RUPRECHT NR. 29, 11.5.1994


Impressum

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en-Zeitung, erscheint 
dreimal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. 
November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht 
die Zeitung als unabhaengiges Organ, das keiner Gruppierung 
oder Weltanschauung verpflichtet ist. Mitarbeiter(innen) und 
Redakteur(inn)e(n) sind jederzeit  willkommen; die Redaktion 
trifft sich waehrend des Semesters jeden Montag um 20 Uhr 
im Haus der Studierenden. Fuer namentlich gekennzeichnete 
Artikel uebernimmt der/die Autor(in) die Verantwortung.
V.i.S.d.P.: Henning Banthien, Kaiserstrasse 57, 69115 
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ruprecht-Logo: bpe.
Layout-Konzept / - Leitung: hb, hn, bpe.
Graphiken: hn, bpe.
Druck: Caro-Druck, Kassler Str. 1a, 60446 Frankfurt a.M.
Auflage: 9.000.
Die Redaktion: Henning Banthien (hb), Jens Blinne (jpb), 
Marcus Collalti (mc), Hedwig Ebinger (hee), Bertram 
Eisenhauer (bpe), Stephan Fichtner (sf),  Jochen Kluve (jk), 
Martina Parge (mp), Anja Steinbuch (asb), Stephan Stuchlik 
(step), Stefan Wittaschek (sw), Gundula Zilm (gz), Iris 
Zimmermann (iz), Reimut Zohlnhoefer (rz).
Freie Mitarbeiter(innen): Inken Otto, Annick Golay, Frank 
Barsch, Manuela Staeckler.




AUS DEM INHALT


Leistung
Leistungsbezogene Verteilung von Hiwi-Mitteln? Zwei 
Professoren dazu in point/counterpoint auf
Meinung 
Ein Interview mit Micha Brumlik, Professor am 
Erziehungswissenschaftlichen Seminar.
Studi-Liste 
Wer tritt denn da zu den Kommunalwahlen im Juni an, mit 
welchem Programm und aus welcher Ecke?
Wissen
Was hat López' Psychiater und ein verletzter Adler im Urwald 
mit unseren Lernmethoden zu tun?  
Der Club
Beobachtungen auf dem 6. Symposium des aeHeidelberger 
Club fuer Wirtschaft und Kultur"
Abschied 
Der Sueddeutsche Rundfunk schliesst
seine Pforten in Heidelberg.
Toter Hase
Das Warten ist vorbei. John Updikes vierteilige aeRabbit"-
Saga ist The Great American Novel.
Hey Nonny Nonny
Die Heidelberger Lokalheroen sind nach ihrer ersten CD auf 
dem Weg zu Weltruhm




Fronten in der Triplex
Kalter Krieg zwischen Kurden und Tuerken auch an der Uni


Unlaengst trat der Konflikt im Hoersaal 1 der Neuen Uni 
offen zutage. An einem Informationsabend der FSK zum 
Thema Kurdistan gerieten sich die anwesenden Kurden und 
Tuerken mit solcher Vehemenz in die Haare, dass den 
uebrigen im Raum befindlichen Leuten nur noch das Zusehen 
blieb. Argumente gingen in bedingungsloser Entschiedenheit 
hin und her, wobei es keiner der Kontrahenten vermochte, 
sich aus seiner Urteilswelt zu loesen. 
Man mag sich gerne in dem Glauben wiegen, der Kurdistan-
Konflikt spiele sich irgendwo in Ost-Anatolien ab, und 
gekaempft werde nur zwischen der PKK und dem tuerkischen 
Militaer. Weit gefehlt. Die Scheidelinie ist auch in der uns so 
wohl bekannten Triplex-Mensa, zu finden. Um die schmucken 
rot-weissen Tische des Cafes scharen sich gruppenweise 
entweder Kurden oder Tuerken. aeDa hinten, da sind 
fundamentalistische Tuerken, Nationalisten, fuer die sind wir 
Kindesmoerder - und die grosse Gruppe dort, das sind auch 
Tuerken" sagt der Kurde Murat* mit einer Stimme, die nicht 
von Hass, wohl aber von Vorbehalten erfuellt ist. Die Tuerken 
am Nebentisch werden gegruesst, aber die Fronten sind da.  
Reserviertheit am tuerkischen Tisch. aeWenn ich etwas ueber 
den Kurdistan-Konflikt sage, gelte ich gleich als Nationalist." 
Nur in seltenen Faellen gesellt sich ein Kurde in die tuerkische 
Runde. aeIch habe nichts dagegen, mit Kurden zu reden, 
solange sie keine Nationalisten sind" meint Hasan*. Die 
Gruppen halten Distanz zueinander. aeJe nachdem, an 
welchem Tisch du gesehen wirst", erlaeutert die Tuerkin 
Leyla*, aewirst du sofort einer Gruppe zugeordnet. Die aus 
der anderen Gruppe reden dann nicht mehr mit dir."
Die Kurden fuehlen sich bedroht, auch hier in Heidelberg.  
Schon friedliches Demonstrieren in der Stadt  koenne  zu 
Problemen fuehren, wenn sie das naechste Mal in ihre Heimat 
fahren. Der tuerkische Staatsschutz, so fuerchten sie, 
kontrolliert auch Heidelberg. Diese Besorgnis haelt der 
Tuerke Hasan fuer realistisch. aeNatuerlich wird in der 
Tuerkei gefoltert. Alle, die nicht die Meinung der Regierung 
vertreten, ob Kurde oder Tuerke, muessen mit Verfolgung 
rechnen." 
Ein Schleier der Angst legt sich um die Kurden und Tuerken 
an den Tischen der Triplex-Mensa. Angst um die 
Angehoerigen in der Tuerkei und  Angst um die eigene 
Zukunft. Eine Angst, die sie, ohne dass sie es wissen, eint .   
(h.b.)       (Weiterer Bericht S.7)    

*Name von der Red. geaendert.

(als Kasten:)
Der Kurde Ibrahim Guerkan (Foto) lebt seit 9 Wochen in der 
Friedenskirche. Die Evangelische Kirchengemeinde reichte 
fuer ihn eine Petition ein, fuer deren Unterstuetzung 
Unterschriften gesammelt werden. Diese koennen in den 
kommenden Tagen vor den Mensen oder in der 
Kirchengemeinde, Handschuhsheimer Landstr. 52, Tel.: 
480880 geleistet werden.




Editorial
Was wir zu verlauten haben

Mehr Graphik,  mehr Farbe, weniger Inhalt - im neuen 
ruprecht-Layout bestimmt das Design das Bewusstsein. In der 
Redaktion hat sich die Fraktion durchgesetzt, die lieber mit  
Bildern als mit Adjektiven und Methaphern spielt. Wir 
muessen uns jetzt eben alle kuerzer fassen. Aber wir haben 
Euch ja ohnehin nichts zu sagen. 



Ey!

Sommer, Sonne, Heiterkeit. Seid zum Sonnenschein bereit! 
Oder zum Sonnenbrand. Den gibt's wohl auf jeden Fall, liegt 
doch schon im Mai das kuehle Weizen im Marstall allemal 
naeher als eine aeEinfuehrung in die Kognitionswissenschaft 
aus computerlinguistischer Perspektive" oder Vergleichbares. 
Wegen meiner Braeune (aeWaarscht Schifaahre?") staendig an 
Urlaubiges erinnert, klingt noch von ferne der letzte 
Kartengruss aus dem sonnigen Sueden nach: aeLiebe E., au 
moment je suis a Suedfrankreich, le Wetter c'est bien, die 
paysage beautiful und ich auch. Ob ich rot oder braun werde, 
steht noch nicht fest, mein Gesicht spielt Pellkartoffel, und im 
grossen und ganzen meide ich jeden vernuenftigen Gedanken 
so wie Du eine Liebesnacht mit Raban von der Marlsburg. Es 
gibt hier Franzosen. Sie sprechen franzoesisch. Deutsche 
deutsch ('Mahlzeit!'). Wellen wellen sich. Sonnen gehen unter. 
Auch Frauen gibt es hier. Eine ist blond und..."
 Zurueck zum kuehlen Blonden: aeDrei Hefe!" rufen  
unbedarft-motivierte Erstsemester oder laengst ernuechterte 
10+-Semester schon morgens um neun, wenn die Sonne 
gerade auf-, der Mond aber schon untergegangen ist. Dass 
selbiger aeauch fuer Untermieter scheint", weiss jeder 
Heidelberger, seitdem eine derart-betitelte Unterhaltungsserie 
(fuer's ZDF!) in diesem schoenen Staedtle gedreht wird. Der 
Titel ist uebrigens ein Zuruf des Hauptdarstellers an eine 
dieser Nach-22-Uhr-bitte-keinen-Damenbesuch-mehr-
Vermieterinnen. Die Provinz entwaechst ihren Kinderschuhen, 
Heidelberg wird zur Filmmetropole. Apropos Metropole: Fuer 
Filmleute sollte man aber keinesfalls jene gruen-oder-
sonstwie-be-sakko-ten jungen Menschen halten, die - streng 
nach Aufgabe/Status getrennt - stolz ein gruenes, gelbes oder 
rotes Zettelchen am Revers vor sich her trugen. Diese waren 
vom aeHeidelberger Club..." und Teilnehmer am Symposium 
aeWider Waerte - Weiser ohne Wandel!". Back to the movie: 
Vor einigen Wochen konnte man es durch die UB schallen 
hoeren: ae...was interessiert mich Dein Liebesleben mit 
Stephan? Ihr BUMST zusammen , na und?!" Dieser Satz 
sollte noch zwanzigmal durch jene ehrwuerdigen Hallen 
klingen. Wer das Glueck hatte, als noch-zu-entdeckender-
Filmstar (sprich Komparse) dabeizusein, weiss um den 
Realitaetsgehalt jener soap opera: Studenten feiern am 
hellichten Tage Parties auf Neckarbooten, und die 
maennlichen Hauptdarsteller sind beide ueber dreissig. 
Studienzeitverkuerzung? Der Film pfeift drauf.               (jk)




Scheine auf dem Markt?
Nach Einbruch ins IPW fehlen Formulare und Dienstsiegel 

In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai drangen Diebe ins Institut 
fuer politische Wissenschaft  ein. Da  keine Spuren eines 
gewaltsamen Eindringens zu erkennen waren, und  noch am 
Sonntag um 18 Uhr, als Professor Pfetsch das Haus als letzter 
legaler Besucher verliess, alles unversehrt gewesen war, 
draengt sich der Verdacht auf, dass die Taeter einen 
Schluessel besassen.  Der Einbruch wurde am Montag morgen 
von einer Raumpflegerin bemerkt.
Die Diebe hatten es ganz offensichtlich nicht auf die - ja wohl 
ohnehin bescheidenen - liquiden Mittel des Instituts abgesehen 
, sondern sie stahlen gewissermassen das Handwerkszeug zum 
Scheineausstellen: Scheinformulare, das Dienstsiegel und 
Material, auf dem sich Unterschriften von so ziemlich allen 
Dozenten des IPW befunden haben duerften; dazu fehlte das 
offizielle Briefpapier. Studierende, die unvorsichtiger Weise 
bereits ausgestellte Scheine noch nicht abgeholt haben, 
duerften diesen Fehler spaetestens jetzt ebenfalls bedauern - 
auch die sind naemlich weg!
Ueber die Ursachen und Folgen des Einbruchs bestand zuletzt 
noch keine vollstaendige Klarheit: Die ueberschwappende 
Euphorie unter einigen IPW-StudentInnen, dass jetzt endlich 
das Angebotsmonopol des Instituts bezueglich Magister-, 
Staatsexamens- und Zwischenpruefungszeugnissen aufgeloest 
worden sei, scheint jedenfalls einer  realen Grundlage zu 
entbehren; allenfalls der Scheinerwerb duerfte Sache des 
Marktes geworden sein. Freilich ist, wie jeder Monopolist, der 
seine Position zu verlieren droht, auch die IPW-Leitung wohl 
nicht bereit, das Feld kampflos aufzugeben: So wird es 
moeglicherweise bei den naechsten 
Zwischenpruefungsanmeldungen  notwendig sein, die Scheine 
nochmals vom betreffenden Dozenten bestaetigen zu lassen.                                
(rz)                                                  



Auf, auf!
Vollversammlung am 18. 5.

Am 18. Mai findet um 17 Uhr wieder eine Versammlung der 
Heidelberger Studierenden in der Neuen Aula statt. 
Hauptsaechlich zwei Themen stehen auf der Tagesordnung:  
Erstens sollen die Anwesenden ueber die Position der 
Studierendenschaft im Streit mit dem Verkehrverbund Rhein-
Neckar entscheiden: Der moechte naemlich eine 
Preiserhoehung fuer das Studi-Ticket durchsetzen, obwohl er 
durch den ueberraschend guten Verkauf der Netzkarte schon 
grosse Mehreinnahmen erhalten hat. 
Zweitens  soll ueber die Novellierung des Universitaegesetzes 
geredet und ueber eine Resolution der Hochschulpolitischen 
Kommission der FSK hierzu abgestimmt werden.
Einen Bericht zur Pokerei um das Studi-Ticket findet Ihr auf 
S. 4, die wichtigsten Aenderungen im Universitaetgesetz, wie 
sie das Wissenschaftsministerium vorschlaegt, haben wir - 
kommentarlos - auf S. 4 aufgefuehrt.








"Wir muessen die liberale Gesellschaft argumentativ 
verteidigen"
ruprecht sprach mit Micha Brumlik ueber Rechtsradikalismus 
und Antisemitismus

Mit seiner Meinung hat Micha Brumlik noch nie hinter dem 
Berg gehalten. Der 46jaehrige Professor fuer 
Erziehungswissenschaften, der in Jerusalem und Frankfurt/M. 
Philosophie, Soziologie und Paedagogik studierte, arbeitet vor 
allem ueber die Geschichte politischer und paedagogischer 
Theorien sowie ueber europaeische und juedische 
Geistesgeschichte. Zugleich aber setzt er sich als engagierter 
Linker und Jude publizistisch mit politischen Themen des 
Tages - vom Historikerstreit bis zum Asylrecht - auseinander. 
In seiner Beschaeftigung mit dem deutsch-juedischen 
Verhaeltnis und der Problematik wachsender 
Auslaenderfeindlichkeit wird er gerade in diesen Tagen zu 
einem gefragten Gespraechspartner.

