ruprecht Nr. 26 vom November ´93


Griff nach dem Rathaus

Kommunalwahlen '994: Treten Studis mit einer eigenen Liste an?

Heidelbergs Möchtegern-Akademiker werd immer frecher. Nicht genug, daß sie in immer größeren Scharen in die Stadt strömen, mit ihren Fahrrädern die Altstadt unsicher machen oder ihre politische Meinung anläßlich mittelmäßig besuchter Demonstrationen lautstark den Anwohnern der Hauptstraße kundtun. Jetzt wollen sich einige von ihnen noch nicht einmal mehr mit dem Gastrecht in dieser Stadt zufriedengeben und zu den Kommunalwahlen im Juni mit einer eigenen Studi-Liste antreten.
Es sind zum größten Teil Leute aus der Fachschaftskonferenz, die diese Liste aufstellen wollen. Dennoch hat das Gremium selbst seine Unterstützung bisher nur verbal manifestiert (abgesehen von der Gelegenheit, im Unimut Artikel zu veröffentlichen). Geld für das Vorhaben kommt aus der FSK noch keines.
Wieviele Leute könnten eine solche Liste wählen? Es gibt in Heidelberg 90.000 Wahlberechtige, davon etwa 10.000 Studierende. Von denen gingen aber 1989 nur 45% an die Urnen. Ein Stimmenpotential von bloß 4500 reicht vielleicht aber nur für einen Einzelkämpfer im Rat (der ist schon ab etwa 1400 Stimmen zu haben). Wollen die Initiatoren also richtig Erfolg haben, müssen sie erstens die Wahlbeteiligung bei Studierenden heben und zweitens Themen anbieten, die auch andere Wähler vom Hocker reißen. Gibt es überhaupt "studentische Themen'' bei den Kommunalwahlen? Hochschulpolitik wird schließlich in Stuttgart und manchmal in Bonn gemacht. "Mit Themen aus der Verkehrs- und Kulturpohtik, in der studentische Interessen bisher von allen Parteien vernachlässigt wurden", sagen die Initiatoren, "können wir uns sehr wohl eine Basis schaffen".
Zwei Studierenden-Listen in Deutschland ist der Sprung in einen Stadtrat auf diese Weise zumindest schon einmal gelungen: In Würzburg und Passau stellen solche Gruppen seit 1990 einen bzw. zwei Abgeordnete im Stadtparlament und versuchen ebenso, sich vor allem in der Verkehrs- und Kulturpolitik zu profilieren.
Die meisten Initiatoren der hiesigen Liste komrnen, wie gesagt, aus der Arbeit in der Fachschaftskonferenz. Was aber halten die politischen Hochschulgruppen von der Idee einer Studierenden-Liste? "Schwachsinn", sagt Gerhard Ries vom RCDS Heidelberg, "hier versuchen doch nur wieder Leute aus der Fachschaftskonferenz die Allgemeinpolitik, die sie als Studierendenvertreter nicht machen dürfen, woanders zu machen." "DieZersplitterung links von der CDU würde verstärkt", meint Michael Luckhaus von der Juso-Hochschulgruppe, "schließlich wird die Studierendenliste, wenn man sich ihre Mitglieder und Positionen ansieht, auch im linken Spektrum anzusiedeln sein. Sie wird, wenn überhaupt, gerade die Parteien schwächen, die ihr noch am nachsten stehen." Er glaubt in seltener, aber nachvollziehbarer Einigkeit mit dem RCDS-Vertreter, daß die jetzigen Stadtratsparteien - vor allem mit ihren Jugendorganisationen natürlich - imstande sind, auch studentische Interessen zu vertreten.
Ganz sicher sind sich die Initiatoren der Studierenden-Liste ihrer Sache selbst noch nicht. Sie werden in den nächsten Wochen erst einmal eine Umfrage vor den Mensen machen, um herauszufinden, ob sie Unterstützung haben. Auf jeden Fall verhandeln sie auch mit der GAL. Denn deren Stadträte erschrecken sich vielleicht stark genug über die Idee einer solchen Liste (die sich ihre Wahler ja genau dort suchen wird, wo die Grün-Alternativen traditionell viele Stimmen zu gewinnen haben), daß sie gute Listenplätze für Studierende freimachen. (hn)

Braucht Heidelberg eine Kommunalliste für Studierende? Über diese Frage streiten in unserer Rubrik Point & counterpoint" auf S. 2 Christian Weiß, einer der Initiatoren der Liste, und Dr. Raban von derMalsburg, der Fraktionsvorsitzende der CDU im Gemeinderat.


Wenn der Überbau die Basis sucht

Die schwierige Geburt eines neuen studentischen Dachverbandes

Die letzte Sitzung der Vereinigten Deutschen Studierendenschaften fand am 27. Mai 1990 statt. Dann vertagte sich der einzige studentische Dachverband in Deutschland ins Jenseits: Selbst für eine ordentliche Auflösung war Beteiligung und Interesse der in ihm noch vertretenen Studierendenschaften zu gering. Der Verband hatte sich - nach braven, von systemtreuen Nachwuchspolitikern bestimmten Anfängen in den 50er und 60er Jahren - in den 70er und 80er Jahren immer mehr in der gegeseitiger Zer-fleischung diverser linker Gruppen verloren. Der Kontakt zur Basis an den Universitäten war längst abgerissen.
Zum Glück sind es nicht nur die Funktionäre von damals, die heute, drei Jahre später wieder eine Vereinigung der deutschen Studierendenvertretungen ins Leben rufen wollen. Der eine oder andere Pragmatiker scheint sich in die Organisationsgruppen eingeschlichen zu haben, die sich aus zwei bisherigen Ansätzen zu Dachverbänden - der FKS für 39 Fachhochschulen und der BAS für 13 Universitäten - und dem Arbeitskreis Bildungsgipfel gebildet haben. Nach einem Reigen von Marathonsitzungen scheinen 40-70 Asten von Unis und Fachhochschulen (die Zahl schwankt stark) der Gründung einer solchen Organisation sehr nahe. Zähneknirschend einigten sich große und kleine Hochschulen auf eine Satzung, nach der die Stimmenanzahl einer Studierendenvertretung je nach Größe der Hochschule zwischen einer und drei variiert. In vielen entscheidenden Dingen haben Asten von Riesenuniversitäten allerdings nicht mehr Stimmen als die Vertreter der kleinsten Fachhochschulen.
Braucht die Basis aber überhaupt einen Oberbau? Brauchen die örtlichen Asten in Deutschland überhaupt eine gemeinsame Vertretung? In vielen Studierendenschaften ist man sich da nicht so sicher: Große Universitäten werden vorerst im neuen Dachverband fehlen, z.B. die Berliner Hochschulen, die sich lieber mit dem Aufbau eines Informationsnetzwerkes ohne Vertretungsanspruch beschäftigen. Aus Ostdeutschland gibt es bisher nur einen Vertreter und eine Grußadresse.
Trotzdem: Es ist schon lange nicht mehr so, daß Bildungspolitik nur noch im einzelnen Bundesland gemacht wird. Die Hochschule wird, in welche Richtung auch immer, bundesweit reformiert werden. Um aber nicht nur dem RCDS, den JUSOS und der LHG die Vertretung der Studierenden zu überlassen (diese werden immerhin manchmal zu unverbindlichen Anhörungen in Ausschüssen geladen) müssen sich die Asten schon organisieren. Gelingen wird das Ganze aber nur, wenn erstens viel mehr der 200 deutschen Studierendenvertretungen Mitglieder im Verband werden und er zweitens nicht allzu konsequent in eine Spielwiese flür Jungkarrieristen verwandelt wird. (hn)


Verpackt? - Unverpackt!

"Bei wievielen Produkten ist selbstzapfen möglich? Wieviel Sorten bzw. Prozent von Obst und Gemüse sind in Tabletts, Folien, Styropor, Netz und Plastiktüten verpackt?” Fragen dieser Art bekommen in diesen Tagen die Lebensmittelgeschäfte in Heidelberg gestellt.
Im Jahr 1992 kam auf jede Heidelbergerin und jeden Heidelberger 229 Kilo Restmüll, der schnurstracks - auch in den segensreichen Zeiten des "Grünen Punktes” - auf den Müll wanderte.
Allein mit Appellen an die Einsichtsfähigkeit der KonsumentInnen, doch bitte-schön weniger Müll und stattdessen mehr Ware einzukaufen, wurde wenig erreicht. Also suchten die Umweltbewegten nach neuen Ansatzpunkten. Diesen fand der BUND in der Aktion "unverpackt”, deren Träger er ist. Ziel ist es, solche Lebensmittelgeschäfte zu prämieren, die ein müllvermeidendes Sortiment vorweisen können. Positiv gehen zudem umweltorientierte Kundenberatung oder die verbilligte Abgabe von Stofftaschen in die Wertung ein.
Noch ist der Kunde nicht ganz in seine Unmündigkeit entlassen. Denn er soll ja in den prämierten Geschäften einkaufen. Die Gefahr besteht allerdings, daß wenn man verstärkt die Produkte über die Angebotsseite bestimmt, den Kunden auf der Nachfrageseite, gänzlich aus seiner Verantwortung zu nehmen. Auf lange Sicht muß aber das genaue Gegenteil der Fall sein. Nicht irgendwelche Institutionen sollen Umweltpolitik machen, sondern der Einzelne.

Die Müllflut einzudämmen hofft man aber auch auf städtischer Seite. Denn seit weder Frankreich noch der "Grüne Punkt” mehr den Müll will, steigt die Angst vor einem Müllkollaps wieder. Die, aus rechtlichen Gründen nur finanziell unterstützte, Aktion "unverpackt” schildert Herr Friedl vom Heidelberger Abfallwirtschaftsamt als Teil des "Notprogrammes” zur Eindämmung der Müllflut. "Den engen Rahmen, der der Stadt bleibt” will sie auch, nach den Worten von Herrn Friedl voll ausnutzen. Trotz des Informationsaustausches zwischen Stadt und BUND "arbeitet der BUND autonom und eigenverantwortlich” betont Herr Maier, Koordinator der Aktion beim BUND mit Nachdruck.

Mit Vorwürfen seitens des Einzelhandels sieht man sich nicht konfrontiert. Der Geschäftsführer des Einzelhandels Nordbaden sieht in solchen Aktionen sogar die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit des Einzelhandels zu dokumentieren. (h.b.)


Ticket und Bahn kommt sicherer an

Früher, ja früher, war alles anders. Die Studenten waren langhaarig, das Bankkonto knapp und die Liebe frei. Heutzutage heißt der Student Studierender, investiert monatlich mehr Geld in den Haarschnitt als seine eigene Mutter in einem Jahr und spekuliert mit Aktien (von der Liebe soll hier gar nicht erst die Rede sein).
Nun hat uns der Verkehrsverbund Rhein-Neckar in illegaler Kollaboration mit dem Studentenwerk auch noch um das letzte Detail des romantisch verklärten Bildes vom armen Studenten nach Reinard Mey-Art gebracht: Das Semester-Ticket bringt die letzten idealistischen Kämpfer gegen den Kapitalismus zur Strecke, die Gattung der studentischen Schwarzfahrer in Bus und Bahn ist vom Aussterben bedroht.
Endlich war es gefunden, das Ei des Kolumbus, nach dem unsere Vätergeneration vergebens gesucht hatte, um den letzten schlipslosen Langzeitstudenten aus dem Straßenbild verschwinden zu lassen: Wer hat, will ungern teilen. So mutiert der Möchtegern-Che-Guevara zum Verwaltungsinspektorsanwärter, der Schwarzfahrer zum Schwarzwähler...
"Ich verstehe gar nicht, warum in den Straßenbahnen so wenig kontrolliert wird", sagte kürzlich ein Zweitsemester Psychologie zu mir zwischen Kußmaulstraße und Mönchhofplatz, "daß, lädt doch illegale Mitfahrer geradezu ein". Ein Zweitsemester! Psychologie! Aber das schlimmste: Der gute Mann hat recht! Seit ich dank hundert Mark Investition die Rückenschmerzen vom wöchentlichen Versteckspiel mit den HSB-Kontrolleuren los bin, führe auch ich das Wort von der Trittbrettfahrergesellschaft ständig im Munde. Der Ökokompromiß zwischen Verkehrsbetrieben und Uni hat mich unrettbar zu einer bürgerlichen Existenz degradiert, die nur danach lechzt, jene Schmarotzer ertappt zu sehen, die doch tatsächlich ohne gültigen Fahrausweis, also, das ist doch...!
Es soll ja angeblich sogar verachtenswerte Existenzen geben, die sich nur zum Zwecke der billigen Erschleichung eines Blankofahrscheins an der alma mater in Heidelberg immatrikulieren!
Die mathematische Fakultat, ausgezeichnet durch einen sträflichen Mangel an Kontrollklausuren in den ersten sieben Semestern, verzeichnet für daß Wintersemester einen ungewöhnlichen Zuwachs an angeblichen Zahlenenthusiasten. So haben wir das Wort von der Bildung für alle nicht gemeint! Zumin-dest meinen wir es nun nicht mehr sol Wer nicht neben uns in den Seminaren schläft, soll auch nicht für nur einen blauen Schein zur faszinierenden Licht- und Tonshow der HSB kommen: Dong. NächsterHalt: Vinzentiuskrankenhaus...
Und die Katastrophe zeichnet sich bereits am schadstoffumwokten Horizont ab: Angesichts der Sensation von über 11.000 verkauften Studi-Tickets denkt man darüber nach, in öffentlichen Verkehrsmitteln ganz auf die nunmehr fast erfolglosen und frustrierten Controllettis zu verzichten. Jahrelang hatten wir uns auf den rapiden Adrenalinanstieg beim sonoren Die Fahrausweise, bitte gewöhnt, und nun, da wir einmal ruhigen Gewissens und konzentriert die Rentnergepräche über die aktuelle Wetterlage mithören könnten, würden andere auf unsere Kosten einfach und angstfrei mitfahren?
Da kann es nur heißen: Rettet den Standort Deutschland! Sichert die Arbeitsplätze der Straßenbahnsheriffsl Nützt eure hundert Mark aus, bevor eine der noch verbliebenen zwielichtigen Existenzen sie mitbenütztl Fahrt mehrBahnl Und schneller!
Und wenn die ersten Studierenden mit Ticket am Bismarckplatz einen studiumsunabhängigen Nervenzusarnmenbruch erleiden, weil sie nicht mehr wissen, welchen der vielen blauen Busse sie jetzt zuerst umsonst benutzen sollten und ob man den kleinen Schein mit einer Fahrt nach Mannheim oder nach Rohrbach besser ausnützt, dann kann man sich nur wehmütig an alte Zeiten erinnern als die Haare noch lang waren und die Liebe noch frei. Aber davon sollte ja nicht die Rede sein. (step)


ruprecht point&counterpoint:

Braucht Heidelberg eine Kommunalwahlliste für Studenten?

Eine Gruppe von Studierenden möchte zur Heidelberger Kommunalwahhl im Juni '94 mit einer eigenen Liste antreten. ruprecht nahm dies zum Anlaß, zwei Vertreter der gegensätzlichen Parteien zu fragen.

"Ja"

Christian Weiß, Mitinitiator der geplanten Studierendenliste

Braucht Heidelberg eigentlich seine Studierenden?
Dem Anschein nach nicht. Denn in der Gemeinderatspolitik spielen studentische Interessen nur eine geringe Rolle und das, obwohl wir fast ein Fünftel der Bevölkerung stellen. Beispiele gefällig? Welche Relevanz hat z.B. das Studiticket für eine Stadt wie Heidelberg, die ständig mit alltäglichem Verkehrschaos zu kämpfen hat? Man sollte meinen daß 12000 Umsteigerinnen auf den ÖPNV und somit Mehreinnahmen der städtischen (!) Verkehrsbetriebe von rund 3 Mio. DM/Jahr durchaus Größenordnungen sind, die für Heidelberg ins Gewicht fallen.

Und im Nachhinein hangt sich Beate Weber 'Verdienste' um das Studiticket auch gerne an. Doch diese gibt es nicht. Keine der im Gemeinderat vertretenen Parteien hat sich für das Ticket eingesetzt, es wurden keinerlei Finanzhilfen in Aussicht gestellt oder etwa Druck auf die HSB asgeübt.Eine kleine Konzession an die FSK hätte das Studiticket nämlich bereits ein Jahr frtlher ermöglicht, die HSB hatte 3 Mio DM mehr zur Verfügung gehabt, und die geplanten Verbesserungen waren zum großen Teil bereits umgesetzt.

Doch was sind schon ein Jahr und 3 Mio. DM für eine Stadt wie Heidelberg, und wer fühlt sich verantwortlich dafür, daß dieses Geld fehlt?
Der CDU-Fraktionsvorsitzende, der hier die Gegenposition schreibt, schon gar nicht, denn mit Verkehrspolitik, die den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV fordert, hat die hiesige CDU bestimmt nichts zu tun.
Daß sich hier niemand verantwortlich fühlt, ist aber recht einfach zu erklären, denn das Studiticket ist eine Maßnahme für Studierende und die gibt es - zumindest im Blickfeld der Parteien - in Heidelberg nicht.
Denn man muß ja nichts für sie tun, sie wählen sowieso links oder gar nicht, außerdem sind sie nur kurz in Heidelberg. Daß Kandidaten von l 989 'Studis raus aus der Altstadt' propagieren, schadet doch keinem, denn 1994 weiß dies niemand mehr, die Studierenden sind inzwischen andere.
Parteien reagieren also nur auf die Bevölkerung, die fürsie 'wahlarimetisch relevant' ist, andere Interessen werden nicht wahrgenommen - auch weil Studis rund 20 Jahre jünger sind als die GemeinderätInnen, die sie vertreten. Diese Generation hat eine andere Wahrnehmung und andere Probleme in ihrem alltäglichen Lebensumfeld, was die Politik bestimmt, die sie machen.
Wir kamen deshalb zu dem Schluß, daß wir Studierende uns schon selbst vertreten müssen, wenn wir wollen, daß unsere Interessen in dieser Stadt endlich berücksichtigt werden.

Gerade in Politikern wie dem kontragebenden Malsburg (Leiter der Zentralen Studentenberatung), liegt ein Grund, sich zu engagieren. Bei deren Wahlsieg stände uns nämlich ein rückwärtsgerichteter Wertewandel bevor, "um die Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu korrigieren" (Rheind-Neckar-Zeitung 12. November). Dies beträfe uns Studis v.a. im Kultur-, Wohn- und Verkehrsbeireich (Radwege).

Uns allen sollte es zu denken geben, wenn Malsburg im Gemeinderat u.a. zur Wagenburg sagt, daß deren "Bewohner in der Hauptstraße mit bunt gefärbten Haaren unangenehm auffallen"!
Der Studentenberater fühlt sich - wie lachhaft - von buntgefärbten Haaren bedroht; aber nicht nur von diesen. Er fühlt sich auch von AsylbewerberInnen bedroht, denn befragt zum Wohnungsbau in HD ist seinn Vorschlag: Zuzug stoppen.
Er fordert deshalb eme Verschärfung des Asylrechtes, geschmackvollenveise auch noch nach dessen Änderung und diversen Brandanschlägen (Stadtblatt 19.8.). AusländerInnen und Buntgefärbte: Vorsicht vor Studienberatung und alternden Stadträten.
Heidelberg braucht vielleicht keine Studi-Liste, aber die Studierenden benötigen diese dringender denn je.

"Nein"

Dr. Raban von der Malsburg, Vorsitzender der CDU Gemeinderatsfraktion

Braucht Heidelberg eine Kommunalwahlliste für Studenten?
Heidelberg hat einen Stimmbezirk, der fast ausschließlich aus Studenten besteht: Das Neuenheimer Feld. Hier arbeiten tagsüber zwar viele, aber ihren Wohnsitz haben im Neuenheimer Feld nur wenige, ein paar Universitätsangestellte, einige Schwesternhelferinnen und eben vor allem viele Studenten in den Wohnheimen.

Bei der letzten Kommunalwahl hattedieser Stimmbezirk mit 31 % eine katastrophale Wahlbeteiligung. Erinnerungen an die Wahlbeteiliaung bei Asta-Wahlen werden wach. Und deswegen liegt es ja auch nahe, daß die Organisatoren solcher Asta-Wahlen jetzt auch gerne Kommunalpolitik machen und eine Studentenpartei gründen mochten. Das politische Kalkül ist ebenso klar: Da bei eben dieser Gemeinderatswahl 45 % aller Studierenden - sofern sie überhaupt gewählt haben - die Grün-Alternative-Liste gewählt haben, haben sie dann such von der Grün-Alternativen-Liste erwartet, daß sie sich wie eine Studentenpartei benimmt. Während das in mancher Hmsicht ganz ausgezeichnet klappt, z.B. was die biblische Länge der Redebeitrage mancher GAL-Stadträte betrifft, so war doch offenbar für die studentischen Wähler der GAL enttäuschend, daß es offenkundig einen deutlichen thematischen Unterschied zwischen Kommunalpolitik und Hochschulpolitik gibt. Zu selten sind den Kritikern aus dem Grün-Alternativen Studentenlager Hochschulthemen auf der Tagesordnung des Gemeinderates aufgetaucht.

Mit einer Studentenpartei würde sich daran überhaupt nichts ändern. Kommumalpolitik wird auch dann nicht Hochschulpolitik werden. Und eine Partei, die allein die Interessen einer einzigen Bevölkerungsgruppe vertritt, ist nach aller Lebenserfahrung nicht in der Lage, andere zu überzeugen und dadurch Mehrheiten zu bilden. Das haben auch die Grünen lernen müssen (und gelernt).

Auch der so beliebte FDP-Effekt - das Zünglein an der Waage - ist nicht zu erwarten. Den kann nämlich nur eine Partei erzielen, die sich in der Mitte ansiedelt und jederzeit bereit ist, je nach Bedarf mal mit der linken Seite und mal mit der rechten Seite eine Mehrheit zu bilden - Hauptsache Mehrheit. Für die Studentenpartei hingegen ware eher das Schicksal der - ich bitte um Verzeihung - Republikaner zu erwarten: Vielleicht ein Sitz - und der am Rande des Geschehens.

Eine zusätzliche Studentenpartei in der Kommunalpolitik würde aber mit Sicherheit ein negatives Ergebnis haben. Die Zersplitterung der politischen Kräfte würrde weiter zunehmen; die Arbeitsfähigkeit der Gremien würde damit weiter abnehmen. Die Verluste an politischer Effizienz treten dabei in zwei Stufen auf: Zum ersten gehen umso mehr Wählerstimmen verloren, desto mehr Wählervereinigungen antreten, weil Wählervereinigungen unter etwa 4 %: überhaupt keinen Sitz erhalten und darüber die Stimmen soweit verloren gehen, als sie noch nicht für einen weiteren Sitz ausreichen. Die zweite Stufe ist ebenso wichtig: Nur die größeren Gruppierungen erhalten Sitze in den Ausschüssen des Gemeinderates, die natürlich kleiner sind als der Gemeinderat, aber den größten Teil der Arbeit leisten.

"point-/counterpoint" ist ein Serie im ruprecht, der in jeder Ausgabe zwei Vertreter unterschiedlicher Meinung zu einem aktuellen Thema zu Wort kommen. Wovon der "Spiegel" noch nicht einmal gehört hat, worüber die "Frankfurter Allgemeine" nicht zu schreiben wagt und wozu der "Süddeutschen Zeitung" die Autoren fehlen, diese heißen Eisen packt ruprecht an.


"Ich bin nicht nostalgisch veranlagt"

ruprecht sprach mit Regine Hildebrandt, Arbeits- und Sozialministerin Brandenburgs

Es ist nur ein "Audi 80", in den wir einsteigen. Daß es ein solcher und nicht ein Benz ist, darauf hatte die brandenburgische Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen bei derAusmusterung ihres alten Wagens bestanden . Auf dem Rücksitz: Berge von Papieren und ... Äpfeln. Die kaut die promovierte Biologin kiloweise in den Pausen zwischen ihren Terminen. Und Termine hat sie etliche jeden Tag. Ihre Auftritte sind gefragt. Die direkte Art der Ministerin trifft den Nerv der Leute im Osten: den Titel der "beliebtesten Politikerin" macht ihr dort zur Zeit niemiand streitig. Wenn sie loslegt, über soziale Ungerechtigkeit oder über die Probleme der Leute im Osten, wenn sie dabei redet, "wie ihr der Schnabel gewachsen ist," - dann fühlen sich die "Ossis" verstanden und die Fernsehredakteurin aus dem Westen freut sich über das medienwirksame Auf treten der Politikerin, die in der Wendezeit in der Bürgerbewegung "Demokratie jetzt" engagiert war. Später trat sie zusammen mit ihrem Mann in die neugegründete Ost-SPD ein und wurde unter de Maziere letzte Arbeits- und Sozialministerin der DDR. Seit 1990 bekleidet RegineHildebrandt dieses Amt in der brandenburgischen Landesregierungunter Ministerpräsident Manfred Stolpe.

ruprecht: Erfahrungen und Statistiken bezeugen: je länger Ost- und Westdeutsche staatlich vereinigt sind, desto weniger verstehen sie sich. Was ist es denn aus ihrer Sicht, was die Westdeutschen an den Ostdeutschen nicht verstehen?

Hildebrandt: Die Westdeutschen verstehen an den Ostdeutschen am wenigsten die Lebenssituation, die sich in allen Bereichen grundlegend geändert hat. Und das Schlimme ist, die meisten machen sich auch nicht die Mühe, es sich 'mal gründlich anzuhören. Wenn Sie davon ausgehen, daß von 10 Westdeutschen 8 noch nie in der DDR oder im Osten waren und da auch keme Verwandte haben, damn können Sie sich vorstellen, wie wenig Kenntnisse über die Lebensverhältnisse im Osten nicht vorhanden sind. und die lassen sich offensichtlich auch so schnell nicht mit Lesen von Statistiken oder Artikeln erklären.

ruprecht: Sie haben vor kurzem in einem Interview gesagt, Sie hatten in Illusionen gelebt in bezug auf die Dinge, die nach der Wende auf Sie zugekommen sind. Wenn Sie die Zeit jetzt noch einmal zurückschrauben könnten: Ausgestattet mit den Kenntnisssen und Erfahrungen von heute, was warden Sie anders machen?

