich immer wieder ertappt 
und gesteht sich endlich ein, dass es einem manchmal selber so 
geht. Gleichzeitig widersetzt man sich als Leser den 
Verhaltensweisen des Helden, wenn man sie als die eigenen 
erkennt.
Walser schafft es, indem er sich selbst preisgibt, dem Leser 
den Spiegel so zu halten, dass der sich hinter einer gleichzeitig 
Distanz und Naehe schaffenden Ironie gestochen unscharf, in 
einem ins Groteske reichenden Realismus erkennen kann. 
Dieses Angebot an Tiefen-reflexion kann verstaendlicherwei-
se zur totalen Ablehnung der Walserhelden fuehren, wenn die 
eigene Verdraengungsarbeit zu erfolgreich ist und der 
betroffene Leser seinen Leidensdruck in einer 
schnellkochtopfartigen Gefuehlsunterwelt entsorgt. Die 
Lektuere von Walsers Romanen hat fuer mich etwas intimes, 
wie eine Unterhaltung mit meinem Schatten.
Ich tastete mich rueckwaerts zum "Fliehenden Pferd" und fand 
mich in zwei Figuren aufgeblaettert, deren Problem eine 
andauernde Pubertaet zu sein schien. Ein bisschen 
Psychologie kann ja jeder. Spaetestens aber nach 
"Selbstbewusstsein und Ironie" wurde mir klar, dass ich 
Walser nicht nur schaetzte, sondern auch unterschaetzt hatte. 
In seiner darin entworfenen Poetik kommt psychologische 
Analyse nur noch als Folge der gesellschaftlichen 
Verhaeltnisse vor. Der individuelle Minderwertigkeitskomplex 
wird hier tiefergelegt und als Herrschaftsinstru-ment mit so 
verhaltener Wut dargestellt, dass sie auf mich ansteckend 
wirkte. Ich hatte das Gefuehl, bisher nur einaeugig gelesen zu 
haben. Dabei geht einem die Perspektive verloren.
In den sechziger Jahren hatte Walser die bundesdeutsche 
Wundergesellschaft in ihre Einzelteile zerlegt soweit die 
Sprache reichte. Diese Detailbrandung der "Halbzeit" 
verschmolz Erinnerungen, die bisher getrennt nach Idylle und 
negativem Gefuehl  auf verschiedenen Konten meiner 
Zeitsparkasse angelegt waren. Als Kristlein versucht seinem 
Friseur eine Oelheizung zu verkaufen, fiel mir zweierlei ein: 
die Skinheadfrisur, die mir immer im erotischen 
Parfuemgeruch neben dem Nierentisch von der Tochter des 
Ladeninhabers verpasst wurde und mein Vater, der als 
Kohlenhaendler gar nicht  von den aufkommenden 
Oelbrennern begeistert war. Einiges wurde mir nachtraeglich 
klarer.
 In den siebziger Jahren haelt sich Walser in der Post-68er-
Depression und  angesichts des Gleichgewichts des 
Schreckens mit Vorliebe im grotesken Bereich auf. Im "Sturz" 
treibt er in dem abstrusen Selbstmord eines Intellektuellen, der 
sich in einer Onanierschaukel vor dem Spiegel ins Jenseits 
befoerdert, auf seinen ironischen Hoehepunkt. Eine Textstelle, 
die Walser viel Ruhm bei den  Vollzeit-intellektuellen 
einbrachte.
Mit "Seelenarbeit" und "Jenseits der Liebe" beginnt Walser die 
Arbeit an seinem Lindenstrassenprojekt. In der Sueddeutschen 
Provinz  schafft er einen Kleinbuergerarchipel, von dem man 
sich fragt, ob er in der Postmoderne, die ueberschaeumt wie 
eine geruettelte Cola-Flasche, in der come-together-
Gesellschaft, in der wir - united  durch Benetton - laengst alle 
gleich sein muessen, noch zeitgemaess ist. Dies Gefuehl 
entsteht durch die Darstellung einer statischen Gesellschaft, 
die man so nicht wahrhaben moechte, von der Walser aber 
nicht ablaesst.
Ausserdem gibt es in Walsers Prosa einen blinden Fleck: Die 
Walsersche Unschaer-ferelation zwischen der Modellhaftigkeit 
der entworfenen Welt und dem Detail-reichtum an 
kleinbuergerlichen Alltagser-fahrungen. Die immer 
durchscheinende Dialektik koennte man Walser als 
sozialistischen Realismus ankreiden, der allerdings ohne 
Happy End und den besseren Menschen auskommt. Dass  das 
Modell der Realitaet oft vormacht, wie sie funktioniert, liegt 
an der Versuchsan-ordnung, in die Walser seine Helden 
bringt. Aber auch in den so entstehenden Plattenbauten leben, 
wie wir ja mittler-weile wissen koennten, richtige Menschen. 
Zwischen diesem blinden Fleck und dem Punkt des 
schaerfsten Sehens entwickelt Walser ein Spannungsfeld, in 
dem der Leser seine historische und gesellschaft-liche 
Situation widergespiegelt finden kann, wenn er einen 
aehnlichen Erfah-rungshorizont hat wie der Autor und seine 
Helden. Durch die Praezision, mit der Walser seine 
Modaltaeter in den sozialen  Bezugsrahmen stellt, provoziert 
er  penetrant eine Reaktion des Lesers.
In seinem bisher letzten Roman "Die Verteidigung der 
Kindheit" inszeniert Walser eine deutsch-deutsche Bewusst-
seinsrevue anhand der Lebensgeschichte von Alfred Dorn aus 
Dresden - Jahrgang `29. Die Geschichte einer Generation  
ohne Vergangenheit, mit einem gespalte-nen Bewusstsein in 
einem gespaltenen Land. Das Urvertrauen, das uns lustvoll am 
Leben erhaelt, wurde Dorn waehrend seiner Kindheit in der 
Atmosphaere der 30er Jahre gruendlich genommen. Die totale 
Ausloeschung aller Indizien aus dieser Zeit mit deren Hilfe 
eine Aufarbeitung vielleicht noch moeglich gewesen waere, 
vernichtet der Dresdner Feuersturm. Im Westen lernt der 
Jurist Dorn wenig Neues. Auch hier besteht ein Unterschied 
zwischen Gerechtigkeit und Gesetz. Die Spalt-Tablette wird 
zum Dressing seiner grundlegenden Skepsis.
 Mit den Mitteln Kafkas  auf den Spuren Prousts steigert 
Walser seinen Prototypen ins beinahe Unertraegliche, wie es 
eigentlich nur die Wirklichkeit kann. Die "Kindheit" ist als 
definitiver Walser- Mega-Mix die Summe seiner 
schriftstellerischen Erfahrung, die die gesamte bundesdeutsche 
Geschichte widerspiegelt. Walser schafft eine Figur, die man 
anfeuern moechte, sich dem Prozess zu stellen und sich dabei 
zu entwickeln. Beim Lesen entwickelt  sich  der Leser dann 
bestenfalls selbst.                  (fb)

