ruprecht - Dezember '93 - NR. 27



Aus dem Inhalt:

Raeumen?
CDU-Pressesprecher Dr. Andreas Horn und Wagen-Bewohner 
Michael Csaszkoczy streiten im ruprecht um die Zukunft der 
Wagenburg  -                   S. 2.
Einsamer Hoffnungstraeger
ruprecht sprach mit Gregor Gysi, der "dialektischen 
Wunderwaffe" (FAZ) der PDS -                                        S. 3.                                        
Mahlzeit!
ruprecht hielt Kamera und Mikrofon hinter die Kulissen der 
Mensa  -     S. 4. 
Die Korporierten
ruprecht hat sich in Burschenschaften, Verbindungen, Corps  und 
Turnerschaften  umgesehen -              S. 6/7.
Die heimatlose Revolution
Der Umsturz 1918/19 machte Deutschland zur Demokratie. 
Heute will es so recht keiner gewesen sein -    S. 10.                                                           
Bescherung bei ruprecht 
4 Flugreisen fuer die hinterhaeltigsten Denunzianten, der 
ruprecht-award fuer Frau Elfriede Walkenhorst  -                     
S.12.               


Demos, Streiks, Besetzungen...anderswo

In ganz Deutschland gehen Studierende wieder auf die Strasse
 - in Heidelberg ziehen nur 700 durch die Stadt

Das Vorgeplaenkel scheint vorbei zu sein: Nicht nur in Baden-
Wuerttemberg, in ganz Deutschland stehen in allernaechster Zeit 
einschneidende Veraenderungen an den Hochschulen an. Keiner, 
der noch laenger als zwei Jahre an der Universitaet zu verweilen 
gedenkt, kann sich darauf verlassen, nicht von Reformen oder - 
so sehen es viele - Deformen des Hochschulsystems betroffen zu 
sein. 

Das scheint in der letzten Woche auch Zehntausenden von 
Studierenden klargeworden zu sein: Sie formierten sich zu den  
groessten Studierendenprotesten seit dem "Unimut" vor 5 Jahren:
- In fast allen grossen Universitaestaedten im Westen 
Deutschlands gingen jeweils Tausende auf die Strasse
- Institute in Karlsruhe, Koeln, Marburg und vielen anderen 
Orten wurden besetzt
- Streiks laehmten  Fachbereiche an einigen Universitaeten und 
Fachhochschulen, so z.B.  in Frankfurt, Berlin, Koeln, Fulda, 
Marburg und Muenster.
- Nicht nur Massenveranstaltungen, auch eine seit '88 nicht mehr 
gekannten Fuelle von kleineren Aktionen traten wurden 
inszeniert:  Autonome Seminare fuer Bummelstudenten, 
Podiumsdiskussionen mit Bildungspolitikern, Open-Air-
Vorlesungen fuer die staunenden Passanten, Studiumsrallies  fuer 
Stromlinienstudenten oder auch die symbolische Examtierung 
des bayerischen Kultusministers wegen Versagens bei der 
Studienreform.
Anders als vor einem halben Jahrzehnt ging es bei der vom vom 
Arbeitskreis Bildungsgipfel ausgerufenen Aktionswoche und den 
weiter anhaltenden Protesten nicht hauptsaechlich um eine 
Verbesserung der Studienbedingungen, sondern  um Auflehnung 
gegen jene Reformen des Studiums, auf die sich die eine 
Kommission des Bundes und der Laender  in groben Zuegen im 
sogenannten Eckwertepapier geeinigt hatten. Nur in Berlin 
demonstrierten  10.000 Studierende, Mittelbau'ler und 
Professoren,  aus allen universitaeren Gruppen gegen 
Einsparungen im Bildungshaushalt, nachdem die Studierenden 
dort bereits in den letzten Monaten ihre Kaempfe gegen damals 
unmittelbar bevorstehende Studiengebuehren fuer aeltere 
Semester erfolgreich gefochten hatten. 
Auch in Baden-Wuerttemberg geht es jetzt zur Sache. 
Wissenschaftsminister Klaus von Trotha hat am Montag seinen 
Vorschlag zu einer Novellierung des Universitaetsgesetzes ins 
Kabinett gebracht. Damit wuerden zum ersten Mal 
einschneidende Veraenderungen eingefuehrt: Neben der 
Einfuehrung von Studiendekanen und Stuidienkommissionen 
und der Ankuendigung, die Studieninhalte zu straffen,  plant das 
Ministerium die Einfuehrung von Bildungsgutscheinen (13 
Semester freies Studieren, danach 1000 DM pro Semester - 
wobei die ganze Verweildauer an der Uni gemeint ist, nicht nur 
die Semester in einem Fach), und eine allgemeine Festlegung von 
Fristen fuer Leistungsnachweise. Die SPD hat die Vorlage zwar 
pauschal abgelehnt, hat aber  keinen Gegenvorschlag gemacht; 
bei den baden-wuerttembergischen Sozialdemokraten scheint 
sich im Moment keiner so richtig fuer Positionen zur 
Hochschulreform verantwortlich zu fuehlen. Deshalb sollte sich 
auch niemand darauf verlassen, dass nicht so heiss gegessen wie 
gekocht und der Juniorpartner in der Koalition den Gesetzestext 
schon abwenden oder zumindest abschwaechen wird. Im fuer das 
Ministerium guenstigsten Fall koennte die Vorlage sogar schon 
im Fruehjahr '94 den Landtag passieren. Das aber wuerde 
bedeuten, dass die ersten Studiengebuehren schon 1995 
eingefordert wuerden.
Grund genug fuer die Studierendenvertretungen im Laendle, in 
der Aktionswoche zu Protesten aufzurufen: In Karlsruhe streikten 
mehrere Fakultaeten, in Freiburg  und Tuebingen fuellten sich 
wenigsten grosse Saeale mit Vollversammlungen. In Heidelberg 
allerdings hatten es die Organisatoren der hiesigen Aktionswoche 
schwer, viele Leute zum Protest zu motivieren. Unterstuetzt von 
nicht gerade vielen Leuten aus der FSK und beschossen vom 
RCDS fuer "plumpen und ueberholten Aktionismus", 
organisierte  eine Handvoll von Leuten  aus dem Arbeitskreis 
Hochschulpolitik die Vollversammlung am 8. und die 
Demonstration am 9. Dezember. Daneben sind es bisher nur 
einige Fachschaften und Studierende gewesen, ,die z.B. das 
Wundermittel "Ulmerin" per Kabarett an die Leute zu bringen 
versuchten oder mit der Aktion "Wischen fuer Wissen"  
Autofahrer waehrend eines kostenlosen Scheibenputzganges auf 
ihre Probleme und Forderungen aufmerksam machten. Die 
Vollversammlung war besucht wie ueblich, mit 600 Leuten nur 
2% der Studierenden repraesentierend. Das ist im Vergleich zu 
anderen Unis, auch baden-wuerttembergischen, ziemlich 
bescheiden. Bei der Demonstration am Tag darauf zogen nur 
etwa 700 bis 1000  Leute durch die Hauptstrasse - der Zug 
duennte sich bis zum Kornmarkt sogar noch weiter aus.
Warum ist es so still in Heidelberg? Wissen die Studierenden zu 
wenig ueber die anstehenden Hochschulreformen, ist das Thema 
noch nicht in ihr Bewusstsein gerueckt? Oder kennen sie sehr 
wohl  Klaus von Trothas Plaene, stimmen ihnen aber zu und 
halten nichts vom Protest gegen diese Umgestaltung?  
Wahrscheinlich glauben die meisten Leute, die Veraenderungen 
werden sie nicht mehr betreffen. Sich fuer andere zu engagieren 
ist weder in Mode noch besonders hilfreich fuer das eigene, ach 
so anstrengende Studium. 
Diejenigen, die jetzt in ihren ersten Semestern stehen, tun 
allerdings gut daran, sich mit den ministeriellen Plaenen zu 
befassen. Wer damit leben kann, hat keine Probleme mehr. Wem  
die Vorstellungen des Wissenschaftsministers aber Angst 
machen, der muss sich jetzt schon laut und deutlich melden und 
vor allen Gegenvorschlaege machen. Denn wollen die 
Studierenden in die Reformdiskussion einbezogen werden, 
muessen sie sich auch  Alternativen praesentieren koennen.          
(hn)                         


Weihnachtsmarktwirtschaft

Jetzt haben wir es endlich von oben, jetzt haben wir es endlich 
amtlich: Es regnet. Ja, bei den Verkaeuferinnen zeigte sich schon 
bei den ersten Nachfragen allergische Reaktionen im Gesicht, ja, 
in den oeffentlichen Behoerden begann fieberhaft das 
massenhafte Ausgeben des ueberschuessigen Jahresetats, ja, in 
den Fruehsendungen der leichten Wellen ersetzte man immer 
haeufiger das Wort You durch X-Mas (vgl. I love X-mas statt I 
love You) und ja, der halbe Odenwald liess sich wieder durch die 
Pappsterne der Schaufensterdekorationen dazu verleiten, den 
ohnehin schon rachitischen Heidelberger Strassenverkehr 
gaenzlich zum Erliegen zu bringen, aber: Zur richtigen 
Stimmung hatte er eben noch gefehlt, der Regen. Jetzt aber 
duerfen wir gewiss sein: Es wird Weihnachten.
"Der totale Konsum hier ist doch nicht zum Aushalten", meinte 
juengst mein studentischer Mitkaempfer Peter, "ich fliege in 
fuenf Tagen auf die Kanaren, da ist noch mehr echte 
Weihnachtsstimmung als hier". Wir standen tropfnass bei der 
grossen Plastikbratwurst auf dem Weihnachtsmarkt vor der Alten 
Uni, und ich versuchte krampfhaft, mit fettigen Fingern 
wenigstens die Reste meines Curryschnitzels im Pappkarton 
gegen Windboeen und vorbeidraengende Wintermaentel zu 
retten. Die wie immer schlagfertige Erwiderung blieb mir im 
halbvollen Mund stecken, da im selben Moment gleichzeitig 
sowohl ein Platzregen als auch das Karussel mit "Vom Himmel 
hoch" einsetzten. "Obwohl ich das hier vermissen werde", 
bruellte mein last-minute-Kollege, "eine gemuetliche Bratwurst 
und etwas Warmes zu trinken...." - Jawohl, das muss ihn 
ausmachen, den Reiz des Festes im Dezember: Weihnachten 
gleich Gegenteil von Mensa plus Gluehwein. Und Regen 
natuerlich. Das Weiss, das Rektor Ulmers Amtssitz ueberzieht, 
gibt es nur mehr auf den Ansichtskarten fuer die japanischen 
Touristen (falls sie es gegen die einkaufswuetigen Odenwaelder 
bis zum Postkartenstand geschafft haben).
Das war frueher anders. Vor zwanzig Jahren, d.h. als ich zu 
studieren anfing, gab es noch Schnee auf den Daechern und den 
Rentnerstand schraeg gegenueber der Mensa, der immer Tochter 
Zion dudelte und miserablen Gluehwein zu Dumpingpreisen 
losschlug. Romantisch! Heute hingegen nehmen Duftkerzen und 
Batikkravatten ueberhand, und der Weihnachtsmarkt ist mehr 
und mehr der Platz, wo man Leuten Geschenke kauft, die man 
nicht ausstehen kann, denen man aber etwas schenken muss, was 
auf keinen Fall so billig aussieht, wie es wirklich war. 
Der Verfall greift um sich! Ist es nicht so, dass der Christbaum 
schon fast zum Emblem des deutschen Einzelhandels mutiert ist? 
Dass man Weihnachten kaum mehr von einer missglueckten 
Einstellung aus dem letzten Steven-Spielberg-Streifen 
unterscheiden kann? Prediger und Leitartikler warten nicht 
umsonst jedes Jahr auf Mitte Dezember, um die Dekadenz 
unserer Wohlstandsgesellschaft rhetorisch ausgefeilt zu geisseln: 
Sega-TV statt Ochs und Esel! Was schenke ich? statt Was bin 
ich?! 
Wenn man aber die Hand endlich wieder vom Bratwurstfett 
befreit hat und aufs Herz legt, muss man sagen: Es war immer 
schon so! Weihnachten verfaellt seit zweitausend Jahren, und es 
ist nur unsere etwas morbide Nostalgie, die uns glauben laesst, es 
sei jemals etwas anderes gewesen als der Punkt, an dem wir 
jaehrlich gemeinsam feststellen, dass wir unsere kindlichen 
Illusionen nach und nach verlieren und aelter werden. Der 
Schnee, den wir alljaehrlich am 24.Dezember vermissen, ist 
immer der Schnee von gestern. Bereits der Evangelist Lukas 
dekorierte die armselige Geburt Jesu mit dieser rueckgewandten 
Melancholie: Es begab sich aber zu jener Zeit....
Die 90 % Wehmut, aus denen Weihnachten besteht, sollten uns 
aber nicht den Rest vergessen lassen: Nicht nur wir, auch unsere 
Freunde sind aelter geworden und verdienen einen Gluehwein. 
Wer sie jetzt nicht einlaedt, sei zum ewigen Abhoeren der 
Fischer-Chor-Advents-Lieder verdammt! Ach ja: Wissenschaftler 
haben festgestellt, dass das Ereignis von Betlehem im August 
oder September stattgefunden haben muss. Jetzt haben wir es 
amtlich: Wahrscheinlich hat es geregnet. Frohes Fest!                           
step


Erhellende Durchleuchtung?

Die Schergen des Kapitals haben gerichtet: Am vergangenen 
Donnerstag  ueberreichte die Schweizer Unternehmensberatung 
Hayek ihren Bericht ueber  die Wiortschaftlichkeitspruefung an 4 
Physik- und 3 Germanistikfakultaeten in Baden-Wuerttemberg. 
In Heidelberg hatten sie die Physik unter die Lupe genommen. 
Revolutionaer neuen Erkenntnisse hat Hayek nicht zu vermelden; 
wohl aber hat er einige wichtige Punkte aufgefuehrt.
Am auffaelligsten: UEberlast und Knappheit gibt es nach 
Meinung der Consultants nur in Teilbereichen; insgesamt sei die 
Ausstattung der Fakultaeten ausreichend. In diesem 
Zusammenhang verlangt Hayeks Truppe immer wieder eine 
flexiblere Handhabung von Personal- und Sachmitteln. Das 
bedeutet z.B. weniger Dauerstellen fuer den Mittelbau, mehr 
Tageloehner in diesem Bereich. Dazu gehoert aber auch eine 
weitgehende Finanzautonomie der Hochschulen - obwohl die 
Hochschulen, so Hayek, die Verantwortung, die eine solche 
Selbststaendigkeit mit sich bringt, zur Zeit noch scheuen (und 
sich die Auftraggeber der Studie im Ministerium ueber solche 
Forderungen nicht freuen duerften).
Die Verbesserung der Lehre ist das Ziel  vieler Vorschlaege: Der 
Mittelbau soll mehr lehren und weniger forschen, die Professoren 
hingegen flexibler mit ihrem Lehrpensum umgehen koennen. Die 
tatsaechliche Erfuellung der Lehrpflicht soll besser kontrolliert 
werden. Assistenten, die aus Drittmitteln finanziert werden, 
sollen sich verstaerkt hinter dem Katheder wiederfinden.
Auch wenn sich die Untersuchung nicht auf Inhaltliches 
erstrecken sollte:  Die Schweizer machen auch Vorschlaege zur 
Gestaltung von Seminaren und Pruefungen. In Germanistik z.B. 
sollen Einfuehrungssemninare durch Grossveranstaltungen 
ersetzt, die freiwerdenden Lehrkraefte in die hoeheren Semester 
geschickt werden. "Die Studienanfaenger werden in den 
Seminaren in eine Diskurssituation gestellt,  fuer deren 
Bewaeltigung ihnen teilweise noch die Voraussetzungen fehlen". 
Zwar sollen fuer die Kleinen verstaerkt Tutorien geschaffen 
werden. Warum schlaegt man aber nicht gleich kostenguenstige 
Videovorlesungen vor? Nicht aus inhaltlichen Gruenden, sondern 
der Personaleinsparung wegen, sollen mehr Pruefungen 
studienbegleitend statfinden.
Und Hayeks Rezept gegen den Studienabbruch? Neben mehr 
Beratung und Betreuung: haertere Pruepfungen im 
Grundstudium, staerkere Verschulung des Studiums. Das ist ja 
auch ganz die Linie seiner Kunden im 
Wissenschaftsministerium.  (hn)	
SWF 3 uebertraegt live.

"Wenn Du einmal Verteidiger bist, bleibst Du es"

ruprecht sprach mit Gregor Gysi, dem einsamen 
Hoffnungstraeger der PDS

"Rinderzuechter und Diplomjurist" gibt Gregor Gysi im 
"Handbuch des Deutschen Bundestages" als Beruf an. Aus einer 
Funktionaersfamilie der DDR stammend, verteidigte der 1948 
geborene Anwalt in den 70ern und 80ern u.a. Systemkritiker. 
1989 wurde er Vorsitzender der SED (spaeter PDS); nach 
Skandalen und Fluegelkaempfen trat er Ende 1992 zurueck, blieb 
aber Vorsitzender der PDS-Gruppe im Bundestag - und die 
beherrschende Figur seiner Partei.