Haldebrandt: Das erste, was man anders machen müßte, ist die Eigentumsregelung. Das zweite ist die Finanzierung der Deutschen Einheit - völlig anders. Das heißt zu deutsch sofort sagen, daß es teuer wird und den Leuten sagen, daß es die Sache wert ist. Das dritte wäre, den Wirschaftsumbruch nicht allein der Wirtschaft zu überlassen: reglementieren in der Ühergangszeit, sanieren, vorprivatisieren. Dafür sorgen, daß Absatzmärkte auch hier im eigenen Land erhalten bleiben und nicht Westprodukte alles überschwemmen. Arbeitsmarktpolitik ist die vierte Sache. Diese Wahnsinnsbeträge, die in die Arbeitslosigkeit gegangen sind, hätten von Anfang an in Arbeitsprojekte für den Aufbau Ostdeutschlands gesteckt werden müssen.

ruprecht: Sie betonen immer sehr die positiven Errungenschaften der DDR...

Hildebrandt: Ja, aber sagen Sie bloß nicht Errungenschaften, das ist für mich so'n richtiger Ostbegriff.

ruprecht: Beim Hervorheben der positivenAspekte der DDR wird, scheint mir, oft deren Stellung im Staatsapparat der DDR nicht mehr mitgedacht. Zum Beispiel ging das in der DDR garantierte Recht auf Arbeitsplatz, das gerade Sie so oft betonen, einher mit einer staatlich ge-lenkten und damit massiv eingeschränkten Berufswahlfreiheit. Wird nicht im nachhinein vieles verherrlicht?

Hildebrandt: Also bleiben wir 'mal bei dieser Einschränkung: Recht auf Arbeit, aber man durfte nicht werden, was man wollte. Wie sieht's denn jetzt aus? Wir haben noch nicht einmal fürjeden Menschen rein rechnerisch einen Arbeitsplatz. Uns fehlten primär 8000, jetzt fehlen uns noch 2500 für die Menschen, die schon im August mit ihrer Ausbildung hatten beginnen sollen.Und dann können Sie sich ja vorstellen, wie die Wahlfreiheit inzwischen ist. Machen wir uns nichts vor: Sie studieren jetzt zwar noch, aber wie Sie nachher Ihr Geld verdienen wollen, ist die Frage. Sie können Ihre Ausbildung unter Umständen, wem es einigermaßen hinhaut, noch selber wählen, aber daraus resultiert nicht andeutungsweise, daß Sie auf dem Gebiet auch hinterher arbeiten können. Und da die meisten Menschen ja leben müdsen von dem was sie sich erarbeiten, müssen sie sich auch mit ihrer Ausbildung auf die jeweiligen Erfordernisse innerhalb der Gesellschaft beziehen. Und dann ist es zum Schluß fast so wie im Osten.

ruprecht: Meinen Sie?

Hildebrandt: Mit der Berufsfreiheit ja. Na ja, es ist ein bißchen übertrieben wenn ick det 'mal so sagen darf. Aber es ist kein qualitativer Sprung.

ruprecht: Eine persönliche Frage: Sie sind eine schnelle und spontane Rednerin und handeln sich mit dieser Eigenschaft auch des öfteren Kritik ein. Ärgern Sie sich im nachhinein über Äußerungen, die Sie von sich gegeben haben?

Hildebrandt: Es ist so daß ich das, was ich gesagt habe auch immer meine. Insofern sage ich nicht: Hätt'ste das bloß nicht gesagt. Durch das Reißen aus dem Zusarmnenhang wird es dann aber manchmal ganz anders interpretierbar. Aber das kann man nie verhindern, und wenn man sich noch so vorsichtig ausdrückt. Es ist nur so, wenn ich mitstenografierte Wortprotokolle von mir lese, da denke ich immer. Also, du mußtest doch nu' jetzt wirlich 'mal mehr schriftdeutsch reden. Aber das verliert sich dann auch wieder.

ruprecht: Bärbel Bohley hat vor einiger Zeit ineinem Interview mit unserer Zeitung gesagt, sie merke, daß sie Aggressionen auf sich ziehe, wenn sie sagt, es gehe doch vielen Leuten besser und nur wenigen schlechter als vor der Wende. Sie sagte: "Man wird ausgeschlossen, wenn man nicht jarnmert". Lieben die Ostdeutschen das Jammern?

Hildebrandt: Die Gefahr des Jammerns ist sehr groß, na klar. Und dazu kommt, daß das Jammern in gewisser Weise auch politisch gerechtfertigt ist . Die Frafge des Sichwohlfühlens oder:des Zufriedenseins hängt ja auch irnner vom Maßstab ab. Wenn sich die DDR-Leute vergleichen mit dem Ostblock, da sind sie wirklich gut dran. Wenn sie sich dagegen vergleichen mit den Westlern, dann stellen sie fest, sie haben noch die große Differenz. Die Gefahr des Meckerns ist deshalb so groß, weil der Maßstab mit den Versprechungen des Kanzlers und natürlich auch mit den Wünschen, Vorstellungen und Träumen der Leute festgelegt worden ist. Und diese Elle ist eben nicht die passende. Die Wahrnehmung, die Befindlichkeit der Leute ist aber sicher unterschiedlich Und wenn es plakativ wird, wird es immer dramatischer, als es de facto ist.

ruprecht: Der populäre ostdeutsche Psychotherapeut Joachim Maaz entwarf 1990 inseinem Buch "DerGefühlsstau" ein recht düsteres Bild der durch Repression und Mangel gedemütigten Psyche des DDR-Bürgers. Und er schrieb: "Der wahre gesellschafliche Fortschritt wird an der inneren Emanzipation der Menschen zu bemessen sein." Wie weit ist es heute damit gediehen?

Hildebrandt: Also, bei den psychischen Folgen und dem psychischen Verbogensein, da würde ich nachdrücklich und immer wieder widersprechenl Sie müssen davon ausgehen, daß offensichtlich die Menschen dazu neigen, sich anzupassen und sich in der Situation zurechtzufinden, sich also einzupassen. Sie sind nicht die geborenen Widerstandskämpfer, also zumindest nicht die Deutschen. Wenn Sie sich in solche Verhältnisse einpassen, dann komman Sie auch darin zurecht und fühlen sich darin wohl. Und Sie müssen davon ausgehen, daß nur ein ganz kleiner Bruchteil der Menschen wirkliche Widerstandskämpfer in dem Sinne waren. Selbst ich als jemand, der eigentlich nie systemkonform war, habe mich in diesem System wohlgefühlt in weiten Bereichen. Ich hatte meine Begrenzungen, auch politischer Art und natürlich wissenschaftlicher Art, aber darauf habe ich mich eingestellt, darauf habe ich mich eingelassen. Und im Rahmen dessen habe ich mich wohlgefühlt

ruprecht: Und wie beurteilen sie die Analysen von Joachim Maaz?

Hildebrandt: Na, nun machen Sie doch mal eine Analyse der Psyche der Westdeutschenl Was meinen Sie, was da rauskommt. Da ist überall immer ein bißchen 'was Wahres dran aber es ist so daß der größte Teil der Menschen hier im Osten zurechtkam unter den Verhältnissen. Und zwar besser zurechtkam als jetzt! Sie müssen sich klarmachen, daß dieses System nur dann bevormundend und einschränkend war, wenn Sie gegen dieses System waren. Wenn Sie für das System waren, dann war's doch blendend. Sie wurden überall gefördert, ausgezeichnet, zitiert. Sie durften verreisen und was weiß ich alles. Doch manche Rückschau oder Analyse vermittelt den Eindruck: Hinter der Mauer: Eingemauert. Bespitzelt. Stasi. Man gewinnt den Eindruck, die DDR-Bürger hahen die ganze Zeit dagesessen und gezittert, und das ist wirklich Quatsch. Ich halte das wirklich für sträflich, was der Maaz da verbreitet. Ich bin der festen Überzeu-gung, Sie werden jetzt viel mehr Probleme mit der Psyche der Leute bekommen als es früher der Fall war. Die Leute sagen mir ja, jetzt werden sie verbogen. Jetzt, wenn sie sich im Betrieb nicht 'mal mehr trauen, den Mund aufzumachen: Wenn sie unsolidarisch sind, weil sie ihren Arbeitsplatz behalten wollen und der andere soll rausfliegen. So was gab es früher nicht.

ruprecht: Das klingt so, als gäbe es Momente, in denen Sie sich sagen, daß es besser gewesen wäre, die Grenzöffnung hätte nie stattgefunden.

Hildebrandt: Nein, nie, überhaupt nicht. Für mich persönlich kann ich kam sowieso nicht.sagen, daß ich früher besser zurechtgekommen bin. Das ist ja überhaupt nicht vergleichbar. Es geht um das Gros der Bevölkerung. Denken Sie an alte Menschen, an Rentner - und die wollen auch nicht, daß die Mauer wiederkommt -, aber sie sind früher einfach besser zurechtgekommen. Sie mußten sich nicht um Formulare kümmern, sie mußten nicht zu Ämtern laufen, um Wohngeld zu kriegen oder Sozialhilfe, sondern es war so, daß sie mit ihrer Rente zurechtgekommen sind. Mit der Mindestrente von 330 Mark. Sie haben ungefähr 45 Markbezahlt für ihre Miete. Und sie konnten in eine Gaststätte gehen und wußten genau, der Kaffee kostet eine Mark und 1,90 kostet das Kännchen und mehr nicht. Es war kalkulierbar, stabile Preise über Jahrzehnte. Und sie brauchten keine Angst haben, daß Sie auf der Straße überfallen werden: Da war ja nichts zu holen und das war auch nicht üblich.

ruprecht: Trotzdem waren die Menschen eingesperrt. Darunter haben die Menschen doch gelitten.

Hildebrandt: Na das kommt darauf an. Wenn ein Rentner seine Reise zu den Verwandten machen konnte; dann war er draußen Und als Senior ist es ja auch nicht so, daß man ununterbrochen unterwegs ist.

ruprecht: Nun sind ja aber nicht alle Menschen in der DDR Senioren gewesen.

Hildebrandt: Aber die Senioren sind ein enorMr Teil der Menschen. Und dann müssen Sie 'mal gucken, wer sich jetzt Reisen leisten kann. - Aber das macht jetzt einen völlig falschen Eindruck! Ich and diese Grenze unmöglich. Und fur mich als Berlinerin war hier in ' der Stadt die Mauer jeden Tag ein Ding, das mir auf die Nerven ging . Und ich fand auch diese Unterdrückung und die Bevormundung furchtbar. Das darf nicht sein.

ruprecht: Trotzdem stellt die DDR einen Orientierungspunkt für Sie dar, wie ein ideales System auszusehen hat?

Hildebrandt: Nein. Aber vieles in der DDR war richtig. Jeden Tag bekomme ich Briefe. Jetzt gerade wieder von einer Frau, bei der sich der Alteigentümer gemeldet hat. sie kannn nicht mehr heizen, wohnt nur noch im oberen Zinnwer des Hauses. Also verstehen Sie, das sind existentielle Ängste. Existentielle Ängste dieser AR hatten die Menschen im Osten nicht Und as für mich auch ganz wichtig ist, ist das Zwischenmenschliche. Wenn ich das jetzt erlebe: Herr Oberregierungsrat und Ministerialdirigent - hooach - und sie denken nur noch in Hierachien und in Beamtenstufen. Das gab es damals nicht. Das war etwas vollig anderes. Ob der Arbeiter war oder ob Werkdirektor, oder ob ich in der Forschung stellvertretende Abteilungsleiterin war, das spielte überhaupt keine Rolle. Da wurde von Mensch zu Mensch gesprochen, sachlich wie sich das gehört Die DDR hat ein ganz anderes Miteinander geschaffen, als es drüben normalerweise üblich ist.

ruprecht: Böse Zungen sagen, die Menschen haben in der DDR nur zusammengehalten, weil sie die Verhältnisse dazu gezwungen haben. Eine künstliche Solidarität also?

Hildebrandt: Das konnte man sagen, ja. Der gemeinsame Femd erst, die Nische eint, und es ist natürlich auch so: daß Differenzierungen im Gehalt gar nicht möglich war, vereinte natürlich auch die Menschen mit ihren Erfahrungen. Jeder war, wem er überhaupt eine Wohnung bekam, vereint. Da hat die Putzfrau in einem Haus mit dem Direktor eines großen Betriebes gewohnt. Und im Haus mußten die Frauen immer die Treppe sauber machen, weil's da keine Reinigung gab, das war immer schön eingeteilt und gehörte dazu. Natürlich eint das. Die Frage ist jetzt bloß, ob ich die Rahmenbedingungen in einer Gesellschaft gerne so hätte, daß es so ist, oder ich es lieber nicht so hätte.

ruprecht: Und ich nehme stark an, sie hatten es nach wie vor lieber so?

Hildebrandt: Ick hätte det viel lieber sol Mir ist der Unterschied zwischen arm und reich viel zu groß. So kann für mich kein solidarische Gesellschaft leben. Es soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, daß ich sage: Also die DDR, das war was Schmuckes. Sie wissen, wie die Wohnungen ausgesehen haben, wie die Betriebe ausgesehen haben, die Arbeitsproduktivität. Es kam einfach nichts in Gang. Insofern ist wahr: so konnte es nicht weitergehen. Das ist alles richtig. Ich sage immer Kopf und Schwanz das ist kein Glack, das beste ist: das Mittelstück. Im Osten haben wir kollektiviert wie die Blöden, da gab es überhaupt kein Individuum mehr. Sie waren im Wohnkollektiv, im Arbeitskollektiv, im Leistungskollektiv. Das ist auch nicht normal. Aber was wir jetzt erleben, das ist meines Erachtens noch unverträglicher. Wir erleben hier ja auch alles noch einen Zahn schärfer als drüben: Das ist die Ellenbogengesellschaft par excellence! Jeder denkt nur daran, daß er einigermaßen durchkommt. Das ist ja drüben organisch gewachsen. Hier kommt das wie ein Schlag über den Kopf für die Leute.

ruprecht: Die Erziehung in der DDR war autoritär und rigide. Angefangen in den Kindertagesstätten bis hin zum Studium dominierten Vorschriften und Maßregelungen. Wie stehen Sie zu dieser Seite der DDR?

Hildebrandt: Auch da ist es so, daß ich mir sage: Wir müssen das richtige Maß finden:

Was am Osten zu viel war, ist am Westen zu wenig. Wenn ich z.B. an Studiendisziplin denke: Sie hatten im Osten einen richtigen Schulunterricht. Sie konnten sich nicht Ihren Studienplan individuell aussuchen. Sie konnten auchnicht sagen: ich geh' mal ein Semester dahin, da sind interessante Leute. Das ist sicher nicht richtig. Es muß mehr motivierende Eigenentscheidung dabei sein.

ruprecht: Und im Westen gibt es Ihrer Meinung nach zuviel Freiheit?

Hildebrandt: Ja, ich finde das unmöglich! Also wirklich. Habe ich aber früher im Osten schon gesagt. Wenn man hört: da sind welche, die im 17. Semester 'studieren und immer noch ist kein Ende abzusehen. So 'was darf es nicht geben. Also: auch da bedarf es eines Reglements . Es kann nicht sein, daß im Westen die Individualisierung überall letzlich übertrieben wird. Da fehlt dann immer der Bezug zum Anderen Und der Bezug zur Gruppe. Wir haben viel Westverwandtschaft und Freunde gehabt und die kamen zu Besuch nach Ostberlin zu uns. Wir haben unter'm Fernsehturm hier im Berlin gewohnt, da wohnen wir im mer noch, seit fast 30 Jahren. Da haben sie uns besucht und sie haben immer gesagt: irgendwie ist das bei euch netter. Das war einfach normaler und mitmenschlicher. Und hier brauchte nicht jeder originell zu sein oder ganz ausgewichste individuelle Bedorfnisse zu haben. Eins noch: Ackerstraße, hier mitten in Berlin ist das, im Arbeiterviertel: "Meiers Hof", nannte sich das. Das war ein Haus mit acht engen Hinterhöfen, erbaut am Anfang des Jahrhunderts, wie damals üblich; Neulich habe ich im Rundfunk einen Bericht gehört von einem, der dort groß geworden ist: Der immer noch schwärmte, wie toll das da war. Die Mütter haben sich beim Einkaufen getroffen, da hatten sie ihre Kontakte, die Männer haben abends zusammen ein Bier getrunken. Und bei den Kindern war natürlich immer was los auf acht Hinterhöfen. Jeder Hinterhof hatte ein eigenes Profil und man konnte sich dann immer aussuchen, zu wem man zum Spielen geht Und dieses Aufwachsen in einer Gemeinschaft, sagte er, daß hatte ihm immer sehr geholfen. Und er sagte, heutzutage hat jeder seine eigene Wohnung, selbst die Singles sitzen in ihrer verchromtem Einrichtung und müssen zum Psychiater, weil sie das Leben so nicht verkraften. Ich bin wirklich nicht nostalgisch veranlagt, ich meine nur, noch ist der Osten mehr "Meiers Hof" und der Westen ist mehr die vernickelte Singlewohnung. (Interview: mp).


Der Preis ist heiß

Wie fünf Heidelberger Germanisten zum Landeslehrpreis kamen

Jetzt wird abgeräumt: Der "Landeslehrpreis" 1993 geht en bloc an die Germanistik. Indessen argwöhnen Kritiker, der "Lehr-Oscar" könnte am Ende nicht für die beste Regie im Seminar, sondern für die beste Selbstdarstellung vergeben worden sein.

Peter Ulmer wollte seinen Stolz nicht verbergen. Den gut 1.000 Zuhörern, die sich in der Neuen Aula vor seinem Pult drängten wie bei einem Pop-Konzert, berichtete der Heidelberger Rektor, heute blickten viele bundesdeutsche Universitäten mit Neid auf Heidelberg. Schließlich sei es der Ruperto Karola - und, so gab er zu verstehen, eben keiner anderen Hochschule - gelungen, einen so immens gefragten und hochrenommierten Redner für einen Festvortrag zu gewinnen. Der Mann, dem der rektorale Hymnus galt, hatte solche Töne sicher schon häufig vernommen: Marcel Reich-Ranicki, Literaturpapst und Medienstar, war angereist, um über "Kritik und Genie" bei Friedrich Schlegel zu sprechen - und löste einen derartigen Andrang aus, daß sein Vortrag für einige hundert enttäuschte Zuschauer zusätzlich in einen Hörsaal übertragen werden mußte. Die Begeisterung indes, die bei Ulmer da während einer "Heidelberger Universitätsrede" Ende Mai zum Vorschein kam, war nicht nur Zeichen für die Zuneigung für die schöngeistige Literatur, die dem Juristen gelegentlich nachgesagt wird. Sie war auch Indiz dafür, welch großen Wert der 1991 ins Amt gekommene Rektor dem Bild "unserer Universität" (Ulmer) in der Öffentlichkeit beimißt und wie heftig er sich bemüht, ihr gesellschaftliches Renomée zu steigern.

Angesichts von Ulmers Gespür für die öffentlichkeitswirksamen Momente des akademischen Lebens ist es kaum verwunderlich, daß Studierenden-Vertreter prompt "Foul!" riefen, als das Rektorat kürzlich den mit 35.000 DM dotierten "Landeslehrpreis" an eine Gruppe von fünf Heidelberger Germanistik-Dozenten vergab. Die Preisträger: die Professoren Helmuth Kiesel, Dieter Borchmeyer und Dietrich Harth sowie die Akademischen Räte Peter Pfaff und Gerhard vom Hofe; die Vermutung: Grund der Ehrung seien nicht in erster Linie die Verdienste der Geehrten um die universitäre Lehre als vielmehr das Geschick des Germanistischen Seminars bei der Erzeugung positiver Publizität für die Universität.

Ein Fachschafter wollte sich "vorsichtig ausdrücken" und meinte: "Wenn man zu den Studenten gesagt hätte: Hier sind die Preisträger, nun ratet mal, wofür die den Preis bekommen haben - ich glaube nicht, daß die bei allen Ausgezeichneten darauf gekommen wären, daß das ein Preis für gute Lehre war." Eine Fachschafterin ergänzte: "Natürlich rackern sich gerade die Leute vom Mittelbau ab." Doch auch sie bleibt dabei: "Es geht da nicht mehr um Lehre oder Symbolik, sondern vor allem darum, das Geld in die Germanistik zu schieben."

Daß sie Reich-Ranicki, Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld, Martin Walser und andere Literatur-Größen zu Veranstaltungen nach Heidelberg geholt und den Brentano-Preis ins Leben gerufen haben, kann den jetzt ausgezeichneten Germanisten der "Abteilung Neuere Deutsche Literatur" niemand ernsthaft zum Vorwurf machen. Selbst der "starke Drang zur Selbstinszenierung" (ein Fachschafter), den solche Gelegenheiten insbesondere bei Professoren beinahe zwanghaft hervorruft, registriert manch ein Beobachter mit eher resigniertem Spott. Aber daß es gerade diese "literarischen Anregungen" und die Vermittlung "einer ganzen Reihe interessanter Autoren und Redner" (so Rektor Ulmer aus Anlaß der Jahresfeier) gewesen sein könnten, die den Ausschlag dafür gaben, daß das Rektorat einen eigentlich zur Förderung der Lehre konzipierten Preis an die Germanistik vergab, erscheint Studierendenvertretern doch sehr plausibel.

Wie Wissenschaftsminister Klaus von Trotha nicht müde wird zu erklären, "soll der Landeslehrpreis Lust auf gute Lehre machen." Die Stimulation dieser Lust läßt sich sein Ressort insgesamt 300.000 DM kosten; die Universitäten in Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Stuttgart und Tübingen dürfen weitgehend selbständig je DM 35.000, Hohenheim, Konstanz, Mannheim und Ulm je DM 25.000 verteilen. Im Frühjahr hatte von Trotha die Universitäten aufgefordert, ihm bis Mitte September ihre Kandidaten zu nennen. Für die Auszeichnungen kämen insbesondere didaktisch gelungene Lehrveranstaltungen, Tutorien oder Orientierungsangebote sowie "dem Studium besonders förderliche Schriften oder Materialien" in Frage. Eine Teilung des Preises sei möglich, doch dürfe der einzelne Teilbetrag DM 10.000 nicht unterschreiten. Zu beschließen seien die Vorschläge durch die Senate der Hochschulen; "eine Beteiligung von Studierenden" sei "erwünscht".

Beim Heidelberger Auswahlverfahren profitieren die späteren Preisträger nicht wenig davon, daß das Rektorat ihre Sache bald zu der seinen macht. Kurz nach Erhalt der ministerialen Ausschreibung Anfang Mai fordert die Prorektorin für die Lehre, Frau Prof. Christine Heym, die Heidelberger Fakultäten auf, dem Senatsausschuß für die Lehre (SAL) Kandidaten zu nennen. Neun Vorschläge gehen ein. Darunter befinden sich drei Dozenten, die von den Fachschaften ihrer Disziplin vorgeschlagen werden: Prof. Helmchen (Chemie), Karin Gunkel (Anglistik) und Prof. von Hoyningen-Huene (Jura). Die Fachschaften tun sich schwer; nicht wenige haben grundsätzliche Bedenken gegen den Preis. "Man könnte die Lehre auch durch strukturelle Maßnahmen verbessern", sagt eine Fachschafterin, "stattdessen macht man da so kleine Aktiönchen. Inhaltlich verändert sich dadurch nichts." Ein anderer meint: "Da steht kein geschlossenes Konzept dahinter."

Vier Fakultäten schicken Kandidaten aus ihren Fachbereichen ins Rennen, die zum Teil auch von den Fachschaften unterstützt werden. Der Germanist Prof. Borchmeyer, Dekan der Neuphilologischen Fakultät, nominiert als seinen persönlichen Favoriten seinen Fachkollegen Kiesel. Dieser Vorschlag - den Preis in die Germanistik zu vergeben - trifft im Rektorat offenbar auf so große Resonanz, daß man sich die Idee aneignet: "Ursprünglich", so berichtet Frau Prof. Heym, "war ja nur Prof. Kiesel benannt; das ist im Rektorat besprochen worden, und ich habe mich kundig gemacht bei Kollegen und Studenten, wer noch in Frage kommt." So kommt es, daß die fünf Germanisten schließlich von Frau Prof. Heym als Rektoratsempfehlung präsentiert werden.

Am 23. August beschließt der SAL nach einer Diskussion der Kandidaten-Liste, dem Rektorat die folgende Verteilung des Preises vorzuschlagen: Die fünf Germanisten sollen insgesamt 15.000 DM erhalten; je 10.000 DM soll an die Gruppe Propädeutikum im Sinologischen Seminar sowie die Privatdozentin Dr. Brigitte Scheele vom Psychlogischen Institut gehen. In der nächsten Sitzung des Ausschusses am 4. Oktober jedoch bleibt dem Vorsitzenden, Prof. Greiner, nur noch übrig, bekanntzugeben, "daß das Rektorat dem Vorschlag des SAL über die Vergabe des Landeslehrpreises nicht uneingeschränkt gefolgt"sei. Dem Ministerium sei vom Senat "auf Empfehlung des Rektorats" empfohlen worden, "den Preis in seiner Gesamtheit an die Abteilung Neuere Deutsche Literatur zu vergeben". Offiziell übergeben werden solle die Auszeichnung "im Rahmen der Einführungsveranstaltung für Erstsemester" zu Beginn des Semesters.

Tatsächlich hat der Senat kaum eine Woche zuvor einen entsprechenden Beschluß gefaßt. Die Diskussion verläuft dabei so kontrovers, daß "der Rektor", so ein Teilnehmer auf Professoren-Seite, "überrascht war über die starken Meinungen". Zwei Dekane, Prof. Wagner und Prof. Rieder, bringen Anträge ein, den Preis entsprechend dem Beschluß des SAL zu splitten und damit Mitglieder ihrer jeweiligen Fakultät zu berücksichtigen. Schließlich wird dann aber doch mehrheitlich die Beschlußvorlage des Rektorats angenommen; die 3 Nein-Stimmen kommen von den Vertretern der Studierenden. Damit ist die Entscheidung im Sinne des Rektorats gefallen. In der Begründung ist von der "besonderen Bedeutung und der Originalität der germanistischen Projekte, die in der Lehre neue Wege einschlagen und dem Fach in der Präsentation nach Außen ein neues Gewicht gegeben haben", die Rede; die Laudatio nennt u.a. die Poetikdozentur, den Brentano-Literaturpreis, die beiden Honorarprofessuren (Joachim Fest und Unseld), die "Knüpfung der Verbindungen zwischen Uni und Heidelberger Öffentlichkeit" sowie - im Fall von Dr. Pfaff - den "Basisunterricht" als Gründe für die Ehrung.