ruprecht: Was wuerden sie als die Ursachen des 
Rechtsextremismus, 
der Fremdenfeindlichkeit ueberhaupt in Deutschland ansehen?
Brumlik: Es  hat unter der Bevoelkerung der Bundesrepublik 
Deutschland seit dem Ende des 2. Weltkrieges immer einen 
bestimmten Anteil gegeben, der rechtsextremistisch, 
fremdenfeindlich und antisemitisch gewesen ist. Dass diese 
Haltungen im Laufe der letzten zwei, drei Jahre so virulent 
geworden sind, hat sicherlich etwas zu tun mit dem Ende des 
Kalten Krieges, einer Zeit, als die rechten Gefuehle sich vor 
allem auf den Antikommunismus einschwoeren liessen; mit 
den sozialen Desintegrationsprozessen, die durch die 
Wirtschaftskrise, durch die Schwierigkeiten mit der 
Wiedervereinigung Deutschlands etc. entstanden sind; und mit 
einer allmaehlichen Veraenderung und Aufloesung 
traditioneller Bindungen. Die unmittelbare Ursache aber ist 
eine Art Resonanz-Phaenomen auf eine von oben,  von 
politschen Institutionen gefoerderte Angst-Strategie. Seit 
Jahren ist die Fremdenfeindlichkeit immer dann angestiegen, 
wenn dieses Thema besonders in den Medien praesent 
gewesen ist - in der Regel dann, wenn Wahlen kurz 
bevorstanden. Insbesondere die konservativen Parteien in der 
BRD hatten nach dem Hinscheiden einer charismatischen 
Fuehrerfigur wie Franz Josef Strauss die Schwierigkeit, sich 
einen Zugriff auf den bis dahin einigermassen zuverlaessig 
integrierten rechten Rand zu verschaffen. Vor zweieinhalb 
Jahren z.B. hat der damalige Generalsekretaer Volker Ruehe 
einen Ukas an saemtliche Abgeordneten der Union in Bund, 
Laendern und Gemeinden gegeben, danach zu fragen, wie es 
mit dem Asyl-Problem bestellt sei. Konservative Politiker  
haben alles, was mit sogenannten Asylanten zu tun hatte, zu 
einem Aufhaenger fuer alle moeglichen Formen subjektiver 
Verunsicherung gemacht. So hat sich ein Teil der 
Bevoelkerung in ihren irrationalen Befuerchtungen bestaetigt 
gesehen; verunsicherte, konventionell denkende und aus - in 
aller Regel doch - unteren sozialen Schichten kommende, 
maennliche Jugendliche hatten ploetzlich das Gefuehl, ihre 
Aggressivitaet gewissermassen legitim, im Auftrage der 
Oeffentlichkeit, gegen die Fremden richten zu koennen. Und 
alles andere ist dann schlichtweg die Dynamik einer Spirale, 
die man jetzt nicht mehr einholen kann: Diejenigen 
konservativen Parteien, die mit diesen populistischen Themen 
gespielt haben, sind jetzt in der Lage des Zauberlehrlings, der 
die Geister, die er rief, nicht mehr los wird. Es ist bedauerlich 
zu sehen, dass die Sozialdemokratie sich in diesem Kampf um 
die Zustimmung auch von konservativeren Waehlerschichten 
gezwungen gesehen hat, ihre bisherige Standfestigkeit 
aufzugeben und damit das Vorurteil, es bestuende wirklich ein 
Problem in bezug auf die Fremden und die Zuwanderer, 
ihrerseits zu verstaerken.
ruprecht: Sehen Sie jetzt Moeglichkeiten, der 
Fremdenfeindlichkeit und den Ausschreitungen vorzubeugen?
Brumlik: Ja. Zunaechst mal einfach polizeilicher Art und dann 
natuerlich - das interessiert uns besonders - 
sozialpaedagogischer Art.  Der wichtigste Schritt aber ist, 
dass die Gesellschaft der BRD sich mit einem 
Einwanderungsgesetz selbst als das anerkennt, was sie ist, 
naemlich als eine Einwanderungsgesellschaft, um sowohl den 
Emigranten als auch den sogenannten 'Eingeborenen' 
deutscher Ethnizitaet endlich klarzumachen, in welcher 
Realitaet sie wirklich leben.
ruprecht: Wie beurteilen Sie die augenblickliche Debatte um 
das Verbot von rechtsradikalen Parteien?
Brumlik: Ich kann das gut verstehen, dass Betroffene diese 
Forderung erheben. Ich selbst bin dagegen. Wer heute das 
Verbot der Republikaner fordert, weiss schon, dass er oder sie 
luegt, weil alle einigermassen informierten Politiker wissen, 
dass ein Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht 
erstens mindestens fuenf, sechs Jahre dauert, bis er ueberhaupt 
erfolgreich sein koennte, und zweitens, dass er wahrscheinlich 
nicht erfolgreich sein wird, weil das Programm dieser Partei 
all ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungen zum Trotz eben 
formal grundgesetzkonform ist. Insofern ist das nur Gerede. 
Ausserdem haben wir in der gegenwaertigen 
Auseinandersetzung eine liberale Gesellschaft zu verteidigen, 
indem wir zeigen, dass wir uns mit argumentativen Mitteln 
dieser Herausforderung stellen koennen und auch in 
schwierigen Situationen unsere liberalen Prinzipien nicht 
aufgeben muessen.
ruprecht: Warum haben die jungen Maenner ein besonderes 
Potential zur Gewaltbereitschaft, und was ist mit den jungen 
Frauen?
Brumlik: Knaben werden weniger konventionell sozialisiert als 
Maedchen bzw. kuendigen mit etwas groesserer 
Wahrscheinlichkeit unter Stresssituationen Konventionen auf. 
Dazu kommt, dass vor allem in der Unterschicht 
Aggressivitaet als Spannungsloesung und koerperliche Kraft 
als ein Medium in einer besonders hart empfundenen 
Konkurrenz- und Prestigesituation immer wieder mal 
ausgelebt wird. Als maennlich angesehene Gewalt wird 
natuerlich auch in dem Ausmass fuer bestimmte junge 
Maenner attraktiv, die sich aufgrund der Emanzipation der 
Frauen in ihren herkoemmlichen maennlichen Rollen 
verunsichert fuehlen. 
ruprecht: Zu der vorherrschenden Ansicht, dass es sich um ein 
aeWiederaufleben der Weimarer Zustaende" handelt, sagen 
Sie nein. Warum?
Brumlik: Weimar war eine Demokratie ohne Demokraten. 50 
bis 60 Prozent der wahlberechtigten Bevoelkerung lehnten die 
Demokratie als Regierungsform ab, und unter denjenigen, die 
die Demokratie als Regierungsform gerade so anerkannten, 
war diese Anerkennung auch oftmals nur taktischer Art. Das 
ist nun heute bei allen Gefaehrdungen doch anders. Das 
Beispiel Italien zeigt uns zwar, dass diese Orientierungen 
womoeglich weniger stark ausgebildet sind, als wir uns das 
erhoffen. Nur - heute zu sagen, es ist jetzt schon wie Weimar, 
dafuer haben wir einfach keinen Anhaltspunkt.
ruprecht: Wie sehen Sie die aeIdentitaet der Juden in der 
Bundesrepublik"?
Brumlik: Vor allem viele der jungen juedischen Menschen 
befinden sich in grossen Identitaetsschwierigkeiten. Einerseits 
sind sie schockiert von den antisemitischen und 
fremdenfeindlichen Ausschreitungen, andererseits haben sie 
natuerlich genau die gleiche Sehnsucht nach Normalitaet wie 
die nicht-juedischen Jugendlichen auch. Zudem legen ja die 
Fuehrer der Juden in Deutschland immer haeufiger 
Bekenntnisse zur Nation ab und versuchen, das 
Identitaetsmodell des 'deutschen Staatsbuergers juedischen 
Glaubens' wieder stark zu machen. Ich glaube aber, dass das 
die Realitaet der Juengeren vor allem hierzulande nicht trifft, 
und insofern sind sie da auch noch sehr stark auf der Suche.
ruprecht: Wie beurteilen Sie die hartnaeckig bestehende 
Judenfeindlichkeit?
Brumlik: Ich finde sie schlimm, aber nicht besonders 
erstaunlich, denn wir koennen ja einigermassen genau sagen, 
wo sie sitzt. Es ist nur bedenklich, dass unter bestimmten 
Umstaenden die einen oder die anderen doch bereit sind, mit 
solchen judenfeindlichen Tendenzen zu spielen - man spielt 
allerdings weitaus weniger mit judenfeindlichen, als mit 
auslaenderfeindlichen Tendenzen. Im Moment gibt es ja die 
Auseinandersetzung um Franz Schoenhuber und die deutlich 
antisemitische Richtung, die die Republikaner eingenommen 
haben. Es ist ermutigend, dass wirklich alle grossen, 
etablierten Parteien einmuetig dagegen sind und keinerlei 
Kompromisse machen. Auf der anderen Seite ist es natuerlich 
auch ein Signal nach rechts gewesen, als Helmut Kohl sich in 
Bitburg vor SS-Runen verneigt  hat.
ruprecht: Eine persoenliche Frage: Warum leben Sie in 
Deutschland?
Brumlik: Ich lebe in Deutschland, weil es mir nach einem 
kurzfristigen Versuch in Israel nicht gefallen hat - damals an 
der Universitaet. Ja - und sich Leben einfach so eingerankt 
hat. Das hat keine ideologischen Gruende, es ist... die Folge 
einer Reihe von pragmatischen Beschluessen. 
ruprecht: Sehen Sie fuer sich in Ihrer aeWahlheimat" eine 
ernsthafte Bedrohung?
Brumlik: Ich weiss es nicht. Es gibt immer mal wieder 
antisemitische Anrufe oder Drohbriefe. Andere haben aber 
daran sehr viel staerker zu leiden als ich.
ruprecht: Herr Brumlik, ich danke Ihnen fuer dieses 
Gespraech.
Manuela Staeckler


ruprecht-Serie point&counterpoint

Der Verwaltungsrat der Universitaet beschloss im Februar'94, 
ueber einen Grundbetrag hinausgehende Mittel fuer 
wissenschaftliche Hilfskraefte an die Fakultaeten nach der 
Zahl der Examinierten sowie nach deren Studiendauer zu 
verteilen. Wer zukuenftig schneller mehr Studierende 
ausbildet, bekommt auch einen groesseren Anteil der Mittel. 
Diese Entscheidung hat eine heftige Debatte ausgeloest. 
ruprecht fragte:

Sollen Zusatzmittel fuer wissenschaftliche Hilfskraefte in 
Zukunft aeleistungsbezogen" vergeben werden?

"Ja"
Prof. Dr. Wolfgang Schluchter
Direktor des Soziologischen Instituts und Mitglied des 
Verwaltungsrates
Juengst beschloss der Verwaltungs-
rat der Universitaet Heidelberg, 
einen kleinen Teil der Hilfskraftmittel unter einem neuen 
Gesichtspunkt auf die Faecher zu verteilen. (1,9 von 11,5 
Mill. DM, vor Abzug der globalen Minderausgabe). Dies 
wurde unter dem missverstaendlichen Titel einer 
leistungsbezogenen Mittelverteilung in die universitaere 
Oeffentlichkeit gebracht. Tatsaechlich geht es darum, die 
bislang ausschliesslich bedarfsbezogene Mittelverteilung um 
eine ergebnisbezogene zu ergaenzen. Um es vereinfacht zu 
sagen: Wichtigster Massstab fuer die bedarfsbezogene 
Mittelverteilung ist die Zahl der auszubildenden Studierenden, 
wichtigster Massstab der ergebnisbezogenen Mittelverteilung 
die Zahl der Abschlussexamen, wobei der Betrag pro 
Abschlussexamen im umgekehrten Verhaeltnis zu der ueber 
die Regelstudienzeit hinaus benoetigten Studiendauer 
abgestuft wird.

Viele Hochschullehrer, insbesondere in den 
Geisteswissenschaften, fuehlen sich durch diese Entscheidung 
in ihrer Leistung fuer die Lehre herabgewuerdigt. Sie  
bezweifeln auch, dass Zahl und Zeitpunkt der 
Abschlussexamen in ihren Faechern ein geeigneter Indikator 
fuer gute Lehre sei. Beide Aussagen haben viel fuer sich. 
Entgegen der derzeit weit verbreiteten Meinung gibt es gerade 
in den durch numerus clausus nicht geschuetzten 
Massenfaechern teilweise hervorragende Lehre, gegruendet 
auf Pflichtbewusstsein und die Bereitschaft zur 
Selbstausbeutung der Lehrenden. Die Verantwortlichen in 
Universitaet und Land sollten mit diesem Kapital pfleglich 
umgehen, sofern ihnen an der Funktionsfaehigkeit der 
Massenuniversitaet gelegen ist. Auch sind Studiendauer und 
Studienabbruch von einer Vielzahl externer Faktoren 
abhaengig, die sich durch eine Verbesserung der 
Studienorganisation nicht veraendern lassen. Insofern kann 
man gewiss darueber rechten, ob fuer ein ergebnisbezogenes 
Modell schon fuer alle Faechergruppen die 'richtigen' 
Indikatoren gefunden sind. Darueber wurde uebrigens im 
Verwaltungsrat ausfuehrlich gestritten. Als Folge davon wird 
das Modell bereits fuer die naechste Verteilungsrunde 
modifiziert.

Dennoch halte ich die Entscheidung des Verwaltungsrat im 
Grundsatz fuer richtig. Man muss sich freilich dabei von dem 
Missverstaendnis loesen, als habe er damit eine Bewertung der 
Lehre beabsichtigt, gar eine Bewertung der Lehre, die der 
einzelne Hochschullehrer erbringt. Vielmehr geht es ihm 
schlicht darum, Unterschiede im Ergebnis, die auch zwischen 
aehnlich gelagerten Faechern und bei aehnlichen 
Randbedingungen bestehen, zu honorieren. Bezugsgroesse 
dabei ist nicht der einzelne Hochschullehrer, sondern das 
Fach. Fuer die Faecher soll es in Zukunft einen Anreiz geben, 
vor allem ihre Studienorganisation zu ueberpruefen. Laesst 
sich der ausbildungs- und pruefungsrelevante Stoff nicht doch 
noch etwas staerker standardisieren? Kann man die Abfolge 
der Pflichtveranstaltungen nicht doch noch etwas 
uebersichtlicher und zeitsparender gestalten? Gibt es nicht 
doch noch Moeglichkeiten, die Zeiten fuer die Bewertung von 
pruefungsrelevanten Arbeiten zu verkuerzen? Dies sind einige 
der Fragen, um die es dabei geht. Wie gesagt: Es sollen 
Anreize fuer Faecher gesetzt werden, ihre Studienorganisation 
zu verbessern. An dem Vorrang der bedarfsbezogenen 
Verteilung der Hilfskraftmittel, der die unterschiedliche 
Lehrbelastung der Faecher beruecksichtigt, aendert sich 
dadurch nichts.