DIE LETZTE PRUeFUNG - EINE GESCHICHTE UeBER 
DIE LIEBE UND SO - VON FRITZ BRAUSE

Ohne Studiun, dachte ich mir, bleibst du dein Leben lang eine 
Null hinter dem Komma. Und weil mir keine ueppige 
Erbschaft ins Haus stand, zog ich von Tiefenbach in eine 
naheliegende Stadt mit Universitaet, um zumindest die 
Kommaseite zu wechseln. Mein Freund Klingemann sagte mir 
bei der Abreise: "Wenn alle Bildung haetten, waere keiner 
arm." Vielleicht hatte er recht.
Bei meiner ersten Zimmerwirtin Frau Mieshauser waren alle 
Waende mit grauem Rauhputz bestrichen. Trotzdem kam ich 
mit dem Studium gut voran. Zu der Blaesse, die bei mir die 
staendige Arbeit in der Bibliothek verursachte, gesellte sich 
ein staendiger Bartschatten, der mein sanftes Wesen noch 
unterstrich. Bald liess es sich nicht mehr vermeiden, dass ich 
durch Taxifahren etwas Geld dazuverdienen musste. Aber 
Hauptsache man kommt voran, sagte ich mir.
Dass ich irgendwann anfing zu trinken, fuehre ich heute auf 
die Tatsache zurueck, dass einer, der ewig schluckt, auch mal 
spuelen muss. Es kam vor, dass ich im Hausflur oder auf der 
Treppe stuerzte und im Fallen eines der Schilder abriss, die 
Frau Mieshauser ueberall aufgehaengt hatte, damit auch ihr 
Wille geschaehe. Oder, wenn ich torkelnd Halt suchte, 
schrammte ich am Rauhputz entlang. Ich liess mir breite 
Koteletten wachsen, damit ich fuer solche Faelle im Gesicht 
wenigstens seitlich geschuetzt war, und die neue Lederjacke 
verhinderte die ueblen Schuerfwunden an den Ellbogen. Dass 
Koteletten zu dieser Zeit gerade wieder in Mode kamen, kam 
mir entgegen, denn auffallen wollte ich eigentlich nicht.
Als ich einmal auf allen Vieren im Dunkeln, weil der Lichttakt 
im Treppenhaus fuer meine Fortbewegungsweise zu kurz 
eingestellt war, ueber den abgetretenen Stragulaboden auf 
meine Zimmertuer zukroch, trat mir Frau Mieshauser auf die 
Finger. Sie wollte auf mein Klo eine Treppe tiefer, weil der 
Wasserverbrauch hier auf meine Kosten abgerechnet wurde, 
und hatte deshalb das Licht nicht angeschaltet. "So geht das 
nicht, Herr Kleinhoff", sagte sie. Sie konnte ja nicht wissen, 
dass es anders schon gar nicht mehr ging. Nach dieser 
Begegnung machte meine Vermieterin, jedesmal wenn  sie 
mich traf, ein Gesicht, als kaeme ich aus dem Ausland.
Trotz alledem naeherte sich meine Studienzeit dem Ende. 
Manchmal riss ich absichtlich eines der Hinweisschilder ab. 
Fuer einen Bekannten, der ein kleines Geschaeft in der 
Unteren Strasse hatte, trug ich fabrikneue Lederjacken ein. 
Nach einer Woche hatten die bei mir im Flur und auf der 
Treppe ein Flair von Freiheit und Abenteuer bekommen. 
Sowas moegen die Kunden. Ich machte das ganz 
unentgeltlich.
In einer dieser unzaehligen Naechte lernte ich Johanna 
kennen. Wir stuetzten uns gegenseitig auf dem Weg von der 
Theke bis in ihr Bett. Am naechsten Tag zog ich in ihre 
Wohnung. Wir schliefen in einem Bett und machten Plaene 
fuer die Zeit nach dem Studium. Fuer das richtige Leben, 
sozusagen.
Irgendwann kam Johanna abends nach hause und erklaerte 
mir, was ihr  Frau von Neunheimer, bei der sie regelmaessig 
putzte, vorgeschlagen hatte. Sie sollte ihr ein Kind austragen. 
Frau von Neunheimer selbst hatte dazu keine Gelegenheit, 
weil sie gerade mit einer Forschungsarbeit beschaeftigt war, 
die fuer sie den sicheren Durchbruch bedeutete.
Johanna flog also mit dem tiefgefrorenen Samen von Herrn 
von Neunheimer und einem Ei seiner Frau nach England. Dort 
nahm ein befreundeter Arzt der Familie die kuenstliche 
Befruchtung vor. Zu den 9.000 Mark Praemie bei einer 
Entbindung ohne Komplikationen bekam Johanna monatlich 
1.000 Mark Auf-wandsentschaedigung und einen Gut-schein 
fuer Umstandskleidung. Ich durfte jetzt nur noch auf dem 
Balkon rauchen. Herr von Neunheimer befuerchtete Schaeden 
fuer sein zukuenftiges Kind. Einmal im Monat bezahlten sie 
uns einen Aufenthalt auf dem Land. Dort mussten wir dann 
spazieren gehen. Fuer unseren Lustverlust allerdings wollten 
sie nicht aufkommen. Die von Neun-heimers waren Mitglieder 
im Kirchenvorstand.
Johanna war im siebenten Monat, als ich mich auf meine letzte 
Pruefung bei Professor Warzel vorbereitete. Er war der 
juengste Professor der ganzen Stadt. Ich lernte meistens in 
den Pausen beim Taxifahren. In der Nacht vor der 
muendlichen Pruefung winkte mich beim Puff eine torkelnde 
Gestalt an den Stras-senrand. Professor Warzel fiel der 
Laenge nach auf den Ruecksitz. Er blubberte und lallte wie ein 
Kind, und es wirkte, als haette er die Hauptrolle in der 
schlechtesten Betrunkenemaennerkommoedie aus Hollywood 
uebernommen. Ich schlug den Jackenkragen hoch, zog den 
Kopf zwischen die Schultern und trat aufs Gaspedal. 
Unterwegs wurde Warzel schlecht. Er kotzte mir das ganze 
Taxi voll. Wahrscheinlich war ihm das Rotlicht nicht gut 
bekommen. Danach erholte er sich erschreckend schnell. Beim 
Aussteigen drueckte er mir 50 Mark in die Hand und sagte: 
"'Tschuldigung."
Nicht nur wegen seines Mundgeruchs hielt ich bei der 
Pruefung am folgenden Tag einen gewissen Abstand zu 
Warzel. Es bestand keine Zweifel, dass er mich 
wiedererkannte. Ich vermute deshalb, dass er mich durchfallen 
liess, damit ich nicht den Eindruck bekommen sollte, er habe 
das Gefuehl, mir noch etwas schuldig zu sein. Er deutete an, 
dass ich das verstehen muesste. Ich haette ja noch einen 
zweiten Versuch.
Ich ging erstmal einen heben, bis mich der Wirt vor die Tuer 
setzte. Als Abschluss  gab er mir, als einem guten Kunden, 
noch einen Magenbitter aus. Ich klingelte noch einen Kumpel 
aus dem Bett, der mich sofort mit etwas rotem Libanesen zu 
troesten versuchte. Was ihm gelang.
Am naechsten Morgen erwachte ich durch das pfeifende 
Geraeusch, das ich beim Atmen von mir gab. Ich war nach 
dem Genuss des ungewohnten Rauschmittels umgefallen und 
mit den Schneidezaehnen auf der Schreibtischkante gelandet. 
Der umgehend konsultierte Zahnarzt sagte, er koenne jetzt 
gar nichts machen. Also ging ich pfeifend nach Hause.
Als Johanna mich sah und ich ihr erzaehlte, was passiert war, 
regte sie sich so auf, dass sie eine Fruehgeburt bekam. Damit 
ging ihr die Praemie floeten.
Gleich nachem ich Johanna aus dem Krankenhaus abgeholt 
hatte - ich hatte  in der Zwischenzeit wieder Zaehne 
bekommen - machten wir erst einmal Urlaub. Das Studium 
habe ich jetzt aufgegeben. Stattdessen sparen wir auf eine 
eigenes Taxi. Wir haben ja gelernt, andere Leute an ihr Ziel zu 
befoerdern. Das ist durchaus positiv zu bewerten.


NEURONALE NETZE UND TALKSHOWS - 
HEIDELBERGER CLUB VERANSTALTETE SEIN 
FUeNFTES SYMPOSIUM

Die Liste prominenter Referenten aus Wissenschaft, Politik 
und Medien war lang. Mit einem bemerkenswerten 
organisatorischen Aufwand hat der "Heidelberger Club fuer 
Wirtschaft und Kultur" Ende April das fuenfte seiner 
jaehrlichen Symposien veranstaltet. Unter dem Motto "Falsch 
programmiert?!" widmeten sich ueber 500 Teilnehmer in 
Vortraegen, Kolloquien und Podiumsdiskussionen der 
"Herausforderung Informationsgesellschaft". 
Mit Unterstuetzung mehrerer Sponsoren hatten die Mitglieder 
des Clubs - alles Heidelberger Studierende - ein 
umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. So 
umfangreich, dass es den medieninteressierten Besuchern 
schwerfiel, sich fuer jeden der zwei Symposiums-Tage ein 
Kolloquium auszusuchen. Dort diskutierten in kleinen 
separaten Gruppen etwa 30 Teilnehmer miteinander und mit 
den Referenten. 
So sprach Prof. Jakob Ossner von der PH Heidelberg ueber 
das Thema "Der Einfluss der Sprache auf unser Bild von der 
Welt", waehrend in anderen Gruppen ueber neuronale Netze, 
virtuelle Realitaet, die "fraktale Fabrik", "Information im 
Unternehmen" und Oekowerbung nachgedacht wurde. 
Zu den Vortraegen und Podiumsdiskussionen fanden sich alle 
gemeinsam wieder in der Stadthalle ein. Ueber "Kritik und 
Euphorie der Computertechnik" diskutierten  Prof. Joseph 
Weizenbaum vom MIT in Cambridge  -   ehemals Pionier, 
heute Kritiker der "Maschine Computer"- und Prof. Joerg 
Siekmann, Experte fuer kuenstliche Intelligenz an der 
Universitaet Saarbruecken. Der Fraktionsvorsitzende der 
Bundes-FDP, Hermann Otto Solms, sprach ueber 
"Politikverdrossenheit als Kommunikationsproblem.
Das weitgespannte Thema war in vier inhaltliche Bloecke 
unterteilt, die bekanntesten Referenten sind jeweils in 
Klammern genannt: 
- Realitaet und Visionen der modernen 
Computerwissenschaften (Prof. Joseph Weizenbaum, MIT 
Cambridge/Mass.) 
- Das Individuum im Angesicht der Informationsflut (Prof. 
Robert Schmidt, Uni Wuerzburg)
- Information - Muendigkeit - Demokratie (Baerbel Bohley, 
Neues Forum, Berlin; Wolfgang Gibowski, Presse- und 
Informationsamt der Bundesregierung; Hans-Georg Wieck, 
ehem. Chef des BND)
- Medien (Dieter Kronzucker, Sat 1, sowie die Teilnehmer der 
abschliessenden Podiumsdiskussion)

--- Zu einzelnen Veranstaltungen:  
    Siehe nebenstehende Beitraege. 