Für Frau Prof. Heym steht denn auch fest: "Der Preis ist nicht für die Öffentlichkeitsarbeit verliehen worden." Vielmehr seien die Germanisten für eine Arbeit ausgezeichnet worden, "die für Studenten einen neuen Lehrweg bringt". "Und", so fuhr sie fort, "wenn etwa Herr Borchmeyer mit seiner modernen Lehre gleichzeitig in die Öffentlichkeit tritt, sind das zwei verschiedene Dinge." Auch die Preisträger wehren sich verständlicherweise gegen jede Andeutung, ihnen sei der Preis zugeschoben worden. "Wir fühlen uns durch den Preis bestätigt und bestärkt, in den Aktivitäten, für die wir ausgezeichnet worden sind, fortzufahren", erklärte Prof. Dr. Helmuth Kiesel gegenüber ruprecht. Die Kritik der Fachschaftskonferenz (FSK) hält er für "hanebüchen": "Das kann ich nicht gelten lassen; mein Leben wäre entschieden leichter, wenn ich all diese Anstrengungen nicht unternehmen würde." Auf dem Gebiet der normalen Lehre gebe er sich "so viel Mühe" und sei "mindestens so erfolgreich wie andere, vielleicht erfolgreicher". Er insistiert, "öffentliche Aspekte" gehörten zum "Wesen eines Literaturstudiums": "Wenn wir an die Öffentlichkeit gehen, wird man nicht sagen können, daß das den Studenten schadet." Außerdem komme durch die Einrichtung von Tutorien und Einstellung von wissenschaftlichen Hilskräften das Geld "nahezu restlos in die Hand der Studierenden". Schließlich verweist er auf den ebenfalls ausgezeichneten Dr. Pfaff, den "Vertreter der stillen, vor sich hin lehrenden Einzelkämpfer", der mit den öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten nichts zu tun habe. "Wenn man glaubt", so Kiesel abschließend, "der Lehrpreis solle nur an still vor sich Hinlehrende gehen - die können ja im nächsten Jahr ausgezeichnet werden."

Eine, die tatsächlich auf nächstes Jahr warten muß, ist die Sinologin Frau Prof. Susanne Weigelin-Schwiedrzik, die zusammen mit ihren Mitarbeitern aus dem Propädeutikum "Modernes Chinesisch" nominiert worden war. Sie bestätigte gegenüber ruprecht denn auch: "Der Rektor hat mir ausdrücklich gesagt, bei der Vergabe eines solchen Preises müsse man auf die Öffentlichkeitswirksamkeit achten". Nur: "Öffentlichkeitswirksam arbeiten kann man mit einem Fach wie dem unseren nur begrenzt." Sie hält dagegen, man sollte "bei einem Lehrpreis auch auf die Innenwirkung achten, um damit Leute dazu zu motivieren, neue Initiativen zu ergreifen, auch wenn das nicht nach außen kommt." Auch das zweite, von Frau Prof. Heym und anderen vorgebrachte Argument, es sei nicht sinnvoll, die 35.000 DM auf mehrere Preisträger zu verteilen, überzeugt sie nicht ganz: "Hier geht es doch um eine symbolische Geste."

Rektor Ulmer wird in aller Regel mit Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Klaus von Trotha wenig Grund zur Gemeinsamkeit finden. Ulmer muß namens seiner Universität Ansprüche stellen, die von Trotha namens der Landesregierung nur in Maßen erfüllen kann. Doch vielleicht könnten sich die beiden Männer ja über ihren Drang zur Öffentlichkeit verständigen. Als Heidelberger Fachschafter anläßlich der Erstsemester-Begrüßung den CDU-Politiker mit dem "Goldenen Fön" auszeichneten, weil er beim Landeslehrpreis "mit wenig Aufwand ein Maximum an öffentlichem Staub aufgewirbelt" habe, zuckte von Trotha mit keiner Wimper. Er trat ans Mikrophon und bekannte, mit dem Motto "Gutes tun, aber auch darüber reden" sei er noch immer gut gefahren. Und das ist eine Maxime, die auch Rektor Ulmer - wenngleich unter anderen Vorzeichen - auch unterschreiben würde. (bpe)


Schlankheitskur fürs Studium

Neue Studienpläne haben nur empfehlenden Charakter. Doch wie lange?

Erschreckende Zahlen vermeldet der Wissenschaftsrat: während seit 1977 die Zahl der Studienanfänger um 73% zunahm, wuchs das an der universitären Lehre beteiligte Personal um magere 7%. Kein Wunder also, daß die Universitäten überlastet sind und daß in den Ministerien von Bund und Ländern laut über Abhilfe nachgedacht werden muß. Nur kosten darf eine Reform des Lehrbetriebs möglichst wenig, denn die Kassen sind aus allseits bekannten Gründen leer. Die einfachste, ja vernünftigste Lösung wäre zweifelsohne, die Vergrößerung des Lehrkörpers. Doch gerade das ist - abgesehen von einigen Tutorien - ausgesprochen teuer und deshalb indiskutabel.

Die Ministerien der Länder bemühen sich stattdessen, für ihre Universitäten einen Diätplan zu erstellen, der auf die Grundformel aufbaut: weniger Studenten, kürzere Studiendauer, effizientere Lehre.

Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung, hatte Ende 1992 mit einer Entschlackungsaktion begonnen, die sich zunächst auf das universitäre Regelwerk richtete. Über die Rektorate wurden von den einzelnen Fakultäten überarbeitete Studienpläne angefordert, die inzwischen zum größten Teil dem Ministerium vorliegen. Die Funktion dieser - bisher eher stiefmütterlich behandelten - Studienpläne regelt das Universitätsgesetz (hier in der neuen Fassung vom 12.5.1993, § 46): "Auf Grundlage der Studien- und Prüfungsordnung stellt die Fakultät einen Studienplan auf. Der Studienplan erläutert die Regelungen der Studien- und Prüfungsordnung. Dies gilt insbesondere für den Inhalt und den Aufbau des Studiums sowie für den Gegenstand, die Art, den Umfang und die Reihenfolge der Lehrveranstaltungen und Studienleistungen, die zu einem ordnungsgemäßen Studium gehören.”

Wie Frau Ströle-Bühler, Pressesprecherin des Wissenschaftsministeriums, nun bekannt gab, steht diese Aktion in Verbindung mit einer generellen Schlankheitskur, die nicht nur die bloß empfehlenden Studienpläne, sondern auch die Studien- und Prüfungsordnungen straffen soll. In diesem Zusammenhang soll auch eine neue Institution an den Fakultäten eingeführt werden, der sogenannte Studiendekan. Er soll nicht nur Anregungen und Beschwerden der Studenten entgegennehmen, sondern auch das Lehrangebot seiner Kollegen mit den Inhalten des Lehrplans vergleichen. Eine erschreckende Möglichkeit kritische oder freigeistige Lehrveranstaltungen zu sanktionieren. Um all diese Neuerungen durchzusetzten, plant das Wissenschaftsministerium noch für diesen Herbst eine Eingabe in den Landtag zur erneuten Novellierung des Universitätsgesetzes.

Studierende und Dozenten dürfen sich mit großem Recht fragen: was kommt da auf uns zu? Noch haben die Studienpläne nur empfehlenden Charakter. Aber wie leicht wäre es, in einer Neufassung des Universitätsgesetzes, die Studienpläne als verbindlichen Rahmen zu erklären. Dann wäre nicht nur Art und Umfang von Lehrveranstaltungen festgelegt, sondern auch ihre Inhalte. Das heißt, in Zukunft würden Studierende nicht mehr die Freiheit besitzen, nach ihrem eigenen Interesse Themen aus dem Lehrangebot auszuwählen.

Gleiches gälte für Dozenten, die sich mit ihren Veranstaltungen am Studienplan orientieren müßten und deshalb manch interessantes Thema, weil es im Schema keinen Platz findet, nicht anbieten können (siehe Interview mit Prof. Fulda, "Lehrpläne als Falle", rechts). Mit Sicherheit würde Lehre dadurch effizienter, schon weil fachübergreifende oder hochspezialisierte Veranstaltungen marginalisiert würden. Als ein Nebeneffekt ergäbe sich jedoch auch, daß bestimmte Fraktionen des Lehrköpers ihre fachlichen Vorstellungen über den Posten des Studiendekans durchzusetzen versuchen. Bleibt also abzuwarten, ob die Studiendekane nicht schon in den ersten Semestern ihrer Tätigkeit Opfer einer fakultätsinternen Lynchjustiz werden?

Studienpläne als Falle

Ein ruprecht-Interview mit Prof. Hans Friedrich Fulda

Prof. Dr. Hans Friedrich Fulda wurde als geschäftsführender Direktor des philosophischen Seminars vom Dekan der Neuphilologischen Fakultät damit betraut, einen Studienplan für das Fach Philosophie zu erarbeiten. Über seine Erwartungen, Vorstellungen und praktischen Erfahrungen, die er bei dieser Arbeit sammelte und über Sinn und Funktion, die ein Studienplan aus Sicht eines langjährig Lehrenden hat, sprach er mit ruprecht.

ruprecht: Die vom Wissenschaftsministerium angeforderten Studienpläne sind zum größten Teil fertiggestellt. Was geschieht nun mit ihnen?

Fulda: In einer Fakultätsratssitzung nach den Semesterferien (April 1993) sind die Studienpläne auf Fakultätsebene vorgestellt und besprochen worden. Nach der Abstimmung wurden sie in die Verwaltung weitergeleitet. Dort werden sie auf formale Entsprechung zum Erlaß des Wissenschaftsministeriums überprüft. Dann werden sie dem Ministerium vorgelegt, das noch seine Zustimmung geben muß. Ich nehme an, daß wir zum Wintersemester eine Entscheidung vorliegen haben.

ruprecht: Welche Funktion hat ein Studienplan; was soll und kann er leisten und was nicht?

Fulda: Nach ministerieller Anweisung hat der Studienplan bloß empfehlenden Charakter; er soll den Studierenden nichts vorschreiben. Das ist Sache von Studien- und Prüfungsordnungen.Wir haben Wert darauf gelegt, daß der Studienplan eine Anregung zur Selbstorganisation sein soll.

Obwohl der Erlaß des Ministeriums wohl auf etwas ähnliches zielt, scheint es uns keinen rechten Sinn zu machen, dem Studierenden ein festes Schema vorzugeben und ihm zu sagen, welche Stoffgebiete er im wievielten Semester zu bearbeiten hat. Andere Fächer der Fakultät haben das in ihrem Studienplan angegeben. Aber wenn ich an der Uni studiere, soll mir ein Studienplan als Anregung in den ersten Semestern dienen; er soll dazu Informationen enthalten, die mir als Student sagen, worauf ich zu Beginn des Semesters achten muß, was wichtig ist und was ich am Ende des Semesters oder in den Semesterferien planen kann, damit ich nicht in Verzug komme, weil mir beispielsweise noch eine Sprachprüfung fehlt. Um Termine für den Erwerb von Qualifikationen vorrausschauend ins Auge zu fassen und entsprechende Entscheidungen zu treffen, scheint mir ein Studienplan von Nutzen.

ruprecht: Welche Quellen zieht man zu Rate, wenn man einen Studienplan schmiedet? Welche Rolle spielt die eigene Erfahrung?

Fulda: Als Quellen gingen selbstverständlich die Vorgaben des Ministeriums, die Prüfungs- und Studienordnung in den Plan ein. An Erfahrungen gab es zweierlei. Wichtig waren die Erfahrungen von Studenten der informellen Fachschaft Philosophie, die sich meine Entwürfe ansahen. In manchen Punkten habe ich mich von ihnen korrigieren lassen. Ich hatte mich beispielsweise in der Zeit verschätzt, die faktisch aufgewendet wird, um ein Fachstudium von 80 Semesterwochenstunden belegter Lehrveranstaltungen zu absolvieren. Ich war überrascht, wieviel Zeit Studierende mit einer Hausarbeit verbringen. Ich hatte mit einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen gerechnet. Es stellte sich aber heraus, daß Studierende oftmals drei bis vier Monate dafür aufwenden. Daß so etwas zur Regel wird, halte ich nicht für gut. Man muß es aber wissen, um gegensteuern zu können.

Gegen den politischen Trend der rigorosen Studienzeitverkürzung habe ich versucht, eine Berechtigung "studienzeitverlängernder" Aktivitäten - wenn es wirklich Aktivitäten sind - in den Studienplan hineinzuformulieren. Ein Studierender sollte die Freiheit haben abzuwägen, was ihm zusätzliche Qualifikationen bringen und was nicht. Viele Papiere, die sich während meiner Lehrtätigkeit hier und in Bielefeld angesammelt haben, eigene Eindrücke und Materialien sind natürlich auch eingeflossen.

ruprecht: Ist Ihrer Meinung nach eine Reform der Studieninhalte notwendig, um Studienzeiten zu verkürzen?

Fulda: Eine Reform der Studieninhalte ließe sich nur mit einem wesentlich größeren Aufwand an Personal, als uns zur Verfügung steht, durchführen. Wir haben nur vier C4-Stellen und gelegentliche Gastprofessuren, so daß wir die Lehrinhalte nicht standardisieren können, wie es an den amerikanischen Departments der Fall ist. Dazu bräuchte man einfach mehr auf die Dauer eingestelltes Personal, um eine hinreichende Spezialisierung zu erreichen, die es dann ermöglicht, Semester für Semester ein diversifiziertes Lehrangebot aufrecht zu erhalten. Eine Standardisierung der Lehrinhalte ist aber auch für das Fach Philosophie nicht so dringlich wie für manches andere Fach.

Was wir wirklich bräuchten, wäre eine bessere Differenzierung im Hinblick auf die Studienphasen. Formal gibt es nur Veranstaltungen des Grundstudiums und des Hauptstudiums. Wir täten gut daran, die Eingangsphase des Grundstudiums noch einmal zu differenzieren, um wirkliche Anfängerveranstaltungen, die mit einem Eignungstest oder einer effektiven Selbstkontrolle gekoppelt sind, abzuhalten.

Ich finde es nicht richtig, daß Studierende bis zum vielleicht sechsten Semester sich selbst überlassen bleiben. Dann machen sie die Zwischenprüfung und merken viel zu spät, daß sie eigentlich am falschen Platz sind. Auch eine Differenzierung zwischen einem Studium bis zum ersten Abschluß und einem sich anschließenden Aufbaustudium wäre nicht schlecht. Aber dann bräuchten wir wieder entsprechende Lehrveranstaltungen, die wir aus personellen Gründen nicht regelmäßig durchführen können. Ich selbst muß in meinem Examenskolloquium Magisteranwärter und Doktoranden gemeinsam betreuen.

ruprecht: Hat ein Studienplan Einfluß auf die Lehre?

Fulda: Man sollte bei dieser Frage die beiden Typen von Studienplänen vor Augen haben. Wenn es sich um einen Studienplan handelt, der die Lehrinhalte des Faches thematisch ordnet und auf die verschiedenen Semester verteilt, dann hat das natürlich Einfluß auf die Lehre. Alleine dadurch, daß ein Angebotszwang erzeugt wird, müssen enstsprechend standardisierte Veranstaltungen Semester für Semester angeboten werden. Das war unter anderem ein Grund für uns, es anders zu machen. Nicht nur, weil das Personal dazu fehlt, sondern weil auch die Gefahr groß ist, daß die Lehre völlig leblos wird. Eine Standardisierung des Lehrangebots durch Studienpläne wird dann zur Falle, wenn aus dem jetzt bloß empfehlenden Charakter eines Tages per ministeriellem Erlaß eine reglementierende Ordnung gemacht wird. Ich weiß nicht, ob das droht, aber wenn es so käme, würde es schwer, oft genug etwas Neues, das nicht ins Schema paßt, zu machen. (Interview: iz & mc; Artikel & Photo: mc)


Trothas Gruselkabinett

In Form einer 24-seitigen Broschüre hat das Wissenschaftsministerium im vergangenen Oktober seinen Tatendrang in Sachen Studienreform dokumentiert. Und daß baden-württembergische Politiker auch Sieger sein wollen im Gerangel um politikverdrossene Bürger, steht außer Zweifel. Dementsprechend sollen nun die Universitäten und Hochschulen des Landes entrümpelt werden. Der Freigeist muß raus; Leistung muß rein. Am Ende sollen sie so stromlinienförmig aussehen wie die neue S-Klasse von Mercedes.

Bald wird es an den Fakultäten Studiendekane geben, die Anregungen und Beschwerden der Studenten entgegennehmen. Toll! Die Studiendekane sollen aber auch kontrollieren, daß nur noch geprüft wird, was auch in Veranstaltungen gelehrt wurde. Zudem soll der Studiendekan aber auch - und das ist sehr versteckt in dieser Broschüre formuliert - das Lehrangebot im Hinblick auf die Studienpläne kontrollieren. Und das kann ja nur heißen: geprüft werden kann in Zukunft nur noch das, was in den Studienplänen steht. In Lehrberichten, soll diese Arbeit für das Ministerium dokumentiert werden.

Es kommt noch besser. In Zukunft soll ein Studienfachwechsel in benachbarte Fächer ausgeschlossen werden, wenn Zwischen- oder Diplomvorprüfungen nicht bestanden wurden. Das heißt, wenn jemand sein Vordiplom in Chemie verpfuscht hat, wird er wahrschienlich niemals mehr Biologie studieren dürfen. Wer in Anglistik den Reihbach gemacht hat, kann sich vermutlich ein Studium der Romanistik abschminken. Das hängt davon ab, wie in Zukunft die Nachbarschaft der Fächer festgelegt wird.

Wer jetzt lächelt und sagt, das sind Zukunftsträume von Ministerialbeamten, der muß sich mit dem Hochschulabschluß ranhalten. Noch in diesem Jahr plant man im Hause von Trothas eine Eingabe in den Landtag zur Novellierung des Universitätsgesetzes. Schon 1994 sollen diese Dinge und noch weitere Vorschläge aus der Broschüre, die man kostenlos beim Wissenschaftsministerium anfordern kann, Realität werden..

. Den jüngeren Semestern und den Dozenten und Dozentinnen, die ihr "Recht, sich für sich selbst zuständig zu fühlen” (Jurek Becker) verstümmelt sehen, wird nicht einmal Zeit bleiben, Solidarität bei anderen zu suchen.


Grenzen überschreiten

Ringvorlesung - Umweltforschung im Rhein-Neckar-Dreieck

In Worms und Speyer ebenso wie in Mannheim und Ludwigshafen und schließlich auch in Heidelberg können die Studierenden in diesem Wintersemester die großangelegte Ringvorlesung "Umweltforschung im Rhein-Neckar-Dreieck” mitverfolgen. Die Initiatoren der Ringvorlesung hoffen, daß Landes- und Universitätsgrenzen überschritten werden. Hoffnung brauchen freilich auch die Studierenden, wenn sie mit dem Studi-Ticket über die Landesgrenzen wollen.

Die Universitäten von Mannheim und Heidelberg, die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, die Fachhochschulen des Landes Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen und Worms zählen ebenso zu den Initiatoren wie der Arbeitskreis Rhein-Neckar e.V.. Die Ringvorlesung ist Teil eines umfassenderen Vorhabens, das die regionale Zusammenarbeit nicht nur zwischen den Universitäten und Hochschulen, sondern auch zwischen der akademischen Welt und der Industrie forcieren will. Gemein same Forschung, gegenseitige Nutzung infrastruktureller Ressourcen und der Aufbau einer "Forschungs- und Entwicklungsbörse”, die Informationen darüber ausgeben kann, wo was geforscht wird, sind die ersten konkreten Ziele dieses Projektes. Noch steht es in den Anfängen und für die Studierenden bleibt zu wünschen und zu fordern, daß sie auch bald in der Zusammenarbeit mitwirken können. Dies würde das Studium sowohl gehaltvoller machen, als auch die Qualifikation für den Beruf erhöhen. Die Ringvorlesung ist ein guter Ansatz, doch müssen die StudentInnen aus der Rolle der bloß rezipierenden heraustreten.

"Wir sind zur Zusammenarbeit bereit”. Dies von der Geschäftsstelle der Initiatoren formulierte Leitgedanke, ist in fast jeder Vorlesung wiederzuerkennen: In den meisten Fällen werden diese von zwei Referenten gestaltet. Einer aus der universitären Welt, der andere aus der Industrie oder aus den Kommunen. Um den Vorträgen den Charakter des gegenseitigen Austausches zu geben, halten die Professoren nur in seltenen Fällen ihren Vortrag an der Uni, an welcher sie lehren, sondern besuchen benachbarte.

Die Ringvorlesung deckt ein breites Spektrum ab. So geht Prof.Dr.J.Taupitz von der Mannheimer Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Heidelberg der Frage nach, welcher Rechtsbereich, das öffentliche oder das private Recht, für einen wirksamen Umweltschutz tauglich ist. Seine Kernthese besagt, daß das privatrechtliche Haftungsrecht keinen ausreichenden Schutz der Umwelt bietet. Die Umwelt könne gar nicht privatrechtlich geschützt werden, da sie kein Individualrechtsgut ist. Die Umwelt ist ein allgemeines Rechtsgut und sein könne daher nur durch das öffentliche Recht geschützt werden.

Prof.Dr.H.Karrasch vom Heidelberger Geographischen Institut behandelt in Heidelberg die stadtökologischen Probleme dieser Stadt. In einem methodische Teil wird die Bestandsaufnahme von Umweltdaten und die Überwachung negativer Umwelteinflüsse, wie z.B. Luftverschmutzung, beschrieben. Ziel ist es, entsprechende Modelle zu entwickeln. Beachtung findet ferner die ökologische Bedeutung des Hinterlandes für die Stadt. Anspruch ist es, Maßnahmen zu benennen, die die Lebensbedingungen des Menschen verbessern bei gleichzeitigem Schutz der Natur.

Der Titel des Vortrages von Prof. Dr.U.Platt vom Institut für Umweltphysik in Heidelberg formuliert in seinem Titel ein Paradox. "Stickoxyde und Ozon - Reinigungsmittel der Atmosphäre". Denn trotz ihrer Schädlichkeit ermöglichen sie wichtige atmosphärische Prozesse. Seine Leitfrage, die er in Speyer vortragen wird, lautet: "Was passiert mit den langlebigen, inerten Verbindungen in der Atmosphäre?” Hier zeigt sich, daß Ozon und die relativ unbekannten und bis vor kurzem noch unerforschten Stickstoff-Tri-Oxyde beim Abbau von Schadstoffen eine große Rolle spielen. Ob es sich allerdings wirklich um einen Abbau oder nicht eher um einen Umbau von einem Schadstoff in einen anderen handelt, bleibt dann noch zu bewerten.

Einzige Frau in der Ringvorlesung ist Frau Prof. Dr. I. Wünsche von der Betriebswirtschaftlichen Fakultät in Ludwigshafen. Sie erörtert in Worms das Thema "Ökobilanzen”. In einem ersten Schritt soll der Begriff geklärt werden. Dann wird die betriebliche Ökobilanz im Gegensatz zur gesamtwirtschaftlichen dargestellt. Abschließend wird eine adäquates Kennzahlensystem erörtert. Eine den Vortrag begleitende Frage, ist die nach den Zielen einer Ökobilanz.

Prof.Dr.P.Frankenberg vom Mannheimer Geographischen Institut stellt in Mannheim das Stadtklima und die Luftverschmutzung dieser Industriestadt dar. Um die Auswirkungen der Immissions- und Emissionsbelastung der Luft differenziert wiederzugeben, werden Verbindungen zu den Großwetterlagen im Rhein-Neckar-Raum gezogen.

(Veranstaltungsübersicht siehe Kasten und ruprechts Terminkalender S.13) (h.b.)

DIE TERMINE AUF EINEN BLICK

23.11.: "Sicherheit in der Biotechnologie - Dichtigkeit eines Bioreaktors unter dem Aspekt der Freisetzungsproblematik” - Prof.Dipl.-Ing. Winfried Storhas, Co-Referat: Prof.Dr. Birr, Geschäftsführer Orpegen

07.12.: "Quantitative Umweltpolitik am Beispiel Baden-Württemberg” - Prof.Dr. Claus Conrad, Co-Referat: Lehrstuhl Prof.Dr. Faber

18.01.: "Umweltrecht - Hemmnis für den Umweltschutz?” - Prof.Dr. Hellmut Wagner, Co-Referat: BASF

25.01.: "Stadtökologische Probleme - Fallstudie Heidelberg” - Prof.Dr. Heinz Karrasch, Co-referat: Dr. E. Würzner, Amt für Umweltschutz und Gesundheitsförderung HD

01.02.: "Umweltschutz durch zivilrechtliche Haftung” - Prof.Dr. Jochen Taupitz, Co-Referat: Heidelberger Druckmaschinen

Die Vorträge finden jeweils dienstags um 17 h im HS 14 der Neuen Uni statt.


Mensch und Maschine

Sprachautomaten können den Menschen nicht ersetzen

Wie leicht hat es doch Mister Spock aus dem Raumschiff Enterprise. Dank seines Sprachautomaten kann er mühelos mit dem außerirdischen Volk der Klingonen kommunizieren. Wir dagegen haben schon den größten Schwierigkeiten, uns mit unseren Artgenossen auf der Erde zu verständigen. Das babylonische Sprachengewirr treibt vielen den Schweiß auf die Stirn. In unserer Zeit gewinnt der internationale Informationsaustausch zunehmend an Bedeutung. 40 bis 80 Millionen Seiten werden jährlich weltweit übersetzt, ergab eine Studie der EG. Dabei hat sich der Markt längst nicht erschöpft, denn häufig werden Übersetzungen aus Zeit- oder Geldgründen erst gar nicht in Auftrag gegeben. In diese Lücke könnte vielleicht so manches maschinelle Übersetzungssystem stoßen.

Dies ist ein durchaus berechtigter Anspruch. Denn die maschinellen Übersetzungssysteme, lange Zeit mitleidig belächelt, sind den Kinderschuhen entwachsen. Das Ziel einer makellosen Computerübersetzung liegt zwar noch in weiter Ferne, aber die Rechner produzieren mittlerweile brauchbare Rohübersetzungen, die von den Übersetzern "nur noch" überarbeitet werden müssen.

Als besonders ambitioniertes Projekt gilt das System EUROTRA, das die Europäische Gemeinschaft ins Leben gerufen hat. Durch die zwölf Amtssprachen ist ihr Bedarf an Übersetzungen immens. Insgesamt ergeben sich 72 Sprachkombinationen, in die und aus denen übersetzt wird. Aus diesem Grund haben die europäischen Forscher ein Programm entwickelt, das in zwei Schritten arbeitet. EUROTRA analysiert die Ausgangssprache so weit, bis sprachenunabhängige Bedeutungsstrukturen ermittelt sind. So ist eine Konzeptsprache entstanden, in die sich alle Sprachen übertragen lassen. Als zweiter Schritt erfolgt dann die Übersetzung aus der Konzept- in die Zielsprache.