"Nein"
Prof. Dr. Baldur Panzer
Direktor des Slavischen Instituts

Gegen die Belohnung von Lei-
	stung habe ich gar nichts, im 
	Gegenteil. Nur so funktioniert unsere Gesellschaft, 
Wissenschaft und Wirtschaft. Nur: Welche Leistung, wer 
bewertet sie, wie belohnt man sie?
Das Vokabular ist verraeterisch: Da ist von aeWarnsignalen 
an die einzelnen Faecher" die Rede, aeihre Hausaufgaben in 
der Lehre zu besorgen, um so ein zuegiges Studieren zu 
ermoeglichen", vom aeEinsatz der Mittel", die erfolgreiche 
Absolventen den Fakultaeten aeerwirtschaften", womit diese 
aehonoriert" werden.
Jahrzehnte nach der Grundschule wird man hier, diesmal als 
Lehrer, an aeHausaufgaben" gemahnt! Das habe ich frueher 
nicht leicht genommen, jetzt auch nicht. Aber diese Didaktik-
Konzeption des Nuernberger Trichters, schon fuer die 
Grundschule untauglich, erscheint fuer die Universitaet voellig 
absurd: Fuellt schneller (nicht mehr!) ein, und die 
Absolventenzahlen steigen, dafuer gibt es noch mehr und 
bessere Trichter. Schlechte Schueler haben schon immer ihren 
Lehrern ihr eigenes Versagen angekreidet, Lehrer dies immer 
an die Schueler zurueckgewiesen.
So nun auch an der Uni: Erst waren die Studenten schuld, die 
mit Regelfristen und Zwangsexmatrikulation diszipliniert 
werden sollten; nach lebhaften Protesten wurden die 
Regelstudienzeiten nur noch zur Stoffbegrenzung in die 
Pruefungsordnungen geschrieben, um die Lehrenden auf einen 
sterilen Kanon und zur ewigen Routine zu verpflichten. Das 
wird nun durch Aktivierung der seit 15 Jahren im UG 
(Universitaetsgesetz) schlummernden Studienplaene 
verschaerft. Dann kam mit aePruef den Prof" die Jagd auf die 
unfaehigen Professoren als Schuldige; seit zwei Jahren 
schlaegt unser neuer Wissenschaftsminister unter dem 
Schlagwort aeVerstaerkung der Lehre" in dieselbe 
populistische Kerbe mit den albernen Zettelchen, auf denen 
wir ankreuzen muessen, dass wir auch wirklich lehren werden, 
was angekuendigt ist, mit aeLehrpreisen" und 
Schnellschuessen in Form von Sonderprogrammen, die schon 
beantragt sein sollen, bevor sie in den Instituten eingegangen 
sind! Und die Universitaet macht da brav mit, um ja nichts zu 
verpassen, statt die Sinnlosigkeit eines solchen blinden 
Aktionismus klarzumachen.
Die Umverteilung der stetig sinkenden Hilfskraftmittel, die 
schon zur Abdeckung der Defizite im Forschungs- und 
Bibliotheksbereich nicht ausreichen, nun auch noch als 
Feuerwehr fuer die Lehre (gleichzeitig aber 6-monatige 
Stellenbesetzungssperre!) und Belohnung fuer die 
aeLehrstarken" scheint mir besonders absurd. Was kann man 
mit ein paar hundert Mark machen? Tutoren einstellen, die 
wie bei den Juristen die Marktanteile der florierenden 
kommerziellen Repetitorien verringern? Also Studenten, die 
noch gar kein Examen haben? Die erreichen nun das, was 
Profs und Profis nicht schaffen? Durch Abfragen von 
Vokabeln? - Viele Studenten brauchen zwar ein 
propaedeutisches Studium zum Erlernen von zwei bis drei 
Sprachen, bevor sie das wissenschaftliche Studium beginnen 
koennen; dafuer brauchen sie (nicht anzurechnende) Zeit, aber 
keine 'Hiwis'! Im Studium selbst hapert es am meisten an der 
Faehigkeit, Haus- und Seminararbeiten auf wissenschaftlichem 
Niveau in angemessener Zeit fertigzustellen; durch 
Verschleppung dieser Leistungen um Semester scheiden sie 
oft allmaehlich aus. Wie kann man sie noch erreichen oder 
foerdern? Dadurch, dass man sie in weitere Seminare zwingt? 
Gerade dem entziehen sie sich aus mannigfaltigen Gruenden 
(vgl. Forschung und Lehre 4, 1994, S. 129ff.). Da nuetzt auch 
weder eine Belohnung noch eine Bestrafung der Dozenten.
Durch das Anprangern der 'Faulen' loest man allerdings den 
Konsens zwischen den Faechern innerhalb der Universitaet 
auf. Es mag sein, dass viele dem Verschulungsmodell schon 
so weit verfallen sind, dass sie die recht freiheitliche Praxis der 
Geisteswissenschaften mit ihrem selbstbestimmten und 
selbstverantworteten Studium und der ebenso autonom 
geregelten Lehre nur noch als Chaos oder Versagen ansehen 
koennen. Wer aber in Jahrzehnten Lernen, Forschen und 
Lehre als sehr fruchtbare Einheit erfahren hat, wird sich von 
Reglementierung und Disziplinierung von Lehrenden und 
Lernenden durch Kultus- und Universitaetsbuerokratie nichts 
Gutes fuer die Universitaet versprechen.

Schlusslied
Die Burschen denken ueber die Abschaffung des oeffentlichen 
Maiansingens nach

Das diesjaehrige Maiansingen war, 
	glaubt man dem Sprecher der 
	Burschenschaft Allemannia, das letzte oeffentliche in 
Heidelberg. Entnervt von hunderten von 
trillerpfeifenblasenden, topfdeckelklappernden und 
kinderrasselschwingen Linken und Autonomen, die seit 
nunmehr 4 Jahren mit schoener Regelmaessigkeit die Feier der 
Studentenbuende sabotieren, denkt die Korporation darueber 
nach, den Mai demnaechst lieber in der Abgeschiedenheit 
eines Verbindungsgartens zu begruessen. Damit waeren an 
kuenftigen Maifeiertagen 50 Polizisten arbeitslos, 250 Linke 
feindbildlos und hunderte von Burschen buehnenlos. Der fuer 
alle Beteiligten traurige Entschluss der Allemannia erfolgte, 
nachdem in der Mainacht '94 besonders viele Anti-
SaengerInnen  den Marktplatz gefuellt hatten und es auch 
verstaerkt zu Rangeleien gekommen war. Einige Autonome 
hatten nach Angaben sogar im vorab versucht, eine Feier der 
Burschenschaft Teutonia in ihrem Haus zu sprengen.
Vor allem aber muessten sich viele Heidelberg, die jetzt schon 
Wetten auf den Ausgang des Rituales im naechsten Jahr 
abgeschlossen haben, einer anderen Beschaeftigung 
zuwenden. 
Troestlich: Es gibt auch Buende, die 
	fest entschlossen sind, den Lin-
	ken nicht den Spass zu verderben: aeEs waere schade, 
diese schoene alte Tradition aufzugeben, nur weil einige 
Autonome Toleranz nur von anderen fordern.", sagt man uns 
bei einem Rundruf durch verschiedene Verbindungen. Oder 
deutlicher: aeWir werden den Linken nicht weichen." - aeJetzt 
aufzuhoeren, hiesse, den Autonomen  in gewisser Weise 
Recht zu geben. Gerade dadurch dass wir weitersingen, 
wollen wir zeigen, dass es sich beim Maiansingen nur um eine 
schoene Sitte handelt und nicht um rechtsradikale Braeuche." 
Na also. Wenn die Linken, wie wir vermuten, ihre schoenen 
(wenn auch nicht ganz so alten) Traditionen auch nicht 
aufgeben wollen, werden sich ja alle im Mai 1995 
wiedersehen. 
(hee, hn)


Dokumentation: Novelle
Es wird Ernst mit dem neuen Universitaetsgesetz

Das Wissenschaftsministerium hat jetzt einen Vorschlag  an 
die Hochschulen geschickt und diese  zu einer Stellungnahme 
aufgefordert. Eine Kommission erarbeitet gerade in 
Heidelberg den Kommentar des hiesigen Senates (der soll 
aber, geht es nach Rektor Ulmer, wirklich nur diesen 
Vorschlag beraten, und das Ministerium keinesfalls mit 
eigenen Ideen belaestigen). Damit auch Ihr die Vorschlaege 
kommentieren und in der bevorstehenden Vollversammlung, 
in der auch diese Thema auf der Tagesordnung steht, mitreden 
koennt, stellt ruprecht hier die wichtigsten Aenderungen 
unkommentiert vor. 
Wichtig ist zunaechst, dass die Stellung der Rektoren 
beziehungsweise Praesidenten sowie der Dekane gestaerkt 
werden soll. Dem Rektor soll ein Weisungsrecht gegenueber 
den Dekanen zugestanden werden,um ueber die Lehr- und 
Pruefungsverpflichtungen wachen zu koennen. Die Dekane 
erhalten das gleiche Recht den ProfessorInnen gegenueber. 
Daneben werden pro Fakultaet bis zu drei 
Studienkommissionen gebildet, die zur Haelfte mit Studenten 
besetzt werden sollen, und es sollen obligatorisch 
Studiendekane berufen werden. Aufgabe dieser Gremien, die - 
wenigstens was die Studienkommission betrifft - beratende 
Funktion haben, ist die Koordinierung von Studienbelangen. 
Studierende haben gegenueber der Studienkommission und 
dem Studiendekan ausserdem ein Beschwerderecht. 
Um die Studienzeiten zu verkuerzen, soll ausserdem das 
Pruefungsverfahren gestrafft und eine Freiversuchsregelung, 
wie der juristische aeFreischuss", eingefuehrt werden. 
Daneben soll es moeglich sein, dass bei Nichtbestehen der 
Zwischenpruefung der Pruefungsanspruch nach einer 
gewissen Frist erlischt. Daneben ist ein Ausbau und eine 
bessere Koordination der Studienberatung vorgesehen; dazu 
wird dem Gesetzentwurf zufolge die Zentrale Studienberatung 
eine zentrale Betriebseinheit und der Rektor soll die 
Studienberatung, die von ZSB und jeweiliger Fakultaet 
angeboten wird, koordinieren.
Daneben will die Landesregierung den Hochschulzugang, das 
Promoitionsrecht und das Habilitationsverfahren neu regeln. 
So soll der Zugang zur Hochschule nun auch fuer besonders 
Qualifizierte ohne Abitur moeglich sein, ebenso sollen auch 
Absolventen von Berufsakademien promovieren koennen und 
Habilitanten muessen zukuenftig ihre didaktische Eignung 
nachweisen. 



Ticket-Poker

FSK gegen VRN: Wer hat die besseren Karten?
Beim Pokerspiel gibt es bekannt-
	lich mehrere Varianten. Was die 
	Vertragsverlaengerung fuer das Semesterticket fuer 
Studierende angeht, so scheinen sich alle Beteiligten fuer die 
Version des Strip-Poker entschieden zu haben. Da das Spiel 
noch im Gange ist, ist zudem nach wie vor unklar, wer 
letztendlich die Hosen herunterlassen muss. Universitaet, 
Studentenwerk und nicht zuletzt die FSK (namentlich die 
Kommunalreferenten Felix Berschin und Christian Weiss) 
haetten aber gerne, dass zumindest einmal der VRN mit seiner 
Spielpartnerin HSB die Huellen fallen laesst und die Karten 
offen auf den Tisch legt. Wer den letzten aeUnimut" (extra) 
gelesen hat, dem duerfte bereits bekannt sein, dass die FSK 
von fantastischen Mehreinnahmen beim Verkauf des 
Semestertickets fuer den VRN ausgeht: aeDer VRN verdient 
an uns zusaetzliche 6,2 Mio DM (im Jahr)". VRN und HSB 
bestreiten dies vehement. VRN-Geschaeftsfuehrer Christian 
Fischer spricht in diesem Zusammenhang von aeeinem 
Koernchen Wahrheit und einem Koernchen Unwahrheit", und: 
aeEs ist sicher etwas uebriggeblieben, aber bei weitem nicht in 
dieser Groessenordnung". Wieviel er und sein finanziell 
maroder Verbund auf der Hand haben, gibt er aber doch nicht 
preis. Das verleitet die FSK zu dem Vorwurf: aeAnstatt mit 
diesem Geld das Netz auszubauen, erhoeht der Aufsichtsrat 
des VRN (...) den Studentenwerks-(!)anteil von 18 auf 19 
DM". Die Erloese wuerden vom VRN lediglich aezur 
Reduzierung des allgemeinen Defizites der Verkehrsbetriebe" 
benutzt. Aufgrund dieser Annahmen hatte die FSK 
kurzerhand beschlossen, eine Umfrage unter den Studierenden 
durchzufuehren: aeMuss das Semesterticket um jeden Preis 
fortgefuehrt werden (...) oder koennen wir auch sagen, es gibt 
eine Grenze?" Das heisst im Klartext: Sollte der VRN den 
Forderungen der FSK nach Angebotsverbesserungen im 
OePNV-Netz und nach diversen Vertragsaenderungen 
zugunsten der Universitaet, des Studentenwerks und der FSK 
nicht zustimmen, dann will man die Vertragsverlaengerung 
fuer das Semesterticket insgesamt platzen lassen.
Also bald kein Studi-Ticket mehr? Doch halt! Pokern lebt ja 
bekanntlich auch vom Bluffen. Vielleicht will der 
Verkehrsverbund diese lukrative Einrichtung ja in Eigenregie 
weiterbetreiben? Christian Fischer: aeWir haetten lebhaftestes 
Interesse daran, das Ticket zu erhalten." (Meint er das jetzt 
mit oder ohne aeStudiversitaet"?) Auf der anderen Seite geht 
die FSK im Brustton der Ueberzeugung davon aus, dass das 
Rektorat und das Studentenwerk voll und ganz hinter einer 
Entscheidung der Studierenden zu diesem Thema stuenden. 
Aber ob man sich da so sicher sein kann? Diether Gutenkunst, 
Geschaeftsfuehrer des Studentenwerks, haelt sich bei der 
Beantwortung dieser Frage relativ bedeckt: aeRektorat und 
Studentenwerk werden sich aller Voraussicht nach dem 
Votum der Studierendenvertretung anschliessen, was auch 
immer dabei herauskommen sollte." Er sagt aber auch: aeIch 
meine, das letzte Wort in dieser Geschichte wird der 
Verwaltungsrat des Studentenwerks haben" (und in dem 
sitzen bekanntlich auch Rektoratsvertreter). Sollte sich die 
Studierendenvertretung (also die Studierenden im Rahmen 
einer Vollversammlung) gegen eine Fortfuehrung des Tickets 
mit dem VRN entscheiden, so will er aediese Entscheidung 
allein nicht auf (s)eine Schultern nehmen". Gleichzeitig 
verweist er auf den bestehenden aeZeitdruck", der fuer die 
Verhandlung von weitreichenden Forderungen aenicht viel 
Spielraum" lasse.
Sind die Karten des Studentenwerks also doch nicht so gut, 
wie es der FSK scheint? Leider hat das Rektorat momentan 
den Spieltisch verlassen und sich auf Reisen begeben. Es wird 
also wieder als letztes seine wahren Karten offenbaren. Und 
die haben bis jetzt immer sehr gut gestochen.		
		
(swi)





Nuetzliche Lobby oder destruktive Splittergruppe?
Die Studi-Liste: Wer und was dahintersteckt

Die Studi-Liste, das erste zu 
		Kommunalwahlen antreten-			de 
Buendnis von Studierenden in Heidelberg (und das dritte in 
ganz Deutschland), hat sich endgueltig mit Programm und 
Personen formiert: Am 22. Februar wurden die Kandidaten 
fuer die Gemeinderatswahlen am 12. Juni gekuert, in dieser 
Woche soll das ausfuehrliche Programm vorgestellt werden. 