ruprecht: Herr Gysi, Sie sind - zumindest im Westen - der einzige 
wirklich prominente Politiker der PDS. Sie sind auch fuer viele 
der einzige moralisch Geachtete in Ihrer Partei. Kommen Sie sich 
nicht manchmal einsam vor? 
Gysi: Einsam komme ich mir schon oefters vor, allerdings 
weniger innerhalb meiner Partei, sondern ausserhalb. Innerhalb 
meiner Partei konnte ich mich zumindest mit wichtigen Anliegen 
bisher durchsetzen. Es gibt natuerlich auch Mitglieder der PDS, 
die mich nicht besonders schaetzen, aber das ist nicht typisch. Im 
uebrigen ist mir Ihr Urteil zu undifferenziert. Die PDS hat 
145.000 Mitglieder. Darunter gibt es sicherlich viele, die 
moralisch integer sind, und sicherlich auch welche, die es nicht 
sind. Es gibt in der PDS auch viele bekannte Persoenlichkeiten, 
Hans Modrow beispielsweise und inzwischen auch Lothar Bisky. 
Ausserdem: Wenn ich Sie jetzt nach sehr bekannten 
Politikerinnen und Politkern der Partei Buendnis 90/Gruene 
frage, werden Sie mir auf Anhieb auch nicht mehr als vier oder 
fuenf nennen koennen. Das haengt mit bestimmten 
OEffentlichkeits- und Medienstrukturen zusammen. Was mich 
allerdings aergert, ist, wenn ich z.B. zu einer Talkshow 
eingeladen werde und sage, davon verstuende ich viel weniger 
als unser Wirtschaftsexperte, man moege ihn doch einladen. 
Dann sagen die: Nein, entweder Sie kommen, oder die PDS 
kommt nicht vor. Und wenn ich dann komme, dann fragen Sie 
mich als erstes: Warum kennt man eigentlich nur Sie?
ruprecht: Sie wuerden aber die PDS nicht, wie Sie das frueher 
einmal getan haben, als eine "Ein-Mann-Show" bezeichnen?
Gysi:  Ich habe dieses Wort damals in Anfuehrungsstrichen 
benutzt. Das wuerde ich auf keinen Fall so sehen. Es gibt 
inzwischen eine andere Arbeitsteilung in der PDS. Wir sind 
wirklich nicht homogen, was auch gut so ist.
ruprecht: Sie glauben also nicht, dass die PDS weiss, dass sie 
ohne Sie schnell in der Bedeutungslosigkeit versinken wuerde?
Gysi: Das glaube ich nicht. Aber wenn die Partei davon 
ausginge, dass sie ohne mich Schaden naehme, das wuerde mir 
schon gefallen. Wer hoert schon gerne, dass es keine Rolle spielt, 
ob er dabei ist oder nicht?
ruprecht: Sie haben als Rechtsanwalt in der DDR Dissidenten 
verteidigt: Rudolf Bahro, Baerbel Bohley zum Beispiel. Heute 
sind Sie fuehrendes Mitglied einer Partei, in der viele Leute 
sitzen, die mitgeholfen haben, ihre Mandanten von einst zu 
Staatsfeinden zu machen. Wie leben Sie mit diesem 
Widerspruch?
Gysi: Ich gehoerte ja schon damals dieser Partei an. Es ist also 
noch viel wichtiger, wie ich damals mit diesem Widerspruch 
lebte. Erstens gibt es zwischen Anwalt und Mandant oder 
Mandantin keine Identitaet. Ich habe mich dafuer eingesetzt, dass 
ihnen bestimmte Rechte nicht entzogen wurden, dass ein anderer 
Umgang mit ihnen stattfindet. Das bedeutet ja nicht, dass ich ihre 
Auffassungen teilte. Ich bin mir insofern treu geblieben, dass ich 
zu dem Zeitpunkt, zu dem ich in die Politik ging, wusste, dass 
diese speziellen Mandanten mich nicht mehr brauchten. Ich hatte 
aber das Gefuehl, dass jetzt anderen Unrecht geschehen koennte. 
Wenn Du einmal Verteidiger bist, bleibst Du es. Jemand hat 
mich einmal, als ich erst 2 Monate PDS-Vorsitzender war, mit 
der Feststellung ueberrascht, dass ich nicht so sehr Vorsitzender, 
sondern Anwalt der Partei sei, zumindest benaehme ich mich so. 
Deshalb habe ich das nie so als Widerspruch empfunden.
ruprecht: Und heute?
Gysi: Heute machen mir Leute Schwierigkeiten, die, um ihre 
eigene Biographie zu verteidigen, die DDR in einem Umfange 
verteidigen, wie sie Verteidigung nicht verdient hat. Aber es 
macht mir dennoch Spass, mich mit ihnen darueber 
auseinanderzusetzen. Zumindest mehr Spass als die 
Auseinandersetzung mit jenen, die nun absolut leugnen, wo sie 
herkommen, was sie damals gedacht und gesagt und getan 
haben, die keinen kritischen Umgang mit ihrer Biographie 
pflegen, sondern diese einfach leugnen. Das finde ich viel 
langweiliger. Ausserdem: Die PDS ist, was ihre Mitglieder 
betrifft, sehr unterschiedlich. Wir haben Mitglieder, die radikal 
Geschichte aufarbeiten, und andere, die das nicht so gerne tun. 
Wir haben wieder andere - z.B. West-Mitglieder oder solche, die 
nie in der SED waren -, die voellig andere Interessenlagen und 
keine Beziehungen zu unserer Vergangenheit haben. Auf jeden 
Fall finde ich es wichtig, dass es eine Partei gibt, die nicht 
leugnet, wo sie herkommt. 
Jeder und jede im Osten hat zumindest eine Moeglichkeit: Er 
kann uns bewerten. Er kann in seinem Ort beurteilen, ob wir uns 
einem Erneuerungsprozess unterzogen haben, den er fuer 
glaubwuerdig haelt. Nun versuchen Sie mal, eine andere 
Organisation und deren Mitglieder aus der frueheren DDR zu 
bewerten. Wenn ich mich wegfusionieren lasse, entziehe ich 
mich ja einer Bewertung, weil ich mich unter das Schutzschild 
eines anderen begebe. Viele DDR-CDU-Mitglieder tun zum 
Beispiel so, als ob sie schon immer zur CDU Kohls gehoert 
haetten.
ruprecht: Aber die Bewertung faellt doch fuer die PDS insgesamt 
in Ostdeutschland nicht sehr schmeichelhaft aus.
Gysi: Wenn es so ist, werden wir die Quittung dafuer bekommen.
ruprecht: In Ihrem Parteiprogramm heisst es ganz am Anfang, 
die Urspruenge der Partei laegen im Aubruch des Herbstes 1989. 
In einer Infas-Umfrage von 1991 vertraten allerdings nur 3% der 
ehemaligen DDR-Buerger die Auffassung, die PDS sei eine 
voellig neue Partei, 31% meinten, das sei die alte SED und 36% 
meinten, sie sei nur in Ansaetzen neu. Haben jene recht, die in 
der PDS immer noch die alte SED sehen?
Gysi: Sie muessen sich einmal die Infas-Umfrage von 1992 
ansehen. Da sagten weit ueber 70% der Leute, dass die PDS 
nicht oder kaum noch etwas mit der frueheren SED zu tun habe. 
Nur 9% meinten, sie sei identisch mit der SED, und ein etwas 
groesserer Prozentsatz meinte, sie sei sehr aehnlich. Ich glaube 
schon, dass es einen Akzeptanzgewinn der PDS in den neuen 
Bundeslaendern gibt, und das hat sich bei den Kommunalwahlen 
in Brandeburg ja auch in einem Waehlerzuwachs ausgedrueckt.
ruprecht: Und woher kommt die zunehmende Akzeptanz?
Gysi: Die Akzeptanz ruehrt auch daher, dass wir in bestimmten 
Zeiten Wahrheiten gesagt haben, die nicht populaer waren. Oder 
glauben Sie, dass es populaer war, gegen die Waehrungsunion zu 
stimmen, als alle Westgeld haben wollten? Solche Sachen finden 
im nachhinein Akzeptanz, wenn die Menschen sehen, dass es 
uns nicht darum ging, ihnen das Intershop-Geld nicht zu 
goennen, sondern eine andere Motivation dahintersteckte: Wir 
haben damals schon darauf aufmerksam gemacht, welche 
Probleme damit verbunden sind. Akzeptanz erarbeitet man sich 
muehselig. Und es macht schon einen Unterschied aus, wenn 
man auch bewusst in Situationen hineingeht, von denen man 
weiss, man erfaehrt jetzt nur Ablehnung und muss sich damit 
auseinandersetzen. Ich kann nicht behaupten, es haette mir Spass 
gemacht, ich bin auch lieber beliebt als unbeliebt.
ruprecht: Wieweit geht eigentlich Ihre Toleranz gegenueber 
Leuten wie denen von der "Kommunistischen Plattform" (KPF) 
in der PDS. Die reden ueber die Zeit Stalins so wie hier Leute 
ueber das Dritte Reich, indem sie von den Autobahnen 
schwaermen...?
Gysi: Meine Meinung dazu ist bekannt: Die Partei soll 
pluralistisch sein, sie darf  aber nicht beliebig werden, und da 
muessen wir an beiden Seiten jeweils eine Grenze ziehen. Die 
eine Grenze ist fuer mich alles, was mit Nationalismus, 
Chauvinismus, Antisemitismus oder aehnlichem zu tun hat - da 
kann es keine Toleranz geben, da muss man deutlich sagen: Das 
geht in unserer Partei nicht. Auf der anderen Seite sind das alle 
Vorstellungen, die stalinistische Strukturen oder 
Vorgehensweisen rechtfertigen oder gar fuer die Zukunft 
anstreben. 
Wir haetten die Partei nicht unter so schwierigen Verhaeltnissen 
fortsetzen koennen, wenn nicht der Ausgangspunkt vom 
Dezember 1989 der Beginn des Bruchs mit dem Stalinismus 
gewesen waere. Das ist zumindest fuer mich der Ausgangspunkt 
der PDS. Bei uns gibt es einige - die auch glauben, in einem 
gewissen Aufwind zu sein -, mit denen wir eine ganz prinzipielle 
Auseinandersetzung fuehren muessen, wenn wir die Partei nicht 
gefaehrden wollen. Sie sind nicht mehrheitsfaehig; sie erleiden 
von Parteitag zu Parteitag eine Niederlage, aber sie sind 
lautstark. Im uebrigen sehe ich die KPF viel differenzierter.
ruprecht: Im Osten folgen Ihnen Menschen, die sich von den 
Wessis ueberfahren fuehlen, im Westen werben sie um 
programmatische Linke. Wen vertritt die PDS eigentlich, wer soll 
sie waehlen?
Gysi: Ich moechte gerne, dass wir von Menschen gewaehlt 
werden, die ganz bewusst Opposition waehlen. Die Menschen 
waehlen eigentlich lieber Regierung - ob die Partei es dann wird, 
ist eine andere Frage, aber wenigstens waehlen sie in der 
Hoffnung, dass sie es wird, um das eine oder andere durchsetzen 
zu koennen, was sie versprechen. Die Wahl der PDS ist eine 
bewusste Wahl von Opposition, weil jeder weiss: Die wird nicht 
regieren. Das ist ein anderer Vorgang. Ich moechte gerne, dass 
uns die Menschen waehlen, damit bestimmte Politikansaetze 
oeffentlichkeitswirksam im Bundestag 'ruebergebracht werden. 
Ich moechte, dass sie uns waehlen, weil sie eine Veraenderung 
bestimmter Strukturen wollen, ein anderes Engagement des 
Einzelnen und der Einzelnen in der Politik, einen anderen Grad 
von unmittelbarer Demokratie. Im Osten werden uns viele 
einfach als Interessenvertreterinnnen und Interessenvertreter 
waehlen. Wir muessen insofern natuerlich einen gewissen Spagat 
machen. Im Osten werden wir haeufiger gewaehlt, weil wir 
ostdeutsch sind, und im Westen, wenn ueberhaupt, weil wir links 
sind, nicht weil wir ostdeutsch sind. Das ist ein Punkt, mit dem 
wir lernen muessen umzugehen. Wir muessen allerdings 
kompatibel bleiben. Du kannst nicht hier andere Aussagen als 
dort treffen, hoechstens andere Schwerpunkte setzen. Ein 
einfaches Beispiel: Unsere Position zum Asylrecht verschafft uns 
im Westen Akzeptanz in einem bestimmten Kreis der 
Bevoelkerung und fuehrt vielleicht auch zu einem bestimmten 
Wahlverhalten. Im Osten waehlen uns nicht wenige trotz unserer 
Position zum Asylrecht. Wir haben uns aber dadurch nicht in 
unserer Meinung beeindrucken lassen.
ruprecht: Warum sollte ein linker Weststudierender gerade PDS 
waehlen und nicht SPD oder Buendnis 90/Gruene?
Gysi: Weil er unser Programm und unsere Politik interessanter 
und glaubwuerdiger findet. Ich wuerde nie behaupten, dass wir 
das Gelbe vom Ei sind, aber immerhin noch das Beste, was der 
Parteienmarkt derzeit zu bieten hat. Alles im Leben ist relativ. Es 
muss auch eine Partei links von der SPD geben, und es gefaellt 
mir auch nicht, dass die Gruenen sich in eine andere Richtung 
bewegen: Einige liebaeugeln schon mit Zusammenarbeit mit der 
CDU, andere fordern eine Interventionsarmee. Dieses "Sich-
etablieren" fuehrt zu Veraenderungen. Ich kann nicht 
ausschliessen, dass das der PDS auch einmal passiert. Dann 
gehoert sie eben wieder abgewaehlt. Im Augenblick aber ist sie 
eindeutig nicht etabliert. Es ist auch ein Vorteil, dass die anderen 
nicht mit uns kungeln. Dadurch haben wir ja gar keine 
Gelegenheit, uns verfuehren zu lassen.
ruprecht: Aber einsam fuehlen Sie sich da nicht, wenn sonst 
niemand etwas mit der PDS zu tun haben will. Konrad Weiss 
vom Buendnis '90 meinte, Zusammenarbeit mit der PDS sei 
aeVerrat an der Buergerbewegung".
Gysi: Es ist unbestreitbar, dass es nicht wenige SED-Mitglieder 
gab, die sehr engagiert im Herbst 89 mitgewirkt haben. 
Sicherlich nicht alle und nicht die SED als Partei, aber nicht 
wenige ihrer Mitglieder. Diese Ausgrenzungen werden sich 
geben. In den Kommunen gibt es zum Teil schon eine 
Zusammenarbeit mit anderen Parteien. In Brandenburg kenne ich 
Gemeinden, da arbeiten PDS-Politiker nur mit Buendnis 
90/Gruene-Leuten zusammen. In anderen Gemeinden liegen 
zwischen ihnnen Welten, da laeuft gar nichts. Das haengt von 
den jeweiligen Menschen ab, die sich seit vielen Jahren kennen 
und schaetzen - oder auch nicht schaetzen. Da darf man nicht 
ungeduldig sein. Wir haben ja nun einmal eine komplizierte 
Geschichte, die der Aufarbeitung bedarf. Da duerfen wir auch 
nicht ueberschnell beleidigt sein. Wir muessen uns aber auch 
nicht anbiedern. Trotzdem: PDS und Buendnis 90/Gruene waeren 
doch bescheuert, wenn sie - soweit es politische 
UEbereinstimmungen gibt - ihre Kraefte schon dadurch 
reduzieren wuerden, dass sie sagen: Aber das machen wir so 
getrennt wie moeglich, und keiner soll wissen, dass wir 
diesbezueglich auch noch die gleiche Meinung haben. Wir 
werden erkennen, dass wir in bestimmten Situationen 
gemeinsame Interessen nur gemeinsam durchsetzen koennen.
ruprecht: Bei der Bundestagswahl, die jetzt ansteht, muessen Sie 
ueber fuenf Prozent kommen oder drei Direktmandate holen. 
Glauben Sie, dass dieser Wahlkampf  auch zum Existenzkampf 
fuer die PDS wird?
Gysi: Eine Partei wie die PDS kriegen Sie nicht tot. So was gibt's 
gar nicht. Wirklich, das ist nicht drin.
ruprecht: Aber Sie haben gesagt: "Wenn wir jetzt nicht in den 
Bundestag kommen, haben wir zwanzig Jahre Zeit, Sektierertum 
zu betreiben."
Gysi: Ja, das ist meine Sorge. Wenn wir nicht in den Bundestag 
kommen und damit auf einen bestimmten Grad von 
OEffentlichkeitswirksamkeit verzichten, dann ist die Gefahr 
gross, dass sich bestimmte Kraefte in der PDS durchsetzen, dass 
die Partei sektiererisch wird. Nun muss das nicht passieren, nur 
weil wir nicht in den Bundestag kommen; wir sind noch in vielen 
Landtagen und Kommunalparlamenten, aber die Gefahr wollte 
ich damit beschreiben. Ich halte es fuer eine wichtige Frage. Und 
wenn wir reinkommen, oeffnen wir uns Diskussionen auch 
dadurch, dass Parteilose auf unseren Listen kandidieren, die 
durchaus eine kritische Distanz zur PDS haben, obgleich sie 
vieles an ihr auch akzeptieren. Und ich behaupte, das veraendert 
dann auch die Partei. 
Natuerlich kann ich es nie ausschliessen, dass sie eine 
Entwicklung nimmt, mit der ich nicht mit kann. Ich sehe das im 
Augenblick nicht. Meine Einschaetzung ist, dass sie eigentlich 
alle Chancen hat, eine moderne, demokratische, sozialistische 
Partei zu werden, und das waere in Deutschland nicht unwichtig. 
Weil Sie mich gefragt haben, warum uns Student(inn)en waehlen 
sollen - es ist ja auch ein bisschen die Frage: Organisieren wir 
politisch eine demokratische Kraft links von der SPD, oder 
verzichten wir darauf? Verzichten wir darauf, dass sie auch im 
Bundestag existent ist?
ruprecht: Das koennten ja auch die Gruenen sein...
Gysi: Das glaube ich eben nicht. Bei ihrem Ansatz wird das ganz 
kompliziert. Wenn Sie allein an den Spruch von Buendnis '90 zur 
Volkskammerwahl 1990 denken: "Nicht links, nicht rechts, 
sondern geradeaus nach Europa" - den habe ich nie vergessen; so 
besagt dies eine Menge ueber die entsprechenden Zielstellungen. 
Da werden sie in vielen Fragen natuerlich unter Druck gesetzt 
werden auch von den Gruenen, aber nicht im Sinne einer 
demokratischen, linken, sozialistischen Opposition. Und die halte 
ich fuer wichtig. Ich sage Ihnen, das wirkt zum Teil schon heute, 
obwohl wir nur 16 Abgeordnete sind. Dass die SPD bestimmte 
Dinge noch nicht mitgemacht hat, liegt unter anderem daran, 
dass es uns gibt - und zwar nicht, weil wir viel verhindern 
koennten, sondern weil diejenigen, die das in der SPD nicht 
wollen, mit uns drohen. Die sagen: Wollt Ihr auch dieses Thema 
allein der PDS ueberlassen? Wenn wir nur dazu dienen wuerden, 
ist es schon nicht umsonst. Es ist noch nicht viel, aber es ist 
schon etwas.
(hn/bpe; Photos: ann)


ruprecht point & counterpoint: 

Seit Maerz 1991 hat sich am Klausenpfad noerdlich des 
Neuenheimer Feldes eine Gruppe von 25 Leuten in Bau- und 
Zirkuswagen niedergelassen. Versuche der Bewohner dieser 
"Wagenburg", ein Grundstueck anderswo zu erhalten, scheiterten 
am Widerstand jeweils betroffener Anwohner und an der 
prinzipiellen Ablehnung dieser Wohnform durch eine Mehrheit 
im Gemeiderat. Am 11. November beschloss das Stadtparlament, 
die Wagenburg raeumen zu lassen. ruprecht fragte die 
Kontrahenten in diesem Konflikt: Soll die Wagenburg am Rande 
des Neuenheimer Feldes geraeumt werden?

Dr. med. Andreas Horn - Pressesprecher, CDU-Kreisverband 
Heidelberg
Die CDU Heidelberg spricht sich klar fuer die Raeumung der 
Wagenburg im Neuenheimer Feld aus. Auch eine 
Zusammenlegung mit der ebenfalls illegalen Wieblinger 
Wagenburg und Umsiedlung nach Rohrbach stoesst bei der CDU 
auf Ablehnung. Die CDU Heidelberg spricht sich mit dieser 
Ablehnung keinesfalls generell gegen alternative Lebens- oder 
auch Wohnformen aus; dies muss und soll jeder Mensch fuer 
sich entscheiden. Nicht akzeptiert wird diese Entscheidung 
allerdings, wenn sie auf Kosten und zu Lasten anderer Buerger 
geht.
Die Wagenburg "Hoppetosse" wurde 1991 ohne Genehmigung, 
d.h. eindeutig rechtswidrig auf dem landeseigenen Gelaende "Am 
Klausenpfad" errichtet und hat seit dieser Zeit einen 
kontinuierlichen Zuwachs erfahren. Eine Duldung dieses 
illegalen Zustandes wuerde bei allen gesetzestreuen 
Buergerinnen und Buergern nicht nur auf tiefes Unverstaendnis 
stossen, sondern langfristig auch unseren Rechtsstaat, der auf 
festen Regeln aufbaut, in Frage stellen. In einem demokratischen 
Rechtsstaat kann ein Buerger nur soviel Freiheit fuer sich 
beanspruchen, wie er andere Buerger nicht einengt. Dieses 
Gleichgewicht zu regeln ist Aufgabe von Politik und Verwaltung, 
die hierzu Gesetze und Verordnungen erlassen, an denen sich 
letztendlich alle Buergerinnen und Buerger ausrichten muessen. 
Ein wildes Campen ist aber ebensowenig erlaubt, wie die 
unerlaubte (Be-)Nutzung von fremden Eigentum. Ein Rechtsstaat 
kann nur funktionieren, wenn sich alle Buerger und auch die 
politisch Verantwortlichen an Recht und Gesetz halten. Eine 
"Verrechtlichung" d.h. eine nachtraegliche Legalisierung eines 
eindeutig rechtswidrigen Vorgangs kann und darf es nach 
Auffassung der CDU Heidelberg auf keinen Fall geben.
Aber nicht nur nuechterne juristische Gruende fuehren zur 
Ablehnung dieser "alternativen" Wohnform. Ein gerade in 
heutiger Zeit wichtiges Argument ist in der unbefriedigten 
Entsorgungssituation (Abwasser, Muellentsorgung ect.) zu 
sehen. Schon aus Gruenden des Umweltschutzes und der 
Hygiene muss die Wagenburg geraeumt werden. Eine nicht 
vorhandene oder nicht ausreichende Kanalisation bzw. 
Abwasserentsorgung wird nicht nur fuer die dort lebenden 
Menschen (insbesondere auch Kinder) sondern auch fuer die 
Natur langfristig mit schweren Schaeden verbunden sein. 
Fragwuerdige hygienische Zustaende koennen auch ernste 
gesundheitliche Folgen, besonders bei Kindern nach sich ziehen. 
Dies zu bedenken und zu beachten liegt nicht nur bei den Eltern 
der "Wagenburg-Kinder" sondern auch bei staatlichen Stellen, 
wie beispielsweise dem Gesundheitsamt.
Heidelberg ist eine Universitaetsstadt, die fuer ihre Studenten 
nicht genuegend Wohnraum zur Verfuegung hat. Dies war ja 
insbesondere ein Grund fuer die Entstehung der "Hoppetosse". Es 
kann aber nicht richtig sein, dass oeffentliche Gelaende als 
Wohnraum von wenigen Studenten besetzt werden. Vielmehr 
muss ueberlegt werden, wie die Kapazitaet an studentischem 
Wohnraum, z.B. durch den Bau von Wohnheimen gesteigert 
werden kann. 
Eine Umsiedlung der Heidelberger Wagenburgen auf ein 
Ersatzgelaende ist auch nicht ohne weiteres moeglich. Fuer das 
in Rohrbach vorgesehene Gelaende besteht ein gueltiger 
Bebauungsplan, der das Grundstueck nicht als Wohngebiet 
ausweist. Vielmehr handelt es sich hierbei um Gewerbegebiet, 
das Heidelberg zur Ansiedlung von Firmen und zur Schaffung 
von Arbeitsplaetzen dringend braucht.
Schliesslich kann es nicht Aufgabe eines Gemeinderates oder 
einer Stadtverwaltung sein, Ersatzgelaende fuer die Wagenburg 
zu suchen. Eine Stadt muss fuer vernuenftige 
Rahmenbedingungen sorgen (z.B. Bebauungsplaene, Foerderung 
des sozialen Wohnungsbau), die Bereitstellung von Gelaende 
fuer alternatives Wohnen gehoert nicht zum Aufgabenbereich 
einer Stadt. Die Wagenburg-Bewohner koennen ihre besondere 
Lebensform beispielsweise auf brachliegenden Flaechen von 
Bauernhoefen verwirklichen, doch dazu ist Eigeninitiative und 
der Abschluss von Pachtvertraegen gefragt, der Schrei nach dem 
Staat muss im Leeren verhallen.
Zusammenfassend ist die Position der CDU Heidelberg klar: Die 
CDU wird sich an einer nachtraeglichen Legalisierung des 
eindeutig rechtswidrigen Zustands nicht beteiligen. Fuer alle 
Buerger gelten die gleichen Rechte und Pflichten. Eine Politik 
nach dem Motto der vollendeten Tatsachen wird die CDU 
Heidelberg nicht mittragen. Recht und Ordnung sind eben keine 
verhandelbaren Gueter. Ebensowenig wird eine Finanzierung der 
Siedlung mit der CDU Heidelberg nicht realisierbar sein, 
alternative Lebens- und Wohnformen werden in Heidelberg keine 
Sonderrechte erhalten. Eine Raeumung muss aus Interesse des 
Gemeinwohls unbedingt erfolgen. Die politische und rechtliche 
Messlatte muss fuer alle Buerger gleich sein.