Der Vorteil dieser Methode liegt darin, daß nicht für jede Sprachkombination ein eigenes Programm entworfen werden muß. "Allerdings", so kritisiert Andrea Zielinsky vom IBM Forschungsstudio in Heidelberg, "sind die Übersetzungen durch die zweifache Übertragung ziemlich ungenau. Denn eine optimale Konzeptssprache existiert noch nicht."

Möglichkeiten

Auch Siemens ist 1980 in die Entwicklung von Übersetzungsprogrammen eingestiegen. Von einem linguistischen Institut in Texas hat der Münchner Elektroriese das Programm METAL gekauft und seither kontinuierlich weiterentwickelt. Das besondere an diesem Programm ist sein modularer Aufbau. Zwei verschiedene Module übernehmen jeweils die Analyse der Ausgangssprache und die Umsetzung in die Zielsprache, was Generierung genannt wird. Die einzelnen Sprachmodule lassen sich frei miteinander kombinieren, so daß dieses Programm prinzipiell für alle Sprachkombinationen verwendbar ist.

Eine besondere Bedeutung kommt dem automatischen Lexikon eines Programms zu. "Jedes Programmm ist nur so gut wie sein Wörterbuch", gibt Uwe Reinke von der Universität Saarbrücken zu verstehen. Darunter darf man sich kein klassisches Schulwörterbuch vorstellen, das für jedes Wort die Entsprechung in der Zielsprache wiedergibt. Diese Lexika enthalten vielmehr detaillierte linguistische Informationen zu einzelnen Wortbedeutungen, aus denen hervorgeht, in welchem Zusammenhang diese Wörter vorkommen. Die elektronischen Lexika lassen sich von den Programmbenutzern beliebig erweitern. Auf diese Weise kann jeder Anwender ein spezielles Fachvokabular eingeben und das Wörterbuch als persönliche Terminologiedatenbank nutzen.

Das Softwarehaus SAP in Walldorf arbeitet seit drei Jahren mit dem Übersetzungsprogramm METAL, um seine Computerdokumentationen in verschiedene Sprachen zu übertragen. Den Vorgang des Übersetzens hat SAP in drei verschiedene Schritte unterteilt. Zunächst fertigt der Computer eine Rohübersetzung an, die von einer Übersetzergruppe grob redigiert wird. "Diese Gruppe", erklärt Daniel Grasmick, der Leiter der Abteilung Maschinelles Übersetzen bei SAP, "übernimmt die Vorarbeit für den Fachübersetzer, der danach die endgültige Version formuliert." "Die Zeitersparnis ist riesengroß", schwärmt Daniel Grasmick. "In sieben Tagen produzieren wir 120 bis 200 Seiten Vorabversionen." Als problematisch wertet der Leiter der Übersetzungsabteilung allerdings die lange Aufbauphase des Programms, da es in die bestehende Technik nicht integrierbar war.

Installation und Einsatz von maschinellen Übersetzungssystemem bleiben weiterhin mit hohem Aufwand verbunden. "Vollautomatische Systeme sind nur für Unternehmen sinnvoll, die eine große Anzahl von Übersetzungen der gleichen Textsorte bewältigen wollen", meint Uwe Reinke. Ansonsten lohne sich diese Investition nicht, denn mit fünf- bis sechsstelligen Summen müsse man bei guten Programmen schon rechnen. Für freiberufliche Übersetzer also unerschwinglich. Daher gehe der Trend eher zu teilautomatischen Systemen, die mit Satz- und Terminologiedatenbanken den Übersetzer unterstützen. "Hier bleibt dem Übersetzer die Möglichkeit, seine Kreativität zu entfalten, während die Korrektur von maschinell produzierten Texten oft recht monoton ist", urteilt Uwe Reinke.

Geschichte des maschinellen Übersetzens

Auch wenn die Sprachautomaten viele Probleme noch nicht bewältigt haben, so ist ihre Entwicklung doch beeindruckend: aus der schwächlichen Frühgeburt ist eine stattliche Erscheinung geworden. Die Geburtsstunde dieser Rechner liegt bereits über 40 Jahre zurück. Damals entwickelten amerikanische Computerspezialisten das erste System zur maschinellen Übersetzung. Die Forscher gingen davon aus, daß man den Wörtern einer Sprache nur die Entsprechungen in der Zielsprache zuordnen müsse, um eine adäquate Übersetzung zu erhalten.

Es stellte sich jedoch heraus, daß beim Übersetzen wesentlich kompliziertere Prozesse ablaufen. Wörtliche Übersetzungen sind eher die Ausnahme als die Regel."Ein Sprachautomat,der Wort für Wort übersetzt, kann zum Beispiel idiomatische Wendungen wie blinder Passagier und Mehrdeutigkeiten nicht verstehen", erklärt Wolfram Wilss von der Universität Saarbrücken. Die Erfolge der Forscher blieben bescheiden und so stellte das Pentagon Ende der 60er Jahre die Zahlungen für das in seinen Augen mißratene Kind ein.

Die Forschung an den Universitäten kam somit weitgehend zum Erliegen, aber dafür adoptierte die Privatwirtschaft die Übersetzungssysteme. In den folgenden Jahren bezogen die Wissenschaftler auch linguistische Grundgesetze in ihre Konzepte ein. Sie entwickelten ein System, das die Beziehungen der Wörter im Satz analysieren kann. Diese Syntaxanalyse basiert auf den Regeln der Dependenzgrammatik. Danach wird zunächst das wichtigste Satzsegment ermittelt, die Verbalphrase, und dann nacheinander ihre Beziehungen zu den rangniedrigeren Satzelementen. Die Formalisierung der Beziehungen im Satz gelang beinahe vollständig, denn die Syntax einer Sprache stellt eine begrenzte Menge von Regeln dar.

Die Forscher feierten nun Erfolge: 1970 kam mit SYSTRAN das erste kommerzielle Übersetzungsprogramm auf den US-Markt. Damit wurden Fachtexte der Luftwaffe vom Russischen ins Englische übertragen. 1977 nahmen die Kanadier das System METEO in Betrieb. Es diente zur Übersetzung von englischen Wetterberichten ins Französische. Die relativ einfachen Satzmuster und das eingeschränkte Vokabular dieser Fachbereiche begrenzten die Unwägbarkeiten von natürlichen Sprachen.

Perspektiven und Grenzen

Vollautomatische Übersetzungssysteme lassen sich trotz der rasanten Entwicklung nur für einen eingeschränkten Bereich verwenden. Vertragstexte, Patentschriften und Belletristik gelten weiterhin als ungeeignet. "In den nächsten 30 bis 40 Jahren", schätzt Uwe Reinke die Lage ein, "ist mit durchschlagenden Fortschritten nicht zu rechnen." Welche grundsätzlichen Schwierigkeiten treten bei der maschinellen Übersetzung auf? "Bisher", erläutert Wolfram Wilss, "gibt es keine Analysesysteme die nicht nur auf Satz-, sondern auch auf Textbasis operieren." Das heißt, daß die Programme keine Bedeutungszusammenhänge über die Satzgrenze hinaus erfassen.

Welche fatalen Auswirkungen dies hat, zeigt folgendes Beispiel. Für den Satz "Die Sendung ist gut angekommen" bieten sich zwei unterschiedliche Interpretationen an. Es kann sich um eine Fernseh- oder Rundfunksendung handeln aber auch um eine Postsendung. Darüber hinaus darf man folgende Tatsache nicht aus den Augen verlieren. Beim Textverständnis greift der Mensch auf zwei Wissensbasen zurück: auf sprachliches und außersprachliches Wissen, das sogenannte Weltwissen. Bislang ist es nicht gelungen, ein Modell für das Weltverständnis zu entwickeln, das sich in die Sprache des Computers umsetzen läßt. Und hier offenbart sich der Vorteil des Menschen gegenüber dem Rechner. Er vermag zu assoziieren, auch entfernter zusammenhängende Muster zu verknüpfen. Er denkt kreativ und intuitiv. Daher kann der Rechner den Menschen nicht ersetzen, sondern ihm lediglich als Werkzeug dienen - zweifelsohne als ein sehr nützliches.

(a.m.)


Aus dem Kaffeesatz gelesen

Stimmen die koffeinkonsumierenden Massen für gerecht gehandelten Bohnentrank?

"Hey, Du!". Der ruprecht-Reporter schlägt bei seiner nichtrepräsentativen Kaffeeautomatenumfrage einen recht forschen Ton an. "Ich?" "Ja, ja, genau Du." "Was ist denn?". "Du hast doch soeben ungerechten Kaffee gezapft. Weißt Du eigentlich um die geopolitischen Folgen Deines Tuns?" "W...Wie bitte? Ich hab mir doch nur..."

Verständnislos zieht der Kaffeekonsument davon. Er hat sich einfach an den Kaffeautomaten mit der kleinsten Schlange gestellt, nicht ahnend, daß er damit mithilft, irgendwo in Mexiko einen Kleinbauern um Lohn und Brot zu bringen. In der Raucher-Cafeteria in der Triplex-Mensa können die Koffeinsüchtigen seit Anfang November für einen Monat zwischen normalem, und sogenanntem "gerecht gehandelten" Kaffee wählen.

Dieser Kaffee wird von speziellen Gesellschaften verkauft, die über einen Mehrpreis und die Ausschaltung von Zwischenhandelsstufen dafür sorgen, daß die schwachen Glieder im internationalen Kaffeegeschäft, die erzeugenden Bauern, einen zwei- bis dreimal so hohen Preis für ihre Bohnen erhalten als üblich. Der normale Handel damit ist nämlich ein besonders krasses Beispiel für die verbreiteten Ungerechtigkeiten im Rohstoffgeschäft der "Ersten" mit der "Dritten" Welt. Die Preise für den Rohkaffee sind in den letzten Jahren, besonders seit dem Zusammenbruch eines Festpreisabkommens mit den Erzeugerländern ins für die Erzeuger Unerträgliche gesunken - die Gewinnspannen von Zwischenhändlern und westlichen Röstern natürlich nicht. Für den Alternativ-Kaffee zahlt man jetzt - je nachdem, ob er auch nach ökologischen Kriterien angebaut ist, etwa zwei bis drei Mark mehr als für normales Pulver. Das bedeutet für die Studentenwerkcafés einen Aufpreis von 10 Pfennig mehr pro Tasse.

"Aha, Du hast Dich also für gerechten Kaffe entschieden. Welche Gr..." "Gerecht? Ich dachte, daß sei gesunder Kaffee..." Auch dieser Zeitgenosse hat die Leute vom Ökologie-Referat der FSK und der Kaffeegruppe des "Dritte"-Welt-Ladens nicht richtig beachtet. Denn die werben seit Beginn dieser Abstimmung mit den Tassen vor der Cafeteria für den fairen Kaffeegenuß und versuchen, die Vorbeihetzenden zu interessieren und zu infomieren. Sie verstehen nicht, daß sich das Studentenwerk immer noch gegen die Einführung des "TransFair"-Kaffees in allen seinen Cafeterien sperrt, obwohl er immerhin seit zweieinhalb Jahren in den Nichtrauchercafeterien im Triplex-Gebäude und im Neuenheimer Feld und seit Januar auch im Lesecafé des Studihauses ausgeschenkt wird. "Natürlich können auch wir uns auf keine wasserdichte, repräsentative Befragung stützen, aber wir haben bei Zufallsumfragen in den Cafeterien gesehen, daß 90 bis 95% der Studierenden den Aufpreis für den TransFair-Kaffee akzeptieren würden. Auch viele Professoren und Dozenten unterstützen uns". In den meisten Cafés von Fachschaften oder Studierendenheimen gibt es auch nur noch Alternativ-Bohnen.

Im Studentenwerk beruft man sich auf seine Pflicht, den Studierenden die Getränke zum kleinstmöglichen Preis anzubieten oder ihnen zumindest die Wahl zu lassen. "Wir sind verpflichtet, bei Angeboten gleichartiger Ware die billigste Möglichkeit auszuwählen", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Ulrike Leiblein. Ist aber "gerechter, ökologischer" Kaffee nicht eine andere Ware?

Im Juli hat man sich im Verwaltungsrat des Studentwerkes (unter dessen zehn Mitgliedern zwei Studiernde sind) auf den Test mit den zwei Automaten in der Triplex geeinigt. Wenn nach einem Monat eine "überwiegende" Anzahl der Studierenden den TransFair-Kaffee gewählt, hat, soll er überall eingeführt werden. Was ist "überwiegend"? In Verwaltungsrat war von 90% den Test-Trinker die Rede. Das aber ist eine kaum zu bewältigende Hürde: Denn daß wirklich 90% der Cafeteria-Besucher den TransFair-Automaten wählen, kann aber auch durch ganz praktische Gründe verhindert werden: Wenn alle zur gerechten Zapfstelle strömen, kann die Schlange schnell bis zum Eingang reichen. Und das kann mittags auch Leute mit besten Vorsätzen davon abschrecken, diesen Kaffee zu wählen.

Im Gespräch mit ruprecht relativiert Frau Leiblein die 90% allerdings - man werde am Ende der Testphase "darüber reden". "Letzendlich ist die Einführung des Kaffees eine Entscheidung des Geschäftsführers, aber wir werden uns wohl an die Empfehlung des Verwaltungsrates halten".

Der Alternativ-Kaffee ist ein winzigkleiner, aber sehr direkter Beitrag zu faireren Handelsbeziehungen.Über die Anstrengung, dafür zehn Pfennig mehr pro Tasse zu zahlen, sollte man tatsächlich reden können. (hn)


ruprecht-Serie "Uni-Geschichte"

Eine fürstliche Wette

Feierliche Eröffnung des Studium Generale in der Kapelle zum Heiligen Geist

Nachdem seit einem Jahr Gesandte unseres Kurfürsten Ruprechts I. versuchen, seinen Wunsch nach einer Universität bei dem Papst in Rom durchzusetzen, wurde nun gestern, am 18.Oktober 1386, in der Kapelle am Marktplatz das Studium Generale mit einer Messe, gelesen von Reginaldus von Alna, feierlich eröffnet. Anwesend waren neben dem kurfürstlichen Hof und den Vertretern der Kirche die zwei weiteren Magister und die ersten Scholaren. Der Magister Marsilius von Inghen, der wie viele Deutsche wegen der Spaltung der Kirche die Pariser Universität Sorbonne verlassen mußte, wurde zum Organisieren der Gründung und zum Lehren von Ruprecht I. nach Heidelberg geholt. Seiner Spur folgten einige Scholaren, die heute morgen um sechs Uhr früh - nach dem Morgengebet - noch halb im Schlaf, bei Marsilius eine Vorlesung über Logik besucht haben. Danach ging es um acht Uhr weiter mit der Erklärung des Paulusbriefs bei Reginaldus, und um dreizehn Uhr las der dritte Magister, Heilmann Wunnenberg aus Prag, über die Physik des Aristoteles.

Durch die päpstliche Anerkennung und Unterstützung der Universität als Studium Generale wird es diesen Scholaren möglich sein, mit ihrem Abschluß an anderen Universitäten sowie in Schulen anerkannt zu werden und zu unterrichten. Die Besoldung von Doktoren und Magister wird vorerst aus der kurfürstlichen Kasse erfolgen, man hofft jedoch auf kirchliche Stiftungen, so daß diese Aufgabe von den Pfründen übernommen werden könnte. In diesem Falle würden die Lehrer statt in Münzen in Naturalien bezahlt werden.

Das Fehlen von Schulen in Heidelberg wird aber in der ersten Zeit ein Problem sein, da diese die zum Eintritt in die Universität notwendige Ausbildung garantieren müssten. Ansonsten hat Ruprecht I. die politische und wirtschaftliche Situation für diese Gründung schon vorbereitet. Vor genau dreißig Jahren, drei Jahre nach seinem Regierungsantritt, hat er mit seinem Schwager, dem Luxemburger Kaiser Karl IV., in der "Goldenen Bulle” die privilegierte Rolle der sieben deutschen Kurfürsten, als Wähler des Deutschen Königs, und die Unteilbarkeit ihrer Fürstentümer festgelegt. Damit ist Heidelberg eine Residenzstadt geworden. Dann erweiterte er die Kurpfalz bis nach Sinsheim, Mosbach und Kaiserslautern. Um Handel und Wirtschaft in dem kaum zwanzig Hektar großen Heidelberg mit seinen ca.4000 Einwohnern anzuspornen, nahm er schon in den fünfziger Jahren die vertriebenen Juden aus Worms und Speyer auf, die sich in der Judengasse eine Gemeinde gründeten und seitdem mit aller Kraft wirtschaften und dem Kurfürsten Darlehen bieten.

Was hat aber Ruprecht den Roten zu all diesem Aufwand bewogen? Will er sich von der Universität qualifizierte Beamte für seine Kanzlei, sein Hofgericht, seine Rechenkammer usw. ausbilden lassen? Ist es aus reinem persönlichen Bildungsinteresse? Ersteres könnte vielleicht zutreffen, zumal sich die Ämter zur Zeit immer weiter vermehren. Aber ist es nicht besonders auffallend, daß der Luxemburger Karl IV., kaum an der Macht, 1348 die Prager Universität gründete, daß der Habsburger Rudolf I. in Wien Urkunden fälschen ließ, um sich "Erzherzog” nennen zu lassen und sich so mit unserem Kurfürsten messen lassen wollte und daraufhin 1365 in Wien eine Universität gründete? Sollten die drei wichtigsten Fürstenhäuser Deutschlands eine Wette abgeschlossen haben, wer es bis zur Universitätsgründung in seinen Landen bringt? Scheinbar, denn nun beschert uns Ruprecht als Wittelsbacher auch noch eine Uni!
Als nächstes wird er wohl den Bau einer stattlicheren Stadtkirche anstreben müssen, denn unsere kleine gothische Kapelle am Ende der Stein- und der Haspelgasse ist nicht besonders repräsentativ, weder für eine kurfürstliche Residenzstadt noch als Kirche der Ruperto Universität.
Das Gesicht unserer Stadt wird sich nun wahrscheinlich verändern. Aber vorerst wollen wir die Magister und Scholaren herzlich willkommen heißen!

(iz)


Krieg und Frieden

Anwohner fühlen sich überfahren

Lautlos schnellt die Gefahr von hinten heran. Bewaffnet mit einer der gefährlichsten Maschinerien der Neuzeit nähert sich die dunkle, im Windkanal gekrümmte Gestalt mit schwindelerregender Geschwindigkeit dem ahnungslosen Opfer. Dieses genießt noch die letzten Sonnenstrahlen des ausklingenden Jahres, die auf dem leicht im Wind tanzenden Herbstlaub reflektiert werden. Während das wehrlose Wesen verzaubert das Farbenspiel beobachtet, schießt die Gestalt unaufhaltsam in dessen Richtung, noch wenige Zentimeter... "Paß doch auf!” schreit die erschrockene Mutter und zieht ihr kleines Kind mit einem Ruck von der Straße. "Immer diese Fahrradrowdies! Könnt ihr nicht ein bißchen Rücksicht nehmen?”

Eine Szene, wie sie sich alltäglich in der Plöck seit deren Öffnung zur Fahrradstraße abspielt - oder nur eine übertriebene Horrorvision, wie sie sich überängstliche Hysteriker oder unverbesserliche Autofanatiker ausmalen?

Etwas mehr Rücksichtnahme der Radfahrer gegenüber den Fußgängern forderte jedenfalls Beate Weber in einem in der Altstadt verteilten Flugblatt.

"Über Rücksichtslosigkeit von Radfahrern in der Plöck liegen mir keine Beschwerden vor”, berichtet Bert-Olaf Rieck, der Fahrradbeauftragte der Stadt. "Das scheint mir eher ein psychologisches Problem zu sein: die Fußgänger als schwächstes Glied in der Kette der Verkehrsteilnehmer haben einfach Angst vor den Radfahrern, die im Gegensatz zu den Autos auch noch völlig lautlos sind.” Doch zu einem großen Teil sei die radfahrerfeindliche Stimmung auch von der Rhein-Neckar-Zeitung aufgebaut worden, die immer wieder in ihren Artikeln "gegen die Radfahrer puscht”. Trotzdem müsse man alles vermeiden, was die velophobe Atmosphäre verstärken könne: die Rechts-vor-links-Vorfahrt müsse beachtet werden, weil es gerade dort zu gefährlichen Situationen kommen kann, besonders wenn schneller als die erlaubten 20 Stundenkilometer gefahren würde; und daß der markierte Seitenstreifen für Fußgänger frei bleibt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Nur auf dem unschraffierten Teil ist es übrigens Anliegern erlaubt, dort von sechs bis elf Uhr - z.B. zur Warenanlieferung - zu halten. Doch welches Anliegen die Autofahrer in die Plöck führt, läßt sich so manchesmal angesichts des teilweise doch recht lebhaften Verkehrs dort fragen. Ein Besuch bei der Großmutter? Die Suche nach einem verlorenen Ein-Mark-Stück? "Die Beschränkung auf Anwohner läßt sich rechtlich nicht durchsetzen, so daß man sich mit dem Anliegerrecht zufrieden geben muß”, erklärt Karsten Schulz vom ADFC. Während anfangs eine doch recht stattliche Zahl von Blaumännern die schwarzen Schafe in der Plöck zu Recht und Ordnung rief, sei die Straße inzwischen wohl etwas vernachlässigt worden, weshalb der Autoverkehr in der letzten Zeit wieder zugenommen habe.

Aus dem Mund der Anwohner klingt die Beurteilung der Fahrradstraße allerdings nicht so rosig. "Das Hauptproblem ist einfach das zu große Fahrradaufkommen”, urteilt Peter Seidel von der Anwohnerinitiative. "Täglich passieren acht- bis zwölftausend Räder die Plöck.” Die Stadt habe das gesamte Unternehmen nicht gründlich genug durchdacht; daß z.B. die Testphase mit den Semesterferien begann und dann behauptet wurde, es gebe keine Probleme, zeuge allein schon von genug Blauäugigkeit. Zur Sicherheit der Fußgänger würde schon eine Aufpflasterung der Seitenstreifen viel beitragen. Doch die Anwohner können noch von ganz anderen Problemen berichten: so haben sich schon Handwerker geweigert, in die Plöck zu kommen - und wenn sie kamen, dann verlangten sie gleich hundert oder hundertfünfzig Mark mehr.

Aber im großen und ganzen läßt sich ein Konsens darüber verzeichnen, daß sich die Lebensqualität in der Plöck verbessert hat. Natürlich gibt es immer noch Geschäftsleute, die auf die neue Einrichtung, die schon seit zehn Jahren im Gespräch ist, schimpfen, und denen der Geldbeutel näher als die eigene Gesundheit ist, aber ein nicht zu geringer Teil der Gewerbetreibenden freut sich darüber, daß die Blechschlangen, die den Blick aus dem Fenster versperrten und teilweise sogar Kunden fernhielten, veschwunden sind.

"Schwachsinn” sei es aber, so Heike Dießelberg vom Amt für Öffentlichkeitsarbeit, daß die Plöck nicht bis zum Bismarckplatz geöffnet wurde. Auch das Ende der Fahrradstraße vor dem Friedrich-Ebert-Platz, das Radfahrern das Abbiegen in die Akademiestraße unmöglich macht, sei wenig sinnvoll. Aber das Schild soll demnächst bis zur Akademiestraße versetzt werden.

Weniger als Schildbürgerstreich sondern eher als ersten Schritt in die richtige Richtung bezeichnet Karsten Schulz die abrupt endende Fahrradstraße. Das Problem des letzten Teilstücks liegt in dem Parkhaus, dessen Zufahrt gesichert sein muß. Eine Lösung wäre die Einrichtung einer unechten Einbahnstraße, die Radfahrern den Verkehr in beide Richtungen erlaubt, wie dies z.B. schon in Saarbrücken in fast allen Straßen erfolgreich praktiziert wird. Andere Modelle wie Bologna oder Florenz machen vor, daß es möglich ist, die gesamte Altstadt für den Autoverkehr zu sperren.

Doch bevor es in Heidelberg soweit ist, steht noch eine ganze Menge Arbeit an und vor allem ein Umdenken der Bürger, die leider oft noch völlig aufs Auto fixiert sind. Kleine Schritte wie die Planung eines Radweges in beide Richtungen auf der Sophienstraße bedeuten Fortschritte auf diesem Weg. Da es sich hierbei um eine Bundesstraße handelt, zu deren Baumaßnahmen der Stadt 85% Zuschuß zustehen, hängt ein solches Projekt von vielen Faktoren ab, doch bis zum Jahre 1995 könnte es durchaus in Realität umgesetzt worden sein.

Daß es noch einiges zu tun gibt, darauf wurde bei der Rad-Demo am 13. November aufmerksam gemacht. Vom Startpunkt am Bauhaus setzte sich ein kleines Grüppchen von ungefähr zwanzig Radlern quer durch die Altstadt in Bewegung, bis zum Schluß ca. 500 Personen am Bahnhof zusammen gekommen waren. Gefordert wurde ein schneller Ausbau des Radverkehrsnetzes, das an vielen Punkten noch sehr zu wünschen übrig läßt. Vorerst müssen wir uns jedoch noch mit den bescheidenen Fortschritten wie der Fahrradstraße in der Plöck zufrieden geben. (gz)


ruprecht on the record

IGGY POP / AMERICAN CAESAR

Wer hätte das gedacht? Nach dem doch ziemlich mißglückten "Brick by brick” zeigt uns Iggy mit seinem mittlerweile zehnten Solowerk zu was ein Vegetarier fähig sein kann. Seit Jahren clean und höchstens rohkostabhängig gibt Caesar dem Volk, was es haben will. Dies sind natürlich weniger "panem et circenses” als vielmehr rotziger Rock wie zu seligen Stooges-Zeiten einerseits und wunderschön ruhige Töne andererseits. Untermalt von der Akustikgitarre sinniert Iggy über Leben, Liebe und die Einsamkeit. Klar, besonders neu ist das nicht, aber geschieht doch erstaunlich einfühlsam und vor allem: man glaubt's ihm einfach! Auch in den anderen Texten: Trotz, Kritik, Biss, aber glücklicherweise kein erhobener Zeigefinger. Leicht verdaulich wie eine rohe Möhre ist AMERICAN CAESAR dennoch nicht. Was sagt der Sticker auf dem Cover? "Warning: this is an Iggy Pop record !”

MARIAH CAREY / MUSIC BOX

Es gibt genau zwei Gründe, warum diese Platte zwei "ruprechte” bekommt. Erstens schrieb ein Kritikerkollege dazu:” Warum ich diese Platte prima finde? Weil sogar ich damit jede Frau ins Bett kriege.” Dem ist nichts hinzuzufügen. Und zweitens ist diese Platte eine geeignete Gelegenheit, das eigentlich für die "Kuschelrock Nr.37” verplante Geld doch einmal anders anzulegen.