Die beste Mischung von Information und Unterhaltung bot die 
abschliessende Podiumsdiskussion zum Thema "Anspruch und 
Wirklichkeit unserer Printmedien". Fuenf bekannte Vertreter 
deutscher Druckmedien diskutierten und polemisierten: Da 
sorgte Paul Martin ("Bild") fuer Heiterkeit im Publikum, wenn 
er als Beweis fuer die Qualitaet von Boulevardzeitungen ins 
Feld fuehrte, dass "Bild" oft mehr Meldungen im Blatt habe 
als die "Frankfurter Allgemeine". 
FAZ-Mitherausgeber Joachim Fest konnte darueber nur den 
Kopf schuetteln, auch musste er sich gegen Vorwuerfe von 
Hans-Ulrich Joerges ("Die Woche") verteidigen. Der 
behauptete, die etablierten Blaetter litten an Ueberalterung 
ihrer Leserschaft. Dazu Fest: "Das trifft fuer uns nicht zu - wir 
haben 40.000 Studenten-Abonnements." (So weit muesste 
"Die Woche" erstmal kommen. Deren Auflage hat sich nach  
dem Start im Februar bei 130.000 eingependelt.  Und ob sich 
mit Comic-Strips auf der Titelseite und Richard-Gere-Portraet 
auf Seite drei noch viele Leser fangen lassen, wird sich 
zeigen.)  Joerges verteilte trotzdem munter weitere 
Seitenhiebe auf die Konkurrenz: "Unser Ziel ist es, eine 
lesbare Wochenzeitung zu machen" - unverhohlene 
Anspielung auf "Die Zeit". Einer aus dem Publikum fand es 
schade, dass niemand von der Berliner "Wochenpost" auf dem 
Podium sass, zweifellos eine interessante Alternative zur oft 
langatmigen, sorgenschweren "Zeit".  
Unterdessen laesterte "Spiegel"-Chefredakteur Wolfgang 
Kaden in bekannter Coolness ueber das Kommerzfernsehen: 
"Das Niveau der Privaten ist nicht mehr zu unterbieten, RTL 2 
ist ja wohl ein absolut unterirdischer Sender." Michael 
Sontheimer, Chefredakteur der "taz", hieb in dieselbe Kerbe: 
"Fernsehen ist strukturell antiaufklaererisch", und weiter: 
"Blaetter wie `Focus` und `Die Woche` sind ja nichts anderes, 
als gedruckte Talk-Shows." Das dankbare Auditorium konnte 
also zum Schluss eine griffige Message mit nach Hause 
nehmen: Fernsehen macht dumm, es kommt nur darauf an, die 
richtigen Printmedien zu lesen. Auf geht's.                          
(As)


SPIEGEL-SOSSE - WOLFGANG KADEN IM 
KOLLOQUIUM "INVESTIGATIVE JOURNALISM"

Von Vietor bis Moellemann: Zu Beginn seines Kolloquiums 
ueber  "Investigative Journalism" fuehrte Wolfgang Kaden, 
seit 1991 Chefredakteur des "Spiegel", durch die Galerie der 
Skandale, die das Magazin gelueftet hat. Viele Fragen 
warteten auf den Spiegel-Mann: Inwieweit befriedigt der 
Journalismus das oeffentliche Interesse und achtet dabei 
gleichzeitig darauf, dass die Privatsphaere gwahrt bleibt? 
Werden am Ende gar gezielt Kampagnen lanciert? Spielt Geld 
eine Rolle? 
Souveraen verstand es Kaden, die Welt des Journalismus in 
glaenzendem Licht darzustellen. Die Gewalt im 
demokratischen Staat sei breit gestreut und auf die Bereich 
Politik, Rechtsprechung, Unternehmen und Presse relativ 
gleichmaessig verteilt. Der Informationspflicht des 
Journalisten sei nicht damit Genuege getan, dass er nur 
Vermittler von Nachrichten sei; auch das Aufdecken von 
Sachverhalten, die im Verborgenen bleiben sollen, falle in 
seinen Aufgabenbereich. Vorwuerfe, der Spiegel betreibe 
"Schluesselloch- Journalismus", wies Kaden zurueck. 
Schliesslich gebe es so etwas wie Berufsehre und oeffentliches 
Interesse. 
Die Recherche muesse natuerlich hoechst akkurat betrieben 
werden, und sei oft sehr langwierig. Eine lueckenhafte oder 
falsch recherchierte Story koenne auch dem Ruf des 
"Spiegels" schaden. Kaden raeumte aber ein, dass der 
Zeitdruck, unter dem die Story veroeffentlicht werden 
muesse, oft die Recherche erschwere. Schliesslich sei nichts 
weniger aktuell, als eine Enthuellung, die am Vortag schon 
woanders zu lesen oder zu hoeren war.
 Er gab auch zu, dass haeufig nicht nach dem Ursprung der 
Information gefragt werde, solange nur der Inhalt wichtig und 
wahr erscheine. Zum Thema "Scheckbuch-Journalismus", dem 
gezielten Einkaufen brisanter Informationen, merkte Kaden 
an, dass Geld eine weit weniger grosse Rolle spiele, als 
gemeinhin angenommen werde. Bei Fragen zu Opfern und 
Informationsquellen ueber Skandale hielt Kaden sich - wie zu 
erwarten - mit Plaudereien aus dem Naehkaestchen zurueck. 
Eines war zu merken: Kaden ist von der Einzigartigkeit des 
"Spiegels" in der deutschen Medienlandschaft durch und 
durch ueberzeugt. Als Medienprofi ist er um Antworten nie 
verlegen. Hinweise auf die beim Spiegel uebliche 
Vermischung von Nachricht und Kommentar - die sogenannte 
"Spiegel-Sosse" - lassen ihn voellig kalt. Wer ihm Kuehlheit 
oder auch Arroganz unterstellen will, hat es nicht schwer: 
Seine  Reaktion auf die Frage, ob er denn gegenwaertig eine 
Konkurrenz fuer sein Magazin sehe: "Wovon sprechen Sie?"                         
(Tanja Ruhnke)          


NUR EINE VERSTAeNDNISPROBLEM?

"Politikverdrossenheit als Kommunikationsproblem" lautete 
der Titel des Vortrags, den der Vorsitzende der Bonner FDP-
Fraktion, Hermann Otto Solms, beim Medien-Symposium 
hielt. Das klingt fast nach "Verstaendnisstoerung", 
"Beziehungskrise" oder sonstigen Schlagwoertern aus dem 
Vokabular von Psychologen und Soziolinguisten. Wenn 
Politiker jetzt anfangen, das Phaenomen der 
Politikverdrossenheit darauf zurueckzufuehren, dass es ein 
"Kommunikationsproblem" zwischen ihnen und den Buergern 
gebe, wird sich jeder Waehler zurecht verladen fuehlen. Heute 
zweifeln viele, ob die Politiker sich vor lauter Skandalen noch 
ausreichend um die Loesung akuter Probleme kuemmern. Wer 
diese berechtigte Sorge auf die Frage reduziert, ob die 
Waehler auch verstehen, was die Politiker ihnen zu sagen 
haben, muss ganz schoen selbstgefaellig sein. 
Jedenfalls zerstoert Solms schnell die Hoffnung, hier werde 
ein Politiker ein einziges Mal hinstehen und sagen: "Ja, wir 
verstehen, dass die Leute sauer sind, wenn wir monatelang 
ergebnislos ueber dringende Fragen reden." Nein, es handelt 
sich ja nur um eine Kommunkationsstoerung, um ein kleines 
Missverstaendnis sozusagen. Doch was ist da 
misszuverstehen, wenn innerhalb eines Jahres fuenf Minister 
die Bundesregierung vorzeitig verlassen, einer mit der 
Begruendung, er schaeme sich, dieser Regierung 
anzugehoeren? Am Tag, an dem Solms seinen Vortrag haelt, 
ist der Bundestag nicht arbeitsfaehig, weil nur sechs von 662 
Volksvertretern anwesend sind - kein Grund zur 
Verdrossenheit? Wenn man Solms zuhoert, nicht:  Die Medien 
stellten immer nur das Schlechte dar, sie personalisieren, sie 
generalisieren, statt  zu differenzieren. Damit kann er wohl nur  
die elektronischen Medien gemeint haben.
Solms faehrt fort in seiner Klage, und wer wollte ihm 
widersprechen, wenn er sich ueber Fernsehreporter - 
besonders die von den "Privaten" - beschwert, die ihn 
zwingen, komplexe Zusammenhaenge in Dreissig-Sekunden-
Statements zu pressen. Natuerlich ist aktueller Fernseh-
Journalismus - vor allem bei den Kommerzsendern - 
beherrscht vom Zwang zum Gag, zum Entertainment, zu 
schnell konsumierbaren Info-Haeppchen. Doch Solms ist der 
falsche Mann, kommerziellen Rundfunk zu kritisieren. Hat 
doch liberale Medienpolitik die Entstehung des 
Kommerzfunks gefoerdert. Und mit fundierter 
Berichterstattung lassen sich nun mal nicht die hohen 
Einschaltquoten machen, die fuer  Privatsender lebenswichtig 
sind. Mehr Vielfalt hatten sich die Politiker damals angeblich 
vom Privatfunk versprochen, groessere Einfalt und 
Konzentration auf wenige Anbieter, die jahrelang 
unkontrolliert expandieren durften (Kirch & Co.), waren das 
Ergebnis. 
Differenzierte Medienschelte tut not: Bei vielen Medien, wie 
bei Politikern, gibt es eine Art gespaltener Wahrnehumg 
zwischen ost- und westdeutschen Themen, und: 
Skandalberichterstattung tritt zu oft an die Stelle von 
erklaerendem, die Muendigkeit der Buerger respektierenden 
Journalismus. Leser und Hoerer werden zu Abnehmern  von 
Medien-Produkten degradiert. Mit Vehemenz debattieren 
Politiker und Journalisten, ob Engholm vier oder fuenf Tage 
frueher von Pfeiffers Intrigen erfahren hat, was mit Krauses 
Putzfrau los ist, und ob Streibl noch ein paar Gratis-Flugreisen 
abgestoibert hat. Mit erschreckender Laxheit dagegen sehen 
die meisten Politiker und Medien etwa dem  Streik der 
ostdeutschen Metaller entgegen.  Wolfgang Thierse hat 
unlaengst zurecht kritisiert, dass ueber Rheinhausen zwar live 
berichtet werde, aber kaum ein Reporter sich nach 
Eisenhuettenstadt verirre. Am ersten Mai verdraengt die 
Nachricht ueber  Engholms eventuellen Ruecktritt Berichte 
ueber arbeitslose Ost-Kumpel. Der Eindruck, dass Politiker 
gegenwaertig  lieber abwiegeln, als an Problemen   zu 
arbeiten, wird durch Reden wie die von Solms nur noch 
verstaerkt.                                       (As)