Michael Csaszkóczy - Student und Bewohner der Wagenburg
Die CDU hat zur Eroeffnung des Kommunalwahlkampfes ein 
grandioses Thema ausfindig gemacht: Die "wilde Wagenburg"  
im Neuenheimer Feld muss geraeumt werden. Liest mensch die 
Veroeffentlichungen der letzten Monate, so entsteht der 
Eindruck, endlich seien die Schuldigen fuer alle Widrigkeiten der 
Heidelberger Stadtpolitik gefunden: 25 Menschen, die auf einem 
ungenutzten Gelaende in Zirkuswaegen wohnen und damit den 
Frieden in der Stadt, ja die gesamte Rechtsordnung unseres 
Staates umzustuerzen drohen.
Was ist denn nun tatsaechlich dran an den "untragbaren 
Zustaenden" in der Wagenburg? Dort ist eine alternative 
Wohnform entstanden. Wir haben vor nunmehr drei Jahren 
versucht, ein gemeinschaftliches und oekologisches Wohnprojekt 
aufzubauen. Mit Erfolg, wie wir meinen. Es ist uns wichtig, 
unseren Alltag mit vielen Menschen gemeinsam zu organisieren. 
Und es ist uns wichtig, genau auf unseren Umgang mit der 
Umwelt (z.B. Trinkwasserressourcen und Energie) zu achten. 
Wir verstehen uns auch als Selbsthilfeprojekt gegen 
Wohnungsnot und  Mietwucher. Waehrend in Heidelberg 
Tausende vergeblich eine Wohnung suchen, haben wir mit ganz 
wenig materiellen Mitteln, dafuer aber mit viel Engagement 
Wohnraum geschaffen, mit dem wir absolut gluecklich sind - 
wohlgemerkt, ohne irgendjemanden in seinen Rechten zu 
beeintraechtigen. Dass unser Versuch, uns ein selbstaendiges 
und selbstbestimmtes Leben aufzubauen, der CDU nicht gefaellt, 
koennen wir uns freilich vorstellen.
Der Hetze der "christlichen" Gemeinderatsfraktion war denn auch 
jedes Mittel recht, uns zu verleumden und zu verunglimpfen. 
Dass wir als kulturlose Wilde, als Indianer spielende 
Buergerkinder oder schlicht als Chaoten tituliert wurden, war 
noch die harmloseste Variante.  Die Kampangne eignete sich 
immer mehr ein Vokabular aus dem Woerterbuch des 
Unmenschen an. 
Dann war z.B. der medienwirksam inszenierte, aber doch recht 
peinliche Versuch, uns ein "Bekenntnis zum Terrorismus" zu 
unterstellen. Einziger Hintergrund: Auf einem Transparent an der 
Wagenburg stand: "Fuer eine Gesellschaft ohne Knaeste...in 
Weiterstadt, Heimsheim und ueberall!" und BewohnerInnen der 
Wagenburg bekundeten ihre Trauer um den gewaltsamen Tod 
von Wolfgang Grams. Auf welchem Niveau sich die Argumente 
der CDU gegen uns bewegen, sei noch einmal an einem Zitat von 
Stadtrat Pfisterer am 2.9.9: gezeigt: "Wer wild lebt und 
vermutlich keine Abgaben zahlt..." (natuerlich sind wir in der 
Wagenburg ordnungsgemaess angemeldet und zahlen Steuern 
und Abgaben wie jedeR andere auch).
Bleibt da noch die gewichtige Anschuldigung des Herrn 
Malsburg, wir wuerden mit unseren bunten Haaren das 
Strassenbild stoeren. Solchen Unfug widmete die RNZ am 
21.8.93 immerhin fast eine halbe Seite. Ein Kommentar eruebrigt 
sich (siehe Photo). Dies alles wird in einem Stil verbreitet, der 
selbst vor AEusserungen nicht zurueckschreckt, die eigentlich 
nur als Aufforderung zur Selbstjustiz verstanden werden 
koennen. CDU-Vize Pfisterer im Stadtblatt vom 19.12.91: "Die 
Zeit draengt, um Zeichen zu setzen, denn so kann es nicht 
angehen. Der Druck muss aus der Bevoelkerung kommen, um zu 
verhindern, dass solche Auswuechse keinen Bestand haben!" Die 
CDU beklagt immer wieder lautstark, die Wagenburg sei illegal. 
Dazu waere juristisch natuerlich einiges zu sagen. Das will ich 
mir im Interesse der LeserInnenschaft ersparen. Nur so viel: 
Richtig ist, dass der jetzige Zustand geltendem Baurecht 
widerspricht. Aber genau da beisst sich die christdemokratische 
Katze argumentativ in den Schwanz. Die Wagenburg ist nur 
deshalb nicht legal, weil die CDU seit unserem Bestehen alles 
daran setzt, eben dies zu verhindern. Uns das nachher zum 
Vorwurf zu machen, ist nicht sehr redlich, wie ich finde. Alle 
anderen Anklagen sind schlicht aus der Luft gegriffen und 
werden auch dadurch nicht wahrer, dass sie mit penetranter 
Haeufigkeit wiederholt werden. In fast allen Staedten im Laendle 
gibt es mittlerweile Wagenburgen, die dort keine Probleme 
bereiten (auch rechtlich nicht). Und ausgerechnet die Uni-Stadt 
Heidelberg, die sich so gerne liberal gibt, denkt, sie koenne sich 
dieses gesellschaftliche Phaenomen mit Gewalt vom Leibe 
halten?
Mit Beate Weber ist die Option auf eine andere Stadtpolitik 
gewaehlt worden. Die OB hat ihre Amtszeit mit dem 
Versprechen angetreten, Raum zu schaffen fuer Toleranz und 
eine andere, friedlichere Streitkultur. Ein polizeilicher 
Grosseinsatz zur Vertreibung der WagenburgbewohnerInnnen 
waere der Startschuss fuer das Scheitern dieses Konzeptes. Er 
wuerde Signalwirkung haben fuer andere Projekte. Es darf 
spekuliert werden, was als naechstes dran ist: Das autonome 
Zentrum? Die freien Kulturinitiativen? Zundels Eiszeit laesst 
gruessen. Genau das ist die offenkundige Absicht der CDU. Sie 
erhaelt dabei eifrige Schuetzenhilfe von FWV, FDP  und SPD  Es 
bleibt zu hoffen, dass die Quittung in Form von Stimmzetteln 
nicht auf sich warten laesst. 


Alle Macht dem Rektor
Dr. Ulmers Hofkommission im Dienst

Am 7. Dezember wurde der kleine Senat, am 8. Dezember die 
Presse ueber vierzehn Empfehlungen zur Studienzeitverkuerzung 
und leistungsbezogenen Mittelverteilung informiert. Diese 
provozierenden Empfehlungen stammen aus der Feder einer 
zwoelfkoepfigen "Beratenden Kommission des Rektorats", die 
auf Anlass des Ministeriums fuer Wissenschaft und Forschung 
an der Universitaet eingerichtet wurde. Zwar sollte die 
Kommission nach Vorgabe des Ministeriums mindestens drei 
ausseruniversitaere Mitglieder haben und sich mit der 
Mittelverteilung aus der Titelgruppe 98 (= Posten des 
Staatshaushaltsplanes) beschaeftigen; die Zusammenstellung 
dieser Kommssionen, ihre Organisationsform sowie die 
Festlegung weiterer Problemkreise blieb dem jeweiligen Rektor 
ueberlassen. Man kann sich denken, dass ein Rektor vom Format 
des Prof. Dr. Ulmer ein solches Angebot nutzen wuerde.
So stellte er der Presse eine "hochkaraetige Kommssion" vor. "Es 
sind keine Gruppenvertreter darin" - so der Rektor weiter - "das 
entspricht auch den Vorgaben des Ministeriums, dass nur 
Sachverstand gefragt sein soll." Das mag stimmen, da es im 
Endergebnis keine Rolle spielt, ob es eine Vorgabe des 
Ministeriums  oder die Meinung des Rektors ist, dass Vertreter 
des Akademischen Mittelbaus und der Studierenden keinen 
Sachverstand besitzen, zumal fuenf Vertreter der Gruppe der 
Professoren in der Kommission vertreten sind. Sachverstand in 
Bezug auf die ausgesprochenen Empfehlungen besitzen nach 
Prof. Dr. Ulmer, der sich seine Kommission zusammenstellte, 
folgende Herren (keine Damen!): Prof. Dr. Ulrich Abshagen,  
Geschaeftsfuehrung Boehringer Mannheim, Prof. Dr. Konrad 
Beyreuther, Zentrum fuer Molekulare Biologie, Prof. Dr. Jochen 
Frowein, Max-Planck-Institut fuer Voelkerrecht, Prof. Dr. Harald 
zur Hausen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Prof. Dr. Glenn 
W. Most, Seminar fuer Klassische Philologie, Prof. Dr. Gisbert 
zu Putlitz, Physikalisches Institut, Prof. Dr. Hans-Juergen 
Quadbeck-Seeger, Vorstand BASF AG, Prof. Dr. Juergen Siebke, 
Alfred-Weber-Institut, Prof. Dr. Heinz Staab, Max-Planck-
Institut fuer Medizinische Forschung, Dr. Ulrich Weiss, 
Vorstand Deutsche Bank AG, Prof. Dr. Dr. Michael 
Wannenmacher, Klinische Radiologie, und Prof. Dr. Felix 
Wieland, Institut fuer Biochemie I. Mit Sicherheit ist diese 
Versammlung an Potentaten, fuenf hochgestellte 
Persoenlichkeiten aus der medizinischen und biologischen 
Forschung, drei angesehene Geisteswissenschaftler, zwei 
Maenner aus der Fuehrungsebene der Wirtschaft und ein 
Physiker 'hochkaraetig'.  Jedes demokratisch gewaehlte 
universitaere Gremium muss im Feuer dieses Edelsteins 
vergluehen.
ruprecht aber wollte es genau wissen und rief bei einigen 
Kommissionsmitglieder an. Die einfache Frage, die wir stellten, 
bezog sich auf folgende Empfehlungen der Kommission: "Das 
Datenschutz-Recht sollte modifiziert werden, um die 
Universitaeten in die Lage zu versetzen, statistische Daten ueber 
Studienverlauf, Abbrecherquoten und deren Gruende sowie ueber 
sonstige fuer die Lehr-Evaluation erforderlichen Informationen zu 
erheben." Wir fragten: "Sie haben sich im Rahmen der 
'Beratenden Kommission des Rektorats' fuer eine AEnderung des 
Datenschutz-Rechtes ausgesprochen. Warum?"
Die Antworten waren verblueffend. "Ich bin kein Datenschutz-
Experte", hoerten wir oefters und "Fragen sie den Rektor", aber es 
hiess auch: "Ich bin in der letzten Sitzung nicht da gewesen." 
Einen interessanten Hinweis gab Prof. Dr. Wannenmacher, der 
ruprecht gegenueber meinte, dass das bestehende 
Datenschutzgesetz schon lange die Krebsforschung behindern 
wuerde. Es stellt sich wohl die Frage, ob mit solchen Interessen 
die urspruenglichen Intentionen des Ministeriums fuer 
Wissenschaft und Forschung noch in Einklang stehen. 
Tatsaechlich enthaelt das von Prof. Dr. Ulmer veroeffentlichte 
Papier der Kommission bemerkenswerte Empfehlungen zur 
Staerkung der Macht des Rektorats. So wird empfohlen, die 
Dienstaufsicht ueber die Hochschullehrer vom Ministerium auf 
den Rektor zu verlagern. Es wird weiter empfohlen, einen 
zentralen Finanz- und Stellenpool zu schaffen, so dass alle ueber 
eine Mindestausstattung hinausgehenden Haushaltszuweisungen 
vom Rektorat aus vergeben werden. Das hiesse, jede ueber das 
Minimum hinausgehende HiWi-Stelle, jede zusaetzliche 
Anschaffung der Fakultaeten muesste vom Rektorat genehmigt 
werden. Dazu muesste das bestehende Recht geaendert werden, 
denn bisher ist der Verwaltungsrat, in dem wenigstens noch ein 
Angehoeriger des wissenschaftlichen Dienstes und ein Student 
vertreten sind, fuer eine solche Mittelverteilung zustaendig. Prof. 
Dr. Ulmer in seiner Presseerklaerung: "Der Verwaltungsrat 
wuerde sich dann darauf beschraenken, allgemeine Grundsaetze 
zu beschliessen."
Von solchen Empfehlungen mag das Geruecht genaehrt werden, 
das in den Kreisen der Fachschaften kursiert, Prof. Dr. Ulmer 
wolle sich fuer einen Posten im Vorstand der Rektorenkonferenz 
profilieren, zumal der inzwischen Sechzigjaehrige den 
Hoehepunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn wohl erreicht 
hat. Bemerkenswerterweise hatte Prof. Dr. Ulmer - noch bevor er 
am 7.Dezember den Senat unterrichtete - das Empfehlungspapier 
an die Hochschulrektorenkonferenz uebermittelt, so dass eine 
erste Stellunnahme nicht etwa von den Hochschulen selbstkam, 
sondern von einer Arbeitsgruppe der 
Hochschulrektorenkonferenz, die sich - wen wunderts - 
befuerwortend aeusserte.
(mc)


"Die Reform muss von unten kommen"
Gastkommentar aus dem Mittelbau

In Baden-Wuerttemberg wird - ebenso wie in anderen 
Bundeslaendern - seit einiger Zeit Studienreform "gemacht". Die 
Macher im zustaendigen Wissenschaftsministerium bedienen 
sich dabei der ueblichen Instrumente: per Erlass werden 
Vorgaben fuer neue Pruefungsordnungen und Studienplaene 
gemacht und es wird ein novelliertes Universitaetsgesetz 
vorbereitet, das uns in den naechsten Monaten ins Haus steht. 
Gestuetzt auf akribische durchformulierte 
Rahmenpruefungsordnungen, um die seit  Fruehjahr 1992 in 
bemerkenswerter Fleissarbeit von der 
Hochschulrektorenkonferenz, von der Kultusminsterkonferenz, 
vom Bundesministerium fuer Bildung und Wissenschaft und 
vom Wissenschaftsrat produzierten Grundsatzpapiere fuer 
Studienstrukturreform erklaert Wissenschaftsminister von Trotha 
die Straffung des Studiums und die Studienzeitverkuerzung zum 
vorrangigen Ziel der Studienreform. Die Ablegung der Vor- und 
Zwischenpruefungen sowie die zeitliche Abfolge der 
Pruefungsleistungen in der Studienabschlussphase werden eng 
bemessenen Ausschlussfristen unterworfen,  der Fachwechsel 
soll erschwert werden, es sollen zentrale Pruefungssekretariate 
eingerichtet werden und ab dem 14. Hochschulsemester (nicht 
Fachsemester!) sollen Gebuehren erhoben werden - die Rede ist 
von 1000 Mark pro Semester.
 Ist die Studienreform auf diese Weise zu machen ?- Ich meine, 
nein. Staatliche und pruefungsrechtliche Reglementierungen, 
Strafgebuehren und Buerokratisierung erzeugen keine neue 
Qualitaet; sie loesen keine Probleme, sondern schaffen nur einen 
horrenden Verwaltungsaufwand und neue Probleme (die die 
Hochschulen derzeit nun wirklich nicht gebrauchen koennen). 
Ein Erlass mit dem das Volumen der Curricula begrenzt und die 
Zahl der Scheine begrenzt wird, bewirkt keine 
Studienzeitverkuerzung, solange die Studienbedingungen so sind, 
wie sie sind, naemlich miserabel, und so lange die 
Studienreformdebatte nicht dort gefuehrt wird, wo sie hingehoert, 
naemlich in den Instituten und Seminaren. 
Wichtigstes Ziel jeder Studienreform muss die Qualitaet des 
Studiums und des Studienabschlusses sein. Die Qualitaet des 
Studiums ist an den Formen und an den Inhalten der Lehre zu 
messen, die Qualitaet des Abschlusses an der vermittelten 
wissenschaftlichen und methodischen Fundierung und an der 
Praxisnaehe. Zugestandenermassen haben die  langen 
Studienzeiten in vielen Faechern auch mit der Nichtstudierbarkeit 
der Studienanforderung zu tun. Die Unuebersichtlichkeit des 
Lehrangebots, unzulaengliche Beratungsangebote, die weithin 
fehlende zeitliche und inhaltliche Abstimmung der 
Lehrveranstaltungen, Unregelmaessigkeiten  in Bezug auf den 
Turnus der Pflichtlehrveranstaltungen, mangelhafte didaktische 
Qualitaet der Lehrveranstaltungen, ueberbordende 
Spezialisierung, Engpaesse bei der Vergabe von Labor- und 
Seminarplaetzen, fehlende oder unzulaengliche - weil von 
Professoren monate- und jahrelang ausgeliehene - 
wissenschaftliche Literatur, mangelnde Betreuung von 
Abschlussarbeiten und schlechte Verfuegbarkeit der Pruefer (um 
nur einige interne Gruende zu nennen) tragen zur Verlaengerung 
des Studiums bei (hinzu kommen externe und soziale Faktoren, 
die in den persoenlichen Umstaenden der Studierenden 
begruendet sind). Die Form und die Inhalte der Lehre sind in der 
Tat verbesserungswuerdig, und sie sind auch 
verbesserungsfaehig, zum Teil sogar mit wenig Geld. Alle 
Beteiligten - Professoren, Mittelbau und Studierende - sollten 
sich erst einmal an einen Tisch setzen und die Studienreform in 
eigene Haende nehmen. Eine ganze Reihe der genannten Defizite 
koennen mit etwas Fantasie und gutem Willen behoben werden: 
durch Orientierungshilfen, vor allem in der 
Studieneingangsphase, durch Foerderung der aktiven und 
selbstaendigen Arbeit der Studierenden in kleinen Gruppen 
(Tutorien), durch didaktische Weiterbildung der Lehrenden, 
durch eine flexible Organisation des Lehrbetriebs und der 
Pruefung, durch Beteiligung des lehrenden Mittelbaus bei 
Pruefungen und bei der Betreuung von Abschlussarbeiten und 
vor allem durch den Abbau von Fachegoismen, die einer auf die 
wesentlichen Inhalte und Methoden und auf die Erfordernisse der 
Praxis ausgerichteten Gestaltung der Studienplaene 
entgegenstehen. 
Wichtigster Grundsatz dabei ist: Studienreform ist nicht mit einer 
einmaligen Anstrengung, sondern nur in einem kontinuierlichen 
Prozess zu erreichen. Die dafuer erforderlichen meinungs- und 
willensbildenden Strukturen muessen freilich neu geschaffen 
werden. Die weitgehende Ausgrenzung der Studierenden und des 
Mittelbaus aus den Gremien hat zum absoluten Stillstand der 
Studienreformdebatte gefuehrt. Studienreform lebt 
gleichermassen von aktiven und integrierten Formen des 
Studiums selbst und von Mitwirkungsmoeglichkeiten auf der 
Gestaltungsebene. Die Reform muss in den Faechern und 
Fakultaeten stattfinden oder sie findet nicht statt. Studierende und 
Mittelbau klagen diese Debatte ein. Nun sind die Professoren, die 
die Entscheidungen in den Instituten und in den 
Fakultaetsgremien dominieren, gefordert. Von ihnen haengt es 
ab, ob auch unter schwersten Bedingungen der Reformwille 
wiederbelebt werden kann.
Dr. Christoph Klein Brabender, Tuebingen. Sprecher  der 
Landesvertretung  Akademischer Mittelbau


Von Trotha kam

Der Hoersaal 13 der Neuen Uni war bis in die hinteren 
Stuhlreihen von Studierenden gefuellt. Umso mehr ueberraschte 
es, dass der Minister fuer Wissenschaft und Forschung, der 
gekommen war, sein Reformprogramm vorzustellen, mehrmals 
Kritik am studentischen Engagement uebte. Besonders als sich 
eine in aermliches Sackleinen gehuellte Gruppe StudentInnen 
neben dem Podium einfand,um ihre Misere dem Minister in 
Liedform vorzutragen. Laechelnd meinte er, er koenne keine 
Argumente in dem Lied finden. Es bleibt den Saengern und 
Saengerinnen also nur Bedauern darueber, dass der Minister 
derart in den Elfenbeinturm politischen Denkens eingekerkert 
scheint, dass er andere mit den kuenstlerischen Mittlen der Ironie 
und der Hyperbel gestaltete Formen des Protests nicht einzusehen 
vermag. 
Der Vortrag des Ministers beschraenkte sich auf die 
Ausfuehrungen zur Broschuere "Studienreform", die das 
Ministerium zur Zeit verteilt (s. ruprecht 26). Zudem gab er 
bekannt, die Kabinettsvorlage zur AEnderung des 
Universitaetsgesetz unterzeichnet zu haben. Die Kritik von 
Studierenden konnte Trotha nur mit der Flucht ins Allgemeine 
beantworten. Einige merkten z.B. an, dass die nur beratende 
Studienkommission und die Studiendekane keine Garanten 
dafuer sein koennten, dass Professoren ihre Anforderungen 
zugunsten einer kuerzeren Studienzeit zurueckschrauben 
wuerden - und Trotha bot an, man koenne bei ihm ja schriftlich 
beschweren.Worauf sich der Rektor der Universitaet veranlasst 
sah hervorzuheben, erste Anlaufstelle bei einer Beschwerde, die 
nicht intern geregelt werden koenne, sei er.
Die wesentliche Frage, wie eine Begrenzung des 
Studienvolumens praktisch durchzufuehren sei, blieb offen. Von 
Trothas Aussage, er koenne "nur Rahmenbedingungen fuer eine 
gute Lehre" schaffen, die Umsetzung liege in den Haenden der 
Professoren muss angesichts des bis in die Struktur der einzelnen 
Lehrveranstaltung hineinwirkenden Reformkonzepts befremden. 
Die kategorische Ablehnung eines Mittelbau-Konvents (eine 
verfasste Organisation des akademischen Mittelbaus zur Wahl 
eigener Vertreter) erfolgte mit der Begruendung, dass dann auch 
noch die Professoren eine verfasste Professorenschaft verlangen 
koennten..
Keine Stellungnahme gab von Trotha zu einer verfassten 
Studierendenschaft ab. Er beschraenkte sich darauf, den 
Studierenden fehlende Kompetenz in teilweise unangebracht 
vaeterlichen Worten vorzuhalten. Diese Versuche, 
einzuschuechtern statt Argumente vorzubringen, moegen zeigen, 
dass der Minister Detailfragen fern von sich und seinem Konzept 
halten moechte. Sein Blick aufs Allgemeine hat 
konsequenterweise eine Studienreform zur Folge, die in den 
Augen der Mehrheit der Waehler gut dasteht, intern aber fuer 
eine erhebliche Entfremdung der an universitaerer Lehre 
Beteiligten sorgt. Was aber - so die weiterhin offene Frage - soll 
die Professoren dazu bringen, dieWeite und Groesse ihres 
Wissens kuenftig hinter das pragmatisch Erhebliche 
zurueckzustellen? Und worauf werden sie kuenftig, wenn nicht 
auf die Weite ihres Wissens und den Ruf, an der Universitaet als 
Staette des lebendigen (nicht effizienten!) Geistes taetig zu sein, 
ihr Ansehen gruenden?                    (mc)