ANITA LANE / DIRTY PEARL

"Songs aus dem Eisfach” könnte man dieses wunderbar unterkühlte Werk auch betiteln. Die Australierin mit Wohnsitz in Berlin präsentiert hier Songs, die zusammen mit Blixa Bargeld, Die Haut, Nick Cave, Mick Harvey u.a. entstanden sind. Diese eigentümlichen "Chansons” sind ein deutlicher Kontrast zum Schmuseprogramm einer Patricia Kaas zum Beispiel. Melancholische Balladen, die sich eiskalt, wehmütig und zartbitter an einen heranschleichen, deren ungewöhnlicher erotischer Wirkung man sich kaum entziehen kann. Herausragend ist "Stories of your dreams”, Geschmackssache dagegen Marvin Gayes "Sexual healing”. Sehr interessant. Sollte man sich mal angehört haben.

THE AFGHAN WHIGS / GENTLEMEN

Die Überraschung ihrer letztjährigen Platte CONGREGATION kam zum Schluß: Denn ganz am Ende versteckte sich ein Song, der im Titelverzeichnis nicht erwähnt und doch der herausragende Song des Albums war: "Miles iz ded”, hart, melodiös, unglaublich gut. Und genau dort machen die AFGHAN WHIGS aus Cincinnati/Ohio jetzt weiter. Sänger Greg Dulli wechselt blitzschnell vom sanften Gebrummel zum alles übertönenden "Geschrei”, begleitet von sägenden Gitarren. Mitreißend, äußerst emotional. Wunderschön auch die Balladen, wie "I keep coming back” oder das von Marcy Mays gesungene "My Curse”. Ein extrem spannungsgeladenes Album und zum Glück so eigenwillig, daß niemand wagen sollte, es in den aufgeblähten Grunge-Topf zu werfen.

RUSH /

COUNTERPARTS

Auf diesen Moment haben RUSH-Fans über zwei Jahre gewartet: Die neue ist da. Und nicht so schwachbrüstig wie die vorangegangene "Roll the bones”, der nach drei guten Liedern die Luft ausging. Poppiger sind die Kanadier auf ihrer mittlerweile 15.StudioLP geworden, gleichzeitig aber auch wieder etwas härter. Und trotz der Rückkehr zu Produzent Peter Collins werden Synthis relativ sparsam eingesetzt. Herausragend die Stücke "Animate”, hart und melodisch, das mystische "Double Agent” und die Bombast-Ballade "Nobody's Hero”. Ob RUSH mit dem im Endeffekt recht gefälligen COUNTERPARTS auf ihre alten Tage doch noch einem breiteren Publikum zugänglich werden, bleibt allerdings fraglich. Eine sehr gute Platte, zweifelsohne, aber man muß sie doch fünfmal anhören um sie beurteilen (und mögen) zu können. Und wer hat dazu schon die Zeit? (jk)

DE LA SOUL / BUHLOONE MINDSTATE

"Ring Ring Ring (ha ha hey)” war der Hit der letzten Platte. So ein HipHopKlassiker ist auf BUHLOONE MINDSTATE nicht zu finden. Und überhaupt: die sparsam instrumentierten Songs mit den träge vor sich hin dümpelnden Grooves irgendwo ganz tief im Keller sind wahrlich nicht jedermanns Sache. Etwas interessanter wird das in den relaxten, angejazzten Stücken. Ganz nett.

DIVERSE / JUDGMENT NIGHT

Seit Aerosmith/Run DMC mit "Walk this way” und Anthrax/Public Enemy mit "Bring the noise” für Furore sorgten, sind Rock-Rap-Crossover nichts Neues mehr. Dennoch enthält dieser Soundtrack die Früchte schier unglaublicher Kooperationen von Metallern sowie Indiebands einerseits und HipHopHeroen andererseits. Die Vinyl-LP beginnt mit dem schleppenden Dope-Song "I love you Mary Jane” von Sonic Youth und Cypress Hill, dem vielleicht besten und "ruhigsten” auf diesem Sampler. Das andere Ende der Härteskala vertreten Slayer und Ice-T mit "Disorder”. Desweiteren findet man Highlights von Helmet/House of Pain, Faith No More/Boo Ya T.r.i.b.e., Dinosaur Jr./Del that funky homosapien u.v.m... Einfach unglaublich !

PENNYWISE / UNKNOWN ROAD

Zweites Album der Fun-Punk-Band aus dem schönen Kalifornien. Noch ein wenig schneller, noch ein wenig bissiger, bösartiger, härter. Trotzdem witzig. Wer Bad Religion mag und nach ein wenig Abwechslung sucht wird hier bestens bedient ( Mr.Brett hatte übrigens das erste Pennywise-Album produziert). Unterhaltsam.

DIVERSE / SWEET RELIEF: A TRIBUTE TO VICTORIA WILLIAMS

Schon wieder 'ne Benefiz-Platte? Ja, aber was für eine! Der traurige Anlaß: Die Singer/Songwriterin Victoria Williams, leider weitgehend unbekannt, bekommt während einer Tour als support-act von Neil Young diagnostiziert: Multiple Sklerose! Wie ihre meisten Musikerkollegen ist Victoria nicht krankenversichert und muß somit alle Kosten selbst tragen. Um ihr zu helfen, erklärte sich eine ganze Reihe namhafter Musiker bereit, eine Platte mit Victoria's Songs aufzunehmen. In der illustren Liste finden sich unter anderem Soul Asylum, Lou Reed, The Waterboys, Evan Dando (Lemonheads), Michelle Shocked mit ihren eigenen Interpretationen der Lieder. Perle des ganzen ist "Crazy Mary” von Pearl Jam, bei dem es einem schlicht eiskalt den Rücken hinunterläuft. Nicht nur ein nobler Akt, sondern wunderschöne Songs.

Wahrscheinlich die beste Platte, die diesen Sommer erschienen ist.

SEPULTURA / CHAOS A.D.

Die brasilianischen Metaller haben mal wieder zugeschlagen. Nach ihrem brachialen Bestseller "Arise” denken sie glücklicherweise nicht daran, einen Gang zurückzuschalten. Vom Songwriting her ist CHAOS A.D. ideenreicher als die vorangegangenen Alben und verarbeitet auch Hardcore- und Industrialeinflüsse (das eindringlich warnende "Biotech is Godzilla” geschrieben von Jello Biafra bzw. die erste Auskopplung "Territory”). Besonders beeindruckend ist das akustische Instrumental "Kaiowas”, gewidmet dem Stamme der Kaiowas-Indianer, die Massenselbstmord begingen, weil ihnen von der Regierung ihr Land und ihr Glaube gestohlen wurde. Gelungen auch das New Model Army-Cover "The Hunt”. Eine der besten Metal-Platten überhaupt

THE POGUES / WAITING FOR HERB

Andere Alternative zu den Levellers: Wenn schon Folk-Rock, der abgeht, dann kann man bedenkenlos zum neuen Album der POGUES greifen. Virtous, spielfreudig, sehr gute Songs, lockere Atmosphäre. WAITING FOR HERB zeigt deutlich, daß diese Band ohne ihren früheren Sänger Shane McGowan keineswegs kopflos ist, sondern daß gerade die Musiker das Fundament des Erfolgs waren und sind. Schon live machten sie mit dem "neuen” Sänger Spider Stacey deutlich: Hier wird keiner vermißt! Und diese Platte ist eindeutig ihre beste bisher. Abwechslungsreich vom gemütlichen Schunkler bis zur Punk-Folklore. Anspieltips: "Haunting” und "Drunken boat”. Nach so einer Platte fühlt man sich einfach gut.

LEVELLERS / LEVELLERS

Die Werbung zu dieser neuen (dritten) Platte der englischen "Folk-Punker” teilt uns mit: "The Levellers. Für Fortgeschrittene.” Und bleibt uns doch eine Antwort schuldig: Für Fortgeschrittene WAS ? Fortgeschrittene Langweiler müssen die wohl gemeint haben. Ich geb's zu, anfangs fand' ich die LEVELLERS auch ganz nett. Doch schleicht sich bei dieser Platte (wie auch schon bei den vorangegangenen) ungefähr ab dem dritten Lied so ein leises, aber pochendes "Das hab' ich doch schon mal gehört”-Gefühl in den Hinterkopf und ab dem fünften (spätestens!) nervt's einfach nur noch.Wer dieses Jahr auf dem Bizarre-Festival war, weiß, daß sich live der gleiche Effekt einstellt (Jede Menge gepflegte Bankkaufmannlehrlinge rannten nach vorne und fanden's geil am Wochenende mal so richtig abzugehen...). Also: Finger weg! Wem das gefällt, der sollte sich dringend mal eine Platte von NEW MODEL ARMY anhören um zu erfahren, wer in diesem Genre wirklich zu was Brauchbarem fähig ist. Vollkommen unverständlich, daß einige Leute die LEVELLERS als DIE Newcomer-Hoffnung aus Großbritannien ansehen. For those about to rock ... forget about the Levellers!
I´ve seen the death of rock´n´roll, and it´s the Levellers, man!

Das ruprecht-Gewinnspiel

In dieser und den kommenden beiden Ausgaben stellen wir eine Quiz-Frage rund ums Thema Rock-und Pop-Musik. Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir als 1.Preis zwei CD-Gutscheine und als2.Preis einen CD-Gutschein. (Klar, der Rechtsweg ist ausgeschlossen...). Und jetzt die Frage:
Kennen kennt sie wohl jeder, unsere "Freund und Helfer”-Combo. Keiner, der nicht schonmal - bewußt oder unbewußt - vollmundig diese eine Frau angefleht hat, das rote Licht doch bitte nicht anzumachen (oder so ähnlich). 1979 veröffentlichte diese Gruppe mit dem stacheligen Sänger (der inzwischen solo sehr erfolgreich ist) ihre zweite LP. Eigentlich hatten all ihre Alben irgendwie eigentümliche Namen und diese hatte wohl irgendwie irgendwas mit Segeln zu tun (hehe). Diese 1979er Platte enthält ein Lied, dessen Titel fast genauso lautet wie ein ganz und gar schröcklicher Song, mit dem ein Mann namens Dieter Bohlen und seine Gruppe "Blue System” 'ne ganze Menge Geld einfuhren. Die Preisfragen lauten:

1.Wie heißt die Gruppe ?

2. Wie heißt der Sänger mit bürgerlichem Namen ?

3. Wie heißt die 1979 erschienene zweite LP ?

4. Wie heißt dieses eine bestimmte Lied ?

Die Antworten schickt Ihr bitte bis 29. November an: ruprecht, Kaiserstraße 57, 69115 Heidelberg.


ruprecht goes to the movies

Ein Herz im Winter

"Wenn er da ist, bin ich nichts”, sagt Camille (Emmanuelle Beart), die Geigenspielerin, über Stéphane (Daniel Auteuil) ihren Geigenbauer. Nur über die von ihr gespielte Musik (Ravel) und ohne viel zu reden, dringt er in ihre Seele ein. Camille entäußert sich nur über die Musik und er antwortet ihr mit feinen Änderungen an ihrer Geige. Für ihn ist sie wie ein aufgeschlagenes Buch, in deren Seele er beliebig manipulieren kann. Die Instrumente und die Musik sind sein Leben, allem anderen, der Liebe und der Freundschaft, hat er sich verschlossen. "Die Musik ist ein Traum” sagt er einmal; und der Traum ist privat. Maxime (André Dussollier) ist Geschäftspartner von Stéphane und Camille's Liebhaber. Stéphane treibt, willentlich oder nicht, einen Keil zwischen die beiden. Er bringt Camille dazu, ihn zu lieben und Maxime dazu ihn zu schlagen. Er macht dies aus Böswilligkeit, wie er meint oder aus Angst davor sich zu öffnen, wie Camille es ihm sagt. Schließlich sind alle Bindungen zerschlagen. Die Einsicht in die Aussichtslosigkeit seiner Existenz und die Liebe Camille's geben ihm die Kraft, sich aus seinem Gefängnis zu befreien und seinerseites die Liebe zu Camille zuzulassen. Als er ihr dies offenbahrt, weist sie ihn zurück. So geht jeder am Ende seinen einsamen Weg. Bei einem Wiedersehen nach langer Zeit, küssen sie sich (zum ersten Mal überhaupt). Anschließend geht sie. Sie dreht sich nochmal zu ihm um. Durch eine verregnete Scheibe blicken sie einander lange an. Es ertönt Ravel... In den vereisten Herzen setzt Tauwetter ein.Sautts Film arbeitet mit sehr fein gezeichneten Charakteren, mit deren Lebenswandel und mit der Musik. Leider wirken die Schauspieler recht hölzern, wozu die Synchronisation kräftig beiträgt.

Das Geisterhaus

Eine klassische Familiensaga über drei Generationen, die im Chile der zwanziger Jahre beginnt: Die mit prophezeierischen Fähigkeiten ausgestattete Clara heiratet den skrupellosen, nach Macht und Geld strebenden Goldsucher Esteban, bekommt auf dem bald einflußreichsten Landsitz der Gegend eine Tochter, die jedoch nicht den vom Vater bestimmten korrupten und charakterlosen Gentleman, sondern den rebellischen Arbeiteranführer der Farm liebt, und die Dinge nehmen vor dem Hintergrund des Militärputsches bis zum unausweichlichen Tod der Protagonisten ihren Lauf. Doch was so banal klingt, entwickelt sich zu zweieinhalb Stunden gut gemachtem Kino um die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen von Liebe bis Haß, Leidenschaft und Rache, Glück und unsäglichen Qualen. Die melancholische Grundstimmung wird durch sparsam gesetzte dramatische Szenen aufgelockert und der Zuschauer gezielt an einem roten Faden durch den Film geführt. Läßt der Streifen anfangs durch die scheinbar klischeehafte Schwarz-Weiß-Malerei der Charakterdarstellung an seiner Güte zweifeln, gelingt es Regisseur Billie August mit fortschreitender Zeit, diese starren Schemata einstürzen zu lassen; und gerade darin liegt die Stärke des Films. Wer sich nach eineinhalb Stunden schon mit dem Gefühl, ein hübsch bebildertes Familienepos gesehen zu haben, zurücklehnt, wird durch die überzeugend dargestellte Komplexität der Kräfte, die den Menschen zu seinen guten und schlechten Taten treiben, eines besseren belehrt, ohne daß der Film auch nur einen Augenblick belehrend wirkt. So wird schließlich auch derjenige, dem "Gone with the Wind” nur ein müdes Gähnen abgerungen hat, nach zweieinhalb Stunden Ausharren anerkennen, daß mit dem "Geisterhaus” mal wieder ein klassisch gutes Stück Kino gelungen ist.

In the line of fire

Als Europäer hat man ein gespaltenes Verhältnis zum amerikanischen Unterhaltungsfilm, und das nicht erst seit der Diskussion um das Gatt-Abkommen. "Die Amerikaner haben die Industrie und erzählen über Amerika, uns aber fehlt das Geld, um das Publikum für Europäer zu interessieren, die sich mit Europa beschäftigen”, auf diesen Satz von Armin Müller-Stahl beginnen sich immer mehr Talk-Runden über den drohenden Untergang der Kinoindustrie in der alten Welt zu einigen. Eine honorige Absicht, ein schöner Satz, nur leider stimmt er nicht. So bedauernswert der schlechte Ruf des hiesigen Films auch sein mag, allein mit Geldmangel läßt er sich nicht erklären, und so griffig man zwischen hüben und drüben unterscheiden mag, so wenig passen dann Grenzgänger wie etwa der deutsche Wolfgang Petersen in dieses Schema. Und der hat einen typisch amerikanischen Film gedreht. In the line of fire kombiniert publikumswirksam zwei große US-Legenden, der Schauspielermythos Clint Eastwood bekommt als Sicherheitsbeamter eine Vergangenheit als Beschützer des Politmythos J.F.Kennedy verpaßt. Und er bekommt die Möglichkeit eines Showdowns nach Western-Traditon: Hat er in Dallas versagt, so wird er diesmal den Wettlauf gegen einen Psychopaten gewinnen, der den Mord am aktuellen Präsidenten ankündigt (beachtlich: John Malkovich). Beschützer und Attentäter sind sich über alle Grenzen hinweg ähnlich, eine hübsche Sicherheitsbeamtin (Rene Russo) rettet den Beschützer vor seinem lonely-wolf-Dasein etc. etc., das sind bekannte Motive und der Film zweifelsohne so amerikanisch wie irgendmöglich. Aber, so schlimm das für die Talk-Runden sein mag, In the line of fire ist Unterhaltungskino im besten Sinne, ein mitreißender Thriller, der sich, und das ist Petersens Verdienst, mehr auf sein Drehbuch als auf special effects verläßt. Er ist auch der beste Beweis dafür, daß der Erfolg der Amerikaner nicht ausschließlich auf ihre gigantische Vermarktungsindustrie zurückzuführen ist. Vielleicht sollte man sich hierzulande endlich mit dem Gedanken anfreunden, daß auch gute Unterhaltung eine ernsthafte filmische Herausforderung darstellt und daß das Publikum Qualität und nicht unbedingt Innovation verlangt. Katja von Garnier, mit der Filmkomödie Abgeschminkt der Shooting-Star des deutschen Films, hat es eben an diesem Eastwood-Streifen demonstriert. Ihr Dokumentarfilm über die Dreharbeiten zu In the line of fire sei Teilnehmern aller Gesprächsrunden über den Europäischen Film wärmstens ans Herz gelegt.

Das Hochzeitsbankett

Die Probleme eines homosexuellen Yuppies, sich seinen konservativen Eltern gegenüber zu bekennen, die Mentalitätsunterschiede zwischen asiatischen Einwanderern und amerikanischem Bürgertum, der Kontrast zwischen Tradition und Computerzeitalter..... Wieviele Problemfilme hätte man über jedes einzelne dieser Themen drehen können. Ann Lee hat über all dies nur einen gemacht, aber was für einen!

Mit ironisch-liebevoller Distanz zu seinen Charakteren beschreibt er das nach Amerika importierte exzessive fernöstliche Hochzeitsfest für einen Bräutigam, der nur seiner Eltern willen mehr an der Braut als am Trauzeugen interessiert ist. Turbulent und komisch, anrührend, aber nicht sentimental, kein Geniestreich, aber ein Muß! Wenn Das Hochzeitsbankett zudem nicht synchronisiert, sondern untertitelt in deutschen Kinos läuft, kann man nur raten: Nicht versäumen! Hingehen! Anschauen!

Karen McCoy- Die Katze

Die Geschichte: Die als einbruchssicher geltende Atlanta Union Bank soll geknackt werden. Für diesen Job gibt es nur eine: die legendäre Karen McKoy alias Kim Basinger. Nachdem diese bei einem Einbruch in eben jener Bank von dem Schurken Jack Schmidt (Terence Stamp) verpfiffen wurde, soll sie nun nach sechs Jahren Haftanstalt für eben diesen die Bank ein zweites Mal überfallen. Aber das gibt Probleme, denn Karen McCoy ist in der Haft in sich gegegangen und will nun lieber ihre Mutterpflichten erfüllen.
Hier beginnt der rührselige Teil der Geschichte, in dem die als Sexsymbol bekannte Basinger sich nun gegen alle Widrigkeiten, die ihr in Gestalt eines fiesfetten Bewährungshelfers und eines verschuldeten und feigen Ehemannes entgegentreten, die Liebe ihres Kindes erkämpfet. Da trifft es sich gut, daß der Schurke Schmidt ihren Sohn als Geisel nimmt, um die sich sträubende Mutter zu einem erneuten Einbruch in die Union Bank zu zwingen.
Bei dieser Gelegenheit kommt sie ihrem Sohn näher und kann neues Selbstvertrauen sammeln, das ihr im Gefängnis abhanden gekommen ist. Ein Glück, daß sich Karen in den sechs Jahren Haft mit den neuesten Sicherheitssystemen vertraut machen konnte, um diese mit Hilfe von modernsten Computerprogrammen auszuschalten.
Zugegeben: Karen MacCoy hangelt sich wunderbar elegant in den Sicherheitstrakt der Bank und besticht durch ihr technischen Kenntnisse. Regisseur Russel Mulcahy (Highlander) vergaß bei seinem Konzept aber leider, das altbewährte filmische Mittel Spannung einzubauen. So ist das in einer brenzligen Situation nicht anspringende Auto der einzige Schweißtreiber. Auch Kim Basinger überzeugt letztendiglich nicht in der Rolle der superintelligenten Edeldiebin. Aber noch immerhin mal wieder eine weibliche Hauptrolle im frauenfeindlichen Hollywood.

Drei Farben Blau

Mit einem Sprung taucht sie in das blaue Wasser, in die Vergessenheit ein. Im Moment ihres Auftauchens schlägt die Musik machtvoll in den hohen blauen Raum des Hallenbades. Es ist die Musik ihres Mannes: und diese verfolgt sie überall hin. Julie (Juliette Binoche) hat ihren Mann, einen Komponisten, und ihr Kind bei einem Autounfall, den nur sie überlebte, verloren. Mit einer Großaufnahme ihres Auges, in dem sich der Unfallarzt spiegelt, tritt Julie zum ersten Mal in Erscheinung. Um zu vergessen, gibt sie die Liebe und das Leben auf. Bilder des Stillstandes, wie die Nahaufnahme einer Kaffeeuntertasse mit gebrauchtem Löffel, prägen ihr Leben. Doch überall bricht sich das blaue Licht in zwei Pole: in das Leben und in den Tod. Diese beiden Pole zerren an Julie, die die Dinge aus ihrer Vergangenheit verbrannt hatte, zuletzt auch die Skizzen eines unvollendeten Werkes von ihrem Mann. Später taucht eine Kopie dieses Werkes auf. Eine Nahaufnahme zeigt wie Julie´s Finger an den Notenlinien entlangwandert; dazu die machtvolle Musik. Julie vollendet das Werk des Toten und ermöglicht sich in der Auseinandersetzung damit ihr Überleben. Im Schlußchoral des Messe heißt es auf Griechisch: "Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die größte unter ihnen aber ist die Liebe.”
Den Polen Kieslowski und Krzysztof ist mit "Drei Farben Blau” ein brillianter und bildermächtiger Beginn ihrer Trilogie gelungen, der nicht nur durch das gute Drehbuch, sondern vor allem durch die hervorragende Kameraführung besticht.

Ein Concierge zum Verlieben

Es ist schon erstaunlich, wie beharrlich das alte Tellerwäschermärchen seinen Platz in der Kinolandschaft behauptet. Neueste Variante des Abwaschspezialisten Micheal J. Fox: cleverer, gutherziger Concierge in traditionsreichem New Yorker - Skylinevorspann - Nobelhotel, der davon träumt, sein eigenes Hotel in Manhattan aufzumachen und jeden Dollar Trinkgeld dafür spart, schmeißt sich an einen fiesen Millionär, der verspricht, seine Pläne zu verwirklichen, ihn aber natürlich nur aufs allerfieseste betrügen will. Ach so, auch noch ganz wichtig zu wissen: Papi war natürlich auch schon Page und hat sich zu Tode geschuftet. Zufällig geht der Millionär mit genau der Parfumverkäuferin ins Bett, bei der Foxi immer wieder abblitzt.
Im Laufe zahlreicher Szenen kommen sowohl Verkäuferin als auch Page zu der Erkenntnis, daß ihre Käuflichkeit gar nicht schön ist und der Millionär einen ganz schlechten Charakter hat. Wie gut, daß die beiden sich im Rahmen der Gefälligkeiten des letzteren gegenüber dem Geldhai ständig begegnen und so, nachdem ihr Edelmut gesiegt und sie nebenbei auch noch vor Schlimmerem bewahrt hat, einander ungestört heiraten können. Der Vollständigkeit halber sei bestätigt, daß natürlich durch einen überraschenden Zufall das Traumhotel trotzdem verwirklicht werden kann.

Die Wiege der Sonne

"Wer lange genug am Fluß sitzt, sieht die Leiche seines Feindes vorbeischwimmen...” oder "Wir müssen auf's Gras schlagen um die Schlangen zu wecken!” Haben wir nicht alle lange auf diese Weisheiten warten müssen? Genauso wie auf Witze nach dem Schema "'Chef, willst Du Sushi?'-'Nee, wenn ich Quecksilber will, fress' ich ein Thermometer.'” Worauf wir wirklich gewartet haben, ist Tatjana Patitz in ihrer ersten Filmrolle. Sie besticht denn auch durch drei glorreiche Auftritte. Auftritt 1: Sie verläßt eine Bar. Auftritt 2: Sie sitzt nackt vor einem Spiegel, schminkt sich und sieht fern. Auftritt 3: Sie darf ihre Vorliebe für Würgegriffe beim Geschlechtsverkehr auf einem riesigen Konferenztisch ausleben und verläßt bei dieser Gelegenheit dann auch gleich das Land der Lebenden. Ach ja, zwischendurch darf sie noch hingebungsvoll an einer Zigarette ziehen und "Komm' her!” hauchen.
Zur Handlung? Besagte Frau wird ermordet, die Ermittlungen führen Japanexperte Captain Connor (Sean Connery) und Webb Smith (Wesley Snipes), "unterstützt” von einem ewig über Japan nörgelnden Lieutenant (Harvey Keitel, farblos wie noch nie). Und hinein geht's in ein Wirrwarr aus Philosophien über Japan, gefälschten LaserDiscaufnahmen, Verkauf einer MicroChip-Firma an Japaner, einem in alles verwickelten Senator, eine Jahre zurückliegende Bestechungsaffäre gegen Smith, ständig sonnenbebrillte japanische Bodyguards, einen explodierenden Lamborghini und noch einiges mehr. Und während wir Kinozuschauer am Fluß sitzen und der Film an uns vorbeifließt, kommen plötzlich die Leichen des roten Fadens und der Spannung vorbeigeschwommen.
Den einen 'ruprecht' gibt's für Sean Connery, der mal wieder als alter g'scheiter Mann auf sympathische Weise alles besser weiß. Und wer Tatjana Pattitz mag, darf sich meinetwegen noch einen zweiten dazudenken. Domo arigato!