Auf dem einigermassen aussichtsreichen ersten Listenplatz 
kandidiert Jutta Goettert, 22, Biologie-Studentin. Dahinter 
rechnet sich der 26jaehrige Physik- und Japanologie-Student 
Christian Weiss noch Chancen auf einen Sitz im Gemeinderat 
aus. Auf Platz 3 und 4 folgen, allerdings ohne realistische 
Chance, den Sprung ins Hohe Haus zu schaffen, Michael 
Grube und Barbara Koop. Einen anderen Kandidaten hofft die 
Formation quasi auf Schleichwegen ins Stadtparlament zu 
bringen: Felix Berschin tritt eigentlich auf Listenplatz 5 fuer 
die F.D.P. an. Gleichzeitig aber ist er ein fuehrender Kopf der 
Studi-Liste - als Verkehrsexperte wird er mit die besten 
Moeglichkeiten haben, praktische Veraenderungen 
durchzusetzen. Die Studi-Liste wird sogar dazu aufrufen, ihn 
durch Stimmhaeufung von diesem eigentlich aussichtslosen 
Listenplatz aus doch in den Gemeinderat zu waehlen. (Ist 
Felix nun ein Agent der Studi-Liste in der F.D.P.,  oder ein 
Agent der F.D.P. in der Studi-Liste? aeEr hat das 
verkehrspolitische Konzept, fuer das er auch in der Studi-
Liste steht, in der F.D.P. komplett durchsetzen koennen. Wir 
wissen nicht, ob die Freidemokraten sich im klaren darueber 
sind, was sie sich mit der Annahme von Felix' Vorschlaegen in 
diesem Bereich angetan haben. Aber das ist das Problem der 
F.D.P., nicht unseres", meint Michael Grube dazu.)
Natuerlich stellt sich diese Frage erst, wenn wenigstens Jutta 
Goettert in den Gemeinderat kommt. Die Studi-Listen-
Organisatoren stuetzen ihre Hoffnung auf eine Umfrage, die 
sich im November letzten Jahres in den Mensen gemacht 
haben. Demzufolge kann eine studentische Vertretung auf 
kommunaler Ebene in Heidelberg mit einem Stimmenanteil 
von ca. 35% rechnen. Bei einer Wahlbeteiligung von 45% bei 
Kommunalwahlen und 10.000 in Heidelberg gemeldeten 
Studierenden waeren das 1300 Waehler. Die koennten Jutta in 
den Gemeinderat hieven, wenn sie der Studi-Liste alle ihre 
jeweils 40 Stimmen geben. Gelingt es der Gruppe, die 
Wahlbeteiligung unter den Studierenden zu erhoehen und 
ausserdem noch Stimmen bei Schuelern und anderen 
Jungwaehlern einzusammeln, waere auch ein zweiter Ratssitz 
erreichbar. 
Zwei Sitze im Stadtrat zu bekommen, ist vor allem deswegen 
wichtig fuer die Studi-Liste, damit sich die Moeglichkeit 
ergibt, eine Fraktion zu gruenden: Das bringt Sitze in den 
Ausschuessen, in denen die eigentlichen Entscheidungen 
gefaellt werden, ausserdem Zuschuesse und Raeume von der 
Stadt. Um die drei noetigen Sitze zu erreichen, will man sich 
vielleicht mit Arnulf Lorentz von den  Liberalen Demokraten 
(einer nach der dem Schwenk 1982 von der FDP 
abgespalteten Gruppe) zusammentun. Felix Berschin kann 
sich natuerlich auch eine Fraktionsgemeinschaft mit den 
Freien Demokraten vorstellen - aees geht hier um rein 
praktische Erwaegungen". 
Wie ist eigentlich das Verhaeltnis der prospektiven 
Studierendenvertreter im Gemeinderat zu den 
Studierendenvertretern an der Uni?  Die Fachschaftskonferenz 
unterstuetzt die Liste mit Platz auf den Seiten des aeUnimut" 
und Bereitstellung der Infrastruktur des Fachschafts-Bueros; 
mehrere Fachschaften (unter anderen VWL, Medizin, 
Theologie, Dolmetscher, Philosophie, EWS) haben Geld und 
Unterstuetzung zugesagt. Die Studi-Liste rekrutiert sich 
ausserdem zu einem grossen Teil aus Mitgliedern der 
Fachschaftskonferenz (Christian Weiss und Michael Grube 
z.B. sind Kommunalreferenten der FSK). Trotzdem ist das 
Antreten der Liste nicht das Hauptthema der Sitzungen der 
Fachschaften; die Idee heisst man prinzipiell gut, aber es wird 
auch immer wieder betont, dass die Studi-Liste nicht die FSK 
ist. Man unterstuetzt sie, weil eine Gemeinderatslobby fuer 
Studierende eben als nuetzlich angesehen wird. Die Studi-
Liste selbst verspricht, die Fachschaftskonferenz oder eine 
monatlich einzuberufende aeKommunal-FSK" als 
Entscheidungsgremium aehnlich einer Mitgliederversammlung 
bei Parteien mit einzubeziehen. 
 Die Inhalte, mit denen sich die Studi-Liste fuer das 
kommunale Wahlvolk attraktiv machen moechte, lassen sich 
im wesentlichen mit den folgenden Stichwoertern 
zusammenfassen: studentische Mitwirkung auf kommunaler 
Ebene, Umwelt und Verkehr, Frauenfragen, Kultur, Wohnen 
und Soziales. Ziel soll sein, aedie Trennung zwischen 
Studieren und Leben in dieser Stadt" aufzuheben und die 
aeInteressen von (...) 33 000 Studierenden endlich in die 
Politik dieser Stadt einzubinden". aeEngagement statt 
Wahlenthaltung" fordern sie vor allem von den Studierenden, 
die sich, auch wenn sie nur ein paar Jahre in Heidelberg 
bleiben, ihr Recht auf Mitbestimmung  auch in der Stadtpolitik 
einklagen sollen. Was den Umweltsektor angeht, so will man 
sich dafuer einsetzen, dass die Stadt verstaerkt Druck auf 
Bundes- und Landesebene ausuebt, um zum Beispiel das 
Verursacherprinzip in Fragen der Umweltverschmutzung 
gesetzlich zu verankern. In Heidelberg soll der Ausstieg der 
Stadt aus dem Vertrag mit dem Dualen System Deutschland 
unterstuetzt werden, um dann die Einrichtung von 
aeLeergutannahmestellen" und von aekommunalen 
Abfallberatungen" zu verwirklichen. Auf dem Energiesektor 
will die Studi-Liste fuer einen Ausbau des Heidelberger 
Fernwaermenetzes und die Foerderung von alternativen 
Energietraegern eintreten. Gefoerdert werden sollen diese 
Vorhaben zum Beispiel aedurch die Einfuehrung von linearen 
Stromtarifen", um auf diese Weise die Energieverschwendung 
finanziell zu sanktionieren.
Die Erarbeitung eines Gesamt-Verkehrskonzeptes steht 
schliesslich beim Problemfeld aeVerkehr" im Vordergrund. 
Neben aeSofortmassnahmen" wie Taktverdichtungen, 
aeAusweitung des Nachtverkehrs" und dem massiven Ausbau 
des Radwegenetzes, stehen aelaengerfristige Massnahmen" im 
Programm, wie zum Beispiel Parkraumreduzierung in der 
Altstadt und die Parkraumbewirtschaftung im Neuenheimer 
Feld. Um aeeine staerkere regionale Koordination im Rahmen 
der Verkehrs- und Ansiedlungspolitik" zu erreichen, 
schrecken die Gemeinderatskandidaten nicht einmal davor 
zurueck, in landespolitische Sphaeren vorzudringen und aedie 
Abschaffung der Land- und Stadtkreise (dafuer die Gross-
Ebene 'Unterer Neckar')" zu fordern - da traut sich jemand 
einiges zu.
Auch dem Thema aeFrauen in Heidelberg" will sich die Studi-
Liste mit ihrer Spitzenkandidatin Jutta Goettert verstaerkt 
widmen. Neben prinzipiellen Ueberlegungen, was ein 
gesetzliches Verbot von aeverbaler und taetlicher Anmache" 
zum Beispiel auf der Hauptstrasse angeht, sieht sie die 
Foerderung von Fraueneinrichtung als besonders wichtig an.
Auf Neckarwiese, Thingstaette und Uniplatz soll in Zukunft 
der kulturelle Baer los sein. Grosse Konzerte und freie 
Kulturgruppen aus allen Bereichen der Kuenste sollen 
Heidelberg aezu einer echten Kulturstadt" machen. 
Moeglichen Auseinandersetzungen mit unverbesserlichen 
Liebhabern der allzu bieder eingestuften Stadttheaterkultur 
begegnet man freilich mit dem Hinweis, dass aeMehrheiten 
fuer unsere Kultur" erst noch aegefunden werden" muessten. 
Das trifft sicher auch noch auf andere Politkbereiche zu.
Um die Wohnungsnot in Heidelberg zu bekaempfen, fordert 
die Studi-Liste neue Formen der Finanzierung von sozialem 
Wohnungsbau: aeMenschen, die mehr als 70 Quadratmeter 
Wohnraum zur Verfuegung haben, (...) muessen nach oben 
gestaffelt fuer jeden weiteren Quadratmeter eine festgelegte 
Steuer bezahlen". Zweitwohnungen und aeaus 
Spekulationsgruenden leerstehender Wohnraum" sollen 
besteuert werden.
Wie gross die Durchschlagskraft der Studi-Liste mit diesem 
Programm sein wird, das laesst sich jetzt wohl nur sehr 
schwer voraussagen. Aber immerhin meint Christian Weiss, 
zum Beispiel bei der SPD die aegleiche Schwerpunktsetzung 
wie bei uns" ausmachen zu koennen (Wer hat da jetzt von 
wem abgeschaut?). Ausserdem haetten sich die anderen 
Parteien als Reaktion auf die studentische Initiative bemueht, 
vermehrt juengere Leute auf ihre Wahllisten zu setzen. Das 
bedeutet fuer die Studi-Liste natuerlich die Gefahr, dass die 
aeetablierten Parteien" ihr am Ende doch noch einen Teil des 
erwuenschten Stimmenpotentiales abspenstig machen.
Grundsaetzlich stellt sich fuer den waehlenden Studierenden 
die Frage, ob die Studi-Liste nicht eine weitere Gruppe ist, die 
bloss Partikularinteressen vertritt. Es ist sicherlich  ueberaus 
verlockend, als Studierender eine Lobby im Gemeinderat zu 
haben. Aber: Tun solche Gruppen - mit der einhergehenden 
Aufsplitterung des jetzt schon aus sieben Fraktionen 
bestehenden Gemeinderates  - diesem als Ganzes gut? Ist die 
Studi-Liste wirklich dringender als beispielsweise eine ADAC-
Liste oder eine Biertrinker-Partei?
 
Wir glauben schon. Denn eine 
	studentische Lobby - oder, 
	weiter gefasst, eine Lobby fuer die Juengeren in der 
Stadt - ist zu rechtfertigen, weil eine so grosse 
Bevoelkerungsgruppe, die der Kommune nicht nur 
Belastungen, sondern auch (wirtschaftliche) Vorteile bringt, 
auch eine Stimme in deren politischen Gremien haben sollte. 
Sie ist sinnvoll, weil die etablierten Parteien diesem Umstand 
bisher noch nicht genuegend Rechnung getragen haben. 
Politik fuer junge Leute kann eben nicht nur von 50jaehrigen 
gemacht werden. Und das rechtfertigt in der momentanen 
Situation eine eigene Liste.                      (sw, hn)


(Kasten:) Wuerzburg und Passau: Vorbilder fuer die Studi-
Liste?

Auch in Wuerzburg und Passau gibt es aehnliche Initiativen. 
Die aeStudentische Liste fuer Wuerzburg" hat seit den 
Kommunalwahlen 1990 einen Sitz im dortigen Stadtrat. 
Nachdem die aeStudenten fuer Passau" mit dem Slogan 
aeSchwung ins schwarze Passau" 1990 ebenfallls einen 
Stadtrat stellen konnten, bauten sie ihre Position bei den 
Stadtratswahlen 1992 auf zwei Sitze aus.
Umwelt und Verkehr, Frauen, Wohnungsnot und Kultur sind 
auch in Passau und Wuerzburg die Bereiche, in denen 
studentische Listen am meisten Handlungsbedarf und ihren 
eigenen Stand am ehesten von der etablierten Politik 
vernachlaessigt sehen. Auch wenn die studentischen Listen auf 
einige Erfolge verweisen koennen, wachsen die Baeume nicht 
in den Himmel: Langsam mahlende Muehlen der 
Stadtverwaltung und zahlreiche Antraege der Gruppen, die 
von der Ratsmehrheit abgeschmettert wurden, sorgen bei den 
studentischen Stadtraeten immer wieder fuer Aerger und 
Frustration.



"nichts wissen macht auch nichts."

Wir sitzen jahrelang in stickigen Bibliotheken, hoeren mit 
groesster Ausdauer den langweiligsten Vorlesungen zu und 
schlagen uns die Naechte am Schreibtisch um die Ohren - um 
dann von unserem potentiellen zukuenftigen Chef zu hoeren, 
dass wir leider fuer diese Arbeit nicht geeignet seien. Was 
nuetzt uns das im Studium Gelernte?


Es hilft einfach nichts. Da muss wohl Sigmund Freud ran. 
Geht die Bilanz der Mercedes AG weiter in den Keller, 
scheint dies der einzige Ausweg zu sein. Die Wirtschafter 
haben eindeutig versagt. Das Land schreit nach Reformen. 
Einige hoeren sogar zu, doch wer riskiert seinen Ruf und
versucht eine Rettungsaktion? Ob Sigmund es noch schafft, 
scheint doch fraglich zu sein. Denn wer zu spaet kommt, den 
bestraft bekanntlich das Leben. Und diesmal scheinen wir vom 
Leben bestraft zu werden. Aber vielleicht haben wir ja doch 
noch eine Chance: nehmen wir uns die Erkenntnisse eines 
Muenchener Professors zu Herzen, sparen wir damit nicht nur 
viele Lebensjahre junger, hoffnungsvoller Menschen, sondern 
auch noch eine Menge Geld, das der Staat sonst sinnlos zum 
Fenster hinauswuerfe. Denn nicht nur unser Land schreit. 
Auch die Bildungspolitiker schreien nach uns allen bekannten 
Reformen, waehrend die Studierenden ihre zaghaften Proteste 
dagegen laut werden lassen. Doch ist das, wofuer wir auf die 
Strasse gehen, wirklich das, was wir eigentlich wollen - oder 
wollen sollten? Protestieren wir nicht sogar an unseren 
eigenen Beduerfnissen vorbei; denn das, was wir heute lernen, 
muss spaeter einmal dazu taugen, den Magen ohne 
subventioniertes Mensaessen  fuellen zu koennen. Deshalb ist 
es eine Ueberlegung wert, ob nicht das System des Lehrens 
erst einmal von Grund auf reformiert werden muesste, bevor 
man die Rahmenbedingungen fuer jegliches Uebel 
verantwortlich macht.  Den Hochschulabsolventen wird ja oft 
vorgeworfen, sie seien zu theorieorientiert und stellten sich in 
praktischen Dingen an wie der Hase beim Eierlegen. 
Das Problem scheint jedoch nicht erst bei Professor 
Brinkmann, der im Hoersaal ueber die Gastritis referiert, zu 
beginnen, sondern schon bei den von Dr. Wibbel mit dem 
Gallischen Krieg gequaelten Sextanern: Was die lieben 
Kleinen in der Schule lernen, sind in erster Linie abstrakte 
Inhalte, fuer die die meisten Schueler keine Anwendung 
sehen. aeWozu soll ich das denn lernen? Das brauche ich 
spaeter doch sowieso nie mehr!" Wer kennt sie nicht, diese 
Klagen der geplagten Pennaeler, wer hat nicht selbst schon 
verzweifelt nach dem Sinn dieser Aufgabe gefragt, wenn die 
Berechnung des Limes dieser bloeden Funktion einfach nicht 
in den Kopf hinein wollte! Und man sich zudem schon laengst 
darueber im klaren war, dass man  Romanistik studieren 
wollte, weil der letzte Spanien-Urlaub doch so schoen war. In 
dieser Hinsicht scheint es also durchaus sinnvoll, dass die in 
der Schule gestellten Aufgaben eher abstrakt sind, denn es 
scheint vom Lehrer doch etwas zuviel verlangt, dass er fuer 
die angehende Wirtschaftswissenschaftlerin eine ebenso 
praezise auf das spaetere Berufsbild zugeschnittene Aufgabe 
stellt wie fuer den zukuenftigen Veterinaermediziner.
Problematisch dabei ist jedoch, dass  das in der Schule 
erworbene Wissen dann ueberhaupt nicht mehr genutzt 
werden kann, da man nie gelernt hat, es sinnvoll in der Praxis 
anzuwenden. Denn die Probleme im Alltag  sind nicht so 
wohldefiniert, wie sie in der Schule praesentiert werden, sie 
verraten einem nicht, dass sie nach der Loesungsformel auf 
Seite 85 zu loesen sind. 
Ausserdem  ist die Zerspitterung der Lerninhalte in einzelne 
Faecher ein Hindernis. Der  Schueler speichert sein Wissen 
ueber das Wunder des Lebens in der Schublade aeBiologie" 
ab, waehrend die Berechnung einer unendlichen Flaeche in 
dem Ordner aeMathematik" seinen Platz findet.  Natuerlich ist 
dies nur zu verstaendlich wie sinnvoll, doch leider macht der 
Alltag nicht derartige Unterschiede.
Darueberhinaus ist Teamwork  nicht gefragt, nur individuelle 
Leistungen zaehlen. Doch der Einwand, dass dies ueberhaupt 
nicht den Anforderungen des heutigen Berufslebens 
entspreche, hat den Lateinlehrer bei den Klausuren damals gar 
nicht interessiert. 
 