Gnadenfrist
Wer bei den Kommunalwahlen im Juni mitwaehlen will und 
seinen Hauptwohnsitz noch nicht in Heidelberg hat, hat - 
entgegen urspruenglichen Ankuendigungen - noch bis zum 10. 
Maerz Zeit, sich hier anzumelden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bietet 
Seminare fuer Studentinnen und Studenten an; die wichtigsten 
Termine:
3.-5.12.93: "Frauenstudium - Frauen und Studium - Studierende 
Frauen" in Oberreifenberg/Ts.
11-13.2.94 in Bonn: "Das war der Gipfel"
25.-27.94 in Marktbreit: "Humboldt fuer wenige: 
Graduiertenkollegs"
17.-20.3.94 in Obereifenbreit/Ts.: "Ausbildungsfoerderung fuer 
alle"
Infos und Anmeldungen: GEW Hauptvorstand, Referat 
Hochschule und Forschung, z.Hd. Brigitte Eschenbach, Postfach 
90 04 09, 6000 Frankfurt/M.90


Mahlzeit -
Was Ihr schon immer ueber Eure Mensa wissen wolltet

"Uaeaeh, jetzt greift die da schon wieder mit diesen Handschuhen 
rein!" Unueberhoerbar formuliert eine Kommilitonin ihren Protest 
gegen die Praktiken des Nudelausteilens in gewissen 
Heidelberger Mensen. Ihre Nachbarin in der Schlange faellt, aus 
akutem Anlass, ein: "Und diese Tabletts! Total vollgeschmiert! 
Warum essen wir nicht gleich mit den Haenden!" Und schnippst 
dabei eine widerborstige Nudel zurueck in die Tablettmitte.
Ohne Zweifel zaehlen die Speisebetriebe des Studentenwerks zu 
den wichtigen hochschulischen Kommunikationszentren. Hier 
treffen sich StudentInnen jeden Geschlechts und Alters, jeder 
Fachrichtung und Semesterzahl. Moegen sie auch sonst nicht viel 
gemein haben, eines verbindet sie in jedem Fall: der ungebremste 
Wille, eine schmackhafte (oder zumindest saettigende) und 
zugleich preiswerte Mahlzeit einzunehmen. Und so ist es kein 
Wunder, dass die Mensa das studentische Gespraechsthema 
Nummer Eins darstellt. Wie viele gute Freunde habe ich schon 
beim gemeinsamen Schimpfen auf die Mensa im allgemeinen 
und das Tagesessen im speziellen gewonnen! Und wie viele 
Seniorsemester, die sonst absolute Gelassenheit und 
Abgeklaertheit zur Schau tragen, hoere ich immer wieder 
enthusiastisch und mit roten Wangen die Praedikate "pappig" 
und "schleimig" verteilen!
Aber... sollte es bei Verunglimpfungen dieser Art vielleicht 
weniger um das Essen als ums Laestern, weniger um die Mensa 
als vielmehr ums gemeinsame Gespraechsthema gehen? Die 
Mensa als Maertyrerin auf dem Scheiterhaufen studentischer 
Klatschlust? Eine Frage, die der ruprecht-Redaktion schon seit 
laengerem schwer im Magen lag und sauer aufstiess. Jetzt 
endlich sind wir ihr nachgegangen und konnten im Gespraech 
mit fuehrenden Vertretern des Studentenwerks und in mehreren 
Vor-Ort-Terminen in den Mensen einige Klaerung erzielen.
Um es gleich zu sagen: Des Studierenden taeglich Brot stammt 
keineswegs aus finsteren Hexenkuechen, denen fortwaehrend die 
Angst vor dem Gesundheitsamt im Nacken sitzt. Die Kueche der 
Zentralmensa im Neuenheimer Feld zum Beispiel praesentiert 
sich geraeumig und modern. Einzelne weissgekleidete Gestalten, 
die sich in der grossen, neonbeleuchteten Halle zu verlieren 
drohen, oeffnen von Zeit zu Zeit die Deckel dampfender 
Kocheinheiten und ruehren mit fussballgrossen Schoepfloeffeln 
die Suppen, Sossen oder Gemuesezubereitungen um. Andere 
stehen vor Bergen langer Bratwurstketten, die es zu zerteilen gilt, 
entladen Paletten mit Kartoffelsaecken oder wenden Reihen von 
Fleischstuecken auf grossen Gartabletts.
Es wird kontinuierlich, in mehreren Schueben, gekocht, so dass 
auch Gaeste, die erst gegen Ende der OEffnungszeit kommen, 
kein seit Stunden warmgehaltenes Essen vorgesetzt bekommen. 
Davon ausgenommen sind Speisen wie z.B. Braten, die eine 
laengere Zubereitungszeit benoetigen und deshalb vorgekocht 
und aufgewaermt werden. Ulrike Leiblein, stellvertretende 
Geschaeftsfuehrerin des Studentenwerks, betont, dass grosser 
Wert auf frische Zutaten gelegt werde. Die 
Ernaehrungsphysiologie spiele eine grosse Rolle; so sei z.B. salz- 
und  fettarme und dafuer vitamin- und ballaststoffreiche Kost 
selbstverstaendlich, ausserdem muesse natuerlich jeweils eine 
gewisse Kalorienzahl erfuellt sein. 
Wenn mittags die ersten Hungrigen herannahen, werden an den 
sarggrossen Kochcontainern Zapfhaehne geoeffnet, aus denen 
sich der Inhalt, sei es Kalbsragout oder Buchweizensuppe, in 
bereitgestellte Troege ergiesst. Diese werden dann in Rollwagen 
gehievt und zur Essensausgabe gefahren, wo sie von den 
wohlbekannten weissbekittelten Damen in Empfang genommen 
werden. Auf ihre Erfahrungen im Publikumsverkehr hin befragt, 
antworten viele der Kuechenhilfen, die ausser an der 
Essensausgabe auch bei der Zubereitung und fuer 
Reinigungsdienste eingesetzt werden, sie faenden die Studenten 
im allgemeinen "ganz nett"; manche, "vor allem juengere", seien 
aber auch unfreundlich oder unhoeflich - jaja, die verwoehnten 
Erstsemester! Aber andererseits sind auch viele Studierende nicht 
voellig zufrieden. Peter Muehlhauser, Abteilungsleiter der 
Mensen und Cafeterien, haelt seine Mitarbeiterinnen fuer "sehr 
motiviert", nur bei hohem Krankenstand und gegen Ende der 
Vorlesungszeit sei die Stimmung mithin ein wenig gereizt. Hinzu 
kommt, dass zumindest die Altstadtmensen ihre 
Kapazitaetsgrenze regelmaessig ueberschreiten, wodurch zum 
Teil erhebliche Mehrarbeit entsteht.
Auf Kritik an ihren Gummihandschuhen reagierten die 
Kuechenhilfen mit Unverstaendnis; sie wuerden aus 
"hygienischen Gruenden" verwendet, um nicht mit blossen 
Haenden ins Essen fassen zu muessen. Ganz ohne Haende geht 
es nicht, denn "da koennten wir ja gleich mit Essstaebchen 
austeilen!" - Die Frage der vielgeschmaehten Blechtabletts ist 
anders gelagert. Immerhin fuehren sie einem im archaischen Akt 
des Quasi-vom-Tisch-Essens das Existentielle der 
Nahrungsaufnahme eindrucksvoll vor Augen, dennoch sollten sie 
nach dem Willen der Geschaeftsleitung laengst abgeschafft sein. 
Das Problem liegt hier in den Spuelautomaten, deren Erneuerung 
seit langem beantragt, aber noch immer nicht bewilligt ist - nicht 
zuletzt deshalb, weil die beiden noetigen Apparaturen bis zur 
Inbetriebnahme rund zwei Millionen Mark verschlingen.
Im bundesweiten Vergleich stehe Heidelberg recht gut da, so 
Studentenwerksgeschaeftsfuehrer Dieter Gutenkunst. Aufgrund 
einer verhaeltnismaessig guten allgemeinen Finanzlage koenne 
das Land Baden-Wuerttemberg erfreulich hohe Subventionen 
zahlen, und das wirke sich direkt auf die Qualitaet des 
Mensaessens aus. Grosser Wert werde auch auf eine 
ansprechende Gesamtpraesentation der Mensabetriebe gelegt. 
Gutenkunst nennt hier vor allem die Geschirrausstattung und das 
geplante Verschwinden der Blechtabletts. Ausserdem verfuege 
bei weitem nicht jedes Studentenwerk ueber ein 
"Schmuckstueck" wie die Mensa im historischen Ambiente des 
Marstallhofs, und die PH-Mensa  werde im kommenden Jahr 
einer grundlegenden Sanierung unterzogen. In der Aufmachung 
der Gerichte selbst koenne man, bedingt durch die Zubereitung in 
grossen Mengen, natuerlich nicht mit dem Durchschnitt der 
Restaurantbetriebe konkurrieren.
 Ein nicht zu unterschaetzendes Problem stellt der 
Geschirrschwund durch Diebstahl in den Mensen und vor allem 
Cafeterien dar. Allein im Zeitraum von Oktober 1992 bis heute 
mussten 5000 neue Kaffeetassen angeschafft werden. Ein 
weiteres beliebtes Objekt fuer den Geschirrklau sind die 
Beilagenschaelchen. "Die sind so praktisch, wahrscheinlich tun 
die Studenten da ihre Radiergummis und Bueroklammern rein!" 
sagt Peter Muehlhauser und beklagt, dass das Entwenden von 
Mensageschirr anscheinend als Kavaliersdelikt gilt.
Umweltfragen werden im Mensabetrieb sehr ernst genommen, 
wie uns Ulrike Leiblein versicherte. Es werden nur biologisch 
abbaubare Putz- und Spuelmittel verwandt, ausserdem werden 
z.B. Joghurtbecher aus Plastik und Wegwerfgeschirr vermieden. 
Die Abfaelle werden natuerlich getrennt, daneben gibt es, wie in 
Grosskuechen ueblich, Schweinekuebel, die eine Verbreitung des 
Heidelberger Mensaessens resp. seiner Reste auch unter dem 
Borstenvieh des Umlands in wirkungsvoller Weise sicherstellen. 
UEbriggebliebenes Essen wird, sofern es noch nicht an der 
Essensausgabe gewesen ist, aufgehoben.
Im allgemeinen laesst sich die Essensnachfrage jedoch recht 
genau vorhersagen. Montags und freitags ist der 
Besucheranstrom am geringsten, gegen Mitte der Woche am 
groessten. Das Angebot des Samstagsessens wird in der Regel 
wenig genutzt, ebenso das Abendessen, das deshalb im 
vergangenen Jahr durch Eintopf ersetzt wurde. 
Einer der vielen Beschaeftigten, die sich taeglich um das 
Mensaessen verdient machen, ist Frank Kassner, ausgebildet als 
Entremetier und als solcher zustaendig fuer Vorspeisen und 
Beilagen. Bevor er vor acht Monaten in die Dienste des 
Heidelberger Studentenwerks trat, hat er sieben Jahre lang in 
kleineren Kuechen einen reichen Erfahrungsschatz angesammelt, 
so z.B. in einem Schweizer Vier-Sterne-Hotel. In kleinen, 
exquisiten Restaurants sei natuerlich ein viel kreativeres Arbeiten 
moeglich als in einer Mensa, berichtet er. Aber auch die 
Grosskueche stellt eine Herausforderung fuer ihn dar, denn 
entgegen der landlaeufigen Meinung sei es bei weitem 
schwieriger, 5000 Essen zuzubereiten als zwei. Der Grund fuer 
den Wechsel lag in seinem Fall vor allem in den guenstigen 
Arbeitszeiten - "Wenn man schon um 15.00 Uhr Schluss hat, 
bleibt natuerlich mehr Zeit fuer die Familie als bei den sonst 
ueblichen geteilten Schichten."
Karl-Heinz Weber, Chefkoch in der Marstallmensa, bestaetigt 
dies. Er arbeitet schon seit 15 Jahren in der Mensa und hat 
massgeblichen Anteil an der Speiseplangestaltung und ist auch 
verantwortlich fuer die Lebensmittelbestellung. Zusammen mit 
seiner Kollegin Ilse Steiger, Wirtschafterin im Marstall und  
zustaendig vor allem fuer Hygiene und Personalfragen, hat er die 
Leitung des Betriebs inne. Ihnen stehen u.a. ein Koch, ein 
Beikoch, und etwa 15 Helferinnen zur Seite. (Im gesamten 
Mensabereich sind rund 180 Mitarbeiter beschaeftigt, davon sind 
ca. 100 Kuechenhilfen unterer und unterster Lohngruppen.)
Herr Weber verraet uns auch die vier beliebtesten Heidelberger 
Mensagerichte: Spaghetti Bolognese, Kartoffelfondue, Calamares 
mit Remouladensauce, und Kaesespaetzle "Allgaeuer Art". Fuer 
1000 Portionen Spaghetti Bolognese benoetigt man z.B. 80 kg 
Spaghetti, 10 kg Margarine, 120 kg Rinderwurstfleisch und 8 kg 
geriebene Knochen aus der eigenen Metzgerei, 20 kg 
Tomatenmark aus der Dose, 3 kg Trockenzwiebeln, 10 kg 
OEkomehl, 0.6 kg Knoblauch, 0.1 kg Chili-Powder, 0.2 
Wuerden Sie diesen Herren eine Bratwurst abnehmen? Taeglich 
stopfen die Mitarbeiter der Mensen die hungrigen Maeuler von 
ueber 10.000 Studierenden.
Die 4 Mensen des Heidelberger Studentenwerks haben 
zusammen 3.078 Plaetze  und geben waehrend der 
Vorlesungszeit taeglich bis zu 10.000 Essen aus, 1992 insgesamt 
rund 1.2 Mio. (davon 5700 an Gaestepreiszahler und bei 
offiziellen Anlaessen der Hochschulen), und zwar im 
ungefaehren Verhaeltnis Marstall = 3 : Uniplatz = 5 : 
Neuenheimer Feld  = 8 : PH =  1/3. Die Essen wurden gewaehlt 
im Verhaeltnis Stammessen I : Alternativessen II = ungefaehr 9 : 
5 


Graffiti spruehend... farbentragend.  

Heidelberger Korporationen zeigen sich mal als Gralshueter der 
Tradition, ...
... mal als Mittler der Moderne in WG-Atmosphaere
Ehrenhaendel und Protektion, 2-Liter-Bierkruege und scharfe 
Mensuren: Studentische Korporationen liefern seit anderthalb 
Jahrunderten Stoff fuer Geschichten und Geruechte, 
Vermutungen und Verdaechtigungen. Zwar sind korporierte 
Studenten - Mitglieder von Landsmannschaften, Corps, 
Turnerschaften, Vereinigungen, Verbindungen und 
Burschenschaften also - heute zahlenmaessig nur noch eine 
winzige Minderheit: 1985 hatten die Buende in der 
Bundesrepublik etwa 22.000 studententische Mitglieder, also 1,6 
% aller Studierenden und 2,6 % der maennlichen. Ihren 
Bedeutung aber schaetzen viele - vor allem aufgrund der  etwa 
150.000 sogenannten Alten Herren - sehr viel groesser ein, als 
diese Zahl vermuten laesst.
Die Korporationen unterscheiden sich stark voneinander. Es 
bringt also nichts,, alle ueber einen Kamm zu scheren. Damit tut 
man den einen Unrecht und schont die anderen zu sehr. Ein 
ruprecht-Team hat (fast) alle Heidelberger Korporationen 
aufgesucht, um sich zumindest in dieser Stadt einen UEberblick 
zu verschaffen. Es ist natuerlich weitgehend eine Sicht des 
Aussenstehenden, denn wir sind als Journalisten und nicht als 
Bundesbrueder empfangen worden. Vier Korporationen wollten 
mit uns ueberhaupt nicht reden - ueber die Saxo-Borussen, die 
Vandalo-Guestphalen (aeUEber uns ist nicht viel bekannt, und 
wir wollen auch, dass das so bleibt"), die Ghibellinen und die 
Afranier muessen wir also weiterhin unsere Vorurteile und vor 
allem jene der anderen Buende verbreiten.