Viel Lärm um Nichts

"Einen Shakespeare fürs Volk”, meinte Kenneth Branagh auf die Frage, was er mit seiner jüngsten Klassikerverfilmung habe schaffen wollen. Geht man davon aus, daß er das nicht ernst gemeint hat, darf man in Viel Lärm um nichts eine ironische Annäherung an die mit Gefühl geradezu überladene Vorlage sehen, eine mit englischem Humor geschaffene Überzeichnung der Unwahrscheinlichkeiten und Sentimentalitäten der Liebeskomödie mit Verwirrspiel, die eine bei weitem höhere Bewertung verdienen würde. Jedoch, und der Verdacht drängt sich spätestens nach einer halben Stunde des Films auf, dem Manne ist es ernst mit seinem Anliegen. Sieht man die Sache so, wird der Streifen unerträglich: Da küssen sich schöne Menschen im Gegenlicht, da nahen sich wackere Männer auf Pferden in Zeitlupe, ihr langes Haar im Winde wehend, im Hintergrund schmettert die Musik und wenn alle Klischees über die lebensfreudige Renaissancewelt ausgeschöpft scheinen, beginnen die Akteure zu Lautenmusik zu singen. Branagh, und da macht sich der Theatermesch bemerkbar, hat witzige Einfälle innerhalb des Textes, aber er steht nicht über ihm und so tut er stets des Guten zuviel. Wenn Shakespeare seine Personen schon rührende Liebeserklärungen abgeben läßt, so braucht es dazu nicht noch Bühnenmimik, Großeinstellung, Hinterbeleuchtung und schmelzende Geigenmusik. Wer den englischen Dramatiker mag, wird sich auch von Emma Thompson und Winona Ryder nicht vom Kinobesuch abhalten lassen, wer sich unter das von Branaghs anvisierte Zielpublikum zählt, lasse die Finger von Viel Lärm um Nichts. So tümlich ist weder das Volk noch Shakespeare je gewesen.
PS: Wer sich von den unbestrittenen Fähigkeiten des Regisseurs Branagh überzeugen will, der sehe sich seinen Shakespeare-Erstling Heinrich der Fünfte im Gloria Kino an! Persönlichen Haß auf den Engländer kann uns keiner vorwerfen: Immerhin haben wir dafür vor in Nummer 23 vier ruprechts vergeben.


Von Aristoteles, 007 und Mattscheiben

Die 4. Heidelberger Film- und Videotage

Was einem Besucher eine Veranstaltung wie die Heidelberger Film- und Videotage anziehend macht, wird für den Kritiker zum Problem: Das bunte Durcheinander aus Videoinstallationen, Kurzfilmen und abendfüllenden Werken, die verschiedensten Filmmaterialien, mit unterschiedlichstem technischem Können gehandhabt, das Nebeneinander von Streifen, deren Regisseure nicht nur ein Altersunterschied von bis zu vierzig Jahren trennt, sondern manchmal auch eine spaltenlange Liste von Preisen und Auszeichnungen, dies alles macht Auswahl und Besprechung nicht gerade einfach. Wer nichts hätte versäumen wollen, wäre zudem vom 21. bis zum 24.Oktober zu ständigen Sprints zwischen Gloria-Kino in der Hauptstraße und Studihaus gezwungen gewesen, so gestopft war das Programm.

Und die Vergleiche, zu denen, laut Veranstalter diese Werkschau aktueller Produktionen anregen sollte? Schwierig, möchte man sagen, wer überhaupt beurteilen will, ist zum Beispiel gezwungen, einen professionellen Film aus dem offiziellen Verleih, wie es I was on Mars ist, gewissermaßen außer Konkurrenz laufen zu lassen. Das hält einen nicht davon ab, zu bemerken, daß zum Thema "hilflose Einwanderin entpuppt sich als lebensfähiger als abgestumpfte Altimmigranten” bereits ein fabelhafter Streifen gedreht worden ist, nämlich Jim Jarmusch's Stranger than paradise. Dieser Vergleich ist mit Einschränkungen zulässig, fällt aber für den am Donnerstag abend gezeigten Spielfilm nicht unbedingt positiv aus.

Gordian Mauggs Der olympische Sommer gehört ebenso in eine andere Kategorie , abseits der Amateurproduktionen, die den überwiegenden Rest des Programms ausmachten. Eine eigene Produktionsgesellschaft, der Anspruch, eine literarische Vorlage zu verfilmen, sowie offizielle Prädikate, die der Film bereits erhalten hat und zweifelsohne auch verdient, sprechen für sich.

Woran aber sollte man das restliche Spektrum von Amateurfilmern zwischen Studenten der Fernsehhochschulen und videobegeisterten Abiturienten messen? Am eigenen Anspruch. Eine knallharte Splatter-Comedie mit einem kräftigen Schuß Ironie hatte der 22-jährige Jan Reiff etwa sein 80-Minuten Opus Requiem der Teufel genannt. Das einzige, was davon eingelöst wurde, waren die beeindruckend professionell gemachten Horroreffekte, die dem Film zu dem publikumswirksamen Prädikat erst ab 18 Jahren verhalfen. Daß sich allerdings das Kino während der Vorstellung mehr und mehr leerte, hatte nichts damit zu tun, daß die Zuschauer die Serien von Gewaltszenen nicht ertragen hätten, nein, es war schlichtweg langweilig. Alle drei Minuten jemand mißhandelt, aufgeschlitzt oder zerrissen zu sehen ist ebenso mitreißend oder witzig wie Waschmittelreklame. Man möchte dem gesamten Team um Reiff den Respekt vor der Leistung eines eineinhalb-Stunden Films ungern versagen, aber jemand, der bereits im Vorspann mit Aristoteles-Zitaten um sich wirft, sollte mit den grundlegenden Regeln von Handlungs- und vor allem Spannungsführung hinlänglich vertraut sein; hier wäre weniger mehr gewesen.

Gleiches gilt für die Parodie James Stoned: 0.07 bei Dr.Njet von Jürgen Köllner, zu der es einen eigenen Trailer, ja sogar einen Soundtrack zum Kaufen gibt. 60 Laiendarsteller standen in fünf Ländern vor der Kamera, 1500 Meter Super-8-Film wurden belichtet und genau da liegt das Problem: Nicht nur, daß das Verhältnis Aufwand-Produkt nicht stimmen würde, nein, es ist eben dieser übermäßige Aufwand, der dem ganzen Film schadet. Da gehen gleich serienweise witzige Dialoge, originelle Einstellungen oder geschickte technische Lösungen im Meer einer 94-Minuten Anstrengung unter, dem James-Bond-Original in Personenaufwand und Drehortwechseln gleichzukommen.

Daß es all dessen überhaupt nicht bedarf, um eine Stunde lang einfallsreich zu unterhalten, zeigt J.W.Harth am selben Thema. Auch sein Eisbrecher nimmt sich den Agenten 007 parodistisch vor, allerdings weiß der Jungfilmer um die Beschränktheit seiner Mittel. Wenn er etwa seinen Helden aus einem Einfamilienhaus in Weiterstadt blicken läßt und dazu Außenaufnahmen aus New York gegenschneidet, so gewinnt er dem Mangel an technischen Möglichkeiten noch ebensoviele witzige Effekte ab wie der beschränkten Ausstattung. Zur Darstellung eines Spielkasinos genügt ihm der notdürftige Umbau einer Wohnküche (?), das Publikum sieht es und amüsiert sich und was ein Laienschauspieler gar nicht leisten kann, verlangt Harth seinen Mitakteuren gar nicht erst ab. Von erkennbarem filmischen Können abgesehen ist es vor allem diese Selbstironie, die Eisbrecher sehenswert macht - vielleicht auch einmal für mehr Publikum als nur die Besucher der Heidelberger Film- und Videotage.

Der Appetit auf die durchweg interessanten Videoinstallationen im Marstall wurde einem leider Gottes schon zu Beginn durch Boris Hiesserers Eröffnungs-Performance verdorben. Er und sein Team schwenkten, augenscheinlich in Wiederaufnahme keltischer Traditionen, nach einer wohl mystischer Gymnastik glimmende Kräuter durch die Luft. Das alles spielte im Brennpunkt eines Kreuzes aus vier flimmernden Bildschirmen, in denen minutenlang farbig wechselnde Runenzeichen und Frequenzkurven über die Mattscheibe rasten. Was vermutlich eine Synthese uralter Riten und modernster Technik hätte darstellen sollen, geriet zu einer Vorstellung zwischen Lächerlichkeit und Langeweile. Auch auf die Gefahr hin, für hoffnungslos verstockt und anti-alternativ gehalten zu werden: So verhilft man der innovativen Art, mit dem Medium Video zu arbeiten nicht zu vielen Freunden.

Und all das, was noch bleibt? Die vielen Kurzfilme und Kürzeststreifen? Nächstes Jahr finden die Film- und Videotage in Heidelberg hoffentlich wieder statt. Dann heißt es hingehen, hinschauen und selbst mitreden!

(step)

Nicht verpassen!
Das Mannheimer: Film Festival

15.-20.Nov.: Planken-Cinemas in Mannheim

- Werkrückschau Ingmar Bergmann
- Türkische Filmreihe,
- Kurzfilmprogramme aus der

Filmakademie Ludwigsburg
- Jüngste Produktionen bekannter
Autorenfilmer
und natürlich:
- Internationaler Wettbewerb mit 25
Spielfilmen und 16 Kurzfilmen
(Preisverl: Sam.20. Nov, 21.00 Uhr)


Kultur? Bahnhof?

Endlich eine Lösung für kulturellen Raummangel

Heidelberg soll jetzt endlich, nach 15-jährigem Hin und Her, ein Kulturzentrum bekommen. Fest steht, daß für eine kulturell und politisch aktive Szene, wie es sie in Heidelberg gibt, akute Raumnot besteht. Viele Projekte mußten wegen dieses Mißstandes schon scheitern.

Was gibt es denn für potentielle Veranstaltungsorte für Amateur-Bands und Theatergruppen? An erster Stelle ist der Romanische Keller zu nennen - unentbehrlich, Hauptumschlagsort von studentischer Kultur, jedoch Stiefkind von Uni und Stadt, da sich niemand so recht verantwortlich für ihn fühlt. Außerdem mit einem Fassungsvermögen von 90 Personen für größere Veranstaltungen sowieso zu klein. Dann wäre da noch das Taeter Theater, das nur teilweise freien Gruppen zur Verfügung steht. Möglichkeiten bietet auch die Stadthalle, die normalerweise unerschwinglich ist und nur "gesponsorten” Veranstaltungen ein Dach über dem Kopf gib.t Beispiel: Rockgruppen rockten eine Nacht lang in allen Räumen der Stadthalle bei "Heidelberg zeigt Courage”.

Grünliches Licht für den Kulturzug

Hier und da gibt es noch ein paar teilweise zur Verfügung stehende Räume, Turnhallen und Säle - zum Beispiel im Neuenheimer Feld. Sie lassen sich jedoch an einer Hand abzählen.

Dieser Not soll jetzt Abhilfe geleistet werden. Ein Haus, das der Kultur in Zukunft ein Dach über dem Kopf geben soll, hat man schon gefunden: Das ehemalige Bahnhofs- und Verwaltungsgebäude am Karlstorbahnhof. Teilweise steht es schon leer, nur das Versorgungsamt ist noch vor Ort.

Seit Jahren wird diesbezüglich getüftelt und gegrübelt. Ein von Bürgermeister Jürgen Beß eingerichteter "Arbeitskreis soziokultureller Raumbedarf” wurde Ende letzten Jahres reaktiviert und erweitert. Hieraus ergab sich eine Arbeitsgruppe, die seit fast einem Jahr das Konzept des Kulturamtes für einen "Kulturbahnhof Karlstor” weiterentwickelt hat. Zu jenem Konzept faßte der Gemeinderat, schließlich und nach heftigen Kontroversen, im Juli dieses Jahres einen positiven Grundsatzbeschluß. Also: Grünliches Licht für den "Kulturbahnhof am Karlstor”!

Und so soll es funktionieren: Fünf Vereine, in denen insgesamt 120 Heidelberger kulturelle und soziokulturelle Gruppen organisiert sind, haben sich als zukünftige Betreiber(innen) des "Kulturbahnhofs” zusammengetan.

Diese Trägervereine sind: Das "Eine Welt Zentrum”, der "Jazz Club”, die "Initiative für ein Kulturcafé”, das "Medienforum” und der "Freie Theaterverein Heidelberg". Seit einem Jahr sitzt man nun zusammen und schmiedet ganz konkrete Pläne für den "Kulturbahnhof”. Im Erdgeschoß, des im Blickpunkt stehenden Gebäudes soll ein Veranstaltungsaal entstehen, in dem von Theateraufführungen, Musik- und Informationsveranstaltungen, Lesungen, Austellungen und Filmvorführungen alles möglich sein wird. Daneben soll ein "Kulturcafé” mit einer Kleinkunstbühne eingerichtet werden. Im Untergeschoß befindet sich ein potenzieller Kinosaal und Raum für Musikdarbietungen - ideale Heimat für das "Medienforum”. Im Dachgeschoß soll ein Kleintheater von den Gruppen des "Freien Theatervereins” betrieben werden. Außerdem sollen die bestehenden Büroräume im Ober- und Dachgeschoß als Gruppenräume, für kleine Vorträge (unter anderem des "Eine-Welt-Zentrums”), sowie für die Geschäftsführung des Gesamt-Hauses eingerichtet werden. Im Keller besteht außerdem die Möglichkei, eine Disco oder ein "Freies Radio Heidelberg einzurichten.

Endlich ein Dach über dem Kopf

Die Betreibergruppen haben also ganz konkrete und realisierbare Vorstellungen von "ihrem” Kulturbahnhof. Doch ähnlich ist es mit den finanziellen Vorstellungen des Gemeinderates, der die entscheidende Instanz darstellt.Man konnte sich bis heute noch nicht einigen, doch die Diskussion geht weiter: Natürlich -Gelder sind in dieser Zeit knapp. Doch wenn große Summen für Renovierungen von Schwimmbädern da sind, warum nicht auch eine vergleichbar kleinere Summe für ein durchaus notwendiges Kulturzentrum? Ein weiteres Hindernis stellen die mehr oder weniger persönlichen Interessen, bzw. Befürchtungen von "Interessengemeinschaften” dar, in deren Augen ein freies Kulturzentrum ein Unruheherd, bzw. eine Konkurrenz ist...

Wie die Chancen für den "Kulturbahnhof Karlstor” wirklich stehen, ist schwer auszumachen. Mitte Dezember soll ein entgültiger Beschluß gefällt werden.

Die aktuelle Meldung, daß die "Mannheimer Filmwoche”, das renommierte und zweitälteste Filmfestival in der Bundesrepublik, ab 1994 auf Heidelberg ausgeweitet wird (Der Gemeinderat bewilligte hierfür 200 000 Mark), könnte ein Schritt auf dem Weg zum Ziel Kulturbahnhof sein. Denn die zukünftigen "Internationalen Filmfestspiele Mannheim-Heidelberg” könnten, unter anderem, in einem zukünftigen Kulturbahnhof stattfinden. Bei der Beschlußverkündung für das Filmfestival in Heidelberg beteuerte man, daß "die Filmfestspiele eine Aufwertung und eine Form des Tourismus seien, den man wolle”. - Wäre ein Kulturzentrum nicht auch eine Aufwertung ?

Entscheidend für die Realisierung und das eventuelle Bestehen des Kulturbahnhofs wird die Zusammenarbeit der Trägervereine sein. Die Gefahr, daß freie Gruppen aus finanziellen Gründen von "komerziellen Profis” verdrängt werden (so wie es z.B. in der 'Alten Feuerwache' in Mannheim geschehen ist) sollte man nicht unterschätzen. Die einzelnen, freien Gruppen dürfen sich nicht als Konkurrenten sehen, sondern als eine große Gruppe, die ein gemeinsames Ziel verfolgt - die Schaffung von Raum für unabhängige Kultur und Politik. (asb)


ruprecht-Serie

Bands in Heidelberg

"Muddling Through"

"Don´t worry about your life, keep on, muddling through” ist der Leitspruch der Band. "Muddling through” heißt soviel wie "durchwursteln” und stammt aus dem Wirtschaftslatein. Der Ausdruck bedeutet vereinfacht, daß sich krankende Unternehmen gegenüber Problemen behaupten müssen, wenn sie überleben wollen. "Muddling Through” haben sich allerdings ein hehres Ziel gesetzt, denn sie arbeiten am großen Durchbruch und möchten sich irgendwann in MTV präsentiert sehen. Noch müssen sie aber den bitteren Weg durch die Tretmühle der Wirtshäuser gehen, bevor ihnen Managerin Gabriele Krauss den ersten Radioauftritt und ausverkaufte Säale bescheren kann. Bisher steckte die Gruppe alle Einnahmen in ein Tonstudio, das die Qualität ihrer Aufnahmen bedeutend verbessern soll. Die Musiker sind bereit, jederzeit ihre Jobs an den Nagel zu hängen, um eine professionelle Musikkarriere zu machen.

"Muddling Through” ist eine semiprofessionelle Band, bestehend aus vier Musikern und einem Tontechniker.. Die vier Musiker lernten sich im Dezember 1991 zufällig in einem Plattenladen kennen, je zwei auf der Suche nach einer neuen Band. Sie kamen aus verschiedenen Musikrichtungen, die sie in eine vielfältige Musik mit gemeinsamen Nenner Rock´n´Pop mit Funkelementen umwandeln konnten. Die Stücke von "Muddling Through” sind eingängig, melodiös, tanzbar und eher dem Pop als dem Rock verhaftet. Der Backround Chor unterstützt und variiert die Stimme von Sänger Walter Hinzberg, der auch das Gerüst zu den Songs schreibt, die über alltägliche und sozialkritische Themen wie Umweltzerstörung, Frauenfeindlichkeit und Beziehungsprobleme handeln.

Augetreten ist die Band schon im "Milieu” in Mannheim und im Schwimmbad Musikclub, was für Heidelberger Gruppen eine erste Stufe zum Erfolg bedeutet. Die nächsten Termine sind der 20.11 um 21:00 Uhr im Dr. Watson (Weinheim); am 25.11 um 22:00 Uhr im Cave; am 10.12. um 21:00 Uhr im Kapitol (Mülhausen)

Handmade

"Das Faustrecht gilt schon seit Anfang an/ die Starken kommen wie immer voran/ Gewalt, Zerstörung toben wie wild/ die Sehnsucht nach Frieden wird selten gestillt.” Die Rohrbacher Gruppe "Handmade" um den Pastor Kurt Erlemann machen kritischen "handgemachten” deutschen Rock und Blues, der bisher nur einer kleinen Fangemeinde bekannt ist. "Handmade” gründete sich, als Kurt Erlemann 1988 den Klängen einer Trommel folgte und dabei auf seinen Nachbarn Uwe Kröhnert stieß. Ein Bassist, ein Gitarrist und ein Keyborder waren schnell gefunden, die Texte und die Musik wurden von Erlemann geschrieben. Die Band, deren Mitglieder alle älter als 30 Jahre alt sind, gehört einer Zeit an, in der die neue deutsche Welle in die Wohnzimmer der Bundesbürger schwabbte und deutsche Texte für eine kurze Zeit ein Massenpublikum erreichten. Die Lieder behandeln sozialkritische Themen wie die eiskalte Mentalität der Deutschen in "Eiszeit”, die Rüstungsindustrie in "Fortschritt” oder auch zwischenmenschliche Beziehungskonflikte in "Launen”. Aktuell hat die Gruppe ein Repertoire von ca. 15 eigenen Stücken, die sie bei abendfüllendem Programm auch durch Coversongs von Eric Clapton, Marius Müller Westernhagen und Guns´n´Roses ergänzen, wobei sie die Erfahrung gemacht haben, daß das Publikum immer dankbar auf schon bekannte Melodien reagiert. "Handmade” wollen ihre Fans bewegen und zum Tanzen bringen, denn Erlemann weiß, das die Texte über den Groove schneller in die Köpfe der Zuhörer gehen. Geschafft haben sie dies bereits beim Festival "Rock gegen Rechts” in der Stadthalle oder beim Open Air Festival in Oftersheim. Ansonsten ist die Band u.a. in Heidelberger Kulturcafes, im Neuenheimer Feld und den Strafvollzugsanstalten in Heidelberg und Mannheim aufgetreten. "Handmade” versteht sich als ambitionierte Freizeitband, die hauptsächlich Spaß an ihrer Musik haben will. Den Traum vom großen Durchbruch hegt Kurt Erlemann nicht. Das führte allerdings zu Differenzen in der Gruppe, so daß Erlemann heute das letzte verbliebene Gründungsmitglied der Band ist.

Der nächste Auftritt von "Handmade” ist noch nicht bekannt, wer sich jedoch einhören möchte, kann das Lied "Eiszeit” auf dem von Beatless produzierten Sampler "HD - entROCKT” hören.

The Return Of

!991 gründete sich die Gruppe "Unmut” und trat mit Coversongs von "The Cure”, "INX” und "Nirvana” auf. Bald wurde ihnen das aber zu langweilig und sie beschlossen, mit eigener Musik und Texten weiterzumachen. Sie nannten sich daher 1992 "The ´Return Of” und suchten sich einen neuen Sänger, den sie in Christian Weiss fanden. Die von Mitglieder der Band sind zwischen 26 und 30 Jahre alt und spielen in der klassischen Besetzung von Schlagzeug, Baß, zwei Gitarren und Sänger. Sie verbinden mit ihrer Musik Einflüsse von Wave, Funk und Jazz zu einer sehr eigenständigen Mischung, die manchmal an Gruftrock like "Fields of the Nephilim” oder so legendäre Gruppen wie "The Doors” erinnert. Christian Weiss nennt David Bowies neue Band "Tin Machine” als Vorbild, das ihn beeinflußt hat. Allerdings hat selbst Bowie hat mit dieser Musikrichtung keine großen Erfolge zu verzeichnen, und so ist es fraglich, ob "The Return Of” mit seiner zeitlosen, aber nicht aktuellen Musik Erfole verzeichnen wird. "The Return Of” führt den Zuhörer zurück in Zeiten, in denen der Weltschmerz gelebt wurde und schwarzgekleidete Gestalten ihre Köpfe schüttelten. Schwierige Zeiten also heutzutage, wo Hip Hop, Techno und Acid Jazz MTV und damit die Köpfe der jugendlichen Musikliebhaber beherrscht. Trotzdem rechnet sich die Band eine Chance auf den Durchbruch aus, denn "The Return Of” überzeugen durch Können und Originalität. Die Texte werden von den beiden Gitarristen geschrieben und sind teils sozialkritisch und teils lyrisch, wie z.B. in Vertonungen von Texten Berthold Brechts.Gespielt hat die Band u.a. im Marstall und bei der Sommeruni. Die nächsten Auftritte finden am 16. Dezember beim Independent Festival in der Tiplex Mensa und am 29. Januar im DAI beim Rocktag statt. (io)


Vernebelter Faust

Habe nun ach... leider die geänderte Anfangszeit verpaßt! Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben und die sich einen Besuch der Faust-Inszenierung im Taeter-Theater unbedingt noch geben wollen: der Beginn wurde von 20 auf 19 Uhr vorverlegt. Das geschah so plötzlich, daß der Rezensent selbst der ersten halben Stunde der Vorstellung nicht beiwohnen konnte. Es sollte sich aber bald herausstellen, daß dieses Manko, angesichts der leicht minderen Qualität der Inszenierung und ihrer Dauer von über vier (!) Stunden nicht so sehr ins Gewicht fiel.

Es gibt Stücke, in diesem Fall der Deutschen berühmtester und strapaziertester Klassiker, von denen sollte ein Theater, das vorwiegend mit Laien arbeitet, am besten die Finger lassen. Doch ungeachtet der Tatsache, daß dieses Vorhaben selbst für eine große Staatsbühne eine gewagte und vor allem schwierige Aufgabe ist, ließen es die Taeter darauf ankommen. Mit dem massiven Einsatz erbärmlich wimmernder Hexen, wabernder Nebel und tobender Trommeln können sie jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Schauspieler, wenngleich bemüht, von der Schwierigkeit des Textes teilweise überfordert werden. Trotz einiger guter Einfälle bei der Inszenierung diverser magischer Vorgängen (etwa wenn Mephisto den Handwerksburschen in Auerbachs Keller mit Hilfe eines künstlichen Pimmelchens "Wein” in ihre Gläser pinkelt) dominiert stellenweise Albernheit, angesichts eines herumhampelnden "Schauspieler-Irrlichtes” oder beim Anblick des wau-wau-machenden Mephisto-Darstellers, der mit Clownsnase den Pudel verkörpert, dem Faust und Wagner beim Osterspaziergang begegnen.

Auch die dargestellten Figuren erheben sich nicht gerade über dieses Niveau. Faust, gespielt von Michael Hinz-Klimek, ist ein blasser Tattergreis, bei dem z.B. das Aufkommen einer wie auch immer gearteten Fleischeslust wenig nachvollziehbar ist. Daran ändert auch die Tatsache, daß er sich nach seiner Verjüngung durch den magischen Trank der Hexen endlich normal über die Bühne bewegt, nichts. Überhaupt stellt man sich die Frage, warum die Personen so handeln wie sie es tun. Der von Dieter Winkelmann dargestellte Mephisto erinnert mit seinem Gehabe und dem weißen Schal manchmal eher an Harald Juhnke, als an einen teuflischen Verführer. Tanja Kübler schließlich, in der Rolle des Gretchens, vermittelt mehr den Eindruck eines hüpfenden Teenies als den eines ernsthaft mit sich kämpfenden jungen Mädchens. Diesen Eindruck kann auch ihr am Ende ausgeprägt theatralischer Tonfall nicht mehr verwischen.

Sicher, man kann an ein Laientheater nicht dieselben Ansprüche stellen wie an ein professionelles Theater. Aber man sollte sich doch vorher fragen, ob bei der Auswahl des Stückes nicht etwas mehr Bescheidenheit angebracht gewesen wäre in dem Sinne: lieber kein "Faust” als ein mehr oder weniger spielbar gemachter, harmloser Traditionsfaust, der mit allerlei modernen Effekten, wie z.B. einem Michael Jackson-ähnlichen Satan-Auftritt, keinerlei Verdauungsschwierigkeiten, sondern eher Langeweile verbreitet. Wer sich die viele Arbeit ansehen will, der entnehme die weiteren Vorstellungstermine den allabendlich auf der ganzen Hauptstraße anzutreffenden Taeter-Plakaten.

Stefan Witascheck


Warten auf Casals

Thomas Bernhards "Macht der Gewohnheit im Studio des Heidelberger Stadttheater

An Thomas Bernhard scheiden sich die Geister. Nicht, daß sein Rang in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts umstritten wäre, nein, es geht völlig unwissenschaftlich darum, ob einem sein Stil zusagt oder nicht. Die einen können mit der handlungsarmen Literatur und ihren repetitiven Sprachspielereien überhaupt nichts anfangen, die anderen sind von ihr restlos begeistert. Wer weder vollständig ablehnt noch zustimmt, dem ist zu mißtrauen, er hat aller Wahrscheinlichkeit nach noch nie ein Buch von Bernhard in der Hand gehabt.