SOVIEL MEINUNG WAR NIE - UeBER 200 RUPRECHT- 
LESER BETEILIGTEN SICH AN UMFRAGE UND 
VERLOSUNG

Die Leser haben gesprochen, und die ruprecht-Redakteure 
sind wie dumm vor Glueck. Birke S., Alexander Z., Luise R., 
Jens K., Tobias R., Joachim P., Susanne J., Julia Z., und wie 
sie alle heissen - insgesamt 203 Heidelberger Studierende 
nutzten den Frage- und Gewinnbogen in der letzten Ausgabe, 
um uns mitzuteilen, was sie von ruprecht halten. Das sind 
etwa zwanzig Mal mehr, als uns in sechs Jahren 
Student(inn)enzeitung per Leserbrief die Meinung gesagt 
haben.
Eine zentrale Erkenntnis fuer die Redaktion: Unsere Leser 
sind grosszuegig - in ihrem Lob wie in ihrer Kritik. Eine 
Befragte erklaerte auf die Frage, warum sie ruprecht 
mitgenommen habe, wie selbstverstaendlich: "Weil's halt der 
ruprecht ist". Anderen fiel zu der Frage "Was vermisst Du bei 
ruprecht?" wenig schmeichelhaft "Originalitaet", "kritische 
Intelligenz" und "eigenes Profil" ein.
Wie sieht er denn nun aus, der durchschnittliche ruprecht-
Leser, wie er uns in den Umfrageergebnissen entgegentritt, 
und was erwartet er von seiner Zeitung? Zunaechst: er kann 
ebenso gut eine Sie sein; von den 203 Einsendungen stammten 
- soweit das zweifelsfrei feststellbar war - 100 von Frauen. 
Dabei hat ruprecht offenbar eine besonders grosse Leserschaft 
unter Studierenden der Germanistik (31 Einsendungen), der 
Rechtswissenschaft (23), der Medizin und Romanistik (je 18) 
sowie unter Dolmetschern und Uebersetzern und PHlern (je 
17). Auch Anglisten (16) und Physiker (14) sowie Historiker, 
Theologen und Volkswirte (je 12) scheinen den ruprecht 
besonders gerne mit nach Hause zu nehmen.
Unter den Gruenden dafuer, warum sich ruprecht-Leser - in 
der ueberwiegenden Mehrheit beim Besuch der Mensa - von 
unseren Verteilern die neueste Ausgabe in die Hand druecken 
lassen, fielen besonders ein allgemeines "Interesse" (34), 
Neugierde und das Preisausschreiben (beide 19) sowie 
Beduerfnis nach hochschulpolitischer Information (12) und 
"Leselust" (11) auf. Insgesamt 28 Leser antworteten auf diese 
Frage mit Formeln wie "aus lieber Gewohnheit" (Matthias S.) 
und 16 weitere mit "weil ich die letzte Ausgabe gut fand" oder 
aehnlichem. Auch das Vorgehen der ruprecht-Verteiler hat 
wohl schon manch widerwilligen Leser ueberzeugt; Katrin K. 
etwa meinte, sie habe sich den ruprecht geben lassen, "weil 
man an den VerteilerInnen ja nicht vorbeikommt".
Mit der Lektuere des ruprecht verbringen Heidelberger 
Studierende laut unserer Umfrage im Schnitt ca. 40 Minuten; 
57 lasen die letzte Ausgabe 30 min., und immerhin 13 
behaupteten, sich mit ruprecht 22 anderthalb Stunden 
beschaeftigt zu haben. Fast ein Drittel unserer Leser gaben 
darueber hinaus ihr Exemplar auch an Freunde weiter.
Bei den Themen, die sich die befragten Studierenden von ihrer 
Zeitung wuenschen, rangieren erwartungsgemaess die 
Hochschulpolitik (142 Nennungen) und "studentisches Leben" 
(145) ganz oben. Im kulturellen Bereich sollte sich ruprecht in 
Zukunft - geht es nach dem Willen der Leser - journalistisch 
vor allem ums Kino (134 Nennungen), ums Theater (119), um 
Museen und Ausstellungen (116) sowie die Literatur (98) 
kuemmern. 128 Leser wuenschten sich 
Veranstaltungshinweise.
Gefragt, was ihnen an ruprecht gefalle bzw. missfalle, geizten 
unsere Leser nicht mit ihrer Meinung. Grundsaetzlich gilt: auf 
jeden ruprecht-Fan kommt ein ruprecht-Skeptiker. Besonders 
beliebte Artikel in der letzten Ausgabe waren die beiden 
Stories ueber das UB-Recherchesystem HEIDI (16 
Nennungen), unsere Themen-Seite  ueber den akademischen 
Mittelbau (14) sowie - natuerlich - die Umfrage mit 
Gewinnmoeglichkeit (22). Lob fanden auch die Analyse der 
geplanten Hochschulreformmassnahmen (18) sowie unser 
"informativer Hochschulteil" (Sarah L.) im allgemeinen (15). 
Das Missfallen ueber einzelne Artikel hingegen war nicht ganz 
so ausgepraegt; kaum einer der Beitraege fand mehr als neun 
oder zehn Leser, die absolut nichts mit ihm anzufangen 
wussten. (siehe aber"Die Maennermord-Debatte" unten und 
den Leserbrief auf Seite 2).
Als allgemeine Qualitaeten, die die Leser an ruprecht 
schaetzen, wurden (so etwa von Birke S.) "Vielfaeltigkeit" 
(23), von anderen auch das "professionelle" Lay-Out (13) 
sowie Unabhaengigkeit und Differenziertheit (7) genannt. 
Sabine F. meinte, ruprecht drucke "nicht das uebliche 
einseitige Szene-Gelaber, sondern ist abgeklaerter und 
intelligenter". Heiko W. fand in ruprecht "ein ueberraschend 
hohes Mass an 'Objektivitaet' fuer eine Studentenzeitung", 
Christian N. und Susanne J. mochten an der Zeitung, was 
letztere "die bunte Mischung von fast allem" nannte.
Die Fragen "Was missfaellt Dir an ruprecht besonders?" und 
"Was vermisst Du bei ruprecht?" boten Gelegenheit fuer 
allerlei Kritik. Sieben der Einsender meinten, wir haetten 
zuviel Werbung ("aber was taetet Ihr ohne die ...", schrieb 
zutreffend Anissa L.); sechsen missfiel das Format, vieren die 
"irrefuehrenden" Ueberschriften, einen Leser erinnerte unsere 
Aufmachung an die "RNZ". Vier Leser fanden die ruprecht-
Artikel zu lang, einer empfand sie als zu kurz. Andere 
reklamierten  den angeblich "gestelzten" bzw. "poppigen" Stil, 
die "katastrophale Rechtschreibung und zuviel Geschwafel" 
(Thomas K.).  Julia Z. stoerte, "dass von allem etwas und 
nichts richtig kommt", und Luise R. fand, ruprecht entbehre 
"einer gewissen individuellen Note".
Konkret vermisst werden bei ruprecht vor allem eine 
umfangreichere Lokal-Berichterstattung (11 Nennungen) 
sowie mehr Veranstaltungshinweise und -kritiken (17). Einige 
Leser verlangten einen groesseren Kulturteil, vereinzelt wurde 
auch der Wunsch geaeussert, ruprecht moege seine Spalten 
staerker als bisher tagespolitischen Themen, 
"Fakultaetsinterna" oder Frauenfragen oeffnen. Bernd L. 
stellte fest: "Mir fehlen Angaben ueber Autoren, Sponsoren, 
Finanzierung" und schloss an: "Wer seid Ihr?" 
Grundsaetzlich waren immerhin sechs Leser mit Anne S. 
ausdruecklich der Meinung, bei ruprecht mangle es ihnen an  
"nichts, mir gefaellt die sachliche, studentenorientierte 
Aufmachung". Andere hingegen glaubten, einen Mangel an 
"Originalitaet" (Andrea H.),  "Faszination" (Alexander Z.),  
"klare(r) Linie" (Christoph J.), "Aggressivitaet" (Thomas H.) 
sowie - besonders schmerzhaft - "brisante(n) Themen und 
engagierte(m) Journalismus ..." (Tobias R.) ausmachen zu 
koennen.
An der Aufmachung des ruprecht wollten 118 der befragten 
Studierenden gar nichts aendern. Auch das bisherige ruprecht-
(Zeitungs-)Format fand mit 136 gegen 55 eine deutliche 
Mehrheit. Und dass ruprecht in Zukunft an drei Terminen im 
Semester erscheinen wird, fanden insgesamt 140 Befragte in 
Ordnung. Bei unserer 'Sonntagsfrage' "Wie findest Du 
ruprecht im grossen und ganzen (auf einer Skala von -3 = sehr 
schlecht bis +3 = sehr gut)?" schliesslich ergab sich im Schnitt 
aller 195 Antworten eine Gesamtnote von  +1,3051282.      
(bpe)


SIE FIELEN UNS AUF

Der Fragebogen, der 
(waere es nach uns gegangen, ging es aber nicht) gewonnen 
haette
Eine niederlaendische Studentin gab die Adresse ihres 
Freundes an und schrieb in einem Begleitbrief: "Ich hoffe, dass 
ich als auslaendische Studentin auch eine Chance habe, die 
Reise zu gewinnen. Es wuerde grossartig sein, mit meinem 
deutschen Freund zusammen nach Paris fliegen zu koennen! 
... Viel Glueck mit der Zeitung! Tschuess ..."