In Heidelberg leben etwa 800 Studierende in den hier vertretenen 
34 Korporationen. Das sind etwa 2,4% aller Immatrikulierten 
und 5% aller maennlichen Studierenden. 25 Frauen sind 
Mitglieder in den drei gemischten Buenden Hercynia, Stauffia 
undHasso-Rhenania und in der Damenverbindung Nausikaa. 
Selbst eine Schuelerkorporation gibt es, das Penalcorps 
Allemania Bruenn zu Heidelberg.
Der Versuch, diese Vielzahl von Korporationen nach 
verschiedenen Kriterien wie Anschaung, etwaige ideologische 
Ausrichtung, Strenge der internen Regeln, Bindung der 
Mitglieder aneinander oder Kontakt zum Rest der Welt 
einzuteilen, ist natuerlich auch dem ruprecht-Team nicht sauber 
geglueckt. Zu unterschiedlich sind die Auspraegungen: Eine 
farbentragende und schlagende Verbindung ist nicht 
notwendigerweise von ewiggestrigen Reaktionaeren durchsetzt 
(obwohl es das durchaus gibt). Und wer keine Farben traegt und 
nur fakultativ schlaegt, ist nicht automatisch ueber den Verdacht 
der Selbstsabschottung erhaben. 
Trotzdem muss man die grossen Unterschiede zwischen den 
einzelnen Korporationen sehen. Zum Beispiel, was die Enge der 
Bindung der Mitglieder an den Bund, die Strenge der Rituale, die 
"Steilheit" betrifft: Auf den Haeusern der Hercynia, der Stauffia 
oder der Akademischen Turnverbindung Hasso-Rhenania fuehlt 
man sich eher wie in einer lockeren Wohngemeinschaft. Beim 
ATV drueckt ein mit Graffiti verzierter Kneipsaal nebst einem 
riesigen Marboro-Plakat ein gewandeltes Lebensgefuehl aus. 
Immerhin treibt man noch, um dem Namen gerecht zu werden, 
gewissenhaft anderthalb Stunden Sport in der Woche.  Die 
Stauffier legen Wert darauf, Vereinigung und nicht Verbindung 
genannt zu werden. Die Hercynia wird einem von anderen 
Korporierten mitunter gar nicht mehr als Korporation vorgestellt.
 Auf der anderen Seite unterwerfen sich die Mitglieder der 
KSCV-Corps, einiger Landsmannschaften und Burschenschaften, 
einem  strengen Regiment, vor allem als Fuechse: Es gibt viele 
Pflichtveranstaltungen und es wird erwartet, dass man viel Zeit 
fuer die Verbindung aufbringt und sich den Burschen und den 
Chargen auf dem Haus unterordnet. In den konservativen 
Verbindungen schweigen die Fuechse tatsaechlich, wenn der 
Fuchsmajor auf der Kneipe sein "Silentium" bruellt. Zur 
Unterordnung gehoert auch der Saufzwang. Gibt es ihn noch? 
Wenn man in den Korporationen nachfragt, nicht im eigenen 
Bund, sehr wohl aber bei einigen anderen. Wieder werden die 
KSCV-Corps genannt. Auch in den Korporation dazwischen legt 
man Wert darauf, dass sich die Leute stark mit dem Bund 
identifizieren. "Das hier ist eine Schule fuers Leben", meint 
bedeutungsschwanger ein Student von der Rheno-Palatia, "von 
den Leute wird erwartet, dass sie sich engagieren". Und beim 
Heidelberger Wingolf, einer im Ursprung evangelischen 
Korporation,  ist auch klar, wer sich wem unterzuordnen hat: 
"Wenn es keine Senioren gaebe, wer wuerde dann sagen, wo es 
langgeht?" Die meisten anderen Korporationen schauen dann 
auch recht abschaetzig auf die lockereren Buende der Hasso-
Rhenanen, der Hercynen und der Stauffier herab. Dort sehen sie 
auch das eigentliche wichtigste Korporationsprinzipien 
gefaehrdet: Das Lebensbundprinzip. Wer z.B. einmal in eine 
Turnerschaft eintritt, bleibt auch nach seinem Studium Mitglied, 
als sogenannter Alter Herr. Die Alten Herren haben wie die 
Burschen (nicht aber die Fuexe) Sitz und Stimmen im Gesamt-
Convent, bilden aber zumeist auch ein eigenes Gremium, dass 
ueber Mitgliedsbeitraege die Korporationshaeuser verwaltet (und 
vor allem bezahlt). In welchem Masse sich die Alten Herren 
ueberhaupt an Conventen beteiligen und mit ihrem Stimmrecht 
auch mal jugendlichen UEbermut bremsen, ist unterschiedlich. 
Manchmal gibt es allerdings auch schwere Konflikte mit der 
Altherrenschaft. Als die Koporationen Ende der sechziger Jahre 
von der Studentenbewegung ueberrollt zu werden drohte, 
versuchten einige Korporationsstudenten, auch ihren Bund zu 
reformieren und gerieten damit mit den Alten Herren aneinander. 
Bei der farbentragenden (aber als ueberhaupt nicht "steil" 
geltenden) Wartburg-Verbindung ist das Verhaeltnis zu den 
Alten Herren z.B. merklich abgekuehlt, seit die Aktiven Ende der 
Sechziger aus ihrem Wahlspruch "Wissenschaft, Freundschaft, 
Vaterland" das Vaterland strichen.   
Meist aber stehen die Alten Herren den Studenten der 
Korporation mit Rat und Tat zu Seite und haben ihrerseits  in der 
Korporation ein Zuhause.  "Generationenvertrag" nennen es die 
Korporationen,; "elitaere Seilschaften" nennen  es deren Gegner. 
Der Alte hievt den Jungen in die  guten Positionen und baut so 
den Einfluss sphaeren fuer eine bestimmte Art von Leute auf. In 
den Korporationen selbst streitet man solche Netzwerke 
natuerlich ab ("Tips werden schon gegeben, und man lernt halt so 
manchen kennen..."  Es ist aber auffaellig, dass sich in manchen 
Firmen oder auch oeffentlichen Institutionen erstaunliche 
Anhaeufungen von Bundesbruedern einer Korporation oder eines 
Verbandes wiederfinden: Der Chef ist "zufaellig" ein 
Bundesbruder seines Referenten, der Referent hat gleich einen 
hervorragenden Juristen aus dem gleichen Bunde mitgebracht. 
Solche "Mini-Kartelle" entstehen, gleich ob es sich um Brueder 
eines elitaerer Corps, einer kathollischen Verbindung oder einer 
Landsmannschaft handelt. Ein grosser Dachverband wie der CV, 
der CC oder die DB erleichtern solche Entwicklung natuerlich. 
Man kann wohl nicht von einer Umklammerung der Gesellschaft 
durch eine korporierte Elite sprechen; dafuer ist auch die 
Altherrenschaft zu klein (1985: etwa 150.000) und der 
Rechtfertigungsdruck z.B. fuer Personalchefs zu gross (wie 
uebrigens die Korporationen selbst nicht muede werden, zu 
betonen).. Die Grenze zwischen wohlwollender Einstellung und 
reiner Protektion ist nun einmal fliessend. Man stellt halt gerne 
Leute ein, die man kennt oder die einem empfohlen wurden Von 
verschiedenen Seiten allerdings bestaetigt: Die Existenz von 
Listen, mit Namen von Bundes- oder Verbandsbruedern, die 
einen Job brauchen. Es gibt aber auch schwarze Listen, auf denen 
Mitglieder stehen, die desertiert haben. Die muessen sich dann 
um eine Position bei einem ehemaligen Bundesbruder gar nicht 
erst bewerben. Das Austreten empfinden die meisten 
Korporationen als aeusserst ehrlose Sache ("Verrat am 
Generationenvertrag"). 
Grosse Unterschiede gibt es bei der Art, wie mit politischen und 
Weltanschaulichen Aussagen umgegangen wird. Die Verbaende 
im CC (in Heidelberg die Rheno-Palatia, die Teutonia ,die 
Afrania, die Ghibellinia und die Fridericiana) unterlassen zwar 
offiziell politische Aussagen. Intern aber gab es in der letzten 
Zeit harte Konflikte um rechtsradikale AEusserungen eines Alten 
Herrn beim Jahrestreffen im CC. Fuer die katholischen 
Verbindungen (Arminia, Ferdinandea,Palatia, Ripuaria und die 
Unitas Heidelberg /Kurpfalz) gilt zwar, dass sie als Korporation 
sich nicht zur Politik aeussern. Trotzdem haben sie 
weltanschauliche, natuerlich auf der katholischen Lehre fussende 
Grundsaetze, hinter denen ihre Mitglieder auch stehen muessen. 
Die  Deutsche Burschenschaft (Mitglieder in Heidelberg: 
Burschenschaft Normannia, Burschenschaft Frankonia) hingegen 
aeussert sich explizit politisch -  und zwar sehr national. Ein 
Normanne erzaehlt uns, dass man mit Deutschland alle Gebiete, 
wo Deutsche wohnen, meint  - einschliesslich der Gebiete 
jenseits der Oder-Neisse-Grenze und OEsterreichs.. Die deutsche 
Kultur will man dort pflegen - auch wenn man "fuer die 
naechsten 30 Jahre" davon absehen will, diese Gebiete 
"einzugemeinden". Es wundert nicht, wenn zumindest einige 
Mitglieder mit den Republikaners sympatisieren. "Wir muessen 
uns nicht schaemen, Deutsche zu sein, und wollen nicht mehr vor 
Juden buckeln" sagt Burschenschafter in entwaffnender 
Offenheit. Auf Flugblaettern, die im Fruehjahr die Bildung einer 
rechten Hochschulgruppe aehnlich wie in Mannheim 
ankuendigten, gab sich der Verfasser als bei der Normannia 
wohnend zu erkennen. 
Zur Vereinigung Deutscher Burschenschaften, einer Abspaltung 
der Deutschen Burschenschaften, gehoert die Burschenschaft 
Vineta. Sie wollten den strammen Kurs der DB nicht mehr 
mitmachen und sich einem liberaleren Dachverband 
anschliessen, der im Gegensatzu zur DB auch die europaeische 
Einigung foerdern moechte. 
In eine Burschenschaft der DB werden natuerlich nur Maenner 
"deutscher Volkszugehoerigkeit" aufgenommen. Auch 
Zivilidienstleistende haben dort nichts zu suchen: Das 
Mensurenschlagen steht, so sagt uns ein Burschenschafter, im 
Widerspruch zur Verweigerung des Dienstes an der Waffe. Die 
meisten anderen Korporationen nehmen ehemalige 
Zivildienstleistende und auch Auslaender auf. Beim Wingolf 
sollten sie aber schon Christen sein, bei den meisten katholischen 
Verbindung Katholiken.  
Frauen aber passen - zumindest als Mitglieder - nicht in das Bild 
der meisten  Korporationen (mit den eingangs erwaehnten 
Ausnahmen). Warum? Die meisten Buende berufen sich auf 
gewachsene Traditionen, fuehren eine besondere Atmosphaere 
ins Feld, die in reinen Maennergemeinschaften herrscht. 
natuerlich seien Frauen bei den meisten Gelegenheiten 
willkommen, werden die rein maennlichen Korporationen nicht 
muede zu betonen. Auf den allermeisten Haeusern koennen sie 
auch uebernachten. Aber gelegentlich wolle man, bitteschoen, 
auch unter sich sein. Es sei eben etrwa anderes, ob man sein Bier 
unter Maenner oder im Beisein einer Frau trinkt. Das sie damit 
Frauen - auch ihre Freundinnen oder Verlobten zu blossen 
schmueckenden Anhaengseln degradieren koennen, weisen alle 
von sich. "Auch Frauen haben schliesslich Kraenzchen oder 
aehnliches, wo sie unter sich bleiben wollen". Die 
Damengalerien, auf denen die Frauen ihren Herren beim Trinken 
beobachten duerfen, sind aber angeblich verwaist. Die rein 
maennlichen Korporationen weisen auf die lockere Strukturen der 
Gemischten: "Das sind doch nur noch Wohngemeinschaften", 
sagen sie und geben der Tatsache, dass Frauen aufgenommen 
wurde, mit die Schuld.
Das offensichtlichste Unterscheidungsmerkmal von 
Korporationen aber ist natuerlich die Frage, ob sie schlagend 
oder nicht schlagend sind: Mitglieder von schlagenden 
Korporationen (in Heidelberg sind das die DB-Burschenschaften, 
die CC-Mitgliedsbuende und die Corps; die Karlsruhensia und 
die Leonesia sind fakultativ schlagend, erlauben ihren Mitglieder 
also, bei anderen mitzufechten) muessen mindestens zwei, oft 
auch wesentlich mehr Fechtpartien mit scharfen Waffen 
schlagen. "Es ist eine Bewaehrungsprobe ", begruendet man beim 
Corps Rhenania die Verpflichtung zum Schlagen, "es 
symbolisiert die Bereitschaft, fuer eine gemeinsame Sache ein 
Risiko einzugehen." Den Schmiss auf der Wange eben. 
Die schlagenden Korporationen in Heidelberg haben sich fast alle 
unter dem irrefuehrend neutralen Namen "Heidelberg 
Interessengemeinschaft" zusammengetan. Hier suchen sich die 
Mitglieder einen Fechtgegner fuer Mensuren. Gefochten wird in 
der Regel mit Koerperschutz, Brille, Nasenschutz und bisweilen 
mit Wangenschutz fuer diejenigen, die einen Schmiss auf der 
Backe nicht als die Kroenung ihres universitaeren Wirkens 
sehen. Hier kann man aber - und das  gab es gut informierten 
Kreisen zufolge auch im letzten Semester mindestens einmal - 
"Ehrenhaendel" austragen - ein Beleidigter ficht mit seinem 
Beleidiger einen Streit aus. Bei dieser "Persoenlichen 
Contrahage", wie das Duell genannt wird, " geht es dann richtig 
zur Sache," erzaehlt man uns bei der Zaringia, "da ist alles 
erlaubt, da gibt es keine Beschraenkungen." Auch Verbindungen 
untereinander fechten mitunter noch um die Beseitigung von 
Streitfaellen. Das nennt sich dann "Pro Patria", und hier wie bei 
Duell geht es wirklich darum, den Gegner zu verletzen und es 
kann zu boesen Verletzungen kommen. Obgleich dies sowohl die 
Satzungen verbieten als auch ein Straftatbestand kurz vor seiner 
Erfuellung steht, wird so etwas - wenn auch selten - immer noch 
praktiziert und gedeckt. 
Eine Klasse fuer sich, auch beim Fechten, bilden die Corps des 
Koesener Senioren Convent-Verbands. Die Trennung zwischen 
ihnen und dem Rest der Korporationen ist scharf. Sie haben ihre 
eigenes Stammlokal in der Altstadt - den Seppl (auch wenn der 
ihnen inzwischen stark von amerikanischen Touristen mittleren 
Alters streitig gemacht wird). "Der Wirt wuerde uns an uinserem 
Band erkennen, dass wir nicht zu einem Corps gehoeren, und uns 
hinauskomplimentieren", beschreibt ein Rheno-Palatier die 
Abgrenzung, "ebenso wuerde unser Wirt im "Schnookeloch" 
keine Corpsstudenten bedienen, wenn sie sich durch ihre Farben 
verraten".  Die Koesener fechten - zumindest offiziell - auch nicht 
mit Mitgliedern anderer Korporationen. UEber sie bluehen die 
Geruechte auch deshalb so ueppig, weil sie sehr in sich 
geschlossen sind (auch mit ruprecht wollten die meisten von 
ihnen nicht sprechen, zumindest nicht offiziell). Nur soviel: Die 
Corps haben sich traditionell als die Elite der Korporationen 
verstanden. Fragt man bei anderen Korporationen nach den 
"steilsten", d.h. strengsten Korporationen, so hoert man zumeist 
die Namen "Saxo-Borussia", "Suevia". Viele andere Korporierte 
fuehlen sich auf den Haeusern dieser Buende auch nicht 
willkommen, weil sie z..B. glauben, mit deren Trinksitten 
auszukommen "die trinken bis zum Abwinken; nach dem ersten 
2-Liter-Krug rennen das zum Papst (Kotzbecken), dann wieder 
zurueck und gleich weiter; das ist nicht unser Ding".
Nach allem bleibt die Frage, warum man in eine Korporation 
eintritt - zumal, wenn die Moeglichkeit der Protektion durch die 
Alten Herren doch nach Angaben der Korporierten ausscheidet. 
"Die Freundschaft!" sagt man uns z.B. bei der Frankonia, "man 
lebt mit anderen zusammen in einer festen Gemeinschaft, fuehlt 
sich als Einzelner aufgehoben, es gibt ein Programm, an dem 
man teilnehmen muss." "Allein wuerde ich ja ohnehin den Arsch 
nicht hochkriegen", kommentiert ein Fux sein Motiv. Die 
Bindung ensteht ueber die Verbindung. In der katholischen 
Unitas spricht vonTraditionen, die einem Halt in der 
unuebersichtlichen modernen Welt bieten. Es sind nicht selten 
gerade die Neulinge, die Althergebrachtes besonders gerne 
hochhalten. Ja will denn keiner ein preiswertes Zimmer? Oh 
doch. Bei der Karlsruhensia sagt man es offen: Die meisten Leute 
kommen erst einmal der billigen Bude wegen. 
Einer der in vielen Korporationen nicht seltenen Auslaender 
weiss noch etwas: "Mich reizt der einfache und angenehme 
Zugang zur deutschen Kultur". Hoffentlich verpasst er da nichts.  
(hb & hn in Zusammenarbeit mit gz, io, rz, step, sw) 

Damen in Couleur schlagen sich nicht

Zu Besuch bei der Damenverbindung Nausikaa
UEber mangelndes Interesse koennen sich die Maedchen  mit 
dem schwarzen Samtbarett und der rot-goldenen Schleife an der 
Brust nicht beklagen. Die RNZ berichtete  ueber sie, in Suedwest 
3 waren sie erst vor einigen Tagen zu sehen, und nun interessiert 
sich auch noch ruprecht fuer sie: Damenverbindungen scheinen 
gerade "in" zu sein. Ist es einfach das etwas Exotische, das einer 
akademischen Damenverbindung  anhaftet, oder was macht die 
Anziehungskraft dieser Damen in Couleur aus?
Vor sechs Jahren gegruendet, koennen deren fuenf aktive 
Mitglieder heute fuenf Hohe Damen zaehlen. Wenn man bei 
einem Besuch in ihrem Keller auch mal eine farbentragende 
Dame etwas hoeheren Semesters antrifft, von der man nicht 
vermutet, dass sie noch vor zwei Jahren studiert habe, so braucht 
man sich darueber nicht zu wundern; um Mitglied zu werden, 
muss man vorher nicht aktiv gewesen sein. "Ein Jahr Keilarbeit 
der Maedchen", antwortet die Hohe Dame auf die Frage, was sie 
zum Eintritt in die Verbindung bewogen habe: "Zu meiner Zeit 
gab es sowas ja noch nicht."  Finanzkraeftige Mitglieder koennen 
die Nausiken weiss Gott gebrauchen. Sie muessen sich z.B. mit 
einem Keller in der Altstadt zufrieden geben, in dem ihre 
Veranstaltungen wie Vortraege, Baelle, Feten und aehnliches 
stattfinden. Gekneipt wird dort uebrigens auch, wenn auch mit 
Sekt statt mit Bier, ebenso wie sie viele andere Traditionen von 
ihren maennlichen Kollegen uebernommen haben. 
Auf Tradition und Konventionen legen sie viel Wert. "Was alle 
Korporationen gemein haben, ist wohl, dass sie auf gute 
Umgangsformen besonderen Wert legen", meint Susanne, und 
das koenne im spaeteren Leben ja nie schaden. Zu etlichen 
anderen Verbindungen pflegen sie Kontakte, und da sie selbst 
sehr traditionsbewusst sind, gehoeren farbentragende und auch 
schlagende eher zu ihrem Bekanntenkreis als diejengen, die 
kaum noch den althergebrachten Vorstellungen einer Verbindung 
entsprechen. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die 
Meinung anderer Vereinigungen ueber sie. Von einem 
bemitleidenden "Die sollen man machen..." oder "Das ist ja nur 
so ein Abklatsch maennlicher Verbindungen" bis zu "Nausikaa? 
Das sind doch richtige Hardliner, so mit allem drum und dran, 
ne? Die sind bestimmt bei diesen harten Bruedern als 
Heiratskandidatinnen gut gefragt!" reichen die AEusserungen. 
Doch gerade auf die Frage, warum sie denn eine 
Damenverbindung gegruendet haben - man haette ja auch in eine 
gemischte eintreten koennen -, antworten die Nausiken, dass sie 
etwas Neues schaffen wollten, denn die gemischten seien ja aus 
den maennlichen Verbindungen entstanden und wuerden somit 
deren Traditionen einfach auf die Frauen uebertragen. Ein 
scheinbar ueberzeugendes Argument, doch diesen Eindruck habe 
ich bei meinem Besuch der Stauffia z.B. ueberhaupt nicht 
gewonnen; wie in einer ganz lockeren WG leben deren 
Mitglieder zusammen. Dass man eben auch eine "Vereinigung" 
und keine "Verbindung" sei, darauf legen sie viel Wert, und 
einige moechtem am liebsten noch den Namen abschaffen. Nicht 
einmal dem Anspruch der dem Namen nach "akademisch-
musischen Vereinigung" muss man gerecht werden; auf dem 
Kamm blasen zu koennen, genuegt schon als musische 
Qualifikation. 
Ein weiterer Hauptgrund der Nausiken fuer ihre Gruendung sei 
der Lebensbund zu anderen Frauen gewesen, denn eine wirklich 
enge Beziehung koenne man nur zu seinem Lebenspartner und 
daneben noch zu anderen Frauen haben. Obwohl sie zugeben, auf 
Tradition viel Wert zu legen, wehren sich die Nausiken dagegen, 
als "Hausmuetterchen" bezeichnet zu werden. Zwar sei sie keine 
Feministin, aber ihre Karriere solle auch nicht zu kurz kommen, 
sagt Nina. Mit ihrem Mann habe sie die Erziehung der Kinder 
gerecht aufgeteilt; jeder hat bisher in seinem Studium dafuer 
schon zurueckgesteckt. Ob sie Karriere oder Familie ihre 
Prioritaet gebe, koenne sie nicht so pauschal beantworten, sagt 
sie, waehrend ihre Farbenschwestern den anwesenden Gaesten 
Gluehwein servieren.                (gz)

Erst Rebellen, dann Rekruten

Eine sehr kurze Geschichte der Korporationen
Schon im Mittelalter gab es landsmannschaftliche 
Studentenvereinigungen, in denen sich Akademiker aus jeweils 
einer Region in einer fremden Universitaetsstadtr 
zusammenschlossen. Zu Beginn des 18. Jahrhunders gruendeten 
sich die ersten Burschenschaften als Studentenbuende, die fuer 
eine Einigung des damals zersplitterten Deutschlands und fuer 
buergerliche Rechte gegen die absolutistischen Landesfuersten 
eintraten.  Damit gerieten sie natuerlich schnell in den Konflikt 
mit der Obrigkeit und zwang die Burschenschaften zu einem 
Wirken im Untergrund oder in Grauzonen. Die neu gegruendeten 
Landsmannschaften und die Corps hingegen waren schon damals 
eher konservativ. Schon waehrend der Revolution von 1848 war 
das studentische und korporierte Spektrum laengst nicht mehr 
geschlossen auf Seiten der Demokratie.
Nach 1860 schwenkten die Burschenschaften in Nachahmung 
der Corps auf eine elitaer-konservative Linie ein. Auch 
Turnerschaften, Landsmannschaften und bald auch die 
katholischen Verbindungen stellten keine progressiven Elemente 
in der Gesellschaft mehr dar. In den 80er Jahren des 19. 
Jahrhunderts verstaerkten sich in allen Korporationen - allerdings 
in unterschiedlicher Intensitaet - antisemitische Tendenzen.
Nach dem Ersten Weltkrieg schlossen nur wenige Buende mit 
der Weimarer Republik ihren Frieden. Auch wenn einige 
Korporationen heute damit werben, dass sie von den Nazis 
verboten wurden, so begruessten doch die allermeisten von ihnen 
die Machtuebernahme durch Hitler. Bei den Konflikten mit dem 
Nationalsozialistischen Studentenbund, die schliesslich zu 
Verbot oder Selbstaufloesung fuehrten, ging es zumeist nicht um 
Ideologie, sondern um dessen Alleinvertretungsanspruch. Nach 
dem zweiten Weltkrieg blieben die Korporationen fuer eine kurze 
Zeit von den Allierten verboten, wurde jedoch bald wieder 
zugelassen und erhielten in den allermeisten Faellen ihre 
beschlagnahmten Haeuser wieder zurueck. Das 
Korporationsleben erwachte wieder. Mit der Studentenbeweung 
um 1968 aber kam ein noch groesserer Einschnitt als 
Machtuebernahme und Weltkrieg: Die Anzahl der Aktiven sank 
rapide, sowohl bei den Korporationen, die mit Reformversuchen 
reagierten, als auch bei jenen, die ihrem Althergebrachten 
verhaftet blieben. Auch in Heidelberg blieben einige 
Korporationshaeuser leer oder wurden von einem einsamen 
Aktiven gehalten. Zu Beginn der achtziger Jahre aber erholten 
sich die meisten Korporationen ein wenig. Trotz steigender 
Studentenzahlen kamen sie 1985 allerdings nur auf etwa die 
Haelfte der Mitglieder von 1966.
Heute gibt es in Deutschland 800 aktive Korporationen, die sich 
in  18 Dachverbaenden organisiert haben. Die groessten 
Einzelverbaende sind der Cartellverband katholischer deutscher 
Studentenvereinigungen (CV) mit  und der Kartellverband 
katholischer deutscher Studentenvereine (KV), mit 
weltanschaulichen, nicht aber politischen Positionen. Der 
drittgroesste Dachverband, der Coburger Convent, versteht sich 
als unpolitisch. Rechtsradikale Toene beim letzten Convent 
fuehrten allerdings in den vergangenen Monaten zu erbittertem 
Streit innerhalb des Verbandes. Die Deutsche Burschenschaft 
(DB), einer weiterer grosser Verband,  macht hingegen bewusst 
politische Aussagen.  Streit in diesem Verband ueber zu 
nationale Toene und Interventionsfreudigkeit des Dachverbandes 
in die einzelnen Burschenschaftene hinein fuehrte zur Abspaltung 
der "Vereinigung Deutscher Burschenschaften" (VDB), die sich 
liberaler und weniger national gibt. Der  Mitgliedskorporationen 
des Koesener Senioren-Convents-Verbandes (KSCV) spielen 
auch in Heidelberg eine Sonderrolle, die sich aus dem 
althergebrachten Eliteanpruch seiner Corps erklaert.                          
(hn)

Glossar

Aktive: alle aktiven Mitglieder einer Korporation, also Fuexe und 
Burschen.  In den meisten Korporationen wird man nach 3-4 
Semestern aeinaktiviert", dieTeilnahmean Veranstaltungen ist 
nicht mehr verbindlich.
Alte Herren: ehemalige Korporationsmitglieder, die nicht mehr 
studieren.
Charge: Amt innerhalb einer Korporation; dieerste Charge ist die 
des Seniors, der die Verbindung nach aussen vertritt. Daneben 
wichtig: Fuxmajor, der fuer die aeAusbildung" der Fuexe 
verantwortlich ist.
Convent: Versammlung der Aktivitas und/oder der Alten Herren; 
waehlt Chargen und bestimmt das Programm.
Fux/ Bursche: Ein Neumitglied einer Korporation ist zunaechst 
fuer 1-2 Semester Fux; in diesem Zeitraum soll er die Geschichte 
und Braeucheder Verbindung kennenlernen. Nach der Burschung 
(je nach Verbindung: UEbernahme einer Charge; Schlagen der 
ersten Mensur; Wissenspruefung) spricht man vom Burschen.
Kneipe: Gesellige Veranstaltung einer Korporation auf ihrem 
Haus; die Intensitaet des Alkoholkonsumes variiert je nach Bund 
stark. Zumeist Maennersache.
Mensur: Gefecht zwischen zwei Mitglieder einer schlagenden 
Verbindung mit scharfen Waffen, das nach einer festgelegten 
Zahl von Schlaegen beendet wird.