Um es vorwegzusagen: Die Macht der Gewohnheit, zu sehen im Studio des Heidelberger Stadttheaters, ist niemandem zu empfehlen, der seinen ersten Versuch, sich mit dem österreichischen Autor anzufreunden, schon auf Seite 15 egal welcher Erzählung abgebrochen hat. Für alle übrigen aber dürfte diese Aufführung mehr sein als der vielzitierte "angenehme Theaterabend”.

Was Bernhard in dieser Komödie nämlich vorführt, ist nicht mehr und nicht weniger als das Parodox, daß höchste Kunstentfaltung zum großen Teil regelmäßiges stumpfsinnig-mechanisches Einüben der einzelnen Kunstgriffe voraussetzt, was sich zum größten Teil mit Bernhards eigener literarischen Methode deckt, etwa Sätze so lange zu verändern, bis sie möglicherweise stimmen.

Direktor Caribaldi zwingt seine Enkelin, den Jongleur, den Dompteur und den Spaßmacher seines Zirkus, täglich mit ihm nach der Vorstellung Schuberts Forellenquintett einzuüben. Sein Ziel, dieses Stück einmal als perfekte Musik zu Ende zu bringen, ja vielleicht sogar öffentlich aufzuführen, scheitert an der Realität, ja schon an seiner und seiner Mitspieler unzureichenden Musikalität. Angesichts der Sinnlosigkeit, einmal das Ideal zu erreichen, als dessen Inbegriff Caribaldi der berühmte katalanische Cellovirtuose Casals gilt, gewinnen die Handlungen der täglichen Probe beinahe schon rituellen Charakter. Hier versucht einer, mit stupidem Wiederholen und sadistischem Quälen anderer, eine Perfektion zu erreichen, die sich niemals einstellen wird, angesichts des Spaßmachers etwa, dem das Kontrabaßspielen nicht in die Wiege gelegt ist oder des stets betrunkenen, rettichfressenden Jongleurs am Klavier. Die Zirkuswelt bricht in den mühsam geschaffenen Raum hoher Kunst, das Üben wird absurd: Die Macht der Gewohnheit ist auch ein Warten auf Casals.

Das klingt alles nun theoretisch und vor allem philosophisch, allein Thomas Bernhard arbeitet vor allem mit der Lächerlichkeit, die es an sich hat, durch ständiges gedankenloses Wiederholen etwas erreichen zu wollen, was möglicherweise gar nicht existiert. Das Vorgeführte ist grotesk, das Stück wirklich amüsant. Das soll nicht heißen, daß es sich von alleine in Szene setzte oder spielte. Natürlich ist die Rolle des mißmutigen, seine Umwelt peinigenden Zirkusdirektors auf den ersten Blick eine dankbare, aber Martin Kayssler meistert auch die Tücken, eine solche Figur überzeugend zu zeichnen, souverän. Gleiches gilt auch von seinen Mitspielern: Kathrin Irion verkörpert eine naive und biegsame Enkelin, Heinz Keller spielt den Jongleur als einen blassen Maulhelden, Thomas Henniger den Dompteur als Innbegriff des Abstoßend-Verkommenen und Marie-Agnes Reintgen gibt dem Spaßmacher den unbeholfen-menschlichen Zug, deur in so krassem Gegensatz zur Routine steht, die das Theaterstück als Erbarmungslosigkeit vorführt. Die Inszenierung selbst zeichnet sich eher durch gelungenen Detaillösungen aus. So versetzt Wolfgang Hofman seine Akteure in die Arena selbst, welche sie wie Zirkustiere durch eine Metallröhre betreten oder verlassen. Und wenn Caribaldi am Ende mit letzter Kraft die Leiter in die Kuppel hinauf erklimmt, um dort oben ein Kofferradio mit Schuberts Musik einzuschalten, dann ist damit auch bildlich eine sinnfällige Umsetzung von Bernhards Problem gelungen: Der Weg zur Perfektion ist eine lächerliche Quälerei, wenn man aber weiß, daß diese Perfektion nicht erreichbar ist, wird die Routine zum grotesken Selbstzweck: Wer nicht probt erreicht nichts/wer nicht übt/ist nichts (Caribaldi) (step)


Kinder von Mutter Erde

"Die Welt der Maya” im Reiß-Museum Mannheim

Nichts ist vergänglicher als Macht und Ruhm! Diese schmerzliche Erfahrung mußten vor gut einem Jahrtausend auch die Maya an den fernen Küsten der Karibik machen. Mayab, Land des ewigen Frühlings oder auch Garten der Götter sind Bezeichnungen für das ehemalige Siedlungsgebiet der Maya-Hochkultur auf dem heutigen Territorium der Staaten Mexiko, Guatemala, Belize und Honduras. Seit Menschengedenken eine Bauernkultur verehren die Nachfahren der Maya bis heute die Erde als Muttergottheit.

Seit Mitte September ist im Mannheimer Museum für Völkerkunde eine der umfangreichsten Ausstellungen der Kunst der Maya, mit rund 300 Leihgaben zu sehen. Es ist die erste Präsentation, die anhand von Meisterwerken der Maya-Kultur eine Darstellung des heutigen Forschungsstandes anstrebt.

Keine der mittelamerikanischen Hochkulturen erreichte in künstlerischer, architektonischer und geistig-intellektueller Hinsicht die gleiche Bedeutung wie die der Maya. Ihre Urheimat lag mit großer Wahrscheinlichkeit an der zum Pazifischen Ozean abfallenden Gebirgsflanke Guatemalas. Spuren der ersten Besiedlung des südlicheren Tieflandes, dem eigentlichen Kerngebiet der klassischen Maya-Kultur sind im Norden von Belize nachgewiesen worden. Aus welchen Gründen die Maya in das tropische Tiefland umgesiedelt sind ist bis heute unbekannt. Wahrscheinlich war der permanente Bevölkerungsdruck im Hochland schuld daran. Die weitaus bedeutsamere Kulturentfaltung der Maya, die sich im Tiefland vollzog, beruhte zum Teil auf der isolierten Lage der Yucatan-Halbinsel, die sie lange Zeit vor kriegerischen Invasionen bewahrte. In der Vorklassik verzeichnete das Tiefland jedenfalls einen starken Bevölkerungszuwachs. Es kam zur Bildung erster Städte und der Entstehung hierarchischer Strukturen. Es stellt sich bis heute die Frage, wie eine in solcher Weise organisierte Zivilisation mit einem hohen städtischen Bevölkerungsanteil überhaupt im tropischen Urwald existieren und mehr als ein Jahrtausend überleben konnte. Ob die Härte des Lebens im Regenwald als große Herausforderung die schöpferischen Leistungen der Tiefland-Maya "getriggert” hat bleibt ebenso umstritten.

Die ersten Stelen, ausdrucksvolle Monumente und Merkmal der klassischen Maya-Kultur findet man schon im Hochland von Guatemala. Ein nur dort auftretender Skulpturentyp sind die "Pilzsteine”, die auf die Verwendung von Pilzen als Halluzinogene hindeuten. Mit der Entzifferung der "Zeichen in Stein”, der Hieroglyphenschrift der Maya, kennen wir auch einen kleinen Ausschnitt aus ihrer Schriftkultur. Stelen waren so etwas wie Litfaßsäulen der damals Mächtigen. Sie nennen Kalenderdaten und erzählen von wichtigen biographischen Ereignissen im Leben der Herrscher. Die Literatur der Maya, in Handschriften auf Papyrus niedergelegt, ist wohl der Zerstörung durch Umwelteinflüsse der der spanischen Eroberer anheimgefallen. Mit Beginn der Klassik im dritten nachchristlichen Jahrhundert findet diese Schrift eine immer weitere Verbreitung und macht es uns heute möglich, die Geschichte vieler Herscherdynastien zu erfahren. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden daher Stelen, Türstürze und andere beschriftete Steinmonumente.

Blutig waren die Rituale der Maya. Die Hieroglyphentexte erzählen, daß Herrscher, um ihre Rolle als Mittler zwischen der Welt der Götter und der der Menschen zu legitimieren, öffentlich Blut opfern mußten. Blutopfer dienten aber auch immer häufiger zur religiösen Vorbereitung auf Kriegszüge. Die alte Vorstellung von den friedvollen Maya stellt sich anhand der vielen Kriegs- und Gefangenendarstellungen als Utopie heraus. In der Tracht der Krieger fand auch das traditionelle Ballspiel statt. Die Spieler trugen Brust- und Hüftschutz, um den Aufprall des schweren Kautschukballs zu mildern, der nicht den Boden berühren durfte. Oft endeten die Spiele mit der rituellen Opferung von Gefangenen. Zu einem Ball verschnürt, rollten sie eine Tempeltreppe hinunter in den Tod.

Fasziniert waren die Maya vom Lauf und der zyklischen Bewegung der Gestirne. Sonne, Mond und Planeten waren für sie keine unbelebten Massekörper, sondern wohlgesonnene oder ungnädige Götter. In mehr als einem Dutzend Zeremonialstätten fand man Bauwerke, die als urzeitliche Sternwarten gedeutet werden. Mit ihren relativ bescheidenen Hilfsmitteln erzielten die Maya-Astronomen erstaunliche Resultate. So wußten sie, daß es sich beim Morgen- und Abendstern um den gleichen Planeten, die Venus, handelt. Es gelang ihnen die wichtige Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen. Diese Neugier hatte seinen Grund: Finsternisse galten den Maya als sehr gefährliche Zeitpunkte, weil sie Sonne oder Mond für immer hätten "auffressen” können. Daher unternahmen sie alles, um nicht von einer großen Dunkelheit überrascht zu werden.

Die Maya waren zudem besessen von der Idee der Meßbarkeit der Zeit. Ihre Bestimmung der Jahreslänge war exakter als die des Gregorianischen Kalenders. Viel früher als Inder oder Araber haben sie die Null als Zahl eingeführt. Ihr aus drei Symbolen bestehendes Zwanzigersystem ergab sich wahrscheinlich aus dem Rechnen mit 10 Fingern und 10 Zehen und handhabte sich nicht schwieriger als unser heutiges Dezimalsystem. Das Jahr der Maya errechnete sich zu 18 Monaten mit je 20 Tagen. Die restlichen "5 Tage ohne Namen” galten als unheilbringend und wurden von ihnen stets mit großer Vorsicht und in Furcht verbracht.

Von der Welt in der sie lebten hatten die Maya folgendes Bild: Die Erde, so glaubten sie, schwimmt im Weltenmeer zwischen Himmel und Unterwelt. Der "Weltenbaum” war die verbindende Achse zwischen diesen beiden Sphären, in denen Götter herrschten. "Haus der Götter” nannten die Maya jene heiligen Gebäude, die auf den Spitzen ihrer Pyramiden thronten. Sie waren Orte der Begegnung mit den Allmächtigen. Die große Masse der Bevölkerung hatte freilich keinen Zugang zu ihnen. Der Besitz von kultischer Weihe und wissenschaftlichen Erkenntnissen war auf eine kleine Priesteroberschicht beschränkt, die ihre Fähigkeiten in weit stärkerem Maße für kultisch-religiöse Zwecke einsetzte als in anderen Hochkulturen. Letztlich wurde von den Maya "Wissenschaft” nie um ihrer selbst willen betrieben.

Hochkulturen sind zu allen Zeiten und überall auf der Welt untergegangen. Selten jedoch verschwand eine derart große Bevölkerung so spurlos. Trotz des geschickten Umgangs mit dem tropischen Ökosystem ist die Kultur der Maya gegen Ende des zehnten Jahrhunderts nach Christus zusammengebrochen. Innerhalb kürzester Zeit wurden die großen Metropolen des Tieflandes aufgegeben. Die Frage nach den Ursachen des Untergangs ist nach wie vor eines der ungelösten, aber auch faszinierendsten Probleme der Maya-Forschung. Offenbar sind mehrere Faktoren dafür verantwortlich gewesen. Überbevölkerung, Bodenerschöpfung, Klimaänderungen, Epidemien, Erdbeben, kulturelle Dekadenz, soziale Unruhen oder eine feindliche Invasion von außen sind nur die am häufigsten genannten Gründe.

Mit der spanischen Eroberung wurden annähernd 3000 Jahre geschichtlicher Entwicklung der Maya abrupt beendet. Sie schufen den größten kulturell einheitlich gestalteten Raum Zentralamerikas. Im geistigen Bereich erklommen sie die höchste Entwicklungsstufe eines im Steinzeitalter lebenden Volkes. Nicht zu Unrecht nennt man sie die "Griechen der Neuen Welt”. (sf)


Gänzlich unheroische Gestalten

Ein Historiker bestreitet die 4. Folge der "Weisheits"-Serie

Fünfundzwanzig "Bücher der Weisheit" zu finden hatten wir uns in ruprecht 23 vorgenommen: fünfundzwanzig Bücher, die allen Wissenshungrigen - und die finden sich unter ruprecht-Lesern in gleicher Anzahl wie Heitmann-Verächter in der CDU - einen Ausweg aus der postmodernen "Unübersichtlichkeit" weisen sollten. Das Konzept der Serie, dem einen oder anderen Leser sicherlich vertraut: Per Anschreiben bitten wir (nach völlig ungeordneten Kriterien ausgewählte) Dozenten verschiedener Heidelberger Fachbereiche zur Buchanzeige. "Ziel Ihrer Empfehlung", so schreiben wir den Hochschullehrern, "soll es sein, Studierenden, die das jeweilige Fach nicht selbst studieren, sich aber dafür interessieren, ein Buch vorzustellen, das ihnen - in einer möglichst auch für den aufgeschlossenen Laien verständlichen Weise - einen ersten Eindruck von diesem Fach, von seinen wesentlichen Fragestellungen und Methoden, verschafft. Und das ihnen vielleicht auch ein bißchen Lust macht, sich noch eingehender mit Ihrem Fach zu beschäftigen."

Die Liste der Dozenten, die unsere Herausforderung schon angenommen haben, reicht vom Althistoriker bis zum Geographen (siehe "Weisheits -Bücher, 1.-3. Lieferung" unten); hier folgt die vierte Folge der Serie. Weitere werden in den nächsten Ausgaben des ruprecht folgen. Allerdings: Bis wir die fünfundzwanzig titelgebenden Werke zusammenhaben, wird es beim derzeitigen Veröffentlichungstempo noch ein bißchen dauern. (Red.: bpe)

Rezensent: Prof. Dr. Volker SELLIN

Seine Empfehlung: Winfried SCHULZE: Der 14. Juli 1789. Biographie eines Tages, Stuttgart, Klett-Cotta, 1989

In der Fülle der Publikationen, die anläßlich der Zweihundertjahrfeier des Ausbruchs der Französischen Revolution erschienen sind, nimmt das Buch von Wilfried Schulze über den 14. Juli 1789 eine Sonderstellung ein. Schulzes Ziel ist, den Ablauf des Tages, an dem die Bastille gestürmt wurde, im einzelnen aufzuzeichnen und zugleich die Bedeutung dieses Ereignisses für die Revolution und ihre Nachwirkung herauszuarbeiten.

Das Buch wendet sich über den Kreis der Historiker hinaus an alle, die sich für die Französische Revolution und damit für einen der großen Wendepunkte der Weltgeschichte interessieren. Aber es ist zugleich auch geeignet, seinen Leser in die Abgründe der Geschichtswissenschaft einzuführen.

Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Erstürmung einer Festung in Paris, die seit den Tagen Richelieus als Staatsgefängnis gedient hatte, durch eine aufgebrachte Volksmenge. Es handelt sich insofern also um einen Tatsachenbericht. Aber schon der Tatsachenbericht enthält im Detail Unklarheiten und Lücken, da der Historiker auf die Aussagen von Zeugen angewiesen ist, von denen jeder nur einen Ausschnitt aus dem Geschehen erlebt hatte, und die sich zudem häufig genug widersprechen. Um aber jenseits der Tatsachenfeststellung die Bedeutung des Tages für den Gang der Revolution im ganzen zu ermitteln, muß Schulze über das konkrete Ereignis hinausgreifen und die Entwicklung seit dem Zusammentritt der Generalstände in Versailles am 5. Mai 1789 skizzieren.

So zeigt sich an diesem Beispiel, daß erst die Interpretation durch den Historiker dem einzelnen seinen Ort in der Geschichte zu geben vermag. Aber vielleicht wäre die Erstürmung der Bastille auch ganz unterblieben, wenn das Gebäude in den Jahrzehnten vor der Revolution nicht zum Symbol des Despotismus hochstilisiert worden wäre. Erst dieser symbolische Charakter erklärt den ungeheuren Eindruck, den der Fall der Bastille auf die Zeitgenossen machte, und er erklärt auch die Enttäuschung darüber, daß in der Festung nur sieben ganz unheroische Gefangene gefunden wurden: zwei Geistesgestörte und fünf gemeine Verbrecher. Da keiner dieser Häftlinge als Opfer des Despotismus ausgegeben werden konnte, wurde rasch ein Comte de Lorges erfunden, der wegen seiner republikanischen Gesinnung schon seit 1757 im Kerker gesessen haben soll.

Widersprüchlich erscheint auch die Wirkungsgeschichte des Sturms auf die Bastille. Als die überlebenden "Sieger der Bastille” zu Beginn der Juli-Monarchie nach 1830 um eine Pension petitionierten, erhob sich in den Kammern ein Streit darüber, ob das Ereignis als Rettung und Sicherung der Revolution oder nicht vielmehr als der Beginn der Gewalttätigkeit und Anarchie anzusehen sei, die 1793 in die Schreckensherrschaft mündete. Mit der Proklamation zum Französischen Nationalfeiertag im Jahre 1880, fast hundert Jahre nach dem Ereignis, entschied sich die Dritte Republik schließlich für eine Deutung des 14. Juli 1789, die in ihm die Grundlegung eines demokratischen, republikanischen, freien, einigen und selbstbewußten Gemeinwesens erblickte. - Volker Sellin

Bücher des Weisheit, 1.-3. Lieferung:

ALTE GESCHICHTE
Karl CHRIST, Geschichte der römischen Kaiserzeit von Augustus bis Konstantin (Prof. Géza ALFÖLDY)

VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE
Maurice LEVI, How Economic Principles Can Contribute to Clear Thinking (dt.: Volkswirtschaftlich denken; Prof. Jürgen SIEBKE / Dipl.-Vlkswrt. Ulrich ROLF)

ANGLISTIK
William SHAKESPEARE, King Lear (Prof. em. Kurt OTTEN)

POLITISCHE WISSENSCHAFT
Dolf STERNBERGER, Drei Wurzeln der Politik (Prof. Frank PFETSCH)

GESCHICHTE DER MEDIZIN
PARACELSUS, Vom gesunden und seligen Leben (Prof. em. Heinrich SCHIPPERGES)

PSYCHOLOGIE
Dietrich DÖRNER / Herbert SELIG, Psychologie. Eine Einführung in ihre Grundlagen und Anwendugsfelder (Prof. Norbert GROEBEN)

ROMANISTIK
Hadumod BUSSMANN, Lexikon der Sprachwissenschaft (Prof. Bodo MÜLLER)

GEOGRAPHIE
Mieczyslaw TAUBE, Materie, Energie und die Zukunft des Menschen (Dr. Horst EICHLER)

KLASSISCHE PHILOLOGIE
OVID, Liebeskunst (Prof. Michael von ALBRECHT)

SOZIOLOGIE
Max WEBER, Politik als Beruf (Prof. M. Rainer Lepsius)


Römerstraßenblues

Eine Ode auf das Auto

Darf ich mich vorstellen! Ich bin Tillman Vogel. Meine Freunde nennen mich Till. Sagen Sie ruhig Tillman zu mir. Ich wohne an einer Ausfallstraße. Oder heißt es Ausfallschneise? Nein, es ist die Ausflugsschneise, jedenfalls Sonntags. Die Rettungswagen bohren sich zu allen Tages- und Nachtzeiten durch das Grundrauschen in meiner Häuser-schlucht. Meine Straße ist die Rettungs-schneise im Dschungel. Im giftigen Abgasgemisch. Ich liebe den herrlichen Dopplereffekt, dieses abklingende Tatü-tatuaa. Dann weiß ich, daß die Blech-quetsche wieder ein Opfer gefordert hat. Aber morgens um vier hat endlich auch das Sterben ein Ende und meine chinesische Folter.

Dann lauern die Autos in den 30er Zonen, schlafend, mit zwei Rädern auf dem Bordstein; lauern in den Tiefgaragen, auf Kieswegen am Waldrand unter Laubengängen. Am Waldrand braucht man ein Auto; einen Space Wagon, einen Geländewagen, der inneren Sicherheit wegen.

40 Millionen Autos täglich in meiner Straße. Jedes vierte hat eine Garage von 12 - 15 Quadratmetern - teilweise beheizt. Die Parkhäuser nicht mitgerechnet. Die Motorradfahrer haben ja auch meistens irgendwo einen Blechhaufen stehen für den Winter. Also, Häuser gibt es genug.

Das bietet doch die Möglichkeit des Sommerstudiums: Garage mit Vorzelt und Feuerstelle im Grünen. Für die Vermieter zwischen Untervermietung, Souterrain und Einliegerwohnung eine weitere rechtlose Variante. Wagenburgen verschwinden aus dem Randbild der Stadt. Den Winter verbringt man mit einer Plastiktüte im Süden ...

Ach, wenn ich so an meinem Fenster sitze, komm ich ins Träumen. Dabei bin ich doch in die Stadt gekommen, um mein Glück zu machen. Ich glaube, ich brauche ein Auto zum Leben. Ein Auto wie ein Freund. Der macht jede Ente platt. Gegen Aufpreis mit Seilwinde für die wirkliche Unabhägigkeit. Wenn man einen Abgrund runterrutscht, kann man sich selber wieder rausziehen, wie Münchhausen. Camel-Ätwäntscha. Ein Helikopter wär gut. Tja Till, sage ich mir, du bräuchtest ein Auto, um hier mal wegzukommen. Aber ich habe nicht mal 'nen Führerschein.

Ich glaube, ich werde mir scharfzak-kige Flaschenböden aus den Glascon-tainern aneignen. Ich werde Dachpappen-nägel, die automatisch auf dem Kopf stehen, auf den Straßen verteilen. Das laß ich mir was kosten. Oder ich baue Barrikaden, nachts an den Nadelöhren der Stadt, aus brennenden Reifen. Bad Joker. Der Verkehr muß dann durch die Villenviertel umgeleitet werden. Ich werde eine Substanz in meine Gewalt bringen, die alle Autoreifen auflöst. Einen Virus werde ich stehlen aus den Genlabors des CIA. Einen Virus, der die Reifen in Kleber verwandelt. Ein Gegenmittel gibt es noch nicht. Auf Jamaika schlage ich ein Unterwasserquatier auf. Biosphäre 3. Geheimagent 0013 wird auf mich angesetzt. Ich bringe den Virus über die Preßluft, mit der man an Tankstellen die Reifen aufbläst, in Umlauf. Mein Bad-Mobil hat Reifen aus einem Hanf-Jutegemisch.Oder ich schare Getreue um mich. Tillman Vogel, der Rächer der Erben. Die Krise ist allgegenwärtig. Jedenfalls in meiner Straße. Alles dreht sich ums Rad. Vor uns nur noch das Ende dieses Jahrtausends und die Aussicht auf einen Schrottplatz.

Aber es soll Völker geben, die eine andere Zeitrechnung haben. Eine Zeitrechnung, die sich nach dem Hufschlag unbeschlagener Pferde richtet. Ein zügelloses Reiten wäre das; eins mit dem Pferd, das Pferd eins mit dem Boden, wie ein berittener Bogenschütze in Lederhose und langhaarig. Das waren so unsere friedlichen Träume.

Ich glaube, im Sommer miete ich eine Garage am Waldrand. (fb)


ceteris Paribus

Mit Heidelbergs Studierenden kann man rechnen

Eine kurze Rechenspielerei: In einem Jahr 0 werden Studiengebühren in Höhe von 1000,-DM pro Student und Semester eingeführt. Im selben Jahr beginnen 3000 Studienanfänger. Die Einführung der Studiengebühren hat zur Folge, daß sich die Studienanfängerzahl verringert, und zwar folgendermaßen:
Im ersten Jahr um 5%, im zweiten um 4,5%, dann um 4%, 3,5% und ab dem fünften Jahr konstant um 3%. Es werden bewußt geringe Abnahmequoten angenommen. Nun müssen immer weniger Studenten immer mehr Studiengebühren aufbringen, um die vom Uni-Etat erwarteten 1000 mal 3000 = 3.000.000 DM aufzubringen. Desweiteren wird also angenommen, daß mit den sinkenden Studentenzahlen eine angepaßte Studiengebührerhöhung einhergeht.
Es wird nochmal betont, daß obige Annahmen rein fiktiv sind und jegliche andere Variablen (weniger Studenten benötigen weniger HiWis, weniger Professoren ...) außer acht gelassen werden.

Es ergeben sich folgende Zahlen:

Jahr Zahl der Studienanfänger(DM):   Studiengebühren/Anfänger:
0             3000                            1000,00
1             2850                            1052,63
2             2722                            1102,13
3             2613                            1148,11
4             2522                            1189,53
5             2446                            1226,49
6             2373                            1264,22
...
10            2101                            1427,89
20            1549                            1936,73
50             739                            4059,54
100            135                           22222,22

1.Bemerkung: Unter diesen Bedingungen wird es im Jahr 261 nach Einführung der Studiengebühren noch einen einzigen Studienanfänger geben (der trivialerweise eine Summe von 3.000.000 DM aufbringen müßte)
2.Bemerkung: Führt man diese Berechnung semesterweise (und nicht jahresweise!) durch, geht's natürlich doppelt so schnell. (jk)


"Ist da ein hübsches Mädel an der Lein'?”

Wie man in kurzer Zeit mit wenig Worten viel Geld loswird

Samstag Nacht, dreiundzwanzig Uhr, Music Television, zwischen MTV's Greatest und der Haarwerbung von Salon Selectives, da wo es anfäng,t langweilig zu werden, plötzlich: Französinnen, bildhübsch, was sonst, auf einem Platz irgendwo in Paris, halten den kleinen Finger und den Daumen von der Faust abgespreizt, führen den kleinen Finger zum Mund, den Daumen zum Ohr: europanational verständlich das Zeichen für "Wir telefonieren, ca va?”. Schnitt. Engländerinnen im Boot auf der Themse, in der Hand das drahtlose Telefon, verbunden mit dir, dem MTV-Glotzer. Und wie die lachen mit ihren weißen Zähnen, die gerade erst der Zahnspange entronnen sind! Dann die deutschen Buben an der Telefonzelle reißen sich den Hörer aus der Hand. Aber da lachen schon wieder die Engländerinnen auf der Themse, und die Französinnen rennen auf ihrem Platz in einen Taubenschwarm hinein. Die Tauben steigen auf, wie Breiftauben, wie Telefontauben, und bringen dir Französinnen, Engländerinnen, all over Europe für 3.25 DM die Minute. "Eurochat. Bing bang bum.”, singt es im Hintergrund, "People come together. Bing bang bum.”