Der  zerrissenste Fragebogen
Reiner S. trug in der Rubrik "Mir gefaellt" ein: "die 
Professionalitaet"; unter "Mir missfaellt" hiess es ebenfalls: 
"die Professionalitaet".
Der Fragebogen, der 
uns am meisten wehgetan hat
Fuer einen Kommilitonen hatten wir beim Entwerfen des 
Fragebogens offenbar zu wenig Platz fuer die Ventilierung 
seines Missbehagens gelassen. Bei "Mir gefaellt" strich er 
"gefaellt" und ersetzte es durch "missfaellt". Dann nannte er 
insgesamt 9 Artikel (u.a. "Lesefutter" und "Augenblicke 
I+II"), wobei er den Grad seiner Unzufriedenheit zum Teil mit 
Ausrufezeichen ("Maennermord"!) markierte.

Der unentschlossenste 
Fragebogen
"Mir gefaellt", schrieb Matthias G., "vieles recht gut", "Mir 
missfaellt", so der Hamlet weiter, "so richtig nichts".
Der Fragebogen, der 
uns runterging wie Honig - 
bevor er dann politisch unkorrekt wurde
Bettina W. schrieb uns: "Ich muss sagen, dass ich den 
ruprecht ziemlich perfekt finde. Etwas unnoetig ist meiner 
Ansicht nach die Betonung der holden Weiblichkeit ('-innen') - 
wir Frauen sollten inzwischen soweit emanzipiert sein, dass 
uns das nicht mehr tangiert!"

Die Kandidatin fuer den Titel "unserE liebsteR LeserIn"
Cornelia S., die ruprecht zum ersten Mal las, antwortete auf 
die Frage "Gibst Du ruprecht weiter?" mit "Nein" und 
ergaenzte: "Ich will ihn behalten! Aber weiterempfehle ich ihn 
schon!"

Nicht ohne Grund - das wissen wir jetzt - heisst es im 
"Hamlet": "O that ... the Everlasting had not fixed / His canon 
'gainst man-slaugther" (oder so aehnlich). Der umstrittenste 
Artikel der letzten Ausgabe jedenfalls war ohne Zweifel Till 
Baernighausens "Maennermord als Unisport", eine Satire auf 
Selbstverteidigungskurse fuer Frauen und deren 
brutalisierenden Auswirkungen. Mehreren Frauen missfiel, 
was sie "der unmoegliche Artikel ueber die kampfbereiten 
Frauen" (Mechthild H.), "dieser unsaeglich unertraegliche 
Artikel 'Maennermord'" (Angelika R.) oder "der Scheissartikel 
'Maennermord ...' ("Scheiss" umrandet; Monika S.) nannten. 
Andere kommentierten: "(ist es) so schlimm, wenn Frauen 
zurueckschlagen?" (Annette T.), "Wie kann ein Mann, der 
keine Ahnung hat, was in einem Wendo-Kurs laeuft, darueber 
einen so falschen Artikel schreiben?" (Daniela K.) und "Ist ja 
wohl obergeschmacklos, ueber Vergewaltigung und Gewalt 
gegen Frauen so oede anzuschreiben" (Elisabeth R.) Nur 
wenige waren anderer Meinung: "Mir gefaellt", schrieb 
Miriam M., "der Artikel 'Maennermord als Frauensport': 
schoen sarkastisch (in Teilen) und mir aus dem Herzen 
gesprochen (Ich bin eine Frau)". Insgesamt war das 
Verhaeltnis Pro und Contra "Maennermord" unter den 
Einsendern 8:18.

Der uneigennuetzigste Fragebogen der ruprecht-Aktion "Ein 
Flug fuer Deine Meinung" kam von Susanne, Medizin-
Studentin im 6. Semester. Ohne ihre Adresse anzugeben, 
beantwortete sie alle unsere Fragen; unter ihrem "Wunsch-
Reiseziel" trug sie ein: "bin leider eh nicht da". ruprecht, nie 
um eine leere Geste verlegen, bittet nun: Susanne, melde 
Dich! Wir laden Dich eine Woche lang zum Essen in die 
Mensa ein; Du musst uns nur sagen, was Du unter "Mir 
gefaellt" eingetragen hast - und der Hackbraten ist Dein.


ERINNERUNGEN AN FEUERLAND

PORVENIR: "Zukunft" am stuermischen Ende der Welt? Wer 
gab einem Flecken Erde, noch zu Magellans Zeiten von 
zahlreichen Indianerfeuern uebersaet, diesen hoffnungsvollen 
Namen? Der   wagemuti-ge Weltumsegler mit seinen vier 
Schiffen, der diesen Teil Amerikas Feuerland (Tierra del 
Fuego) taufte, konnte er in seinem wochenlangen Kampf 
gegen peitschende Wellen hier irgendwo am Horizont 
dieZukunft erblickt haben? - Natuerlich waren dies nicht die 
Fragen, die mir auf der Faehre ueber die Magellan-strasse 
durch den Kopf gingen, denn dazu war der Wind an Deck zu 
stuermisch: er blies meine Gedanken genauso leicht weg wie 
die "Hundert Jahre Einsamkeit" eines irischen Professors 
neben mir. Waehrend  der  vom irischen Wind abgehaertete, 
leichtbekleidete Politologe noch seinem"Garcia M rquez" 
nachtrauerte, klammerte ich mich fester an meine 
"Reisebibel", die mich heil durch den "Kontinent des grossen 
Mannes mit dem Schnurbart, der Gitarre und  der Pistole" 
(Zitat Garcia M rquez) bringen sollte. Irgendwann als der 
Wind etwas abflaute, suchte und fand ich letztendlich auch 
unser  Ziel  im  bereits   abgegriffen "South American 
Handbook " (Edition 1993): "PORVENIR: einzige "Stadt" im 
chilenischen Westteil Feuerlands, 4500 Einwohner, einige 
Hundert Jugoslawen, kleines indianisches Museum, fuenf 
"Ho- tels", ein Restaurant, ein "Jugoslawischer Club"   mit   
gutem     Mittagessen fuer 5 Dollar.-"                   
Nachdem ich auf meiner Reise bereits im europaeisch 
aussehenden Santiago de Chile, im von Deutschen gepaegten 
Seengebiet Suedchiles und in der wunderschoenen 
"argentinischen Schweiz" am Nahuel Huapi-See Station 
gemacht hatte, sollte ich jetztalso zum vierten Mal nach 
Europa zurueckkehren ? Michael, der irische Professor aus 
Dublin, zeigte mir kurz vor dem Anlegen der Faehre ein Foto 
aus seinem chilenischen Reisefuehrer: ich sah darauf ein 
grosses Schild (Photo), welches die gewaltigen Entfernungen  
innerhalb Chiles verdeutlichte. Ganz unten war  ein zweites 
kleineres Schild gleicher Art angebracht:
       "YUGOSLAVIA"18662km 
"It's  so peacefull  here", meinte er irgendwann zynisch. 
Natuerlich dachten weder er noch ich beim Anblick dieser 
Ansammlung windschiefer Haeuschen an ein kleines 
"Jugoslawien". Jedoch waren wir sehr gespannt, als wir sahen, 
dass dem Entfernungsschild aus Michaels Reisefuehrer im 
Original unten ein Stueck fehlte.
Jugoslawien existierte also auch fuer die Menschen auf der 
anderen Seite der Welt nicht mehr. Was uebriggeblieben war, 
sagte uns eine Holztafel am Eingang des Hauses, in welchem 
sich laut "Dorfplan" der "Jugoslawische Club" befinden sollte 
: "Club Croato - Restaurante cerrado (geschlossen)" stand 
dort jetzt...
Als Europaeer waren Michael und ich vielleicht die einzigen, 
die in diesen Augenblicken daran dachten, dass nur knapp 20 
Flugstunden von hier viele weitere ex-jugoslawische Lokale 
geschlossen waren oder es augenblicklich gerade wurden. Die 
chilenischen Besucher aergerten sich eher ueber ihre 
knurrenden Maegen und die ebenfalls geschlossenen Museen, 
bevor sie merkten, dass es Sonntag war. Zum Glueck fuhr die 
Faehre noch am Nachmittag bei tobendem Wind nach Punta 
Arenas zurueck und liess fuer jeden Feuerland-Fahrer den Tag 
zu einem unvergeplichen Erlebnis werden.
Europa ist fuer einen Menschen aus Europa selbst am "Ende 
der   Welt" schwer zu verdraengen!!!-. Diese ernuechternde(?) 
Erfahrung sollte ich auf meiner langen Suedamerikatour  noch 
einige Male machen, sei es  im vielleicht schoensten 
Nationalpark Suedamerikas,"Torres del Paine", der sich fest in 
europaeischer und israelischer Hand  befand  oder  -auf etwas 
drastischere Weise - an der Grenze zwischen Puerto Natales 
(Chile) und Rio
Turbio (Argentinien), wo sich mein luxemburgischer 
Weggefaehrte  so lange mit den argentinischen Grenzbeamten 
herumstritt, bis wir - um endlich von diesem Schlagbaum 
wegzukommen -  Luxemburg kurzerhand zum 17. Bundesland 
"Alemanias" erklaerten. Gut, dass  alle EG-Paesse so schoen 
rot sind!
Uebrigens: Wenn man nach Suedamerika will, um eine 
wirklich andere Welt kennenzulernen, sollte nicht nur  
Venezuela,  Chile oder  Argentinien  auf der Reiseroute 
liegen. Zwar sind diese Laender fuer den Reisenden  relativ 
sicher, bequem und teuer, jedoch koennen sie nicht die 
"Machu-Pichu- oder Samba-Traeume" eines  Europaeers 
erfuellen. Dafuer "muss" man schon die 99,96% Peruaner 
besuchen, die nicht bei "Sendero Luminoso" arbeiten oder mit 
ein paar   Dollar  in der Tasche -  fuer  eventuelle Diebe - auf 
den Zuckerhut klettern. Und da man sein Flugticket im 
sicheren Hotelsafe bzw. in der eigenen Botschaft gelassen hat, 
wird  man  mit seinem 100 Dollarschein im Strumpf  immer 
zurueck nach Hause kommen und viel zu erzaehlen haben.
                      EPILOG            
Was werde ich zu erzaehlen haben?-                                                                                                                                                  
Einen Monat in Lima bei einer netten Familie Peruanisch 
gelernt, 5300 km  von Nordchile bis Feuerland mit dem Bus  
(fuer 100 Dollar incl. Mahlzeiten) gefahren., luxemburgischen 
Freund zufaellig im Cafe  "Nuevo Berna" in Buenos Aires  (13 
Mio. Einwohner) getroffen,  immodium-resistentes   
"Durchfall-schnitzel"  in Asuncion (Paraguay) gegessen ... 
Nein, es  war  eine wundervolle Reise durch fuenf  Laender, 
die  ich - jedes auf seine Art und Weise - sehr liebgewann:
Peru besonders wegen  seiner unkompli-zierten  und - trotz 
bedrueckender Armut -  lebensfrohen  Menschen.      Das  
schmale und lange Chile verzauberte nicht nur mich mit seinen 
unzaehligen paradisischen Naturschoenheiten. In Paraguays 
gluehend-roter Feuchtsavanne schmeckte das lokale 
"Bremen"-Bier unvergesslich  spritzig.  Brasilien fuehrte mich 
zu einem Weltwunder, das jede Diarrhoee kuriert: Iguazu... 
Und in Argentinien, besonders am Rio de la Plata, waren es  
viele lustige Tage und Naechte mit neuen und alten  Freunden, 
die dieses (vielleicht vertrauteste) Land fuer mich unvergessen 
machten.
Klar, es war schwer, Buenos Aires beim Abheben der 
Maschine "Adios" sagen zu muessen, aber schon 12 Stunden 
spaeter begruesste mich die italienische Sonne mit einem 
laechelnden "Buon giorno"...
(Frank Spielker)