Ruprecht goes to the Movies

Der Mann ohne Gesicht
Frage: Warum wurde dieser Film gedreht? Antwort: Mel Gibson 
wollte sich als Charakterschauspieler etablieren und aller Welt 
endlich beweisen, dass es nicht nur seinen koerperlichen 
Vorzuege sind, die die Kinosaele fuellen. Konsequenz: Er 
produzierte sich selbst einen Streifen, in dem er als durch Unfall 
entstellter Ex-Lehrer einen schwierigen Jungen zum Lernen und 
damit wieder auf den rechten Weg bringt. Dass er schliesslich 
vom momentan aktuellen Thema Kindsmisshandlung eingeholt 
wird und der im ebenfalls modischen 70iger Jahre Klima 
angelegte Film schliesslich in amerikanischer Sentimentalitaet 
ersaeuft, versteht sich beinahe von selbst. Message: Wer richtig 
angefasst wird, kann auch Leistung bringen, wer Leistung bringt, 
ist auf dem rechten Weg. Endeinstellung: Der rechtgeleitete 
Juengling besteht die Abschlusspruefung der Militaerakademie. 
Na denn Prost.


Das Wunder von Mācon
Greenaway ist und bleibt der grosse Theoretiker unter den 
Regisseuren. Kaum ein Zeitgenosse hat auf der Leinwand 
derartig gekonnt ueber den Film und sein Verhaeltnis zur 
darstellenden und bildenden Kunst reflektiert, kaum ein anderer 
Regisseur verlangt aber auch seinem Publikum ein derartiges 
kulturelles Hintergrundwissen ab. Mit der Geschichte des 
wundertaetigen Kindes von Mācon, angesiedelt in einer nicht 
naeher bestimmbaren Zeit zwischen Renaissance und Barock 
zitiert Greenaway unzaehlige Traditionen, versetzt Symbole in 
ungewohnte Zusammenhaenge und stellt in seinem gewohnten 
Ausstattungsstil ein ums andere Mal Momente aus der 
Kunstgeschichte nach. Es ist das intellektuelle Vergnuegen, 
wiederzuentdecken und der spielerische Umgang mit den 
Grenzen von Darstellenden und Zusehern, der den Reiz dieses 
Films ausmacht: Die Geschichte wird auf einer Hofbuehne von 
Schauspielern dargeboten, die wiederum von Schauspielern 
dargestellt werden, denen Schauspieler zusehen, denen 
schlussendlich der Kinobesucher zusieht usw: Das grosse 
Weltkino. Einziges Manko des Films ist ausser dem enormen 
Anspruch der eklektizistische Zitierstil des Autors und seine 
Obsession vom Thema Jungfrauengeburt. Wer sich aber schon 
immer einmal davon ueberzeugen lassen wollte, dass Kino Kunst 
und Kunst Kino sein kann, der lasse sich auch nicht durch die bei 
Greenaway ueblichen Gewaltszenen davon abhalten, "Das 
Wunder von Mācon" zu sehen. Besseres im momentanen 
Angebot der Programmkinos zu finden, duerfte schwierig sein.

Demolition Man
Zur Bewertung dieses Films muesste eigentlich noch eine 
ruprecht-Kategorie erfunden werden. Aber geben wir uns Muehe, 
objektiv zu bleiben. 
Der Film wirkt, als haette jemand versucht, um die 
Pruegelszenen herum eine Handlung zu basteln. Leider bleiben 
diese Hauereien auch noch konventionell und einfallslos mit 
Stunts von der billigsten Sorte. Die vor Esprit funkelnden 
Dialoge mit einem schauspielerisch wieder einmal 
ueberzeugenden Silvester Stallone kreisen vornehmlich um die 
Begriffe Arsch und Scheisse. Das mag manchem Kunden 
gefallen.
Eins muss man Silvester lassen: Mehr Muskeln als 
Schwarzenegger hat er. Ziehen wir also einen 
Schwarzeneggerfilm als Orientierungspunkt fuer einen 
genreinternen Vergleich heran. Stellt man die Stunts, die Pruegel- 
und Schiessszenen, die Story und die insgesamt mit diesem 
Holzhammer erzeugte Spannung nebeneinander, dann fragt man 
sich, wie man die Unverschaemtheit besitzen kann, einen Film 
wie Demolition Man zu drehen. Nach Schwarzeneggers 
Terminator II hatte ich das Gefuehl, den ganzen Film ueber die 
Luft angehalten zu haben. Da steckte in der gesamten Action 
etwas, das den Film glaubwuerdig machte. Beim Demolition 
Man hat man schon bald das Gefuehl, hier handelt es sich um 
bewussten Beschiss. Jener drueckte sich ja dann auch in dem 
Wortfeld aus, aus dem die meisten Witze bezogen wurden.

Texas - Doc Snyder...
Da sitzt ein Mann im Western-Look vor einem wildromantischen 
Lagerfeuer, ueber dem sich auf Spiess ein Haehnchen dreht, das 
noch wild mit den Augen rollt. Ein anderer Mann mit einer 
feuerroten E-Gitarre kommt vorbei, drueckt dem Helden (richtig: 
Helge Schneider) das Ding samt Kabel in die Hand, worauf 
dieser "Muss das sein?" murmelt und drei Minuten einen Blues 
in die Nachtlandschaft legt, wie ihn die Welt noch nicht gehoert 
hat. 
Der Film des Exzentrikers mit der vernuschelten Aussprache hat 
genau jene Art von unsinnigen Gags, die die Mundpropaganda 
ankurbeln: ae...und dann laufen die drei Cowboys durch den 
Wald und im Hintergrund hoert man Snyder singen Katzenklo, 
Katzenklo, macht die kleinste Katze froh....." 
Wer ueber Helge Schneiders opus mitreden will, braucht sich 
aber aus den Erzaehlungen nur drei Highlights zu merken, sollte 
herzlich lachen und um Gottes Willen nicht ins Kino gehen. Die 
Zeit um die wenigen guten Gags herum sind zusammenhangslos 
heruntergedrehte, wueste neunzig Minuten, in denen man betet, 
dass dieser Antifilm ein Ende nehmen moege: Langeweile durch 
cineastisches Unvermoegen. Einen ruprecht gibt's fuer den Mut 
zum finalen Nonsens, aber auch eingefleischten Schneider-Fans 
sei ans Herz gelegt, sich den Meister doch lieber in seinem 
eigentlichen Metier anzusehen: auf der Buehne.

Zeit der Unschuld
Neu ist das Thema gewiss nicht: Gutsituierter Mann liebt nettes, 
standesgemaesses Maedchen und ist mit ihr verlobt - bis er 
ploetzlich auf eine andere, faszinierende Frau trifft, die so gar 
nicht den gesellschaftlichen Normen der spiessbuergerlichen 
Welt der New Yorker High Society des ausklingenden 19. 
Jahrhunderts entspricht; hat sie doch einfach ihren Mann in 
Europa verlassen und erwaegt nun auch noch die Moeglichkeit 
einer Scheidung von ihm! Darauf, was Regisseur Martin 
Scorsese aus diesem zeitlosen Thema der verbotenen Liebe 
macht, durfte man gespannt sein. Zugegeben, langweilig ist der 
Film nicht, aber nur knapp gelingt es ihm, ueber eine 
gewoehnliche Love-story, die den Herz-Schmerz eines 
bemitleidenswerten Edelmannes beschreibt, hinauszukommen. 
Was ihn aus der breiten Masse hervorhebt, ist einerseits die teils 
doch recht unkonventionelle Art der Erzaehltechnik, die den 
Zuschauer mal durch seine unterschwellige Ironie zum 
Schmunzeln bringt (aeEs ist herrlich, dass so tiefe Gefuehle trotz 
Fantasielosigkeit bestehen koennen."), mal mit plastischen 
Metaphern beeinduckt (aeNewland fuehlte sich, als sei er 
lebendig unter seiner Zukunft begraben."), andererseits - und 
zum groessten Teil - die schauspielerisch ueberzeugende 
Faehigkeit der Darsteller. Besonders hervorzuheben ist hier 
Daniel Day-Lewis als angesehener Anwalt Newland Archer, der 
auch ohne Worte einiges auszusagen vermag, waehrend Michelle 
Pfeiffer in der Rolle der unkonventionellen Graefin Ellen Olenska 
neben ihm eher blass wirkt. Dass Newland schliesslich sein 
Leben in wohlgeordneten Bahnen an der Seite seiner Frau und 
seinen Kindern verbringt, kommt im Schnellabriss am Ende des 
Filmes ziemlich ploetzlich, aber wenigstens hat sich Scorsese 
nicht zu einem spektakulaeren und damit unglaubwuerdigen 
Ende hinreissen lassen. Im grossen und ganzen ist der Film zur 
Unterhaltung ganz nett, aber hoehere Ansprueche darf man an 
ihn nicht stellen.


Fuer Cineasten, Kinofreaks und Filmliebhaber gibt es jeden 
Mittwoch ein Termin-Muss: Fuer DM 3,- zeigt das studentisch 
organisierte "movie" um 19.30 Uhr in Hoersaal 13 der Neuen Uni 
in diesem Semester folgende "flicks":
15.12.: "Falling Down" 
12.1.: "Das Schweigen der Laemmer" 
19.1.: "Wir koennen auch anders"
26.1.: "Sister Act"
2.2.: "Sommersby"
9.2.: "Taeglich gruesst das Murmeltier"


Das Internationale Filmfestival Mannheim
Bilder mit Tiefenschaerfe

Zum 42. Mal war Mannheim Ende November Schauplatz des 
Internationalen Filmfestivals. UEber 25.000 Besucher sahen in 
der Woche vom 15.-20. November ein besonders reichhaltiges 
und anspruchsvolles Programm internationaler Autorenfilme. Die 
Rueckkehr in die Innenstadt und Konzentration auf die Planken-
Kinos als kommunikative Mitte bestaetigte den Trend: die 
Mannheimer haben das Festival wieder angenommen und zu 
ihrer Sache gemacht! Als Volltreffer in der Publikumsgunst 
entpuppte sich die Reihe aeInternational Previews" mit 
anspruchsvollen Produktionen bekannter Regisseure, die eine 
Bruecke zu noch unbekannten Autoren schlagen sollte.
Seinem Verstaendnis nach ein Festival, das den Film als Kunst 
und nicht als Handelsware betrachtet, setzt Mannheim seit jeher 
einen gesunden Trend gegen die UEbermacht amerikanischer 
Kommerzproduktionen ą la Hollywood. aeEinen Preis in 
Mannheim zu gewinnen hat bisher immer zur Folge gehabt, dass 
die Regisseure es leichter hatten, einen zweiten Film zu 
produzieren oder einen Einkaeufer beim Fernsehen zu finden", so 
Michael Koetz, Direktor und Organisator des Filmfestivals.
Nach sechs, fuer Jury wie Filmkritiker auch physisch recht 
anstrengenden Vorfuehrtagen, an denen viel Sitzfleisch von 
Vorteil war, rueckte die Preisverleihung in greifbare Naehe. Aber 
auch das nichtprofessionelle Publikum hatte nach jeder 
Auffuehrung die Moeglichkeit, ihren Favoriten zu ermitteln. Der 
mit 30.000 Mark dotierte Grosse Preis des Internationalen 
Filmfestivals 1993 ging an eine reale und zugleich fiktive 
Abenteuergeschichte. Peter Delpeut, Regisseur und Mitarbeiter 
des niederlaendischen Filmmuseums, montiert in aeDie 
verbotene Expedition" klassische Filmdokumente aus dem 
ewigen Eis, die von Nordpolexpeditionen Amundsens, Scotts und 
Shackletons stammen, zu einer aemagical mystery tour" in die 
Antarktis. Der Spezialpreis von Mannheim in memoriam Rainer 
Werner Fassbinder wurde dem Beitrag aeVerdunklung in 
Tallinn" von Ilka Jaervilaturi zuteil. Mit den Mitteln des 
Gangsterfilms zeigt er die Probleme der estnischen Gesellschaft, 
beim Umbruch vom planwirtschaftlichen Kommunismus zur 
kapitalistischen Marktwirtschaft. Der Internationale 
Kurzfilmpreis von Mannheim ging an Marie Vermillard fuer 
ihren Beitrag aeDableiben", der in zwanzig Minuten auf sensible 
und anruehrende Weise die Wendepunkte im Zusammenleben 
zweier Frauen erfasst. Der Film ueber Abhaengigkeit, kleine 
Fluchten und das Doch-Dableiben erhielt zudem den Preis der 
evangelischen Interfilm-Jury. Die Jury der katholischen 
Filmarbeit verlieh ihren Preis dem Film 
aeKontinentalverschiebung" von Peter Mettler. Es ist dies ein 
ambitionierter Film ueber zwischenmenschliche und geologische 
(daher der Titel) Beziehungen, ueber Leidenschaften, die Kunst 
und das Leben. Wie die Kontinentalplatten der Erde ist auch 
unsere menschliche Kultur nicht starr verwurzelt in einem festen 
Untergrund - alles ist in ewigem Fluss und Stillstand nur eine 
Illusion.  Der Preis der internationalen Filmkritiker-Vereinigung 
(FIPRESCI) und auch einer der beiden Publikumspreise ging an 
den daenischen Beitrag aeRussian Pizza Blues" von Michael 
Wilke und Steen Rasmussen. Die Jury verlieh den Preis fuer die 
aeunpraetentioese Frische, mit der das europaeische Kino 
vielleicht noch eine Chance gegen die UEbermacht der US-
Filmindustrie hat". Zweiter Publikumsliebling wurde aeAuf 
Sendung" des talentierten amerikanischen Nachwuchsregisseurs 
Bryan Singer.  Sehr kontraer diskutiert wurde die Aufnahme des 
britischen Dokumentarfilms aeSerbische Legenden" in den 
Wettbewerb. Die einseitig-unkritische und daher leicht 
propagandistisch missverstaendliche Darstellung des 
Balkankonfliktes aus der Sicht der serbischen Nationalisten 
(Hauptdarsteller Radovan Karadzic) fuehrte gar waehrend der 
Auffuehrung des Beitrags zu Unmutsaeusserungen im Publikum. 
Einen gewissen Ausgleich in der Betrachtungsweise bot der 
zusaetzlich ins Programm aufgenommene Kurzfilm ueber das 
zwei Wochen vorher zuende gegangene Sarajevo Film Festival. 
Johann van der Keuken drehte einen Beitrag ueber die Bedeutung 
von Kultur angesichts einer so hoffnungslosen Situation, wie die 
der Bevoelkerung in der belagerten bosnischen Hauptstadt. Der 
aeSarajevo Film Festival Film" erhebt eine Stimme des Protests 
gegen das mangelnde Engagement Europas, welches auf Dauer 
gesehen fatale Folgen haben wird.
Die Suche nach Bildern mit Tiefenschaerfe, die in der 
Wahrnehmung Spuren hinterlassen, wird angesichts 
verschwimmender gesellschaftlicher Konturen immer schwerer - 
daran kann auch ein Filmfestival nichts aendern. Festivals sind 
jedoch Orte, an denen die monologischen Strukturen der Medien 
fuer wenige Tage aufgebrochen werden und die Menschen hinter 
den Bildern hervortreten. Vielleicht ist in den Tagen des 
diesjaehrigen Filmfestivals in Mannheim deutlich 
geworden,warum es lohnt, das Kino nicht widerstandslos dem 
Kommerz zu ueberantworten! Fuer das Internationale 
Filmfestival 1994 wird in Zeiten der Kuerzung von 
Kulturausgaben eine Verbreiterung der geographischen und 
finanziellen Basis angestrebt. So wird die Stadt Heidelberg im 
naechsten Jahr parallel mit Mannheim Gastgeber des 43. 
Filmfestivals sein.
(sf)

ruprecht goes Rock'n Roll

Tom Waits/The Black Rider
"LLLAAAAADIIIEEES AND GENTLEMENNNN....", nach der 
schwer verdaulichen "Bone Machine" gibt's eine neue Tom 
Waits, die so neu aber gar nicht mehr ist, weil sie eigentlich 
schon vor mehr als drei Jahren entstand. Damals wurde naemlich 
am Hamburger Thalia-Theater das Stueck aeTHE BLACK 
RIDER" - entstanden nach Freischuetz-Motiven - uraufgefuehrt. 
Kreative Koepfe hinter dieser sehr erfolgreichen Produktion, die 
inzwischen auch am Broadway Triumphe feiert, sind Regisseur 
Robert Wilson, Kultautor William S. Burroughs ('Naked Lunch') 
und Tom Waits. Diese Platte beweist nun mit welcher Hingabe 
und welchem schoepferischen Potential sich Waits an diesem 
Projekt beteiligt hat. Klar, es ist in gewissem Sinne eine 'typische' 
Waits-Platte und wohl auch nicht so avantgardistisch wie aeBone 
Machine" aber es bleibt doch einfach faszinierend, mit welch 
abwechslungsreicher Instrumentierung (da kreischt auch 
schonmal eine Kreissaege auf) und welch ergreifenden, 
herzzerreissenden Songs ('November') er uns in seinen Bann 
zieht.

Cracker/Kerosene Hat
David Lowery, bekanntermassen frueher der kreative Kopf bei 
Camper van Beethoven, hat mit seiner jetzigen Band Cracker die 
zweite Platte KEROSENE HAT abgeliefert. Das Album ist 
hierzulande nur auf CD erhaeltlich, wobei diese jedoch einen 
Gag enthuellt: CD rein in den Player, das Display zeigt an: 99 
Titel! Naja, zuerst kommen 15 regulaere Songs, danach Leerlauf 
durch einsekundige Still-Stuecke und weitere Lieder kommen 
dann bei den Nummern 69, 88 und 99. Ist schon recht witzig 
anzuschauen, wie der CD-Spieler die Titel im Sekundentakt 
hochzaehlt. Musikalisch entfuehrt uns Lowery einmal mehr ins 
Power-Pop-Paradies. Schon vorwaertstreibend, nie zu rockig und 
selbst die lauten Toene verschmelzen hier mit zuckersuessen 
Melodien. Und auch die ruhigere Gangart wie in aeI want 
everything" oder dem Titelsong beherrschen Cracker par 
excellence. Lowery vermag es auf unwiderstehliche Weise, ein 
wenig Country, Folk, Rock, Psychedelic miteinander zu 
verbinden und diese Rock'n'Roll-Toene, die so neu gar nicht sind, 
einzigartig darzubieten. Wirklich gelungen!

Pearl Jam/
Five Against One
Immer dieses Dilemma mit der zweiten Platte, wenn die erste 
eine sehr gute war. Schliesslich birgt die Rockgeschichte 
unzaehlige Beispiele von Musikern, die nach der ersten in der 
Versenkung verschwanden und von dort auch nie wieder 
auftauchten. Was ist also zu tun um erfolgreich zu bleiben, noch 
dazu wenn man selbst Wegbereiter eines Trends ist/war, der 
inzwischen im Todeskampf liegt? Die Vorzeige-Grunger von 
Pearl Jam haben sich das wohl auch ueberlegt und gefolgert: 
weiter geht's, d.h. haerter, komplexer, unbedingt unangepasst 
bleiben. Nach Nirvana's aeIn Utero" kraeht schon kein Hahn 
mehr und auch Pearl Jam sehen sich unweigerlich mit der Frage 
konfrontiert, ob ihre betonte aeFuck the establishment"-
Einstellung nun Masche oder Wirklichkeit ist. Das Spagat 
zwischen kommerziellem Erfolg einerseits und bewahrter 
Unabhaengigkeit andererseits ist bisher noch niemandem 
gelungen. Beispiel MTV-Awards: Sie haben sich zwar echt 
aetzend aufgefuehrt, aber hingegangen und den Preis kassiert 
haben sie trotzdem...Anyway: Mit diesem bissigen, aggressiven 
Album zeigen Pearl Jam, dass sie dennoch auf der Hoehe der Zeit 
sind. Gleich die beiden Opener aeGo" und aeAnimal" sollen uns 
die Kompromisslosigkeit der Band vor Augen (und Ohren!) 
fuehren. Kraftstrotzend, geladen, voll ueberspringender Energie 
und Feeling; herausragend ist das getragene aeIndifference" und 
aeRearviewmirror" ist schlichtweg genial. Diese Platte entfaltet 
sich erst langsam nach mehrmaligem Anhoeren, sie ist laengst 
nicht so eingaengig wie der Vorgaenger. Zu diesem druckvollen, 
fast magischen Pearl Jam-Feeling traegt vor allem auch Saenger 
Eddie Vedder mit seiner eindringlichen und gefuehlvollen 
Stimme bei. Es sieht aus, als haetten Pearl Jam den richtigen 
Weg gefunden.