All dies bezieht sich jedoch auf unsere laengst vergangene 
Jugendzeit, als wir die Tage noch sorglos in der Schule - oder 
auch mal in dem Plattenladen um die Ecke - verbrachten. Aber 
wie sieht es an der Uni aus? Haben wir inzwischen gelernt, 
unser Wissen besser anzuwenden? Die Verantwortlichen der 
Initiative MIB (Magister in den Beruf) bescheinigen uns 
schriftlich, dass Studierende aeueber solide, in der Praxis 
nutzbare Kompetenzen auf den Gebieten (...) Verknuepfung 
von Faktoren aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kunst, 
Literatur, Geschichte und Geographie" verfuegen. Na, das ist 
ja denn erfreulich. Aber nicht nur das; darueberhinaus 
erwerben aeunsere Magister", wie es so liebevoll in dem 
Informationsblaettchen unserer MIBs heisst, in der Regel noch  
Schluesselqualifikationen wie u.a. die aeFaehigkeit zur 
Analyse komplexer Zusammenhaenge", die aeFaehigkeit zur 
Weiterentwicklung der eigenen Lern- und 
Handlungskompetenz" sowie aeInnovationsvermoegen" und 
aegeistige Offenheit und Flexibilitaet". Sehr schoen. Dann 
koennen wir uns also ganz beruhigt auf die Schulter klopfen 
und brauchen uns angesichts der beruflichen Zukunft keine 
Sorgen zu machen; wir haben alles bestens im Griff - oder 
vielleicht doch nicht? 
Schenkt man einer Studie, die an der Universitaet Muenchen 
durchgefuehrt wurde, Glauben, so duerften in diesem Punkt 
einige Zweifel durchaus berechtigt sein. Dort hat man sowohl 
eine Gruppe von kurz vor dem Abschluss stehenden 
Wirtschaftsstudenten als auch eine von Psychologie- und 
Paedagogikstudenten vor die Aufgabe gestellt, eine 
computersimulierte Fabrik zu leiten. Und siehe da, nicht etwa 
die praedestinierten, weil mit dem Vorsprung des Fachwissens 
beguenstigten angehenden Wirtschaftswissenschaftler lagen 
vorne, sondern die in oekonomischen Dingen voellig 
unbedarften zukuenftigen Psychologen und Paedagogiker 
brachten die Firma in Schwung. 
Was soll uns dieses Beispiel nun sagen? Entlasst López und 
lasst statt dessen seinen Psychiater ans Ruder? Vielleicht 
waere auch das ein Weg aus so mancher Wirtschaftsmisere, 
doch der Muenchener Professor zog aus seiner Untersuchung 
einen etwas anderen Schluss. Der Hauptgrund fuer das 
schlechte Abschneiden der Oekonomen lag seiner Meinung 
nach schlicht und einfach in der zu grossen Anzahl an 
Informationen und Aspekten, die sie in ihre Ueberlegungen 
mit einzubeziehen versuchten. Auf diese Weise behinderte sie 
ihr Wissen bei der Entscheidungsfindung nur. Die 
Psychologie- und Paedagogikstudenten hingegen benutzten 
einfach ihren gesunden Menschenverstand, d.h. sie arbeiteten 
mit relativ simplen Annahmen, die sie schnell zu einer 
Entscheidung fuehrten. Obwohl sie teilweise sogar von 
falschen Annahmen ausgingen, waren ihre Ergebnisse besser; 
ihr Laden lief, waehrend die aeWirtschafter" ihren 
heruntergewirtschaftet hatten. 
Sind nun Wirtschaftsstudenten einfach zu bloed, und hat des 
Volkes Stimme recht, wenn sie schimpft:"Die da oben sind 
doch einfach zu daemlich; die sollten uns mal fragen, warum 
der Laden nicht laeuft!" Unserem Herrn Professor ging es ja 
allerdings um etwas anderes:  In einer zweiten Untersuchung 
sollten Medizinstudenten - wieder anhand eines 
Computerfallbeispiels - eine Diagnose stellen. Wen wundert's, 
natuerlich versagten auch unsere Medizinfreunde ebenso 
klaeglich. Nicht nur, dass sie der Gesamtheit der Daten zu 
wenig Aufmerksamkeit schenkten und sich zu frueh auf eine 
Diagnose festlegten, sie waren zudem meist auch noch 
unfaehig, kausale Zusammenhaenge zwischen den Symptomen 
und der Diagnose herzustellen. 
Alles in allem betrachtet konnten weder die Wirtschafts- noch 
die Medizinstudenten in ihrer praktischen Kompetenz 
ueberzeugen, woraus unser Paedagogik(!?)-Professor 
schlussfolgerte, dass Studierende erhebliche Schwierigkeiten 
haben, das im Studium erworbene Wissen bei komplexen 
Problemstellungen zu nutzen. Doch uebersieht er dabei nicht 
eine Kleinigkeit und macht es sich insgesamt etwas zu leicht? 
Merkwuerdig, dass es gerade Wirtschafts- und 
Medizinstudenten waren, die scheinbar repraesentativ fuer die 
gesamte Studierendenschaft stehen. Gehoeren 
Geisteswissenschaftler z.B. nicht dazu, sind diese etwa eine 
andere Gattung, die  nicht so recht in die Gruppe der 
klassischen Studenten passen? Oder passten sie eventuell nicht 
zu den gefundenen Ergebnissen, vielleicht haetten sie diese ja 
sogar aeverfaelscht". Warum hat er denn gerade Psychologie- 
und Paedagogikstudenten gegen die Wirtschaftler antreten 
lassen, reiner Zufall? Vielleicht waere der Test mit Jura-, 
Chemie- oder Architekturstudenten schon anders ausgefallen. 

Man koennte dabei auch glatt auf den Gedanken kommen, 
dass die Magister doch mehr auf dem Kasten haetten und die 
Sache mit den Schluesselqualifikationen doch nicht so weit 
hergeholt sei. Und ob man aus diesen zwei Untersuchungen 
derartige allgemeine Thesen ableiten kann, scheint mir schon 
zweifelhaft. Denn waeren wir nun konsequent, muessten wir 
uns schliesslich der Frage stellen:"Wozu studieren wir 
ueberhaupt, wenn wir all das, was wir im Studium lernen, 
spaeter sowieso nicht gebrauchen koennen?" Und diese Frage 
scheint mir nun angesichts des sich immer schneller 
aendernden Stands der Wissenschaften durchaus berechtigt; 
wenn die armen Studenten ihr muehsam eingepauktes Wissen 
nicht in der Praxis in einen sinnvollen Zusammenhang bringen 
koennen, heisst dies nicht einfach, dass wir uns heute zu viele 
Fakten merken muessen, die unsere leider begrenzte 
Intelligenz nicht mehr verarbeiten kann? 
Dieses Problem versucht man in Amerika seit einigen Jahren 
mit praxisbezogenen Unterrichtsmodellen in den Griff zu 
bekommen. Da werden z.B. Fuenftklaesslern Filme gezeigt, in 
denen ein Wildhueter mit Hilfe eines Ultraleicht-Flugzeuges 
einen verletzten Adler im Urwald retten will, alleine mit dem 
Ziel, den Pythagorassatz zu vermitteln. Diese Kinder zeigen 
sich dann hoechst motiviert; statt waehrend des Unterrichts in 
den Plattenladen gehen sie dann vielleicht anschliessend in den 
Pilotenkurs, und da lernt man dann ja wirklich etwas fuers 
Leben. 
Also, liebe Professoren, es gibt noch einiges zu tun! Ladet 
eure Astronomie-Studenten doch einmal zu einer Exkursion 
zum Mars ein, oder wie waere es mit einem simulierten 
Beitritt der GUS in die EU fuer die Politologen. Gut, man 
muss es ja nicht gleich uebertreiben, aber ein bisschen mehr 
Praxisbezug wuerde wohl wirklich niemandem schaden. Ob 
dies nun computersimulierte Faelle sind, an denen sich der 
angehende Arzt in der AIDS-Bekaempfung ueben kann, oder 
Boersenspiele fuer zukuenftige Iacoccas, ist gar nicht so 
wichtig, Hauptsache, es tut sich ueberhaupt erstmal etwas an 
den Hochschulen. Wir Studierenden sollten uns bei den 
Protesten vielleicht etwas mehr auf die Inhalte und Methoden 
des Studierens konzentrieren, als staendig nur die 
Rahmenbedingungen zu beklagen; denn was nuetzt eine 
Vorlesung vor zehn Zuhoerern, wenn wir das, worueber da 
referiert wird, nie und nimmer gebrauchen koennen; in 
jeglicher Hinsicht, versteht sich.                            (gz)






"In fuenf Jahren herrscht der Fundamentalismus"
Der tuerkische Staat rennt ins Abseits

Seit 9 Wochen haelt der Kurde Ibrahim Guerkan sich in den 
Raeumen der evangelischen Friedenskirche in 
Handschuhsheim auf. Eine freiwillige Gefangenenschaft, um 
der moeglicherweise toedlichen in der Tuerkei zu entgehen.
Seit 70 Jahren - mit der Staatsgruendung Kemal Atatuerks 
beginnend - schwelt der Konflikt zwischen dem kurdischen 
Volk und dem tuerkischen Staat, der in den letzten Jahren 
brutal eskalierte.
Guerkan ist ein Opfer des Konflikts. Am 12.1.93 erreichte er 
als Fluechtling Deutschland. Er war in der Tuerkei zweimal 
wegen prokurdischen Engagements inhaftiert und gefoltert 
worden. 
Doch das reformierte Asylrecht, das aenicht einmal Maria und 
Josef im biblischen Bethlehem Asyl gewaehrt haette", so 
Pfarrer Liedke von der Friedenskirche, lehnte Guerkans 
Asylgesuch ab. Folter ist per se kein Asylgrund. Entscheidend 
ist allein der Grund der Folter, denn im Artikel 16 des 
Grundgesetzes heisst es: aePolitisch Verfolgte geniessen 
Asylrecht." Guerkan wurde festgenommen, weil er an einer 
pro-kurdischen Demonstration teilgenommen hatte, die wie 
alle kurdischen Demonstrationen verboten war. Messerscharf 
sieht dann auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe, das die 
einzige Instanz im Asylprozess ist, Guerkans Folterung in der 
Konsequenz seiner verbotenen Handlung und nicht in der 
seiner politischen Taetigkeit. Guerkans Folter ist demnach 
nicht asylrelevant. 
Die Asylpolitik der Bundesregierung ist pervers. Waere 
Guerkan nur aufgrund seiner Zugehoerigkeit zum kurdischen 
Volk festgenommen worden, so haette sein Asylantrag Erfolg 
gehabt - da er aber als Demonstrant fuer sein kurdisches Volk 
festgenommen wurde, soll er in die Haende seiner Folterer 
zurueckgegeben werden.
Dass der 23-jaehrige nach erfolgter Abschiebung inhaftiert 
wuerde, gilt nach Berichten von amnesty international als 
sicher, moeglicherweise werde er auch gefoltert.
 aeFolterungen sind in der Tuerkei verboten", haelt Selim 
Kartal, 1.Sekretaer der tuerkischen Botschaft in Bonn, 
dagegen, aeund werden, wenn vollzogen, geahndet. Die 
Tuerkei fuehlt sich der internationalen 
Menschenrechtsorganisation verpflichtet." Anders lautende 
Berichte aesogenannter Menschenrechtsorganisationen sind 
Propaganda, die mit der Wirklichkeit nichts gemein haben". 
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz sieht das anders. 
In einer Grundsatzentscheidung vom 2.9.1993 stellt es fest, 
dass schon der Verdacht prokurdischen Engagements den 
Sicherheitskraeften genuege, um Folterungen durchzufuehren.
Geflohen war Guerkan gerade vor den 140.000-300.000 
Sicherheitskraeften, die sich in Kurdistan befinden und aein 
den letzten anderthalb Jahren aus 800-900 Doerfern die 
Bewohner vertrieben und die Doerfer dem Erdboden gleich 
gemacht oder vermint haben", so Herr Rascho, Vorsitzender 
der Gesellschaft fuer kurdische Kultur im Ausland. Dass die 
Militaers auch nicht vor groesseren Staedten halt machen, 
berichtet die saarlaendischen Beobachterdelegation, die Lice, 
eine mittelgrosse Stadt,  nach der Zerstoerung besichtigt hat 
und fuegt hinzu, dass aedie Zerstoerungen anschliessend der 
PKK in die Schuhe geschoben werden." 
Die Mittel der Zerstoerung sind deutsche Waffen. Die 
auffaellige Beisshemmung der deutschen Regierung 
gegenueber der menschenrechtsverachtenden Politik der 
tuerkischen Regierung hat seine Gruende. Zum einen ist die 
Tuerkei wichtiger NATO-Partner, in seiner Funktion als 
Brueckenkopf im Nahen Osten. Zum anderen befinden sich im 
kurdischen Gebiet reiche Erdoelvorkommen und die Wasser 
von Euphrat und Tigris, mit denen sich in aeeleganter" Weise 
die irakische Politik beeinflussen laesst. Ueber dieses Gebiet 
wollen die westlichen Maechte ihre Kontrolle behalten und 
deshalb liegt ein kurdischer Staat nicht in ihrem Interesse.
Die tuerkische Regierung kann fuer einen kurdischen Staat 
ohnehin kein Verstaendis aufbringen. Nach den Worten von 
Kartal  bestehe dafuer auch kein  Bedarf, da aeseit 1923 der 
tuerkische Rechtsstaat seinen Buergern religioese, sprachliche 
und rassische Gleichbehandlung gewaehrt." Nach einhelliger 
Meinung von Menschenrechtsvereinigungen sind die Kurden 
aber ein seit Jahrzehnten von dem tuerkischen Staat 
verleugnetes Volk. aeEs gibt kein Kurdenproblem, sondern 
nur ein Terrorproblem", gab Frau Ciller, Ministerpraesidentin 
der Tuerkei, unlaengst von sich. 
Kurdische Kultur und Sprache war verboten und noch heute 
muss ein Kurde seine kurdische Identitaet verleugnen, um zu 
studieren. Das Eintrittsticket in die Universitaet ist, das 
Bekenntnis, Tuerke zu sein. 
Aehnliches gilt fuer die ae150 kurdischen Abgeordneten und 
fuehrenden kurdischen Persoenlichkeiten in Politik (der 
Aussenminister ist Kurde, Anm. d. Red.) und Wirtschaft", auf 
die Kartal hinweist, um die Gleichberechtigung der Kurden zu 
belegen. Karriere kann nur machen, wer sich als Tuerke 
versteht, getreu dem Ausspruch Atatuerks: aeGluecklich ist, 
wer Tuerke ist". Prominentestes Beispiel dafuer ist Turgut 
Oezal, der ehemalige Praesident der Republik Tuerkei. Seine 
Eltern waren Kurden und er deckte als Regierungschef das 
Verbot der kurdischen Sprache. Kurde ist man nicht durch 
Abstammung, sondern durch die Verbundenheit mit der 
kurdischen Kultur.
aeDie Kurden duerfen ihre Sprache sprechen und in ihr 
publizieren" versichert die tuerkische Botschaft. Doch 
Raschos Erfahrungen, die er als Mitglied der DGB-Delegation 
im vergangenen Jahr in Kurdistan gemacht hat, widersprechen 
dem. aeDie Kurden sprechen heute aus Angst kein Kurdisch, 
obwohl es erlaubt ist." Trotz der foermlichen Aufhebung des 
Sprachverbots habe sich die Repression gegen die kurdische 
Sprache wieder verschaerft. 
Die Etablierung einer einheitlichen tuerkischen Sprache, des 
aeEchttuerkisch", war ein zentrales Reformanliegen 
Atatuerks. Die neue Sprache sollte den modernen laizistischen 
(ein seltener Anspruch im Nahen Osten) Staat einen, und dem 
stand als maechtigste traditionelle Sprache das Kurdische 
entgegen, gegen das sich folglich die Kulturpolitik seit der 
Machtuebernahme Atatuerks 1923 besonders richtete. 
Dem Anspruch einen einheitlichen modernen Staat zu 
schaffen, fielen nicht nur die Kurden zum Opfer, sondern auch 
andere Gruppierungen wie die Armenier, die in den Jahren vor 
der Gruendung der Republik Tuerkei grausam vernichtet 
wurden, oder die Aleviten. 25 Millionen von insgesamt 57 
Millionen Tuerken bekennen sich zum Alevismus, einer sehr 
weltlichen schiitischen Form des Islam. Fuer den Staat 
existiert diese Gruppe dennoch nicht. aeWir bekommen keine 
Kulturhaeuser. Es werden nur Moscheen gebaut, Aleviten 
beten aber nicht in Moscheen", so das Vorstandsmitglied des 
Alevi-Bektasch Kultur Vereins Atik. 
Kartal stellt den tuerkischen Staat als aeGaranten fuer das 
Zusammenleben" der heterogenen religioesen und ethnischen 
Gruppen dar. Die kulturelle Vielfalt werde als aekultureller 
Reichtum" betrachtet.  Angesichts der brutalen Handlungen 
der Sicherheitskraefte, kann man sich jedoch nicht des 
Eindrucks erwehren, dass sobald eine aeMinderheit" anfaengt 
auf ihre Rechte zu pochen, sich die Regierung in einer 
paranoiden Ueberreaktion schon kurz vor der Spaltung des 
Staates waehnt.
Demgemaess waren die Kurden fuer den tuerkischen Staat ein 
Tabu. Seit die PKK 1984 das Tabu gewaltsam brach, stehen 
viele, insbesondere juengere Tuerken, vor einem Raetsel. 
Etwas, das es im Grunde gar nicht gibt, sorgt fuer einen Krieg 
im eigenen Land. 
Mit tatkraeftiger Unterstuetzung der Massenmedien, die 
mittlererweile alle in staatlicher Hand sind, ergeht eine 
grossangelegte Hetzpropaganda ueber die Kurden - letztlich 
aber ueber jeden Andersdenkenden. aeDas ist eine Folge der 
kemalistischen Ideologie, die unter Militaers sehr verbreitet 
ist. Und was das Militaer macht, beeinflusst Medien und 
Gesellschaft in hohem Masse", so Rascho. 
Die Moeglichkeit eines friedlichen Dialogs wird gestoert 
durch die Ideologisierung religioeser Anschauungen und 
ethnischer Zugehoerigkeiten. Der Mensch tritt hinter die 
Ideologie zurueck.
Statt in einen offenen Dialog ein-zutreten, kriminalisiert die 
Regierung alle Kritik an ihr, sei es durch die Ausweisung von 
kurdischen Abgeordneten oder  durch Presseverbote, und 
verhindert damit die Ausbildung einer dialogbereiten 
Bevoelkerung. aeDie Belastung wird zu gross: In der Stadt 
Diabarkyr zum Beispiel (einer Stadt der Groesse Frankfurts - 
Anm. d.Red.) befinden sich 800.000 Fluechtlinge. Wir 
muessen verhandeln. Die Kurden und auch die PKK sind mit 
wenig zufrieden", so Rascho. Doch aus der Botschaft erfaehrt 
man, dass aeder Konflikt allein von einer marxistisch-
leninistische Separatistenorganisation geschuert wird, die in 
der Bevoelkerung keinerlei Rueckhalt hat". Und gegen diese 
aeTerroristen" werde aeim Rahmen des Rechtsstaats" 
militaerisch gekaempft.
In der Stimmung allgemeiner Unterdrueckung und Gewalt 
entstehen dumpfe Aversionen, der Boden auf dem 
Fundamentalismus gedeiht. Die Tuerken sehen in den Kurden 
Separatisten, die Kurden in den Tuerken Chauvinisten, die 
Aleviten in beiden ihre Peiniger usw.
Gewalt praegt das Leben vieler Kurden und Tuerken. Den 
Begriff aeTerrorismus" anzuwenden, faellt schwer. Die 
Gewalt ist auf Seiten des Staates so wenig gerechtfertigt, wie 
auf Seiten der PKK, die die Kurden mehrheitlich als ihre 
Befreiungsorganisation ansehen. Entweder sind beide Parteien 
oder keine von beiden terroristisch - in jedem Fall aber 
schaffen sie Opfer.
Eines davon ist Ibrahim Guerkan. Vordergruendig ist er Opfer 
eines menschenrechtsverachtenden Staates. Im Grunde ist er 
jedoch Opfer eines Dickichts von rassistischen und 
chauvinistischen Stimmungen, ein Opfer von Vorurteilen unter 
den eng miteinander verwobenen Voelkern, 
Religionsgemeinschaften und Kulturen. aeDabei ist es doch 
eine Gnade Gottes, wenn wir Deutsche, Kurden oder Tuerken 
sind. Das ist gut", sagt ein muslimischer Vorbeter, der lieber 
nicht genannt werden will. 
					   (h.b.)