AEGEE-KONGRESS ZUM THEMA ANTISEMITISMUS

Nach einem der juengsten Attentate auf Asylbewerber warf 
ein Neonazi einen abgeschlagenen Schweinekopf ueber den 
Zaun des juedischen Friedhofes in Erfurt; dass er spaeter, 
waehrend seines Prozesses, leichthin einraeumte, das sei 
vielleicht keine so gute Idee gewesen, schmeckte nicht nur 
Juden bitter auf der Zunge. Tatsaechlich ist das Thema 
Antisemitismus noch immer aktuell, nicht  nur in der 
Bundesrepublik, sondern auch in anderen europaeischen 
Laendern wie Frankreich, und gerade in Osteuropa gehoert 
die offene Diskriminierung von Juden vielerorts wieder zum 
Alltag. Aus diesem Grund hat sich die Heidelberger Sektion 
der internationalen Studentenorganisation AEGEE dazu 
entschlossen, ihren 6. Sommerkongress vom 18.-20. Juni 
unter den Titel "Anti-Semitism in Europe Today" zu stellen. 
Der Kongress ist nicht auf AEGEE-Mitglieder beschraenkt, 
da - so AEGEE - "es das Thema ohne Frage wert ist, von 
einem breiteren Publikum diskutiert zu werden". Alle 
Heidelberger Studenten sind herzlich eingeladen, am Kongress 
teilzunehmen. 
Renommierte Wissenschaftler aus England, Israel, Rumaenien, 
Italien, den Niederlanden und Deutschland werden unter 
anderem Vortraege ueber die Migration der Juden in Europa 
(S. Pasi, Sofia), ueber die Messbarkeit des Antisemitismus (D. 
Meghnagi, Rom) und ueber die verschiedenen Auspraegungen 
des Antisemitismus in Europa (R. Wistrich, London) halten. 
Der Erziehungswissenschaftler Prof. Micha Brumlik aus 
Heidelberg wird ueber den "Christlichen Anti-Judaismus" 
sprechen. Fuer einen Vortrag ueber "Moderne Auspraegungen 
des Antisemitismus in Deutschland" und die abschliessende 
Podiumsdiskussion hat Ignaz Bubis, Vorsitzender des 
Zentralrats der Juden in Deutschland, sein Kommen zugesagt. 
"Das allein", stellt ein AEGEE-Mitglied fest, "duerfte wohl 
Grund genug zur Teilnahme sein!"
Um eine Ueberfuellung der Veranstaltungen zu vermeiden, 
bittet AEGEE bis Ende Mai um  Anmeldung  unter den 
Telephon-Nummern 06221/28704 (Gero Heusler) und 
06221/32769 (Sylke Helbing). Ausserdem suchen die 
Organisatoren noch ganz dringend Unterkuenfte fuer 
auswaertige Teilnehmer. Wer bereit ist,  fuer die Zeit des 
Kongresses einen Teilnehmer aufzunehmen, nimmt kostenlos 
an den Rahmenveranstaltungen, einer Bootsfahrt auf dem 
Neckar und der "European Night" betitelten Abschlussfete 
teil. Im uebrigen, so heisst es bei AEGEE, "macht es einfach 
Spass, Leute aus aller Herren Laender naeher 
kennenzulernen". Praeferenzen werden soweit wie moeglich 
beruecksichtigt; Interessenten sollten sich an Peter Focke 
(Tel. 06221/16 53 75) wenden.
AEGEE (Association des Etats Generaux des Etudiants de 
l'Europe", auf deutsch das "Forum europaeischer Studenten") 
ist eine internationale Studentenorganisation, die 1985 in Paris 
gegruendet wurde. Inzwischen gibt es ueber 150 "Antennen" 
(Lokalgruppen) in allen europaeischen Laendern. Durch 
Aktivitaeten wie selbstorganisierte Kongresse, Treffen und 
Sprachkurse, an denen alle AEGEE-Mitglieder teilnehmen 
koennen, soll "das europaeische Bewusstsein gestaerkt" 
werden." Wer Lust zur Mitarbeit bei AEGEE hat, trifft die 
Heidelberger "Antenne" jeden Montag um 21.00 Uhr im 
Dachgeschoss des Marstallcafes.                                 (rp)


PERSONALS

An amerikanischen Campusen..., Campi..., Campen... - an 
amerikanischen Universitaeten haben die "personals" in den 
"campus papers" eine lange Tradition als lebhaftes Mittel der 
Kommunikation fuer die gesamte "university community". 
Von dieser Ausgabe an oeffnet ruprecht seine Spalten fuer 
alle, die sich etwas zu sagen haben (vorausgesetzt, es handelt 
sich nicht um kommerzielle Zwecke). Die Botschaften sollten 
bis 1. des jeweiligen Erscheinungsmonats bei uns (ruprecht, 
c/o Kastra, Lauerstr. 1 oder ruprecht, Kaiserstr. 57) 
angekommen sein. So get personal!