Phil Collins/Both Sides
Okay, Phil, mag ja sein, dass Dir das Image des netten Typen 
von nebenan zum Halse raushaengt und dass Du dich vehement 
dagegen wehrst, als geldgeiler Ausverkaeufer aller Pop-Klischees 
verschrien zu sein; nur: wer diese Platte gehoert hat, haelt Dich 
sowohl fuer das eine als auch fuer das andere. Zu Beginn des 
Textblattes laesst sich Herr Collins dazu herab, dem Leser/Hoerer 
in einem Vorwort mitzuteilen, wie diese Platte entstanden ist und 
wie die Songs zu verstehen seien. 
Bewundernswert mag ja sein, dass er alle Instrumente selbst 
gespielt und somit die Platte im kompletten Alleingang 
aufgenommen hat. AEusserst aergerlich - und fuer einen 
gelernten Schlagzeuger auch sehr ungewoehnlich - ist da nur der 
Drum-Computer, der in jedem Lied vor sich hin blubbert. 
Musikalisch ist BOTH SIDES selbst fuer vorweihnachtliche 
Kaufhausmusik zu langweilig und textlich dreht sich alles wie 
gehabt um Herz und Schmerz und Weltproblematik. Einsichten 
wie aeLove can make you do things you never dreamed 
possible..." muten ja schon fast revolutionaer an. 
Naja, Phil, Deine Fans werden's trotzdem moegen und Dir ein 
froehliches Weihnachtsfest bescheren, indem sie naemlich 
zusaetzlich zur CD gleich jetzt schon eine Karte fuer Dein 
Konzert im September '94 in der Frankfurter Festhalle zum Preis 
von laessigen 80,-DM kaufen.

Greg Ginn/Dick
Ja, wuetend muss er bei der Aufnahme dieser Platte wohl 
gewesen sein, der Greg Ginn, frueher Gitarrist bei der Hardcore-
Legende Black Flag. Hatte wohl auch allen Grund dazu, bei den 
finanziellen Problemen seines SST-Labels, das durch eine 
Schadensersatzforderung seitens U2 an den Rande des Ruins 
gedraengt wurde. Ja, wuetend ist diese Platte geworden. 
Klassischer Punkrock und mehr mit Gitarre, Bass, Schlagzeug. 
DICK ist wohl absichtlich schlecht produziert worden, Gregs 
Gesang nach hinten gemischt und der klappernde Bass und die 
bissige Gitarre nach vorne. In den Ohren des Hoerers entfacht 
dies ein Trommelfeuer, eine wahre Soundexplosion, wie sie 
selbst stark technisierte Bands wie Ministry beispielsweise nicht 
erreichen. Schwer eingaengig mit berstenden Soli und 
Rueckkopplungen. Aufregend!

Death & drugs & rock'n'roll
Inxs/ 
Full Moon, Dirty Hearts
Diese Suppe ist schnell gekocht: Man nehme eine Handvoll 
sattsam bekannter Rock-Klischees, verkoche das ganze mit den 
Gewuerzen, die die eigene Band zu einer derart erfolgreichen 
gemacht haben und schmecke den Brei mit einer Prise U2 ab. Ob 
das dann allerdings noch schmeckt? Die klare Antwort lautet: 
Nein! Hat man die ersten beiden Songs noch ganz gut vertragen, 
weil sie leidlich gelungen sind, werden die naechsten Bissen 
schon anstrengend und in der Mitte der CD, da wo drei Balladen 
hintereinander kommen, schmeisst man den Loeffel angewidert 
von sich. Schade, schade, aber mit ein paar Rockbeats hier, ein 
paar Dancetracks da, einer verfremdeten Stimme, traurig-
schwelgenden Keyboards lassen sich halt mangelhafte Songideen 
und platte Texte nicht kompensieren. Noch dazu verfallen INXS 
gnadenlos in Selbstplagiate. Am Ende dieses Albums angelangt 
plagt den Hoerer dann die Entscheidungsfrage zwischen zwei 
Wuenschen: Soll ich mir jetzt zuerst INXS aeKick" oder U2 
aeAchtung Baby" anhoeren?
(jk)





ruprecht-Musik-Quiz, 2. Runde

Zuerst die Gewinner aus der letzten Ausgabe, die uns die 
richtigen Loesungen ("The Police" etc.) einsandten: Tom Sohr 
(Gewinner von zwei CDs) & Andreas Woerner (eine CD). Hier 
die Anhaltspunkte fuer die neue Auslosung; wie immer gibt es 
drei CDs zu gewinnen:
Schon im zarten Alter von 19 Jahren verblueffte er die Musikwelt 
damit, dass er ein gesamtes, fast schon klassisch anmutendes 
Monumentalwerk nicht nur komponierte, sondern auch im 
kompletten Alleingang (d.h. alle Instrumente!) einspielte. 
Selbiges Stueck, benannt nach einem Instrument, wurde einige 
Jahre spaeter sogar von der Londoner  Philharmonie intoniert. 
Seit damals zu Beginn der Siebziger hat er annaehernd zwanzig 
Alben eingespielt, in denen hauptsaechlich seine 
Instrumentalkunst betont wird. Gerade in den Achtzigern liehen 
ihm aber diverse Saenger und vor allem Saengerinnen ihre 
Stimme, mit denen er Pophits von Weltruhm schuf. Die Fragen:
1. Wie heisst der Kuenstler?
2. Wie heisst sein oben erwaehntes Erstlingsstueck?
3. Welche Frau lieh ihm ihre Stimme fuer den Song aeIslands"?
4. Von welchem mit dem Kuenstler befreundeten Komponisten 
stammt das Stueck aeNorth Star" aus der LP aePlatinum"?
Einsendung bis 10. Januar 1994 an: ruprecht, Kaiserstr. 57, 
69115 HD. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


Das Programm des Romanischen Kellers

Zum Jahreswechsel wird es exzessiv im Romanischen 
Kellergewoelbe. Am Donnerstag, dem 16.12. heisst es: "The blue 
bus is calling us". An dieser Stelle ist bereits allen Jim-Morrison-
Fans sonnenklar, worum es geht. "Wir sind alle Goetter, und 
unser Schicksal ist, was wir daraus machen" (Zitat Morrison). 
Die Theatergruppe "Bel Esprit" will sich mit ihrer Inszenierung 
des Theaterstueckes "Idol - Keiner kommt hier lebend raus" dem 
Denken des Musikers und Dichters Jim Morrison naehern. Doch 
es soll sich hier keineswegs um die Inszenierung einer 
gewoehnlichen Biographie des Doors-Saengers handeln. Die 
Geschichte spielt im Hier und Heute. Sie erzaehlt das Leben von 
Morris Dean, einem ambitionierten Rocksaenger, der Jim 
Morrison verehrt, sich aber auch berufen fuehlt, sich mit dessen 
Denken auseinanderzusetzten. Also: "Try to run, try to hide, 
break on through to the other side" - ausser einiger Exkurse in die 
Philosophie auch jede Menge Doors-Musik. Eine Hommage an 
Jim Morrison, der am 8. Dezember 50 Jahre alt geworden waere 
- nach einer Story von Norbert Kubesch. Termine: 16., 17., 18., 
19., 29. und 30. Dezember, sowie 2., 5., 6., 7., 8. und 9. Januar 
und 20 Uhr im Romanischen Keller. 
Wiederum voellig andere Aussichten werden uns ab dem 20. 
Dezember geboten: "Lotte, leb' wohl" sollen seine letzten Worte 
gewesen sein. Die Rede ist von jenem "jungen Werther", der 
schon so manchem zum Verhaengnis geworden ist... damals, 
1775, als jener Briefroman von J.W. von Goethe seitens der 
Kirche verboten wurde. "Es fehle dem Werk jegliche Moral". 
Doch die Nachfrage nach dem Werk wurde dadurch nur 
gesteigert - und mit ihr eine Selbstmordwelle, die in ganz 
Deutschland um sich griff. Kastration, Arbeitshaus, Einsperren 
oder Pruegel empfahl man damals zur Heilung solcher 
"wertherischer Charaktere".  
Die vom Regisseur Ralf W. Zuber vefasste Buehnenfassung des 
Werkes sucht ganz der Linie zu folgen, die der Originaltext und 
seine Aussage in der damaligen Zeit aufwirft. "Durch 
Zeitgemaessheit erst die Zeitlosigkeit der Problematik 
aufzuzeigen", das soll die Aussage des Stueckes sein. Dabei geht 
es um mehr, als um "Werther liebt Lotte, Lotte liebt ihn 
eigentlich auch - ist aber Albert versprochen: Werther gibt sich 
die Kugel". Es geht bis hin zur Quantentheorie, die die Existenz 
der Realitaet vom menschlichen Bewusstsein abhaengig macht. 
Wer sich also dafuer interessiert, ob sich die Theatergruppe 
"Chamaeleon" den Luxus leistet, fuer vier Vorstellungen vier 
Hauptdarsteller zu verfeuern, der suche am 20., 21., 22. und 23. 
Dezember gegen 20 Uhr den Romanischen Keller auf.
 (asb)



Die heimatlose Revolution
Der Umsturz von 1918/19 machte Deutschland zur Republik -  
doch heute mag sich keiner so recht  daran erinnern

Am 10. November halten die Heidelberger Buerger ein Flugblatt 
in Haenden. "In Heidelberg", so steht da zu lesen, "hat mit dem 
heutigen Tage der Arbeiter- und Soldatenrat die oeffentliche 
Gewalt uebernommen." Und weiter: Die "Neuordnung der 
Dinge" habe sich "in voller Ruhe und Ordnung" vollzogen; zu 
"Panikstimmung" und "irgendwelchen Befuerchtungen" sei kein 
Grund vorhanden. Im taeglichen Leben bleibe alles beim Alten: 
"Die Beamten bleiben auf ihren Posten, die staedtischen Betriebe 
gehen weiter." Von einer "schicksalsschweren Stunde" ist die 
Rede, von der "allueberall durch das Volk errungenen Freiheit" 
und davon, dass "die neue Regierung in Berlin" der 
"Unterstuetzung der breitesten Volksmassen" beduerfe. Ihr 
"Zentralbuero" haben die neuen Machtinhaber im 
Gewerkschaftshaus, Augustinergasse 5, eingerichtet; schliesslich 
verfuegt man dort ueber Telephon ("Fernsprechnummer: 1334"). 
- Wir schreiben das Jahr 1918, und in Heidelberg ist gerade die 
Revolution angekommen. 
Das revolutionaere Flugblatt an die Heidelberger "Mitbuerger! 
Kameraden! Parteigenossen!" ist eines unter zahlreichen 
Exponaten in einer Ausstellung der Ebert-Gedenkstaette, die 
unter dem Titel "Die Deutsche Revolution 1918/19" noch bis 
Ende Januar zu sehen ist. Anlass fuer die Praesentation ist ein 
Jubilaeum: In diesen Tagen jaehrt sich zum 75. Mal der 
Ausbruch jener Revolution, die das wilhelminische Kaiserreich 
beseitigte und an seine Stelle die Demokratie der Weimarer 
Republik setzte. Umso erstaunlicher ist es - zumindest auf den 
ersten Blick -, dass die deutsche OEffentlichkeit den Jahrestag 
kaum zur Kenntnis nimmt. Tatsaechlich scheinen dem 
historischen Gedaechtnis der Deutschen die Matrosen in 
Wilhelmshaven, von deren Meuterei die Revolution ihren 
Ausgang nahm, weniger gegenwaertig zu sein als etwa die 
liberalen Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche von 1848. 
"Es ist eine absolute Groteske", findet nicht nur der Historiker 
Prof. Eberhard Kolb, "dass der 75. Jahrestag der Ausrufung der 
Republik in Deutschland - also quasi der Staatsform, die wir 
heute haben - in den Medien, die sonst jede Kleinigkeit, die man 
feiern kann, ausfuehrlich wuerdigen, fast voellig uebergangen 
worden ist."
"Es lebe die Republik!"
Fuer diesen Umstand hat der Koelner Ordinarius, ausgewiesener 
Fachmann zum Thema, auch eine Erklaerung: "Das zentrale 
Moment ist, dass die Revolution 1918 in ihrer Totalitaet - also in 
dem, was vom November `18 bis zum Fruehjahr `19 
stattgefunden hat - in keiner politischen Tradition, weder in der 
linken noch in der rechten, einen positiven Stellenwert gewonnen 
hat." Bei der politischen Rechten war der Mangel an 
Identifikation mit der Revolution noch verstaendlich - aber auch 
bei der Linken hatte man seine Schwierigkeiten mit dem Datum: 
"Den Radikalen", so Kolb, "war die Revolution unvollstaendig, 
den Sozialdemokraten war sie unzulaenglich, und den rechten 
Sozialdemokraten war sie peinlich."
UEberhaupt: die Sozialdemokratie. Eine Geschichte der 
Revolution beginnt zwangslaeufig mit ihr - und doch war die 
SPD in vielerlei Hinsicht schon am Ziel ihrer Wuensche, bevor 
die Revolution ueberhaupt begonnen hatte. Im Kaiserreich war 
sie der Hoffnungstraeger fuer Millionen Deutsche gewesen. Ihr 
Vorsitzender August Bebel verkoerperte als "Arbeiterkaiser" das 
Gegenbild zu Wilhelm II., dem Repraesentanten eines Systems, 
das von sozialen Gegensaetzen, Militarismus, der Herrschaft alter 
Eliten und einer als "konstitutionelle Monarchie" verbraemten 
Scheindemokratie gepraegt war. Doch im Oktober 1918 kommt 
es zur unwahrscheinlichsten aller Entwicklungen, die Historiker 
eine "Revolution von oben" nennen werden: Als die Oberste 
Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff - 
waehrend des Krieges die eigentliche Reichsregierung - feststellt, 
dass die militaerische Lage aussichtslos geworden ist, befiehlt sie 
die Mehrheitsfraktionen des Reichstages, bisher von der 
Regierungsverantwortung ausgeschlossen, zur 
Machtuebernahme: Neuer Reichskanzler wird der liberale Prinz 
Max von Baden; er stuetzt sich auf die Sozialdemokratie, das 
Zentrums und die Deutsche Fortschrittspartei. Sie sollen dem 
amerikanischen Praesidenten Woodrow Wilson Verhandlungen 
ueber einen Friedensschluss anbieten - und an Stelle der 
Militaers die Verantwortung fuer die Niederlage und die zu 
erwartenden harten Friedenskonditionen uebernehmen. Dafuer 
erreichen sie eine Reihe von Verfassungsreformen, darunter die 
Kontrolle der Regierung durch den Reichstag.
Nur: Dem amerikanischen Praesidenten geht die 
Demokratisierung in Deutschland nicht weit genug; er verlangt 
die Abdankung des Kaisers als Voraussetzung von 
Friedensverhandlungen. Fuer die oeffentliche Meinung steht bald 
fest: Der Kaiser muss gehen. Wilhelm II. weigert sich, angeblich 
will er "das deutsche Volk in dieser kritischen Zeit nicht 
verlassen" - doch jetzt geht die Entwicklung ueber ihn hinweg. 
Als die Marineleitung ohne Billigung der Regierung einen letzten 
Schlag gegen England zur See anordnet, kommt es am 30. 
Oktober zur Meuterei der Matrosen in Wilhelmshaven. Am 3. 
November schliessen sich Tausende von Matrosen in Kiel ihren 
Kameraden an, und einen Tag spaeter greift die Revolte der 
Soldaten auf die Arbeiterschaft ueber. Die Kriegsmuedigkeit der 
Massen, die sich auch schon vorher in Unruhen und Streiks 
bemerkbar gemacht hatte, bricht sich in einer Umsturzbewegung 
Bahn, die "wie ein Steppenbrand" (Kolb) um sich greift. 
Innerhalb weniger Tage bilden sich in vielen Staedten spontan 
Arbeiter- und Soldatenraete, Ausdruck einer primitiven 
Selbstverwaltung und der Unzufriedenheit mit Verwaltung und 
Militaerhierarchie; die alten Gewalten kapitulieren fast kampflos. 
Am 9. November erreicht die revolutionaere Welle Berlin (einen 
Tag spaeter Heidelberg).
Jetzt handelt Max von Baden: Ohne den Kaiser zu informieren, 
gibt er dessen Abdankung bekannt. Mit den Worten "Herr Ebert, 
ich lege Ihnen das Deutsche Reich ans Herz" macht er den 
Sozialdemokraten Friedrich Ebert zum Reichskanzler; dieser 
antwortet: "Ich habe zwei Soehne fuer dieses Reich verloren". 
Damit ist die SPD verantwortliche, "staatstragende" 
Regierungspartei und die Revolution - wenn es nach ihr geht - 
beendet. Um die Mittagszeit ruft Philipp Scheidemann, der 
zweite Mann der Partei, von einem Fenster des 
Reichtagsgebaeudes aus der Menschenmenge zu: "Das deutsche 
Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt! Es lebe die Deutsche 
Republik!" Vorrangig fuer Ebert ist fortan die Stabilisierung der 
Verhaeltnisse im Land; an die Beamtenschaft richtet er noch am 
selben Tag die Bitte: "Ich weiss, dass es vielen schwer werden 
wird, mit den neuen Maennern zu arbeiten, aber ich appelliere an 
Ihre Liebe zu unserem Volke." 
Am Tag darauf bildet Ebert eine revolutionaere 
UEbergangsregierung, den sechskoepfigen "Rat der 
Volksbeauftragten", und laesst sie durch eine Versammlung von 
3.000 Arbeiter- und Soldatenraeten im Berliner Zirkus Busch 
bestaetigen. Unter dem Druck der Basis - die Parole lautet "Kein 
Bruderkampf!" - nimmt Ebert drei Mitglieder der 
"Unabhaengigen Sozialdemokraten" (USPD), die sich seit 1915 
in Etappen von den "Mehrheitssozialdemokraten" abgespaltet 
haben, in den Rat auf; dennoch dominieren Ebert und die SPD 
das Gremium. Gemeinsames Ziel ist die Einberufung einer 
Nationalversammlung; wie weit die "Brueder" in anderen 
entscheidenden Fragen auseinander sind, wird sich erst spaeter 
erweisen.
Die Radikalen indes, der linke Fluegel der USPD und der 
Spartakus-Bund (spaeter KPD), wollen von einer 
Nationalversammlung nichts wissen. Sie hoffen darauf, mit Hilfe 
der kriegsmueden Massen ein Raetesystem nach sowjetischem 
Muster zu etablieren. Nur wenige Stunden nach Scheidemann hat 
Karl Liebknecht vor dem Berliner Schloss die "freie sozialistische 
Republik Deutschlands" ausgerufen. Fuer ihn und Rosa 
Luxemburg steht die Revolution gerade erst am Anfang. Mit 
ihrer Losung "Alle Macht den Raeten!" finden sie sich zwar in 
der Minderheit, mit ihrer entschlossenen Agitation aber setzen sie 
einen gefaehrlichen Mechanismus in Gang: Sie treiben die 
"Volksbeauftragten" nach rechts.
Nur Stunden nach der Bildung der UEbergangsregierung hat 
Ebert mit General Wilhelm Groener, dem Nachfolger des 
inzwischen entlassenen Ludendorff, telephoniert. Groener 
verspricht die Unterstuetzung des Militaers fuer den Rat der 
Volksbeauftragten; im Gegenzug verpflichtet sich Ebert, die 
militaerische Hierarchie nicht aufzuloesen und gegen die 
Linksradikalen vorzugehen. Damit geht die nach aussen hin noch 
immer auf die Revolution verpflichtete SPD ein folgenreiches 
Buendnis mit den alten Machteliten des Kaiserreiches ein - und 
laesst im folgenden Verwaltung, Bildungswesen und Militaer 
auch weitgehend unangetastet. In einer Darstellung der 
Revolution, die an eine Abrechnung mit der SPD grenzt, 
beschreibt der Publizist Sebastian Haffner den Vorgang: 
"Dieselben Beamten gingen am Montag nach dem 
Revolutionswochenende wieder in dieselben AEmter, und auch 
die Schutzmaenner waren ein paar Tage spaeter wieder da; in den 
Feldheeren im Westen und Osten fuehrten dieselben Generale 
und Offiziere das Kommando."
UEber welch immensen Kredit die SPD bei den Raeten noch 
immer verfuegt, zeigt sich, als am 16. Dezember in Berlin der 
Zentralkongress aller deutschen Arbeiter- und Soldatenraete 
eroeffnet wird. Aber es wird auch ueberdeutlich, was die Raete-
Delegierten von der Partei erwarten: Mit ueberwaeltigender 
Mehrheit spricht sich der Kongress fuer die 
Nationalversammlung aus; zugleich aber fordert er die Regierung 
auf, "mit der Sozialisierung aller hierzu reifen Industrien, 
insbesondere des Bergbaus, unverzueglich zu beginnen" und "alle 
Massnahmen zur Entwaffnung der Konterrevolution zu 
ergreifen". Militaerische Rangabzeichen sollen abgeschafft, die 
Offiziere von den Soldaten gewaehlt werden. Doch mit der SPD 
ist ein solches Programm der "demokratischen Neuordnung aller 
gesellschaftlichen Bereiche kraft revolutionaeren Rechts" (so der 
Historiker Prof. Reinhard Ruerup) nicht zu machen. Wohl 
werden der Achtstundentag eingefuehrt und Frauen erhalten das 
Wahlrecht, doch beschraenkt sich die SPD auf die 
staatsrechtliche Revolution. Auf dem Gebiet der Wirtschafts- und 
Gesellschaftsstruktur bleibt die Revolution stecken.
Zwiespaeltiges Erbe
Die Gruende fuer diesen "Schmusekurs" der SPD werden in der 
Fachwissenschaft noch immer diskutiert. Die Gestalter der 
soldide gemachten Heidelberger Ausstellung fuehren vor allem 
Sachzwaenge an: die dringend erforderliche Verbesserung der 
Nahrungsmittelversorgung, die friedliche Rueckfuehrung des 
Heeres, die Umstellung und Ankurbelung der Wirtschaft. Den 
Chancen, die moeglicherweise verpasst worden seien - so die 
Argumentation -, stuenden die moeglichen, aber vermiedenen 
"Katastrophen" der unmittelbaren Nachkriegszeit gegenueber. 
Andere Revolutionsforscher wie Kolb oder Ruerup indes sind zu 
dem Ergebnis gekommen, die sozialdemokratischen Fuehrer 
haetten durchaus ueber einen "groesseren Handlungsspielraum" 
verfuegt, der ihnen die Durchsetzung weitergehender 
Reformforderungen gestattet haette. Doch habe die SPD-
Fuehrung angenommen, wichtig sei allein der Wechsel an der 
Staatsspitze; "man glaubte man alle Positionen der alten Maechte 
zerschlagen und vertraute auf die unbedingte Loyalitaet von 
Offizierskorps und Buerokratie" gegenueber den neuen 
Machthabern. Der spontanen Massenbewegung habe die SPD ein 
"grundsaetzliches Misstrauen" (Kolb) entgegengebracht.
Wie auch immer: Die Folge dieser Politik ist die Radikalisierung 
der Revolution nach der Jahreswende 1918/19. Nachdem es am 
23. Dezember zum Bruch der SPD-USPD-Koalition gekommen 
war, eskaliert die Situation zum offenen Buergerkrieg. Grosse 
Teile der Arbeiterschaft haben sich aus Enttaeuschung ueber das 
Ausbleiben der erhofften Reformen von einer SPD-Regierung 
abgewandt, die ihrerseits auf militaerische Mittel zurueckgreift, 
um ihre Stellung zu festigen. Zwischen dem 5. und 13. Januar 
1919 kommt es in Berlin zu Unruhen, denen bald Aufstaende in 
anderen Teilen des Reiches folgen, die die Regierung durch 
Freiwilligenverbaende ehemaliger Frontsoldaten blutig 
niederschlagen laesst. Am 15. Januar werden Liebknecht und 
Luxemburg von solchen Freikorps ermordet. Am 19. Januar 
finden die Wahlen zur Nationalversammlung statt, die im 
wesentlichen die Koalition des alten Reichtags wiederherstellen: 
SPD, Zentrum und Deutsche Demokratische Partei bilden die 
sogenannte "Weimarer Koalition". Der Buergerkrieg zwischen 
dieser "Rechts-Mitte-Ordnungskoalition" (Kolb) und der 
radikalen Linken findet seinen Hoehepunkt im Maerz und April; 
erst die Niederwerfung der Aufstaende durch massiven 
Truppeneinsatz beendet die Revolution.
Deren Hinterlassenschaft an die junge Republik ist zwiespaeltig 
und prekaer: Wohl hat die Revolution eine neue Regierungsform 
gebracht; diese wird gleichwohl von weiten Teilen der 
Bevoelkerung abgelehnt oder zumindest mit Skepsis betrachtet. 
Die politische Rechte, die in Buerokratie, Heer und Justiz viele 
Anhaenger hat,  verteufelt die Revolution als "Dolchstoss in den 
Ruecken des siegreichen Heeres" und die Revolutionaere als 
"Novemberverbrecher". Auf der Linken bleibt die Revolution fuer 
jene, die (so Eberhard Kolb) "in den Revolutionsmonaten 
politisch aktiv waren, um einen wesentlich staerkeren politischen 
und gesellschaftlichen Machtwechsel zugunsten der 
Arbeiterschaft zu bewirken", als in Weimarer schliesslich 
realisiert, "mit dem Makel des Scheiterns behaftet". Und sein 
Kollege Reinhard Ruerup stellt fest: "Deutschland hatte seine 
siegreiche Revolution, es hatte die Chance einer wirklichen 
Demokratisierung - es hat sie nicht zu nuetzen verstanden."                     
(bpe)