Metin Altok ve buetuen sairler icin

Dua	


Ne huekuemran kalir
Ne zuluem ne de kin
Oez degil dostlar
Oez degil bu bicim
Kullarin kullara
Ettigini etmiyor
En zalim hari atesin
Buguen dua ettim
Hepimiz icin
Yuece tanri bizleri
Affetsin
Ne para ne pul
Ne iktidar ne guec
Bu degil gercek
Bu degil gercek
Bu kavga
Hayirsiz bir dues
Uyanir neslim
Uyanir elbet
Buguen dua ettim
Hepimiz icin
Yuece tanri insani
Affetsin

Sezen Aksu


(deutsche Uebersetzung des obigen Gedichtes)

Das Bittgebet		

Kein Herrscher waehrt.
Auch Unterdrueckung und Rache
nicht.
Unecht die Art
Der Menschen zu Menschen. 
Geltendes gilt nicht.
Grausamste Hitze des Feuers
Erbat ich heute
Unser aller wegen
Gott der Allmaechtige moege uns allen
Verzeihen.
Kein Geld noch Vermoegen,
Noch Herrschaft, Gewalt.
Das ist nicht Wahrheit.
Dieser Kampf
Ist unseliger Traum.
Sie erwacht, meine Generation.
Gewisslich erwacht sie.
Heute betete ich
Um unser aller willen.
Gott der Erhabene
Vergebe dem Menschen.

Sezen Aksu
Uebersetzung: 
Dr. Ulrich Landmann, Heinrich Sixtus
Fuer Metin Altok und alle Dichter


Junk Food 
ist des 
Hasen
Tod
Mit seinen vier aeRabbit"-
Romanen hat der Amerikaner John Updike eine faszinierende 
Chronik seines Landes geschaffen. Fazit: Die USA haben ihre 
besten Tage laengst hinter sich. Wie zum Beweis frisst sich im 
letzten Band der Saga Titelheld Harry "Rabbit" Angstrom, der 
ehemalige Basketball-Star, um sein armseliges Leben.

Der Mann hat keine Chance. Sei-
	ne Geschichte ist noch keine 
	zwei Saetze alt, da ueberkommt Harry Angstrom das 
aeeigenartige Gefuehl", dass er in der Ankunftshalle des 
Southwest Florida Regional Airport nicht seinen Sohn und 
dessen Familie erwartet, sondern aeseinen eigenen Tod, in 
Gestalt eines Flugzeugs". Und so wenig Verlass sonst auf 
Harrys Gefuehle ist: Dieses Mal wird er rechtbehalten, am 
Ende ereilt den 55jaehrigen, den sie seit seiner Jugend 
aeRabbit", den aeHasen", nennen, tatsaechlich der Tod, in 
Gestalt eines Herzinfarkts beim Basketball mit einem jungen 
Schwarzen.
Wenige Monate bevor der Amerikaner John Updike in dem 
Ende 1990 erschienenen Roman aeRabbit at Rest" sein 
Geschoepf den letzten muehsamen Atemzug tun liess, sah er 
sich veranlasst, in der New York Times Book Review in 
einem gut zweiseitigen Artikel zu begruenden, aewarum 
Rabbit uns verlassen musste" (aeWhy Rabbit Had to Go"). 
Updikes Drang zur Rechtfertigung kam nicht von ungefaehr: 
Mit seinem aeRabbit" trat eine Figur ab, die dem 
amerikanischen Lesepublikum in gut 30 Jahren auf 
eigentuemliche Weise ans Herz gewachsen war. Der Kritiker 
des New Statesman & Society formulierte: aeRabbit war 
keine liebenswerte Kreatur, aber wir werden ihn schmerzlich 
vermissen."
Erste Bekanntschaft mit Updikes unruhigem Helden hatten die 
Amerikaner 1960 in dem Roman aeRabbit, Run" machen 
koennen - und der puritanisch-disziplinierte Updike, einer der 
produktivsten  literarischen Handwerker der USA, hatte ihnen 
in drei Fortsetzungen, die er puenktlich zu Beginn jedes neuen 
Jahrzehnts ablieferte, Gelegenheit gegeben, die Bekanntschaft 
zu erneuern, bis Rabbit aein Ruhe" (sprich: tot) und die 
Tetralogie komplett war. Indem Updike indessen die 
Entwicklung seiner Figur, Rabbits Weg vom ehemaligen 
Basketball-Star und Vorfuehrer von Kuechengeraeten zum 
wohlgenaehrten Grossvater und Toyota-Haendler, seine 
Versuchungen und Verfehlungen schilderte, zeichnete er 
zugleich, so die New York Times, aeein kodachrome-scharfes 
Bild des Lebens in Amerika von den verschlafenen 50er ueber 
die unruhigen 60er und 70er bis zu den ungewissen 80er 
Jahren".

Mehr noch: Mit seiner "Rabbit"-
		Saga bescherte Updike sei-
		nen Landsleuten nach Meinung nicht weniger 
Kritiker endlich das, was sie seit den Anfaengen ihrer 
Nationalliteratur noch von jedem ihrer bedeutenderen 
Schriftsteller verlangt haben - und was bislang weder Norman 
Mailer oder Saul Bellow noch Philip Roth oder Harold 
Brodkey fuer sie haben zustandebringen koennen: The Great 
American Novel, jenen Roman, der im Gestus eines nationalen 
Epos die Totalitaet der Vereinigten Staaten erfassen soll.
Denn wie einst Huckleberry Finn in Mark Twains Klassiker in 
Begleitung eines entflohenen Sklaven auf einem Floss den 
Mississippi hinuntergetrieben war, um auf seinen 
Landgaengen die korrupte Gesellschaft seiner Gegenwart zu 
erfahren, so treibt Updikes Rabbit durch die amerikanische 
Nachkriegsgeschichte, immer auf der Suche - wenn er nur 
wuesste, wonach -, hin- und hergerissen zwischen sexuellen 
Noeten und vagen spirituellen Aspirationen, zwischen 
Freiheitsdrang und einem altmodischen Sinn fuer 
Pflichterfuellung. Dabei begreift er selbst am allerwenigsten 
von den Dingen, die in seinem Leben und seinem Land vor 
sich gehen; seine Wahrnehmung ist zumeist beschraenkt auf 
das vage Erahnen der Situation, sein Handeln nicht selten 
vollkommen spontan, unreflektiert, veraengstigt - eben 
aeeines Hasen Einstellung zum Spiel des Lebens" (Updike). 
Doch gerade in dieser Unbestimmtheit von Rabbits Innenleben 
besteht seine Eignung als Vehikel fuer den Zeitgeist der 
Jahrzehnte, die er durchlebt: Von ihm unbemerkt, spiegeln 
sich in seinen Stimmungen die Gefuehlslagen des Landes.
In den buergerlich-engen 50ern, in aeRabbit, Run" (deutsch: 
aeHasenherz"), fluechtet er vor Beschraenktheit und ennui des 
haeuslichen und Ehelebens, nimmt sich eine Geliebte (ein 
Vorgang, der sich wiederholen wird), muss damit fertig 
werden, dass seine Frau aus Versehen das gemeinsame Kind 
ertraenkt, und kehrt schliesslich - kaum mehr als vorlaeufig - 
zu ihr zurueck. In aeRabbit Redux" (aeUnter dem 
Astronautenmond"), erschienen 1971, trifft ihn die volle 
Wucht der Veraenderungen, die Amerika im Laufe der 60er 
Jahre erfaehrt; als er, seinerseits von seiner Frau verlassen, ein 
junges Blumenkind und einen Schwarzen bei sich aufnimmt, 
kommt es zu einer Tragoedie, die seine Familie beinahe 
zerstoert.
In aeRabbit is Rich" (aeBessere Verhaeltnisse"), dem 1981 
veroeffentlichten, vielleicht besten Buch der Serie, ist er zu 
Geld gekommen - seine Frau hat die Toyota-Vertretung ihres 
Vaters geerbt - und beginnt sich in der Behaglichkeit der 
Mittelklasse einzurichten. Waehrend das Land erleben muss, 
wie das Benzin immer knapper und Praesident Carter beim 
Joggen ohnmaechtig wird, ist in Rabbits Leben zum ersten 
Mal so etwas wie Glueck zu spueren; aber es ist das Glueck 
der Traegheit und Leere.
In aeRabbit at Rest" (aeRabbit in Ruhe") schliesslich ist er am 
Ende seines Langstreckenlaufs angekommen: Ein Gefuehl des 
Zu-Spaet durchdringt jeden seiner Tage, das Leben gleitet ihm 
aus den Haenden. Als er, der inzwischen mit seiner Frau 
Janice im Rentner-Ghetto Florida lebt, beim Golf versagt, 
denkt er bei sich: aeNicht sein Tag. Wird je wieder sein Tag 
kommen? Er ist fuenfundfuenfzig und vergeht." Wohin er 
auch geht, stoesst er unweigerlich auf den Tod: Seine Geliebte 
Thelma, eine Art Maertyrerin ihrer Liebe zu ihm, stirbt an 
einer Hautkrankheit; der Buchhalter in seiner Firma geht an 
AIDS zugrunde; der Fernseher und die Zeitungen 
ueberschwemmen ihn mit Nachrichten von Tod und 
Zerstoerung. Auch er aefaellt, hilflos, dem Tod entgegen." 
Nachdem er einen ersten Herzinfarkt ueberlebt hat, schafft er 
es einfach nicht, die Finger von junk food und cookies zu 
lassen; abwechselnd wirft er sich Herztabletten und 
Knabbereien ein: Selbstmord in Raten. Als Janice ihn auf der 
Intensivstation liegen sieht, denkt sie sich: aeEr hat seinen 
Hoehepunkt im Leben frueh gehabt, und zu der Zeit, als sie 
ihn kennenlernte, ist es schon bergab mit ihm gegangen, 
obwohl sich die Lage zu bessern schien, als das Geld von der 
Firma anfing, ihnen zu gehoeren."
So sehr Rabbits Krankheitsbefund auch mit seiner 
persoenlichen Vorliebe fuer gesalzene Erdnuesse zu tun hat: 
Er ist doch zugleich Ausdruck einer nationalen malaise (ein 
Begriff, mit dem Jimmy Carter einst seine Landsleute 
schockierte); sein persoenliches Schicksal ist ein nationales. In 
einem Interview stellte Updike fest, wenn man Amerikaner 
sei, koenne man dem Gefuehl nicht entkommen, die besten 
Jahre seines Lebens hinter sich zu haben; dazu gehoere die 
aeheroische Vorherrschaft" der USA - fuer Amerikaner von 
Rabbits (und Updikes) Generation noch eine 
Selbstverstaendlichkeit - zu sehr der Vergangenheit an. Und 
so verbindet sich denn Rabbits angstvolles Lauschen auf das 
prekaere Schlagen seines Herzens mit der angst (ein aus dem 
Deutschen entlehntes Wort), die im Amerika der Gegenwart 
umgeht. aeAlles faellt auseinander", bemerkt Rabbit, 
aeFlugzeuge, Bruecken, acht Jahre unter Reagan, in denen 
sich niemand gekuemmert, jeder aus nichts Geld gemacht, 
Schulden angehaeuft, sich auf den lieben Gott verlassen hat."