Christian: Ist lange her. Abendessen vielleicht? Denke warm 
an Dich. - Der Ehem.
Joern-Martin: Ich weiss, Du bist im Druck, aber wir 
MUeSSEN uns sehen. Adele - Ursel.
Eva-Maria: Deinen BH verbrenne ich jetzt. - Hans.
Christoph: Ich sammle meine Liebe fuer Dich in der 
Schublade. Uebergabe auf dem naechstgelegenen Rastplatz. - 
Annette.
Mit der Maennergewalt, denk' ich mal, sollte jeder Mann bei 
sich anfangen, ganz im Kleinen. - Gerd.
Axel: Wir haben uns nichts mehr zum sagen. - Ramona.
Andreas: Im Lexikon unter "Arschloch" ist Dein Photo. - 
Luise.
Arnold: Okay, zum letzten Mal: Ich war's nicht. Ruf sie an, sie 
wird's Dir erklaeren. - Ciao, Sabine.
Heinz: Wer bist Du? Was willst Du von uns? Wir sind 
einfache Leute. - F.
Nicht verpassen: das Referat von Arno - der Mann, der 
Mythos, die Legende (Dienstag, 18:00 Uhr, Historisches 
Seminar).
Eckhardt: Du bist ganz GROSS. - Rate mal.
Diane: Du darfst mein Reagenzglas jederzeit schuetteln. - 
Matthias.
Isabelle: Bitte, melde Dich. Das mit dem Flamingo ist nicht so 
schlimm. - O.
Heiner: Lass uns bald wieder zusammen Brot backen. - Deine 
Susanne.
Johannes: Du bist der beste Tutor in der Romanistik, der sich 
vorstellen laesst! Danke! - G., H., A. und Ch.
Harald: Zur Klarstellung: Sonnenbrillen sind (in der Regel) 
"cool", Hackbraten in der Mensa nicht. (NEIN.) - B.
Nicki K.: I'm your groupie for life, baby. - Ulf.
Ingrid: Nee. Tut mir leid. Ah-ah. Nix. Kommt nicht in die 
Tuete (nicht in meine). - Frosch.
Philipp: Deine Ex hatte recht. - J.
Julia: Ich hoffe, Dein Psychologie-Experiment klappt. Wenn 
Du die Boccia-Kugeln noch mal brauchst, kannst Du sie 
natuerlich kriegen. Und getrockneter Fisch ist auch noch da. - 
Eric.
An meine Haelfte: Was kann ich sagen, das Du noch nicht 
gedacht hast? Du machst mich ganz. (Scheisse.) - 1/2.
D.A.: Ich MAG Deine Nase. Verzeih mir.
Hey Nasenbohrer (Hauptseminar Rothe): Lass es bleiben!
Gregor: Ich will Dich auch. - H.
Helen: I hope the chocolate shake was as good for you as it 
was for me. - P.
Martin: Du bist in meiner Referatsgruppe, und ich HASSE 
Dich. (Das musste mal gesagt werden.)
Am Montag, Dienstag und Freitag, 20:30 Uhr, im 
Romanischen Keller: Die Schauspielgruppe des 
Erziehungswissenschaftlichen Seminars zeigt das 
Erfolgsstueck "Wohin Du auch gehst, Kretin".
Anne: Warm, ganz warm.
Gregor: Danke fuer gestern abend. Es war magisch ... - S.
Dummes Kaninchen: How sweet it is to be loved by you. - 
Karl.
Walter: Deine einzige Chance ist klare Gemuesebruehe. - 
Miriam.
Hannes: Es ist passiert. Und jetzt? - Ulla.
R.S.: Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, oder wo hast 
Du diese Schuhe her? - F.G.
Martina: Ich bin nicht immer so wie Donnerstag abend. 
Ehrlich. - Robby.
Jennifer: Plansch, plansch.
Hey Toaster! Gruss vom Toastkopf!
Wolfgang: Toller Haarschnitt. - Deine HiWi-Kollegen.
Max: Gnadenlos auf dem Weg nach oben, wie? 
Glueckwunsch zur HiWi-Stelle! 
Jens-Uwe: Du weisst, ich wuerde Dich ueberall hin fahren. 
Aber ich werd' Dich vermissen. - Anja.
R.D.: Du bist Freuds Alptraum.
Katie: Ich will Dich hier, ich will Dich jetzt, ich will Dich 
zurueck. - Der MANN.
Ralph: Du sein grosser Kerl. Milch machen Dich gross. 
Fleisch machen Dich stark. Du essen viel Milch und Fleisch. - 
Deine kleine Frau.
Thomas: Bitte komm wieder zum Seminar! Wir brauchen 
Dich! - Das Maedchen hinten an der Heizung.
Lieb': Die Sonne, der Mond, die Sterne gehoeren alle Dir, von 
mir.
Holger, Uwe, Ute, Wolfgang, Heiner, Detlev: Ich hab' ein 
Zimmer. - Reiner.
Rita: Weisst Du, ich hab' mich nie getraut, Dir zu sagen ... - 
na ja, Dir halt zu sagen, Dir einfach zu sagen, ohne Ruecksicht 
auf Konsequenzen, da war immer so 'ne Angst bei mir.
Henning: Hoer nicht auf! Hoer nicht auf! Hoer bloss nicht auf! 
- G.
Olaf: Wenn ich es mir recht ueberlege, vielleicht brauche ich 
doch mal einen Arzt ... - Janinne.
Thomas: VISA wird gehen, danke sehr.
Alex: Das Interview? "Scheiss drauf!" Noch Fragen? - B.              
(Red.; bpe)


DIE 25 BUeCHER DER WIESHEIT, 1. LIEFERUNG - 
RUPRECHT BAT HEIDELBERGER DOZENTEN ZUR 
BUCHEMPFEHLUNG

Der Baum, auf dem die Eule der Minerva - antikes Symbol 
der Weisheit - sitzt, hat viele Zweige. Diese Einsicht, von 
Autoren wissenschaftlicher Arbeiten gerne zu Beginn ihrer 
Ausfuehrungen zitiert, war ruprecht Programm beim Projekt 
der "25 Buecher der Weisheit". 
Per Anschreiben baten wir (teils subjektiv, teils zufaellig 
ausgewaehlte) Dozenten aus ueber zwei Dutzend 
Heidelberger Fachbereichen zur Buchanzeige. "Ziel Ihrer 
Empfehlung", so schrieben wir den Hochschullehrern, "soll es 
sein, Studierenden, die das jeweilige Fach nicht selbst 
studieren, sich aber dafuer interessieren, ein Buch 
vorzustellen, das ihnen - in einer moeglichst auch fuer den 
aufgeschlossenen Laien verstaendlichen Weise - einen ersten 
Eindruck von diesem Fach, von seinen wesentlichen 
Fragestellungen und Methoden, verschafft. Und das ihnen 
vielleicht auch Lust macht, sich noch eingehender mit Ihrem 
Fach zu beschaeftigen." Einzige Beschraenkung: Die 
Empfehlung sollte moeglichst nicht laenger als 40 Zeilen sein. 
Jetzt liegen die ersten Antworten auf die Herausforderung, als 
die wir unsere Anfrage auch verstanden wissen wollten, vor: 
von einem Althistoriker, einem Volkswirtschaftler, einem 
Politologen und einem Anglisten. Tatsaechlich erwies sich die 
ruprecht-Aufgabe fuer  die Hochschullehrer als nicht ganz 
einfach, und das nicht nur, weil manchen von ihnen die Zeit 
fehlte. Ein Dozent sagte uns "grundsaetzlich" zu, ergaenzte 
aber, er sei bislang noch "auf der Suche" nach dem 
geforderten Buch, verwerfe "bislang frustriert jede 
Moeglichkeit" und werde sich wieder melden, "sobald ich eine 
halbwegs befriedigende Loesung gefunden habe." 
Prof. Otten, emeritierter Ordinarius fuer Anglistik, der die 
Aufgabe ganz im Sinne der titelgebenden "Weisheit" auffasste 
(und der nur dank des von ihm reklamierten "Benefiz des 
Alters" ueber die 40-Zeilen-Grenze hinausschreiben durfte), 
erklaerte uns in seinem Begleitbrief: "Mir hat es Spass 
gemacht, dass unsere Studenten sich jetzt, wo das Geld 
ausgeht, ausgerechnet mit Weisheit beschaeftigen wollen. 
Hoffentlich haben Sie - sie - auch Spass dabei." 
Hier nun die erste Lieferung der 25 Buecher; weitere folgen in 
den naechsten Ausgaben des ruprecht.


Rezensent: Prof. Dr. Frank R. PFETSCH
Seine Empfehlung: Dolf STERNBERGER, Drei Wurzeln der 
Politik, Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt 1984.

Dolf Sternberger, der an der Universitaet Heidelberg 
Wissenschaft von der Politik gelehrt und als Journalist und 
Schriftsteller einen bedeutenden Namen hat, legt in seinem 
Spaetwerk eine Ideengeschichte vor, in der er die Wurzeln 
politischen Denkens bei drei Autoren festmacht, naemlich bei 
Aristoteles, der fuer die "Politologik" steht, bei Machiavelli, 
der die "Daemonologik" repraesentiert, und bei Augustinus, 
der fuer die "Eschatologik" beispielhaft zitiert wird. Man kann 
diese Wurzeln auch mit anderen Vokabeln kennzeichnen, 
naemlich mit dem Denken in den Kategorien des politischen 
Gemeinwesens (Aristoteles), in Kategorien der Macht 
(Machiavelli) und in einem zukunftsgerichteten Denkschema 
(Augustinus).
Ich empfehle dieses Buch vor allem, weil es grundlegende 
Themen der Politikwissenschaft anspricht, in eine 
Sprachkultur einfuehrt, die heute selten geworden ist, und 
weil das Buch sich nahe an dem Text der jeweiligen Autoren 
orientiert und somit als Beispiel fuer eine hermeneutische 
Politikwissenschaft stehen kann. - Frank Pfetsch

Rezensenten: Prof. Dr. Juergen SIEBKE / Dipl.-Volkswirt 
Ulrich ROLF
Ihre Empfehlung: Maurice LEVI, Thinking Economically - 
How Economic Principles Can Contribute to Clear Thinking, 
Basic Books, Inc. Publishers, New York 1985; dt.: 
Volkswirtschaftlich denken: vom alltaeglichen Nutzen der 
Wirtschaftswissenschaften.