Samstag Nacht, dreiundzwanzig Uhr zwanzig, vertelefonierte Einheiten: Null.Ich bin reif fürdie Strippe. 0 05 99 23 23: Tuuut. Eine Frauenstimme vom Band hüpft die Tonleiter rauf: "Eurochat. Bing bang bum. Triff neue Leute durchs Telefon.” Tuuut. Eine Ewigkeit vergeht, ich höre gar nichts. Die Einheiten auf dem Zähler springen so schnell wie ich mit der linken Hand schnippsen kann. Dann eine schwache Männerstimme, sehr weit entfernt, vielleicht aus Sibirien: "Hallo Mädels? Wo sind noch Mädels?”. Und eine zweite, ebenfalls aus Sibierien: "Hallo Mädels! Keine da?”

Neue Stimmen dringen von überall her , einige fast deutlich, andere nur ein Knistern, alle sind männlich und haben eine Frage: "Hallo, Haaalo! Wo versteckt ihr euch?” Im Hintergrund pfeift jemand den nicht vorhandenen Mädels hinterher: "Hallo Mädels? Sind da geile Mädels irgendwo?” Ein Tuten kündigt Neuzugänge an. Tuuut: "Hallo hier ist Jörg aus Stuttgart. Ist da ein hübsches Mädel an der Lein'?” Ich lege auf. Das kannst du auch, denke ich: Tuuut, Name sagen, Ort sagen, nach Frauen schreien. Aber Achtung: Frauen heißen Mädels. Ich wähle wieder ... und komme zu spät. Das Brunstgebrüll wurde erhört. "... dann ruf' mich doch an.” höre ich gerade noch eine bezaubernde Frauenstimme flöten. Im Äther hallt ihr Sirenengesang: "Null, drei, drei...” Und Jörg? Jörg aus Stuttgart bei Sibirien hat es geschafft. "Gibts du mir Deine Nummer, Eva?” fragt er. "Jahaa”, seufzt Eva so hochfrequent, daß mir der Gehörgang juckt "null, zwo, sieben, drei, drei, zwo, fünf...” Ich habe die entscheidenden Minuten verpaßt, die Zeit zwischen dem erstem Anbaggern und dem Abschleppen der Telefonnummer. "Hey Jungs, kann mir jemand sagen, wie ich das hier machen muß. Ich meine, worum geht es denn hier überhaupt?” Kurze verduzte Pause. Dann eine ungläubige Stimme: "Worum das geht, fragt der.” Die anderen erholen sich langsam vom Schock und sind wütend: "Eh, wer tut denn da den Gauda dran.” "Irgend so ein Perverser ist das bestimmt.” "Ne, das ist bestimmt so ein Gauda wieder. Eh, heute, weißt du, vor zwei Stunden hab'ich schon mal angerufen, da war so ein Gauda dran, der war nur Scheiße am Labern.” "Da kenn' ich aber noch mehr, die hier nur Scheiße labern.” "Richtig.” "Wer weiß, was das für eine Bescheuerter ist.” Ein Tuuut erlöst mich von der Telefonschelte: "Hallo, ich bin neu.” "Hallo Heiko, du Arschtrappe.”, meint die Stimme, die mich für pervers oder bescheuert hält. "Ich bin nicht Heiko, hier ist Stefan aus Köln. Ist hier auch 'ne Frau?” "Hallo Stefan, du alte Socke. Ich bin der Matzi.” "Äh, wißt ihr, wie wir das machen könnten? Daß wir uns alle gut verstehen können?”, der Gaudahasser wird konstruktiv, "Wir reden einen Satz, dann sagen wir einfach: Ende. Dann der nächste. O.K.?” "Das macht doch keinen Spaß”, mault Matzi, "ich will lieber so durcheinanderlabern.” Stefan aus Köln ist irritiert: "Hallo, ihr sucht doch auch 'ne Frau, oder? Ende.” Einer muß den Stefan aufklären, denke ich, sonst nervt der noch die ganze Nacht: "Hey, hier sind ja wirklich Frauen ohne ... Ende.” Lachen von allen Seiten. Die Jungs haben Humor. Ich probiere noch einen: "Frauen, Frauen und kein ... Ende.” Die Jungs brüllen. Sympathische Kerle. "Wurst ... Ende.” Prusten überall im Europaäther. "Die unendliche Telefoniergeschichte von Michael ... Ende.” Das Lachen verstummt. Da habe ich mich wohl im Niveau vergriffen. Jetzt erst recht: "Wer hier anruft ist bald mit Nerven und Geld am ... Ende.” Protestgeschrei von allen Seiten. "Schmeiß doch mal einer diesen Ende-Hini aus der Leitung!” Stefan aus Köln rettet die Situation: "Hallo, ich suche eine nette Frau.” "Hallo, hier ist nette Frau.” meint eine tiefe Männerstimme mit türkischem Akzent, "Was willst du?” Gelächter. Stefan läßt sich nicht beirren. Gerade als er wieder ansetzt ("Hallo, ich bin der Stefan aus Köln. Ist hier echt keine nette ... ") fiepst da eine Frauenstimme in den Raum, ganz hoch, ganz jung: "Hallo!” "Eine Frau! Hallo! Hallo! Nummer durchgeben!” brülle ich als alter Hase. Die Jungs wiehern. Nur der Stefan aus Köln, dieser Streber, muß nicht lachen: "Hallo, hier ist der Stefan aus Köln, möchtest du mich mal anrufen?” "Ne, ruf' du mich lieber an!” Sauberer Konter. "Dann gib' mir deine Nummer durch!” Zäh ist der ja, der Stefan, das muß man ihm lassen - und professionell: "Langsam. Zum Mitschreiben.” Die Frau buchstabiert ihre Telefonnummer in den Hörer: "Null.” Drei oder mehr Männerstimmen plappern ihr unisono nach: "Null.” Die Frau: "Zwei.” Eine Männerstimme: "Eins.” Die Frau, leicht verunsichert: "Nein, zwei.” Und nochmal mit Nachdruck: "Zwei.” Lautes Murren.”Ja, wieviel Zweier denn nun?” Die Frau: "Fünf.” "Wir sollten erstmal fragen, wie alt die ist.” meint der Matzi. Die Frau: "Sieben.” Viele entrüstete Männerstimmen schreien durcheinander: "Was? Sieben?”, "Das ist doch Geflügelscheiße!” "Mit sieben hat die ja noch nicht mal'n paar ordentliche stramme Dinger da.” Dreckiges Lachen. Die Frau scheint aus der Fassung: "Hallo, wer ist denn da überhaupt dran? Mit wem rede ich überhaupt?”

Der Stefan aus Köln sieht seine Felle davonschwimmen: "Hallo, hier ist der Stefan. Ende. Ich geb dir meine Nummer durch. Ende.” Stefans Stimme überschlägt sich fast: "0 23 59 17 10.” Das gefällt uns gar nicht, was hier gespielt wird. Der Frau auch nicht: "Nein, ruf' du mich an!” Der Stefan bleibt stur: "0 23 59 17 10.” "Langsam! Zum Mitschreiben!”, die Männerstimme mit türkischem Akzent scheint leicht erregt, "0 23 59 17 10 - war das jetzt die Nummer von der Tussi? Naja, ich ruf' mal an.” Gelächter. "Kann man den auch anbumsen, den Stefan?” fragt Matzi und verschluckt sich vor Lachen. Tuuut. "Hallo, hier ist der Nicki. Ist da eine Dame in der Leitung?” Ich lege auf.

Samstag Nacht, dreiundzwanzig Uhr fünfunddreißig. Vertelefonierte Einheiten: 211, Music Television, MTV's Greatest spielt Neil Young's Hippiehymne vom Heroin und der Nadel, die ihm die Freunde raubt.
Ich träume in Neil's halbakustische Gitarre hinein und er schaut mir aus den Tiefen der Videoarchive in die Seele. Er sieht, wie ich in Gedanken wieder zum Telefon greife und die 00 59 23 23 wähle.
Dann hört er meine heisere Verführerstimme: "Hallo Mädels. Wo seid ihr denn?” Neil hat schon viele Süchte gesehen und alle überlebt. Er wischt sich den Staub der Siebziger aus den Augenbrauen und singt: "I saw the Kabel take another man. Wuhuu. The damage done.” Ende

(tb)


Von Taschenrechnern und Plakaten...

Philine Maurus.

Nein, nein, Du brauchst keine Angst zu haben, jetzt kommt nix mit " Zu Risiken und Nebenwirkungen fressen Sie die Packungsbeilage und schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker !” ( Hättest Du wohl gerne, was !?). Nein, Philine Maurus ist keine neuentdeckte Intellektuellenkrankheit sondern Heidelberger Künstlerin. Sowas gibt's, da schaust Du, gell, ja apropos schauen: in der ihr künstlereigenen Kreativität hat Philine ein Plakat geschaffen. So weit, so gut. Doch wird auch das bunteste Plakat in der strahlenden Novembersonne verblassen wie Müller-Milch vor einem lippenbestifteten Sekretärinnenmund, wenn sich's niemand anschaut. Also ergeht an Dich, Studierender oder Studierende, folgende Frage: Hast Du Dir's denn schon angeschaut, das Plakat von der Philine ? Nein ? Weggetreten, 3 Tage Karzer! Seit Wochen hängt's in Heidelberg und Umgebung und freundlich lächelnde Menschen mit hohem Wiedererkennungswert ( Wer war's doch gleich? Der Papst? Boris Becker? Beate Uhse? -ach, Entschuldigung, Beate Weber natürlich...) fordern die Bevölkerung auf, sich nebenbei etwas Geld zu verdienen. Durch Kellervermietung. Verzeihung, Zimmervermietung. Und warum? Wegen der Erstsemesterschwemme.

Na klar, der Oktober ist da, und auch Rektor Ulmer hat schon den Taschenrechner ausgepackt. 4000 "Neue” ström(t)en nach Heidelberg, unter ihnen bebrillte Philosophen, bebaartete Mathematiker, bebarbourte Juristen. Hoppala, da haben ja auch wir unseren Taschenrechner wiedergefunden. Und was für einen! Hewlett-Packard HP-22S, Neupreis schlappe 180,- DM, denn schließlich weiß der erfahrene Student bereits, was der Neuling bald lernen wird: "Was nicht viel kostet, ist nicht viel wert!” Also anschalten, und los geht's: "Viertausend Studis mal eintausend DeMark ist gleich ...” Das Display spielt Gameboy, blinkt wild und spuckt das Ergebnis aus: 4.000.000 (!) Hui! So viele Nullen! Aber da schimpft der Physiker: wir haben die Einheit vergessen. Nochmal: 4000 x 1000 = 4.000.000 PSGiDMpSuST (Potentielle Studiengebühren in DM pro Semester und Student). Da lacht der Uni-Etat !

Und wir lachen auch! Ha! Haha! Das sind nämlich auch 4000 PRA. Potentielle Ruprecht-Autoren. Also, Ihr Erstsemester, bleibt nicht vor Philine's Poster mit Botticelli's Primavera, da Vinci's Mona Lisa, Liechtenstein's M-Maybe-Mädel stehen, sondern fühlt Euch wohl in Heidelberg, vermehrt Euch und schreibt doch auch mal Artikel für unsere Student(Inn)enzeitung. Wir haben nur auf Euch gewartet! (Ein Scherz). (JoKl). Nein, keine Abkürzung für eine Anglistenphobie, sondern der Autor.


Dämonisches Drehbuch, leerer Film

Jurassic Park revisited

Spielberg hat mir ge-e-mailt, ich solle doch, wenn das ganze Spektakel über seinen Höhepunkt ist, irgendetwas schreiben darüber. Postpostmodern, wenn möglich, und zerreißend (Intellektuellen-Intermezzo zwischen den Folgen: Vegetarosauriermästung bis zum nächsten T-Rex). Allerdings habe sich sein Drehbuch inzwischen aufgrund seiner komplexen Struktur dezentralisiert und sich dabei seiner Kontrolle entzogen. (Ist dadurch nur umso umfassender geworden.) Ob, wie und was ich schriebe, könne er daher nicht mehr bestimmen. Daß ich mich dazu verhalten müsse, sei aber klar.

Konfrontiert werde ich also - mit einer Leerstelle. Das Drehbuch kokettiert mit Abwesenheit. Von tausend angeschnittenen Motiven wird keines ausgeführt. Da scheinen irgendwo love and conflict im Busch zu sein, dann liegt da aber ein kranker Dino (dessen Krankheit im Geschehen funktionslos ist, im Zuschaerraum aber desto besser ankommt - this broadcast was brought to you by Knopf im Ohr.) Dazu darf ein smarter Chaosapologet seine unsmarten Zitate verbreiten, und als er damit fertig ist, wird er - zwar nicht mangels effektvollerer Eliminationsmöglichkeiten, wohl aber im Hinblick auf kommende Folgen - irgendwie stolpern gelassen, den Rest liegt er da. Der andere Rest ist Jagd. Mal kommt er von rechts, mal von links, mal im Speisesaal und mal in der Küche, mal kriegt er, was er will und mal eben nicht. OK. War das alles?

Der Beginn der Handlung: Ein Gutachten für die Investoren wird gebraucht. Gewinnstreben liefert den Beweggrund des Films - und der Katastrophe: Einer will mehr, als eingepferchte Dinos ihm geben. "Das Leben bahnt sich seinen Weg” ist der dramaturgische Leitsatz. Dies "Leben” ist Evolution. Verdrängungskampf auf restringierter Insel, Kampf um knappe Resourcen, survival of the fittest - Kapitalismus halt. Freie Dinos, freie Geschäfte. Die Ebenen von Filminhalt und Filmproduktion überlagern sich: Ein Traum soll Realität werden, doch "Realität” ist teuer und gebiert Zinsen. Der Solipsismus des Träumers ist damit dahin. Sein Traum wird Allgemeingut einer komplexen Verfügungsmaschine, die, im Einzelnen wohlgeordnet, im Großen nur das Chaos kennt. Das Drehbuch ist anderswo. Der Film verdoppelt nicht nur sich selbst, auch verdoppelt er sich in den Kinoraum hinein und gibt das offen zu: Jurassic Park-Souvenirs gibt es auch dort zu kaufen, auch die Helden werden genötigt, Kino zu sehen, auch in dem Film, den sie sehen, hat sein Außen "Text” und auch hier ist das Drehbuch des banalen Comic-Strips "unfertig” - sein Inhalt ist seine Inszenierung. Vergnügungspark-Simulation, die durch ihn Wirklichkeit erhält; der Strip segnet sie ab: Was wir kreiert haben, ist. Nur die Mitbestimmung des Außen bleibt Illusion: Der Film brabbelt weiter, und selbst die gewaltsame Befreiung aus dem Kinosessel-Gefängnis führt zu einem noch viel stärkeren Eingenommensein durch das, was - nur subtiler inszeniert - dahinter liegt. Subtil inszeniert per Computer: Aufwand und Erträge, die Filmechsen und die Parksafari - vom selben Computer? Die Durchkreuzung von Simulation und Wirklichkeit, von Original und Double wird unüberschaubar; Wahrheit und Mode rekursiver Strukturen paaren sich. Der einzige, der das Ganze zum Scheine zu steuern vermag - letzter Anhaltspunkt erträumter Allmacht - ist der, an dem das Chaos sich entzündet. Seine Motive sind dabei saurierisch-menschlich: Genug zu essen zu haben im "Kapitalismus”. Sein bildschirmschonendes pin-up girl steht symbolisch für unverfügbar, dennoch Steuerndes: Sie, die T-Regina hinterm T-Rex. Hinter der der nächste T-Rex usw. Verriegeln wir die Tür (per Computer von unschuldiger Mädchenhand), so kommt sie eben durchs (MS-)window. Lassen wir die Tür offen, kommt sie unvermittelt durch: in wiederholender Ungestalt evolutionsgeschichteter Verdrängung. Da werden Alpträume wahr.

Das Ende ist Religion: Der Hubschrauber als Engel-Substitut, der endlich Heimstatt verspricht im Schoße wohlgeordneter American-dream-3-Generationen-Kleinfamilien-harmony. Opium des Volkes, T-Rex wird sie schon kriegen. (tl)


Personals

Frau Walkenhorst! Ich habe sie die Türe zertrümmern sehen! - Christiane.

Gesche, Eschaptischu, ABB. - Stephan.

Steffi, als ob da was wär´..... - Chris.

Vera, Mittagspause muß sein. - Dr. Geron.

Frau Walkenhorst, warum haben sie die Scherben nicht selbst weggeräumt? - Christiane.

Pinochet! Du bist und bleibst mein persönliches Vorbild. - Manuel.

Kulpe, wenn´s jemand verdient hat, dann Du! Herzlichen Glückwunsch zum Fullbright! - Der Junggesell(inn)enzirkel

Professor, wir bäten dich nechtens an. - Die Verehrerinnen vom Neckarmünzplatz

H., nein, von Dir laß ich mir die Haare nicht schneiden (und von B. schon gar nicht). - S.

J., Neue Seite, Neues Glück, Neuer Oxakuhazotl! Gell, das hättst nicht gedacht! - XY.

Liebe S.! 2 1/2 Jahre? 12 Monate? 3 Wochen? Endlich ein Anfang! Oder doch nicht? - Dein J. oder C., ganz wie Du magst.

H., wieder nicht geschafft. Dafür aber noch ein Quantensprung, der "Rüpel". - B., Montag, 10.05 Uhr

An alle! Ora et deflora? Ts, ts, ts... - J.

Hi, Jürgen! Ist die Lichtmaschine O.K.? - G.

Ein eisamer Dinosaurier grüßt alle seine Artgenossen, die z.Z. auf Hawaii im Urlaub sind.

Stephan und Jochen: Das ist unsere Neue. Und wir müssen nicht mal nach Oslo dafür. - B.

Hi, Giggi! Vergißt nicht, mir die roten Socken mitzubringen! - Harry

Du, Peter, warst Du nicht letztens auf der Fete von Susanne? Melde Dich doch mal bei mir, ich hab'Deine Telefonnummer verloren (mal wieder typisch...). - Iris

Hey, schöner Mann gegenüber! Hast Du eigentlich immer so toll geblümte Slips an? - Eine heimliche Spannerin.

Du, Sandra, Deine selbstgestrickten Pullis machen mich voll an. Kannst Du mir nicht auch einmal einen stricken? - Ronald

An alle: Ich habe schon vor 5 Jahren meiner Freundin einen großen Plüsch-Dinosaurier geschenkt. Hört Ihr, Ihr Marktkräfte - einen Dinosaurier! Vor 5 Jahren!! Ich bin ein autonomes Individuum; mich kriegt Ihr nicht. - G.

Conny, was macht der Schweriner See? Darin kann man bestimmt gut Windeln waschen. - Das kleine Schwesterchen.

Der Kegelclub "Plöck" grüßt alle seine Mitglieder - und ganz besonders den Berti!

Lieber Hans! Vielen Dank für die letzten drei Jahre. Auf immer, Deine Ruthhilde.

r.! Mir ist das so wurscht wie sonst irgendwas. - S.

Schnupfi, vergiß nicht: Nicht immer, aber immer öfter! - Dein Mausezahn.

Sven, Wahnsinn! - H.

Boaah, echt geil, ey! Das war ja 'ne tierische Fete, wa?! - Die 10b.

Jutta, warum ist Dein Pulli immer so weich? - Klaus

Dr. Wurst! Wirf den Piepser in den Neckar, lebe länger!- Der Hirnschlag.

Oscar, warum ist Deine Stimme bloß so hoch? - Günther.

An American in Paris? Nein, ein Römer in Heidelberg! Welcome!- Übrigens: wann steigt die nächste Latinofete? - Eine Heidelbergerin


Leser(innen)briefe

...der erste:

"Hallo, ruprecht-Redaktion!

Zunächst ein Lob: Ihr werdet Eurem Vorsatz eine 'Unabhängige Z...' zu sein in angenehmer Weise (ohne Schlagseite) meistens gerecht. Und dann ein Mißfallen: Wenn Ihr schon 'Student(inn)en'Zeitung (statt geschlechtsneutral "Studierende” oder was es da noch so gibt) als Titel nehmt, warum sperrt Ihr mindestens die Hälfte der Angesprochenen in Klammern?

Mit Gruß
U. Hauswaldt

...der zweite:

"Eine Ergänzung zu dem Artikel 'CD-ROMS: Nichts für Nostalgiker' in ruprecht 25: Neben den im Bericht erwähnten Datenbanken gibt es auch in der Mathematik die Möglichkeit zur Literaturrecherche auf CD-ROM, nämlich in der Datenbank COMPACTMath, die im Inhalt dem Zentralblatt für Mathematik ab 1985 entspricht. Zur Recherche steht in der Fakultätsbibliothek für Mathematik (INF 294) ein Rechner zur Verfügung (CD-ROM bei der Aufsicht erfragen). Für nähere Informationen, auch über Recherchen in Online-Datenbanken im Bereich Mathematik, Informatik und Physik wende man sich bitte an eine der folgenden Personen:

A. Grimmer, Tel. 56-5719 (Fachinformationsbeauftragter)
R.Schmachtel, Tel. 56-4993, INF 293 (URZ) Zi.229, Sprechstunde Mo. 14-15h

Mit freundl. Grüßen
R.Schmachtel


Studentenschwemme?

Sag mir, wo die Studis sind, wo sind sie geblieben...
...die genialen Literaten, kleinen Reich-Ranickis und nie mundtoten Nörgler an der Gesellschaft!

Die ruprecht-Redaktion sucht noch Leute, die ihren Mitteilungsdrang allein nicht befriedigen können und bietet diesen dazu ihr einzigartiges Forum an. Also, wer Lust hat, bei uns mitzuarbeiten, kann sich in der Redaktion unter der Telefonnummer 21361 melden oder montags um 20.00 Uhr ins Studihaus, wo wir uns zur Redaktionssitzung treffen, kommen.


Impressum

ruprecht, die Heidelberger Student(innen)zeitung,

erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht die Zeitung ausdrücklich als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauuung verpflichtet ist. Mitarbeiter(innen) und Redakteur(inn)e(n) - oh je - sind jederzeit willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20.00 Uhr im Haus der Studierenden.

Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die Autor(in) die Verantwortung.

V.i.S.d.P.: Bertram Eisenhauer, Kaiserstraße 57, 69115 Heidelberg

Redaktionsadresse: ruprecht, Kaiserstraße 57, 69115 Heidelberg, Tel.: 21361 / 168404, Fax: 168406

ruprecht-Logo: bpe.

Graphiken: hn, bpe.

Redaktions-Unterhalter: Stephan Stuchlik ("...dafür bin ich doch hier, oder?")

Druck: Caro-Druck, Kassler Str. 1a, 60446 Frankfurt a. M.

Auflage: 8.000

Die Redaktion: Frank Barsch (fb), Bertram Eisenhauer (bpe), Jochen Kluve (jk), Inken Otto (io), Martina Parge (mp), Anja Steinbuch (asb), Stephan Stuchlik (step), Gundula Zilm (gz)

Freie Mitarbeiter(innen): Henning Banthien (H.B.), Till Bärnighausen, Markus Collalti (mc), Stephan Fichtner (sf), Thilo Löwe (tl), Astrid Möslinger, Dr. Raban von der Malsburg, Christian Weiß, Stefan Witaschek (sw), Prof. Dr. Volker Sellin

Redaktionsschluß für ruprecht Nr. 27: 10. Dezember 1993


RÜPEL

unflätig - übermütig
Dienstag, 16. November 1993 - Kostenlos

90 Riesen für den Doktor !

Solinger Kaufmann: "Mein Gewissen ist rein"

Eine Hand wäscht die andere. Kaufmann Raubal, 47, aus Solingen, spendete 90.000 an Hochschule, sollte dafür Doktortitel erhalten. Rektor Schallies: "Spende ist Verdienst um die Wissenschaft."Heute bleiben ihm nur mehr Erinnerungen an eine bewegte Zeit. Aber das Geld ist weg. Schallies bangt um seine Wiederwahl: "Wer will mich jetzt noch haben?" Sein Kampf ums Überleben - Seite 2.


As beim ersten Aufschlag: Ein Junge! 53 Zentimeter (reicht fast bis zur Netzkante), sieben Pfund schwer. Babs will ihn Ion nennen. Boris: "Ab heute konzentriere ich mich wieder voll aufs Tennis." Fotos - Seite 5.


Makler sind die besseren Liebhaber!

Von Eberhard BLAIB

Hilfe! Deutschlands Makler reißen sich nicht nur die Wohnungen unter den Nagel. Prof. Kieber, 57, von der Gesamthochschule Kassel: "Makler sind erfolgreicher beim anderen Geschlecht als andere Berufsgruppen." Liegt´s an der Brieftasche? Nein, sagt der Soziologe. Architekten, Zahnärzte und Anwälte kriegen am wenigsten Frauen rum.


Das ist seine Neue!

Prof. D.: "Fühle mich um fünf Jahre jünger"

Und schon wieder eine! Prof. D. sieht aus wie nach der Frischzellenkur. Sein Geheimnis: weniger Uni, mehr Sex - mit der aufregenden Ingrid L., 21, Erasmus-Stipendiatin aus Oslo. Weihnachten fliegt sie heim.


Tragödie

In der Nähe von Heilbronn stieß ein Fahrradfahrer gestern mit einem 240 km/h schnellen InterCityExpress (ICE) der Deutschen Bundesbahn zusammen. Der Bahnübergang war nicht geschlossen. Ein Toter.

Nach dem Ja-Wort Nonne

Marco (37) und Barbara (23) aus Triest hatten sich gerade das Ja-Wort gegeben, als die Braut flüsterte: "Ich werde Nonne." Noch im weißen Hochzeitskleid fuhr sie in den Konvent. Der Bräutigam und die Eltern: entsetzt.


Schaffner erwürgt! Studi-Ticket fordert erstes Opfer

Von M. DUMMER und B. DREHLAU

Schreckliche Bluttat in der Linie 3: Bei der Kontrolle dreht Hausfrau Edith S., 83, völlig durch. Mit dem Riemen ihrer Handtasche stranguliert sie Schaffner Siegfried Schöne, 42, verheiratet, vier Kinder. Daneben Hildegard M.: "Sie hatte doch ein Studiticket. Aber er wollte ihr nicht glauben." Die Polizei: Edith S. war ordnungsgemäß für Mathematik eingeschrieben. Jetzt ist die Stimmung gegen das Ticket. Vorstandssprecher Norbert Vornehm (HSB): "Wir sehen keinen Handlungsbedarf." - Seite 3.