Doch als Rabbit, schwitzend und 
	mit notduerftig angeklebtem 
	Bart, in der Verkleidung des Uncle Sam die Parade 
zum Nationalfeiertag des 4. Juli anfuehrt, begegnet er dem 
nationalen Selbstzweifel noch einmal mit Trotz: 
aeSchwindelerregend, als sei er emporgehoben worden, um 
die ganze Menschheitsgeschichte ueberblicken zu koennen, 
waechst in ihm die Gewissheit, die sein Herz immer heftiger 
pochen laesst, dass, alles in allem, dies das gottverdammt 
gluecklichste Land ist, das die Welt jemals gesehen hat." 
Updike aber macht klar: In den USA ist patriotische Emphase 
zum Ende des 20. Jahrhunderts nur noch mit Beklemmung 
moeglich.
Freilich ist Rabbit nicht nur in dieser zeittypischen 
Verunsicherung der representative american. Wie kaum eine 
andere Gestalt verkoerpert er jenen Charaktertypus, der seit 
Sinclair Lewis' Romanfigur George Babbitt (der Anklang in 
Rabbits Namen ist also kein Zufall) haeufig als Babbittry 
bezeichnet wird: eine spezifisch amerikanische Mixtur aus 
Selbstbezogenheit, Intoleranz und krudem Materialismus. 
Tatsaechlich kreist Rabbit bestaendig um sich selbst (in der 
Erwartung, die Welt werde es ihm nachtun) und benutzt Sex 
wie materiellen Exzess, um seiner Existenz den noetigen thrill 
zu geben. Als er etwa erfaehrt, dass die Mutter eines 
Schulfreundes seines Sohnes eines grausigen Todes gestorben 
ist, kommt ihm zuallererst in den Sinn, aedass sie von den 
Frauen, mit denen er geschlafen hat, die erste war, die 
gestorben ist, die tatsaechlich ins Gras gebissen hat". 
Dass man angesichts solcher Charakterschwaechen als Leser 
einen gewissen Widerwillen gegen Rabbit entwickelt, ist kaum 
verwunderlich. Was jedoch ein ums andere Mal mit ihm - und 
mit dem Amerikaner in ihm - versoehnt, ist sein gesunder 
Zynismus (aeGottes eigenes Land: Er haette es kleiner 
machen koennen, und man haette trotzdem verstanden, was 
Er sagen wollte"). Vor allem aber ist es der Umstand, dass 
Rabbit, von guter Natur und schwachem Charakter, nicht 
anders kann: aeAuch wenn er nach seinem inneren 
Verstaendnis eine harmlose, passive Seele ist, die niemandem 
ein Leid antun, in keine Falle gehen oder gar sterben 
moechte", erklaert Updike, aegibt es da doch dieses andere 
Selbst, das sich nach aussen zeigt, ein eins neunzig grosser 
Ex-Athlet, der mindestens zweihundertdreissig Pfund wiegt, 
eine furchterregende Masse mit Augen, die sehen, Haenden, 
die greifen, und Zaehnen, die beissen, ein Koerper, der bei 
einer Mahlzeit genug verzehrt, um drei Aethiopier einen 
ganzen Tag ernaehren zu koennen."
Ein Weiteres kommt hinzu: Indem Updike, ein Meister des 
sensorischen Details, die Welt fast durchgaengig durch das 
Bewusstsein seiner Figur schildert, laesst er den Leser wie 
einen Komplizen an Rabbits Leben teilhaben - an seinen 
Luesten, seiner Verzweiflung, seiner kurzen 
Aufmerksamkeitsspanne, seinem Empfinden langsamen 
Dahingehens. Da wird sogar aus Rabbits naechtlichem Gang 
zur Toilette eine Epiphanie: aeJede Beruehrung, so kommt es 
ihm Nacht fuer Nacht in den Sinn, hinterlaesst eine kleine 
Ablagerung aus Schweiss und Fett von der Haut an seinen 
Fingerkuppen; am Ende wird die lackierte Kante der 
Kommode davon dunkeln, und diese Spur seiner tastenden 
Beruehrung, so denkt er sich manchmal, wenn er die 
Sicherheit des Badezimmers und seines lumineszierenden 
Lichtschalters erreicht hat, wird noch da sein, ein Schatten auf 
dem Lack, eine mikroskopische Wolke seiner Koerperfette, 
wenn er nicht mehr da ist."

Resultat ist eine Prosa, die Rabbit 
	- vor allem wenn man sich an 
	einem Stueck durch die Tetralogie liest - zu einer auf 
fast unheimliche Weise anruehrenden Figur macht. Man 
moechte ihn um Gottes willen nicht in der eigenen Familie 
haben, kann sich aber von einer kuriosen Neugierde an seinem 
Schicksal nicht freimachen und - trauert regelrecht um ihn, als 
er mit dem Gedanken aeGenug" die Augen schliesst. 
Updike selbst, gefragt, wie er heute, nachdem er ihn zur Ruhe 
gesetzt hat, zu seinem Helden stehe, antwortete: aeIch sehe 
Dinge, von denen ich weiss, dass sie ihn interessieren 
wuerden. Dann denke ich, Gosh, er ist nicht mehr da, um sich 
fuer etwas zu interessieren, und darueber bin ich doch 
ziemlich traurig." Da geht es dem Leser mit Updike wie mit 
Rabbit: Man fuehlt mit ihm.                 (bpe) 


"Wir ham 'ne CD-Mail-Order"
Hey Money Money? 
Eine Heidelberger Band ist bereit zum Durchstarten

Baerbel ist eine gute Freundin von 
	mir. In ihrem Zimmer haengt ein 
	Plakat mit spaerlich, d.h. gar nicht bekleideteten 
jungen Maennern, deren primaeres Geschlechtsmerkmal 
jedoch von einem Balken bedeckt bleibt. "Was machen die 
denn fuer Musik?", frage ich. "Weiss nicht", sagt Baerbel," ich 
fand' das Plakat nur so witzig..." Na wunderbar, 
Aufmerksamkeit erregen sie also, die Band mit den vielen Ens 
und Ypsilons, hervorgegangen aus den 'Kaputten Goetter' und 
'Xoul'. Das war 1992. Seitdem gibt es die Heidelberg 
/Karlsruher Combo HEY NONNY NONNY, benannt nach 
einem Song der Violent Femmes. HEY NONNY NONNY, 
das sind: Kai Widmann (Gesang, Gitarre und vieles mehr), 
Holger Geissler (Gitarre, Gesang), Volker Plaschke (Bass, 
Gesang) und Handrin Fahmi (Schlagzeug, Gesang). Fuer's 
Songwriting zeichnen in der Regel Holger und Kai 
verantwortlich. Nach zwei Tapes, "Spuren der Goetter" und 
"High", die insgesamt ueber 600mal verkauft wurden, und 
diversen Samplerbeitr"gen (darunter etwa das vielbeachtete 
"Something has gone wrong" auf HDentrockt) haben die vier 
jetzt in Selbstproduktion ihre erste CD mit dem Titel 
"GROW" veroeffentlicht (Ausfuehrliche Kritik nebenstehend). 
Sie selbst bezeichnen ihre Musik als "Indie Folk Pop", 
vielleicht sollte man das Wave-Element noch betonen. Ich 
persoenlich sehe ihre Musik nahe bei The Church, deren 
Gitarrist uebrigens erklaertes Vorbild von Holger ist. In die 
Reihe ihrer Vorbilder sind desweiteren noch Talk Talk, Lloyd 
Cole und Shane McGowan aufzunehmen. Im Unterschied zu 
The Church ist HEY NONNY NONNYs Musik aber relaxter, 
froehlicher, so wie zum Beispiel im euphorischen "This is my 
day". Dass es dabei aber doch um einen ernuechterten, 
traurigen Tag geht (Ein Satz von Geena Davis in 'Night on 
earth'), mag man gar nicht glauben. Holger meint: "Dann ist's 
halt Happy-Duester-Wave".
Ob sie beruehmt werden wollen? "Ja, klar!", "Aber nicht auf 
der Strasse erkannt werden...", "Unsterblich!" Ihr Studium 
wuerden sie dafuer allesamt schmeissen, doch traeumen sie 
eher von einem langsamen Aufstieg, von kontinuierlicher 
musikalischer und textlicher Entwicklung. "Wir sind keine 
Eintagsfliegenband". Dass Musikmachen ein hartes Geschaeft 
ist, wissen sie schon lange: unzaehlige Auftritte in 
Sueddeutschland (in Heidelberg z.B. 'Rock gegen Rechts', 
Marstall-Open-Air u.v.m.), ueberhaupt erstmal 
Auftrittsmoeglichkeiten auftun, Spielen ohne Gage (oder als 
Vorgruppe noch was zahlen) und das Geld zur Produktion 
einer CD aufbringen: 13.000,- DM hat GROW ungefaehr 
gekostet. Eine ganze Menge Geld fuer Studenten. aeWir 
haben das teilweise angespart, teilweise geliehen. Aber einen 
Maezen koennten wir schon gut gebrauchen..." Wenn alles 
klappt, werden sie bald einen Unplugged-Gig im Karlsruher 
WOM spielen, vielleicht auch einen in Mannheim. Die Ziele 
der naechsten Zeit lauten ae...bekannter werden v.a. in 
Richtung Darmstadt und - natuerlich - viele CDs verkaufen." 
Gelegenheit zum Kennenlernen der neuen Platte gibt's bei den 
CD-Release-Parties am 14.05. im Subway/Karlsruhe und am 
20.05. im Gringos/Heidelberg. Hingehen lohnt sich bestimmt, 
denn ihr Ruf als begeisternde Live-Band eilt ihnen voraus, und 
ein Stueckchen Bandphilosophie 

Miserere
Die Stille in Arvo Paerts Musik

Eine alte Kirche mit hellen Au
	ssenwaenden im flachen Norden 
	Estlands. In einer schwarz-weiss Photographie dieser 
Szenerie bricht sich das Licht  in feinen Grautoenen. Keine 
Grellheit. Schlichtheit ist der praegende Grundzug. 
aeEs genuegt einen einzigen Ton schoen zu spielen"* so Arvo 
Paert, um das Geheimnis der Musik darzustellen. Die Vielfalt 
der Klangfarben ist fuer den estnischen, heute in Berlin 
lebenden, Komponisten kein Mittel des musikalischen 
Ausdrucks, aeder hoechste Wert der Musik liegt ausserhalb 
der Klangfarbe".* So lenkt das Klavier (K.Jarrett) die 
expressive Einleitung der Solovioline (G.Kremer) in Fratres 
bald in ruhige Bahnen. 
Aus dem Nichts, aus der voelligen Stille heraus bilden die 
Baesse im Te Deum einen ersten, tiefen Ton, der in einem 
langsamen Crescendo dem, sich aus den tiefen Stimmen 
aufbauenden, Chor das Fundament legt. Die Musik Arvo 
Paerts lebt von ihrer Negation, der Stille. Sie ist notwendig, 
um das wirklich Wertvolle zu hoeren, das nur dann gehoert 
werden kann, wenn Musik auf alles unnoetige Beiwerk 
verzichtet. Die wenigen Toene werden oft in minimalistischer 
Manier wiederholt. Die dadurch entstehende zirkulaere 
Struktur der Werke entspricht dem Weltbild des heute 59-
Jaehrigen: Das Jetzt als Kristallisationspunkt der 
Vergangenheit und Zukunft. 
Das Schillern der transparenten Musik entsteht wie in Festina 
Lente aus der Uebereinanderlagerung von Linien 
verschiedener Tempi und Rythmen. Im Gegensatz zu anderer 
moderner Musik, klingt Paerts Musik nicht wie nach einem 
externen Gesetz schematisch erstellt. aeMusik muss durch 
sich selbst existieren."* Die Verknuepfung moderner 
Techniken der Komposition mit denen der 
Fruehpolyphonisten (Machaut) des 14. Jahrhunderts verleiht 
Paerts Musik einen hoechst individuellen Stil.
Wenige schlichte Stimmen formen sich zu Dreiklaengen, die 
bestimmend sind fuer Paerts Werk . Er nennt seinen, durch die 
Dreiklaenge glockenaehnlich klingenden, Stil den 
Tintinnabuli-Stil. Der Stil ist das Ergebnis eines 
Armutsgeluebdes: Die absolute Sparsamkeit der Mittel 
erweckt den Eindruck, dass selbst in der  Musik eigentlich die 
Stille gesucht wird. Diese Musik lebt aus den Pausen heraus. 
Worten, dem lithurgischen Text wird, wie in Stabat Mater, 
Raum gegeben durch das Verklingen des Gesanges in den 
Pausen. Erst hierdurch kann Paert der Lithurgie, das, seiner 
tiefen Religioesitaet entsprechende, Gewicht, verleihen.
Worte verstummen bei dem Versuch Paerts Musik 
eingehender zu beschreiben. Alles, was Paert selbst zu seiner 
Musik sagt, ist dass sie aeschoen und still" sein soll. Aber 
gerade in diesen beiden Worten birgt sich das aekosmische 
Geheimnis"* dieser Musik.
Miserere mei, Deus" ruft der 
	Tenor am Anfang des Mise
	rere (Hilliard Ensemble) in den stillen Raum. 
Exponierung der nackten demuetigen Existenz. Paert zielt 
letztlich nicht auf die Vollendung seiner Musik, sondern auf 
die Ueberwindung seiner menschlichen Existenz im 
Hinausgehen ueber seine Musik. Eine Musik, die nahe ihrer 
Ueberwindung, nahe dem Verzicht auf jede klangliche 
Aeusserung, schillernd im Angesicht der Stille erstrahlt. 
Die besprochenen Aufnahmen Paerts sind bei ECM Records 
erschienen. Eine Auswahl: Tabula Rasa 1984, Arbos 1986/87, 
Passio 1988, Miserere 1991, Te Deum 1993.
* Zitate aus: Arvo Paert und Martin Elste 1988, dt. Fassung 
ECM Records  


Pop/Rock-Plattentips

THERAPY? / TROUBLEGUM   
Gelegentlich, aber immer wieder, kommt es in der 
Tontraegerindustrie zu einem eigenartigen Phaenomen: Eine 
Gruppe veroeffentlicht eine gute bis sehr gute Platte und 
erzielt damit einen Achtungserfolg - die Musikwelt wird 
hellhoerig. Ein/zwei Jahre spaeter folgt eine zweite - qualitativ 
schlechtere - Platte und wird von den Medien ploetzlich in den 
siebten Musikhimmel gehoben. Effekt: Jeder kauft's und 
keiner merkt's. Juengste Beispiele sind Tori Amos (in jedem 
Magazin von ELLE bis Visions vertreten), Nine Inch Nails 
und vor allem Therapy?: Haben die drei Nordiren mit NURSE 
einen wirklich gelungenen Erstling praesentiert, ist ihr jetziges 
Machwerk TROUBLEGUM schlichtweg eine Katastrophe: 
Abgedroschene Texte, zwar eingaengige Melodien, aber 
schon nach dem zweiten Hoeren unertraeglich ideenlos, 
absehbar, abgedroschen und ganz einfach langweilig. Wer 
hoert schon gerne ein dutzend mal das gleiche Lied? Trotz 
oder wahrscheinlich gerade wegen des (mir voellig 
unverstaendlichen) Hypes, der z.Zt. um diese Truppe gemacht 
wird: Finger weg!!!