Was der Titel des Buches des amerikanischen 
Wirtschaftswissenschaftlers Maurice Levi andeutet, wird in 
vielfacher Hinsicht bestaetigt: Oekonomisch denken heisst 
klar denken in allen Bereichen des Lebens! Dies ist nicht nur 
inhaltlich zu verstehen, vielmehr charakterisiert es gleichzeitig 
die Art und Weise, wie es dem Autor gelingt, den Leser an 
das Thema Volkswirtschaftslehre (engl. "economics") 
heranzufuehren: praegnant und ohne die manchen deutschen 
Einfuehrungsbuechern zur Volkswirtschaftslehre 
innewohnende Trockenheit der Darstellung.
Die Absicht des Autors ist es, zu beweisen, dass die 
Volkswirtschaftslehre etwas Nuetzliches ist. Auch 
hartgesottene Kritiker dieser Hypothese werden nach der 
Lektuere des Buches ueberzeugt sein von dem Sinn der 
volkswirtschaftlichen Denkweise: Welche oekonomischen 
Faktoren sprechen dafuer, Drogen zu legalisieren? Woraus 
resultiert das Problem der Umweltverschmutzung, und wie 
kann es geloest werden? Macht es Sinn, die Arbeitslosigkeit 
durch mehr Inflation zu bekaempfen? Warum sinkt das 
Sozialprodukt, wenn man seine Haushaelterin (seinen 
Haushaelter!) heiratet?
Anhand solcher - fuer Nicht-Oekonomen manchmal recht 
skurril wirkender - Beispiele werden klar und verstaendlich 
die Grundzuege des Denkens im Kleinen (Mikrooekonomie) 
und des Denkens im Grossen (Makrooekonomie) vorgestellt, 
ohne durch uebertriebenes Theoretisieren abzuschrecken. 
	Allen Interessenten sei die englische Originalausgabe 
des Buches empfohlen, da die deutsche Uebersetzung den 
erfrischend angenehmen Schreibstil des Autors nicht 
vollstaendig wiedergibt. - Juergen Siebke / Ulrich Rolf

Rezensent: Prof. Dr. Dr. h.c. Geza ALFOeLDY
Seine Empfehlung: Karl CHRIST, Geschichte der roemischen 
Kaiserzeit von Augustus bis Konstantin. C.H. Beck'sche 
Verlagsbuchhandlung Muenchen 1988, 2. Auflage 1992, 869 
Seiten.

Wer die Geschichte der Roemer kennt, bekommt eine 
Einfuehrung in die Methoden, Fragestellungen und Probleme 
der Wissenschaft von der Antiken Welt im allgemeinen. Die 
beste Darstellung ueber die Geschichte Roms von Augustus 
bis Konstantin dem Grossen (44 v.Chr. - 337 n.Chr.) bietet in 
der reichen althistorischen Fachliteratur der letzten Generation 
das Werk des emeritierten Marburger Althistorikers. Ihm ist 
es meisterhaft gelungen, die diachronische (= an zeitlichen 
Ablaeufen interessierte) Beschreibung der Ereignisgeschichte 
mit der synchronischen (= auf Zustaende gerichtete; d.Red.) 
Betrachtung politischer, wirtschaftlicher, sozialer und 
kultureller Strukturen zu verbinden. Die Ergebnisse der neuen 
Forschungen sind in hervorragender Weise verarbeitet, ohne 
dass der Leser durch die Details belastet wuerde. Vielmehr ist 
die Lektuere ausgesprochen spannend; die vielen Zitate aus 
antiken Quellen, die in deutscher Uebersetzung erscheinen, 
machen es zugleich moeglich, dass der Leser sich unmittelbar 
in die Denkweisen der Roemer versetzt. Ein reicher 
Abbildungsteil macht das Werk noch informativer.
Wer dieses Buch liest, bekommt auch eine Antwort auf viele 
uebergreifende Fragen der Geschichte eine Antwort, u.a. auf 
die beiden Hauptprobleme der Universalhistorie: Wann und 
warum sind staatliche Ordnungen stabil, und woran gehen sie 
zugrunde? Am Problem des "Untergangs des Roemischen 
Reiches" sind beide Fragen von der fachinternen wie der 
oeffentlichen Diskussion immer wieder behandelt worden. - 
Geza Alfoeldy

Rezensent: Prof. em. Dr. Kurt OTTEN
Seine Empfehlung: William SHAKESPEARE, King Lear; dt.: 
Koenig Lear; in vielen Ausgaben, u.a. zweisprachig bei 
Reclam.

Arthur Schopenhauer hielt Shakespeare fuer einen 
Weisheitslehrer, dem das Innere des Menschen ebenso 
offenstand wie das Aeussere der Welt und die Maechte des 
Geschehens. Shakespeare selbst hat seine Einblicke eher im 
Unsagabarkeitstopos dem offenen Zugriff des Marktes 
entzogen, und vielleicht lag bereits darin ein Geheimnis seiner 
Weisheit. Aehnlich wie die Weisheit der Bibel, der grossen 
Tragiker, der Aeneis, des Don Quichote, ist seine Weisheit 
eine Erkenntnis des Leidens.
Die Weisheit seines wohl 1605/1606 entstandenen Dramas 
"King Lear" hat es mit der Gewalt des menschlichen Ichs, mit 
der Liebe, mit der Macht, mit der Treue und mit der 
Erkenntnis zu tun. Lear moechte sein Koenigreich unter 
seinen drei Toechtern aufteilen; sie sollen ihm oeffentlich ihre 
Liebe bekennen, um entsprechend ihrer Zuneigung zu erben. 
Seine Lieblingstochter Cordelia verweigert sich und wird von 
dem rasenden Lear verstossen. Er moechte ueber seine Liebe 
verfuegen in einer grossen machtvollen Geste des Schenkens; 
sein Gutduenken, seine Macht, seine unumschraenkte 
Autoritaet sind aber Teil eines gewalttaetigen Egoismus, in 
dem er glaubt, sich seine Kinder in der Tat des Schenkens fuer 
alle Zukunft durch Dankbarkeit verpflichten zu koennen. Er 
selbst aber ist unfaehig zur Weisheit Apollos, zur 
Selbsterkenntnis. So verfehlt er auch die Gesetze des Kosmos, 
die durch die Natur dem Menschen wie allem Geschehen 
eingeschrieben sind. Von seinen anderen beiden Toechtern 
gedemuetigt, verfaellt Lear dem Wahnsinn.
Cordelia hingegen weiss, dass die Natur einen Bund der 
Schoepfung darstellt, einen Pflichtteil, in dem Mensch und 
Natur, wie Menschen untereinander, sich gegenseitig 
Schuldner bleiben. Es ist ein tragisches Wissen in einer Welt, 
die durch die maechtigen Triebe der Macht und den 
Egozentrismus der Menschen die Tore zur Zerstoerung des 
Universums aufgestossen hat. In ihrer Hybris, sich durch den 
Willen zur Macht als Zentrum der Natur und des Kosmos 
behaupten zu koennen, katapultierten sich die Menschen 
hinaus in das unendliche Chaos und verschuetteten und 
verdarben "nature's germens", die Keime der Schoepfung. 
Diese Vorahnung Augustins taucht in "King Lear" wieder auf, 
und man kann sie im "Spiegel" dieser Woche (13. April) in 
modischen Einzelheiten als "Gen-Frass" nachlesen. Der 
Egoismus, in dem ein Vater seinen Kindern "Liebe" schenken 
wollte, hat ihn selbst in den Wahnsinn getrieben und die Natur 
als Mutter des Lebens zerstoert. "Das Empire schlaegt 
zurueck." Der "unbehauste Mensch" irrt herum inmitten einer 
unbewohnbaren, durch Krieg und Naturzerstoerung 
verwuesteten Welt.
Es gibt fuer Shakespeare - deshalb ist er ein Weisheitslehrer - 
einen Neuanfang. Der Narr - der nackte Wahnwitz, in dem 
sich die unschuldige Natur des Menschen um des Ueberlebens 
willen verkleiden muss -, die unverdiente Treue und das 
Geschenk einer unverdienten, freien, menschlichen Liebe 
fuehren Lear zur Einsicht in die Schuld des Herrschers, den 
die Not seiner "Untertanen", die ihn haette jammern muessen, 
kalt gelassen hatte; sie fuehren auch zu einem Ansatz von 
neuem Leben. Aber, und dies ist das Geheimnis der 
Schoepfung, wir koennen unserer Schuld nicht entkommen. 
Das einmal in die Welt maechtig entlassene Boese zerstoert 
nicht nur die wissend Schuldigen, auch den durch Torheit der 
Macht schuldigen Lear und Cordelia, die im tiefsten Herzen 
Unschuldige. Das Boese, die Daemonie der Macht, die 
verfehlte Selbsterkenntnis wird sich schliesslich selbst 
zerstoeren, aber was schuldig wurde, reisst auch das 
Unschuldige in den Fluch des Untergangs. Wir koennen nicht 
unbegrenzt schuldig werden, dem anderen ungestraft unsere 
Zahlungsaufforderung zustellen lassen und vor dem Fernseher 
auf den Geldbrieftraeger warten. - Kurt Otten
(Red. "Buecher": bpe)