Die Ausstellung in der Pfaffengasse 18 dauert noch bis zum 31. 
Januar; sie ist Di.-So. von 10-18 Uhr, Do. bis 20 Uhr geoeffnet. 
Die Termine der begleitenden Vortraege (jeweils um 20 Uhr) 
sind: 16. Dezember: Prof. Dr. Reinhard Ruerup - "Baden in der 
Revolution 1918/19" (Neue Universitaet, Hoersaal 8); 12. Januar: 
Dr. Michael Epkenhans - "Das deutsche Buergertum und die 
Revolution" (Hoersaal 4); 19. Januar: Prof. Dr. Wolfgang 
Mommsen - "Max Weber und die deutsche Revolution" 
(Hoersaal 4).


Ein schwaches Baendchen

"Mehr Licht!" - Nicht dass Goethes (apokryphe) Sterbesworte 
allzu viel mit der ruprecht-Serie "Die 25 Buecher der Weisheit" 
zu tun haetten, aber der Rueckgriff auf einen Klassiker war noch 
in keiner Lebenslage wirklich unangebracht. Das Konzept der 
Serie: ruprecht bittet ruprecht Heidelbergs Dozenten zur 
Buchempfehlung. Ziel der Empfehlung soll es sein, 
Studierenden, die das von ihnen vertretene Fach nicht selbst 
studieren, sich aber dafuer interessieren, ein Buch vorzustellen, 
das ihnen - in einer auch fuer den aufgeschlossenen Laien 
verstaendlichen Weise - einen ersten Eindruck von diesem Fach, 
von seinen wesentlichen Fragestellungen und Methoden, 
verschafft."
Vertreter von elf Disziplinen - vom Althistoriker bis zum 
Geographen - sind unserem Aufruf bisher gefolgt; viele 
empfahlen UEberblicksdarstellungen und Handbuecher, andere 
folgten dem Beispiel des Anglisten, der "King Lear" genannt 
hatte, und machten "Primaertexte" zu ihrem persoenlichen "Buch 
der Weisheit". Hier nun die fuenfte Folge der Serie - und zugleich 
der erste Verriss, den wir in dieser Rubrik veroeffentlichen; 
weitere Besprechungen folgen, (mindestens) bis die magischen 
25 Buecher erreicht sind.                                 (Red.: bpe/gz) 
Ein Japanologe verreisst ein Buch seiner Disziplin
Rezensent: Prof. Dr. Wolfgang SEIFERT.
Das Buch: Paul KLEVENHOERSTER, Politik und Gesellschaft 
in Japan. Mannheim-Leipzig-Wien-Zuerich 1993, Reihe Meyers 
Forum 16, DM 14,80.

Das angezeigte Buch soll entsprechend der Zielsetzung der Reihe 
das Thema "praegnant und verstaendlich" darstellen. 
Kevenhoerster ist Politikwissenschaftler, der sich bereits in 
einigen Veroeffentlichungen zur japanischen Politik geaeussert 
hat und dazu auch japanische Quellen heranzieht. Er gliedert sein 
Buch in  sieben Kapitel, die u.a. die politischen Institutionen, die 
gesellschaftlichen Grundlagen der Demokratie und die 
"politischen Entscheidungen" behandelt. Es folgen ein Ausblick, 
Literaturhinweise sowie Personen- und Sachregister.
Die Schwaeche des Baendchens liegt vor allem in zwei Punkten: 
Erstens moechte der Autor - eine vernuenftige Absicht - der 
systematischen Darstellung einen historischen Abriss 
vorausschicken, der die Voraussetzungen und weiterwirkenden 
Faktoren benennen soll, scheitert hier aber durch eine 
undifferenzierte Raffung in der geschichtlichen Darstellung, die 
bei Beruecksichtigung des heutigen Forschungsstandes selbst bei 
vorgegebener Kuerze ganz andere Akzente haette setzen 
muessen. Nur ein Beispiel: Mehrfach ist vom "starren 
Klassensystem" der japanischen Gesellschaft in der Meiji-Zeit 
(1868-1912) die Rede, obgleich ein solches ebenso fuer die 
vorhergehende feudale Epoche als charakteristisch unterstellt 
wird. Zum einen wissen wir heute jedoch, dass es soziale 
Mobilitaet in beschraenktem Umfang durchaus schon in den 
Jahrzehnten vor der OEffnung des Landes gab, und zum anderen 
wurde der Modernisierungsschub nach 1868 gerade durch den 
Abbau staendischer Schranken im rechtlich-normativen Bereich 
und die auch faktisch im Zuge der Industrialisierung im Zuge der 
Industrialisierung eintretende soziale Mobilitaet ueberhaupt erst 
ermoeglicht. 
Der zweite Punkt betrifft einen Anspruch, der offenkundig nicht 
eingeloest werden konnte: UEber Politik und Gesellschaft Japans 
zu  informieren - Kevenhoerster geht es, was als Ansatz ja nur zu 
begruessen ist, stets auch um "die soziale Basis der japanischen 
Politik" -, haette die Einbeziehung der Resultate der 
soziologischen Forschung zum modernen Japan vorausgesetzt, 
was leider nicht geschehen ist. So kommt es dann etwa dazu, 
dass der "soziale Zusammenhalt" in Japan hoechst einseitig auf 
traditionelle Normen "zurueckgefuehrt" wird, anstatt zu 
untersuchen, ob z.B. die "Betriebsgemeinschaft" nicht vielmehr 
erst als erfundene Tradition verankert wurde. Es werden lediglich 
die vom Amt des Ministerpraesidenten durchgefuehrten 
Umfragen  nach der subjektiven Zuordnung "Japaner" zu einer 
Sozialschicht herangezogen, ohne zu beruecksichtigen, dass seit 
Anfang der achtziger Jahre selbst in diesen Umfragen die 
entsprechenden Prozentsaetze zurueckgegangen sind - ganz zu 
schweigen von den problematischen Voraussetzungen dieser 
Umfrage. Die Daten ueber die tatsaechliche Sozialstruktur zeigen 
jedenfalls in Bezug auf die Entwicklung der 
Einkommensverhaeltnisse je nach Schicht ein anderes Bild, als 
der Autor behauptet. Dies sind nur Beispiele fuer die fehlende 
soziologische Bearbeitung des Themas. 
Es waere deshalb besser gewesen, wenn sich der Autor auf 
"Politik in Japan" beschraenkt haette. In letzterem Bereich 
allerdings verfaellt er allzu  oft der Neigung, generalisierte 
politikwissenschaftliche Modelle und Theorien auf die konkrete 
Gesellschaft  Japans anzuwenden. Klevenhoerster bemueht sich 
zwar um differenzierte Einschaetzung, gelangt aber nur zu 
einseitigen Charakterisierungen, die gleich wieder revidiert 
werden. Einige sachliche Fehler kommen hinzu, z.B. einige 
falsche UEbersetzungen  japanischer Termini (was ist z.B. die 
"Restaurationsperiode"?), eine falsche Darstellung der KPJ-
Positionen und anderes. AErgerlich ist die unpraezise 
Darstellung der Rolle der Gewerkschaften; deren 
Organisationsgrad liegt uebrigens schon einige Jahre nicht mehr 
bei 27%, sondern niedriger. 
Lediglich im Bereich der Wahlforschung - dies ist unabhaengig 
von Japan die Domaene des Autors - operiert Kevenhoerster mit 
empirischen Belegen, so dass hier nuetzliche Informationen zu 
finden sind. Fazit: Die Chance einer Einfuehrung in Politik und 
Gesellschaft Japans wurde vertan.
Wolfgang Seifert


ruprecht-Serie Unigeschichte:

Ein anonymer Scholar schreibt 
in der ersten Haelfte des 15. Jhds an seine Mutter

Theure Frau Mutter,

Nun duerfen Sie allen daheim erzaehlen, dass Ihr Sohn in 
Heydelberg studiert. Ich habe juengst meine Immatrikulation 
bezahlt und ausgerechnet, dass die Gulden, die Sie mir zur 
Bezahlung der Vorlesungen und der Burse zur Disposition zu 
stellen die Liebenswuerdigkeit besassen,  fuer die kommenden 
Monate ausreichen werden. Die Burse, in der ich untergekommen 
bin, wird von einem Magister geleitet, der auf solcherlei Weise 
sein Einkommen ein wenig aufbessert. Die meisten Scholaren, 
die ich inzwischen kennengelernet habe, gehoeren wie ich der 
Kirche an und empfangen sogar Gelder oder Naturalien aus ihren 
Kloestern. Aufgrund unserer Kleidung oder der Tonsur werden 
wir von den Kindern und Heydelbergern aeLangmaentel" oder 
aePlattentraeger" geschimpft, was uns recht aergert. Dabei 
muessten sie den Anblick dieser Kluft gewohnt sein, denn 
Zisterzienser, Franziskaner, Augustiner, Dominikaner und andere 
Orden sind hier zumeist mit Kloestern vertreten. Unsere 
Ausgaben muessen auf das Notwendigste beschraenket bleiben. 
Zum Glueck geniessen wir jedoch die Steuer- sowie Zollfreiheit, 
niedere Mieten und vor allem den freien Weinschank, der schon 
manchen kuehlen Herbstabend erheitert hat. Auch den Doctoren 
und Magistern scheint es finanziell nicht seer gut zu gehen, denn 
die kurfuerstlichen Gelder und die Erloese der Pfruende gehen 
vor allem an die Professoren. Nicht zu vergleichen also mit 
meinem Vetter, der in Paris als Scholar von seinem Collegium 
unterstuetzet wird! Einige Professoren gehoeren uebrigens zu den 
Berathern des Kurfuersten und machen Politik. Man erzaehlt 
sich, das unter Koenig Ruprecht I., der kurpfaelzischer Kurfuerst 
war, das Geruecht aufgekommen sei, ein Professor der Medizin 
hette versucht den Koenig zu vergiften. Darumb wurde jner als 
Majestaetsverbrecher hingerichtet.

Aber nun moechte ich Ihnen von Schoenem berichten. 
Inzwischen habe ich mich auch in der Stad umhergesehen und 
vieles zu jrer Geschichte gelernt. Seit 1392 Ruprecht II., der 
Neffe des Universitaetsgruenders Ruprecht I., die Stadt nach 
Westen fast bis zur Rheinebene erweitert hat, unterscheidet man 
zwischen einer dichten Kernstad und der westlich des alten 
Grabens, liegenden Stad mit den Bauernhoefen  und  dem 
kurfuerstlichen Herrengarten. Auf Geheis desselbigen Kurfuerst 
warden die Jueden aus ihrem Viertel, der unteren Stad, verjagt 
und enteignet. Seither wonen in jren haeusern die Professoren 
und die Synagoge ist nun eine Marienkapelle, darin unterrichtet 
wird. 
Unweit davon entfernt stehet die inzwischen grosse gothische 
Heiliggeistkirche, zu deren Fuss der Stiftsbaecker, Kraemer und 
Handwerker ihre Gueter verkaufen. An manchen Waenden kann 
man eingemeisselte Brezeln verschiedener Groessen mit dem 
darunter kreidegeschriebenen Preis erkennen. Von einem alten 
Mann erfuhr ich, das zuvor hier eine romanische Basilika 
gestanden habe. Nach dem grossen Fewer vor ongefaer 
zweenhundert Jare ward sie ersetzet von einer newen gothischen 
Kirche. Die heutige aber ist erbauet worden fuer die Universitaet 
unter Ruprecht III. im Jare ein thausend und drei hundert und 
acht und neunzig. Sie ist nun unabhaengig von der Pfarrkirche St 
Petrus und vor vierzig Jaren vom Papst zur Stiftskirche gemacht 
worden. Wenn man in sie hinein geht, tritt man in ein 
daemmeriges langhaus, das erst unter Ludwig III., dem Vater 
unsres Ludwigs, erbaut ward. UEber den dunklen und tiefen 
Seitenschiffen hatte jner zuerst nicht geplante Emporen einbauen 
lassen, die darumb verschieden hoch sind. Seit seinem Tode steht 
daroben seine der Universitaet vermachte Bibliothek. Wir 
Scholaren steigen taeglich dort die Treppen hinan und lesen in 
den auf Pulten angeketten Buechern. Wenn es seer kalt ist, 
koennen wir in einen kleinen geheizten Raum. Oft hoeren wir die 
Predigten und die Musik die aus den Kapellen und aus dem Chor 
zu uns hinaufkommt. Wir koennen auch auf den Altar, der in der 
Mitte des Langhauses steht, hinabschauen und manche laestern 
ueber die Kirchengaenger oder reden unziemlich ueber die 
schoenen Buergerstoechter. Wenn man unten am Altar 
vorbeigeht und an den grossen, hohen Chor gelanget, tritt man 
ploetzlich in hellstes Licht, das durch die hohen Fenster von drei 
Seiten hineinstroemt. Hier stehen die Grabplatten der Kurfuersten 
seit Ruprecht dem Rothen.
Theure Mama, hier muss ich schliessen, denn man erwartet mich 
in der Marienkapelle. Gruesset mir allerherzlichst den Herrn 
Vater und meine Geschwister. Ich hoffe sie sind alle gesund.
Ihr Sohn Georg
(iz)


Leserbrief

Liebe ruprecht-Redaktion!
Wer aeIn the Line of Fire" als empfehlenswert hinstellt, und 
meint, der Film ist so gut wie aeDas Boot", der hat nur den 
Namen des Regisseurs gelesen und war damit genug unterhalten. 
aeIn the Line of Fire" ist meiner Meinung nach 08/15-
Massenprodukion aus Hollywood, die auch unter anderem Titel 
und anderem Regisseur tagein, tagaus in bundesdeutschen Kinos 
zu sehen ist. Mir geht das Tam Tam, das um den 
aeGrenzgaenger" (uebrigens, welche Grenze ist in der Kritik 
gemeint?) Petersen und seinen Streifen gemacht wird, langsam 
auf den Senkel. Und dann muss ich im ruprecht auch noch so 
eine Mainstream-Kritik lesen.
Verglichen mit dem aeBoot" habe ich den Eindruck, das Petersen 
bedroht von Arbeitslosigkeit noch schnell einen Film gedreht hat, 
damit sein Name nicht von der Bildflaeche verschwindet. Der 
Film ist zwar konventionell, Gut gegen Boese etc., aber 
letztendlich doch ein hinreissender Thriller. Wie kann ein Film 
hinreissend sein, wenn man schon nach zehn Minuten weiss, wie 
er ausgeht? Aber darum ging es in der Kritik gar nicht.
In der Kritik ging es ums Hollywoodkino an sich. Da heisst es, 
dass der Erfolg solcher Filme nicht auf der amerikanischen 
Vermarktungsindustrie beruhe, und als Beispiel wird dazu der 
Dokumentarfilm von Katja von Garnier ueber die Dreharbeiten 
zu aeSchusslinie" angefuehrt. Ein Filmchen, bei dem der Sohn 
von Petersen Regie fuehrte und der von Columbia Tristar 
finanziert wurde. Und jetzt tingelt Klein Katja mit einer 
Interviewserie durch Deutschland und erzaehlt ueberall, wie toll 
Clint und die anderen alle sind. Wenn das keine gute 
Vermarktungsstrategie ist. (...)
Aber seien wir nicht kleinlich. Es ging ja nur um eien 
Unterhaltungsfilm. Zu einem guten Unterhaltungsfilm dieses 
Genres gehoert meiner Meinung nach heute, um ihn geniessbar 
zu machen, eine gute Portion Ironie. Die fehlt dem Film und 
Petersen und der ruprecht-Kritik voellig. aeNicht 
empfehlenswert"!
Mit freundlichen Gruessen
Ivo Stahl
PS: Die Sache mit Ulmer war Spitze.


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erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und 
Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion 
versteht die Zeitung als unabhaengiges Organ, das keiner 
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Die Redaktion: Henning Banthien (hb), Frank Barsch (fb), Jens 
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Gundula Zilm (gz), Reimut Zohlnhoefer (rz)
Freie Mitarbeiter(innen): Stephan Fichtner (sf), Stefan Witaschek 
(sw), Dr. Andreas Horn, Michael Csaszkóczy
Redaktionsschluss fuer  Nr. 28: 31. Januar 1994
Bescherung bei ruprecht


Weihnachtsgewinnspiel: Flugtickets zu gewinnen 
Advent: Zeit der Besinnung, Zeit der Naechstenliebe. Auch der 
Nikolaus ist auf der Suche nach einem lieben Menschen, der sich 
durch eine herausragende Tat auf dem Gebiet der caritas 
hervorgetan hat. Hierfuer bittet er die ruprecht-Leser um Mithilfe: 
Wer ihm mit Begruendung eine Persoenlichkeit aus dem 
universitaeren Leben nennt, die sich durch besondere Dummheit 
den ruprecht-Award redlich verdient hat, wird mit einem nicht zu 
verachtenden Geschenk belohnt: 2 x 2 Tickets von der Lufthansa 
CityLine in eine von 55 europaeischen Staedten, z.B. Rom, 
Barcelona, Wien, Paris, Budapest. Die Tickets vergibt er nur im 
Zweier-Pack; Barauszahlung o.ae. ist nicht moeglich. Wer seinen 
heissen Tip bis zum 31.1.94 ins nikolausische Bue-ro in die 
Kaiserstr. 57, 69115 HD schickt (Diskretion fuer Denunzianten 
wird natuerlich zugesichert), kommt in die engere Wahl und wird 
vom Rechtsweg ausgeschlossen.