SOUNDGARDEN/
SUPERUNKNOWN   
BADMOTORFINGER liegt drei Jahre zurueck, Kurt Cobain 
drei Meter tiefer und Pearl Jam scheinbar um drei Laengen 
vorne. Die Musikwelt wartete also gespannt auf das naechste 
Produkt aus dem Hause Soundgarden. Here it is: 
Superunknown ist ein Longplayer, der Soundgarden wieder 
weit vor die Konkurrenz katalputiert. Es verschmelzen 
verspielte Elemente ('Spoonman'), getragener, hypnotischer 
Heavy-Rock ('Limo Wreck'), balladeskes ('Fell on black days') 
und immer wieder die tiefen Wurzeln des Rhythm'n' Blues. 
Man erlebt diese Platte wie etwas Vertrautes, Altbekanntes 
und dennoch immer wieder neu und aufregend. Diese Musik 
wuerden Led Zeppelin heute machen! Und wie schon in 
tausend anderen Kritiken exerzitiert, endet auch diese in dem 
kongenialen Wortspiel: Superunknown ist Superklasse!

HEY NONNY NONNY / GROW 
Endlich! Die Heidelberg/Karlsruher Formation HEY NONNY 
NONNY hat auf ihrem schon zwei Jahre waehrenden Weg 
zum aeStardom" einen grossen Schritt getan: die erste CD 
GROW ist erschienen. Durch zwei MCs und zahlreiche 
Auftritte rund um Heidelberg auf lokaler Ebene schon recht 
bekannt, wollen die vier ihren Bekanntheitsgrad weiter 
vergroessern. Musikalisch nahe bei The Church und vielleicht 
noch Poems For Laila oder Fury... angesiedelt, machen sie 
ihren aeIndie-Folk-Pop" mit froehlicher Musik und eher (nach 
eigener Aussage) duesteren Texten. Das herausragende 
Stueck ist der Opener aeThis is my day", beschwingt, 
kraftvoll, wohl auch ein wenig zynisch, gefolgt von netten 
Popstueckchen wie aeHeyday" und aeNever again". Sehr 
gelungen auch das geradlinige aeAlong the lane" und die 
Hesse-Adaption aeKlingsor's last summer". Die heimliche 
Perle des Albums ist jedoch das kurze, romantische aeNever 
let me down". Ueber die gesamte Spielzeit treten zwar einige 
Laengen auf, sind jedoch bei einem solchen Erstling leicht zu 
verschmerzen. Start geglueckt!

NINE INCH NAILS/
 THE DOWNWARD SPIRAL   
Wie oben bei den Kollegen von Therapy? erwaehnt, treten 
auch NIN - alias Macher Trent Reznor - mit ihrem neuen 
Album THE DOWNWARD SPIRAL zunehmend ins 
Rampenlicht. Nach dem eher aepop"-orientierten PRETTY 
HATE MACHINE und dem mit knallharten Thrash-Attacken 
gespickten BROKEN vermischt Trent Reznor diese beiden 
Seiten seiner Peroenlichkeit nun auf der neuen Platte. Auch 
diesmal schoepft er wieder alle Moeglichkeiten der 
Studiotechnik aus und untermalt seine Industrial-Noise-Pop-
Klanggemaelde mit den von ihm gewohnten aetzend-
zynischen, bitterboesen Texten. Diese haben auch immer noch 
ihren Reiz, schade nur, dass der Musik ein wenig der Druck 
und die Abwechslung fehlt. aeMarch of the pigs" mit dem 
ploetzlichen Piano-Einsatz ist wirklich gut und die 
Vermischung von Wave und Electronic Pop und Gitarre und 
schierem Krach beherrscht er immer noch ungeschla



LESERBRIEF

Als Leserbrief zu  unserer letzten Titelstory, aeDer letzte 
Stalinist", fassen wir die Ende April verteilte Ausgabe des 
aeHeidelberger Poebel" auf, aus dem wir im folgenden einige 
willkuerlich ausgewaehlte Auszuege abdrucken:
Zur Motivation der Titelstoy:
Viel Feind - viel Ehr!
Ruprechts Staatschutzjournaille beteiligt sich an 
Gesinnungsterror, Denunziation und Luege
Die Beweislage der Staatschutzmafia scheint ... so schwach zu 
sein, dass sie sich eines buergelichen Schmierenjournalisten 
namens Harald Nikolaus (Adresse steht im Ruprecht) ... 
bedienen muss. Der ganze Artikel war eigentlich nur darauf 
aus, den Staatsschutzlumpen denunziatorisch, in Verbindung 
mit Luegen und Verleumdungen Schuetzenhilfe fuer den 
naechsten Prozess ... zu liefern. Es ist wohl mehr als nur ein 
Eindruck, dass die Staatsschutzmafia diesen Artikel direkt 
bestellt hat, denn der letzte RUPRECHT wurde nachweislich 
unter dem Schutz etlicher Zivilbullen an den Mensen verteilt.

Zur Rolle von Achim F.:
Der Genosse fuehrt die FAUST seit Ende 1983 nicht mehr. 
Im uebrigen gibt es bei uns keinen Fuehrerkult und schon gar 
keinen Chef ... wie in buergerlichen Vereinigungen. (...) Wer 
sein Studium als FAUST-Mitglied verbringt, weiss eben, wie 
der Kapitalismus funktioniert, und ist demtsprechend in der 
Lage, anspruchsvolle Managementjobs auszufuehren, ohne 
sich von der buergerlichen Scheisse einseifen zu lassen. Eine 
Schulung bei uns ist besser als jedes Management-Seminar. 
Ganz davon abgesehen, dass der besagte Genosse seit ueber 
einem Jahr nicht meht bei der angedeuteten Firma arbeitet..., 
er hat halt nur gejobbt. 
Oekonomisches Sein und politisches Bewusstsein sind eben 
nicht automatisch identisch, koennen auch bei 
Revolutionaeren aus Gruenden der aktuellen 
Klassenkampfsituation getrennt sein. (...)

Zum Stalinismus
Natuerlich ist Stalinismus ... fuer uns kein Schmipfwort. Denn 
wir verdanken Joseph Stalin die Befreiung vom 
Hitlerfaschismus. Auf Stalin beziehen wir uns da, wo er Recht 
gehabt hat. Und das ist einiges, wie z.B. die fuehrende Rolle 
der Partei, gewaltsame sozialistische Revolution, Diktatur des 
Proletariats und Sozialismus in einem Land. Wo er sich geirrt 
hat, ... kritisieren wir ihn aber auch. (...) 

Zu den Konsequenzen, die die Titelstory haben koennte:
Das kann natuerlich nicht ohne Folgen bleiben! Dies kann kein 
fortschrittlicher Mensch dulden. (...) Die Arbeiterklasse und 
ihre revolutionaeren Organisationen sind keine 
Watschenmaenner - das wird auch ein Herr Nikolaus und 
andere noch feststellen.
(...) ... (W)ir halten die taetige Solidaritaet der zornigen 
Massen fuer die einzig korrekte Sanktion fuer einen Harald 
Nikolaus. Denn so einem Schmierenjournalisten gehoert das 
schmutzige Handwerk gelegt. 
... Denunziationen werden nicht geduldet. Wer glaubt, uns mit 
derartigen Machenschaften beikommen zu koennen, wird sich 
ueber die Staerke unseres Organisationszusammenhangs noch 
wundern!

Die studentische Theatralik verlagert sich zwischen 11. und 
22. Mai vom Romanischen Keller neckarabwaerts nach 
Heidelberg-Bergheim, in das Gemeindehaus St. Albert. Hier, 
in der Bergheimer Strasse 108, unweit von aeTaeter Theater" 
und aeZigarillo", inszeniert die fakultaetsuebergreifende 
Theatergruppe aeProjekt Pandora" (aeBlick zurueck im 
Zorn", aeEndstation Sehnsucht", aeDraussen vor der Tuer") 
die Tragikomoedie aeR.U.R." von Karel Capek. Das 1921 in 
Prag uraufgefuehrte Buehnenstueck ist die Wiege der Science 
Fiction schlechthin, da Capek nicht nur den Roboter selbst, 
sondern auch seinen Namen erfand. Das deusche Wort 
aeRoboter" basiert auf dem tschechischen aerobota", was so 
viel wie Zwangsarbeit bedeutet. aeR.U.R." wurde seinerzeit 
zum Welterfolg, verhalf Capek zum internationalen 
Durchbruch, und das Wort wurde in zahlreiche Sprachen 
uebernommen (Bsp: engl., franz., ital., tuerk.: robot).
Dieses Drama ist ein aeutopisches Kollektivdrama in drei 
Akten" (Zitat Capek), welches sich im Gebaeude der 
nordamerikanischen Firma aeRossum's Universal Robots" 
abspielt. Diese Firma beliefert die Welt mit humanoiden 
Arbeitskraeften, die auf biochemischen Wege hergestellt 
werden. Alles aegeht gut" - bis eine Frau (wer sonst?) 
auftaucht: aeHelena Glory" protestiert gegen das 
Sklavendasein der kuenstlichen Wesen und spricht ihnen eine 
Seele zu. aeHarry Domin", Leiter der Firma, klaert Helena 
auf: aeRoboter sind keine Menschen. Sie sind mechanisch 
vollkommener als wir, haben eine verblueffende Intelligenz, 
und: Sie haben keine Seele. Das Erzeugnis eines Ingenieurs ist 
technisch ausgefeilter als ein Naturprodukt. Gott hatte keinen 
Schimmer von der modernen Technik." Domin hat eine fatale 
Vision: Kein Mensch soll in Zukunft leiden. Alles 
Unangenehme sollen die Roboter uebernehmen: aeDu wirst 
deine Seele nicht mehr an Arbeit verschwenden, die du 
verfluchst." 
Und vielleicht waeren Helena und Domin schon laengst im 
Paradies, wenn Helena sich nicht fuer eine neue Generation 
von Robotern mit menschlichen Gefuehlen eingesetzt haette. 
Aber konnte die arme Frau dafuer, dass die Roboter als erstes 
menschliches Gefuehl Hass (auf Menschen) entwickelten? 
Auch wenn aeR.U.R." eine Tragikomoedie ist, gegen Ende 
des Stueckes ueberwiegt das Tragische. Doch mehr wird nicht 
verraten. Ob letztendlich die Liebe siegt oder die Roboter die 
Menschen, ihre Schoepfer, vernichten oder umgekehrt - 
ruprecht meint: aeR.U.R." sollte sich niemand entgehen 
lassen.
Im Gespraech mit ruprecht versicherte der Regisseur der 
Inszenierung, Robert Laeufer, niemanden mit einer 
ueberzogenen message ueberfahren zu wollen. Geschichten, 
die das Leben schreibt, zu erzaehlen, die Zuschauer in eine 
nachdenkliche Verwirrung zu versetzten, sind seine Ziele. In 
den Hauptrollen spielen Monika Knoblauch als Helena Glory, 
Ulrich Lenz als Domin und Daniel Bunjes als Alquist.
Termine: 11., 13., 14., 15. und 18. bis 22. Mai jeweils 20 Uhr 
im Gemeindehaus St. Albert, Bergheimer Strasse 108. 
Kartenreservierung unter HD / 16 86 67.                   (asb)
Projekt Pandora inszeniert aeR.U.R." von Karel Capek
Das Deutsch-Amerikanische Institut ist eine binationale 
Einrichtung, die ueber die gesellschaftlichen, politischen und 
kulturellen Ereignisse in beiden Laendern informieren will.  
Ein Auszug aus der aktuellen Vortragsreihe aeEine neue Rolle 
fuer das wiedervereinigte Deutschland in der internationalen 
Politik" (Adresse: Sophienstrasse 12, 69115 Heidelberg):
Do., 19.5.:
Germany needs to adopt a new role - but which one? - Prof. 
Eric J. Hobsbawm, Historiker, London (20 Uhr)
Do., 26.5.:
Unsere Verantwortung gegenueber Mittel- und Osteuropa - 
Pierre Pflimlin (20 Uhr)
Do., 16.6.:
Russland gestern und heute. Perspektiven der Deutsch-
Russischen Beziehungen - Valentin Falin (20 Uhr)
Fluegellahm ist sie geworden, die Eule der Minerva, 
roemisches Symbol der Weisheit, das ruprecht als Signet fuer 
seine Serie aeDie 25 Buecher der Weisheit" herhalten muss. 
Kurz nach Halbzeit, nachdem 13 Heidelberger Dozenten das 
Buch ihrer Disziplin empfohlen haben, macht die Serie eine 
Pause. Neue Folgen folgen.
Grace Kelly steht in einem verfuehrerischen weissen 
Sommerkleid vor einem dunklen Brokatvorhang. Der Wind, 
der Kleid und Vorhang an den richtigen Stellen bauscht, sagt 
dem erfahrenen Hitchkock-Kenner auch ohne die flirrende 
Geigenmusik sofort, dass im naechsten Augenblick etwas 
Fuerchterliches passieren wird: Die schneeweisse Hand greift 
zum klingelnden Telefon, der Moerder hinter dem Vorhang 
spreizt bereits die Finger zum Wuergegriff, Grace Kelly hebt 
ab und....."Guten Tag, hier ist der automatische 
Anrufbeantworter von Fuerst Rainier von Monaco. Ich bin im 
Moment leider nicht zu erreichen. Bitte hinterlassen Sie eine 
Nachricht nach dem Piepston. Vielen Dank fuer Ihren Anruf."
Ja, vielen Dank! Nun hat uns Hitchkock endgueltig verlassen 
und beim Telefonieren wird nicht mehr erwuergt, sondern 
gepiepst. Bei Anruf Antwort heisst das Remake von 1994, 
und der Mord fand auch nicht an einer gutaussehenden 
Blondine, sondern an schlechtluegenden Anrufern statt. Die 
Standardausrede aeIch hab' es stundenlang bei Dir probiert, 
aber niemand hat das Telefon abgenommen", ist spaetestens 
seit dem Zeitpunkt punktfreier Sondermuell, seit welchem 
Anrufbeantworter und 486iger im Collani-Design ebenso 
selbstverstaendlich zur Grundausstattung eines studentischen 
Haushalts gehoeren wie der Bettvorleger Bjoern aus dem 
IKEA-Katalog. 
Die Luege hat die Seiten gewechselt. Wer heutzutage das 
Geld der vielen durchwachten Babysitternaechte in eine dieser 
schwarzen Piepsmaschinen investiert, erkauft sich damit auch 
das Recht, sich erst einmal anhoeren zu koennen, welcher 
Zeitgenosse da mit einem sprechen will. Das Beste an dieser 
natuerlichen Selektion der Anrufer ist die Tatsache, dass man 
die Unwahrheit an den Interkommunication 345 delegiert hat. 
aeFuer Dich bin ich leider nicht zu Hause" waere ehrlich, aber 
zu lang. Das passt nun wirklich nicht mehr nach dem witzigen 
Lied von Howard Carpendale auf das Band. Dass selbiges der 
Freundin aus Amerika beim Anruf nutzlose 4 Dollar kostet, 
gehoert zum Spass mit dem Little Brother. And the winner 
is...die deutsche Telekom! 
Wer sich selbst dann auf einer dieser Anrufbeantworterparties 
wiederhoert, bei denen sich sadistische Besitzer der 
technischen Platzhalter gegenseitig das Gestottere ihrer 
Anrufer vorspielen, der mag wehmutsvoll an die Zeiten 
zurueckdenken, als das Telephon noch eine Drehscheibe und 
Grace Kelly noch ein weisses Sommerkleid besass. Die war 
gottseidank daheim, als Hitchkock angerufen hat...
(step)
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) 
veranstaltet  Seminare fuer Student(inn)en; Information und 
Anmeldung ueber GEW Hauptvorstand, Ref. Hochschule und 
Forschung, z.Hd. Brigitte Eschenbach, Postfach 900409, 
60444 Frankfurt/M. Aus dem Angebot:
Die Minusrunde in den neuen Bundeslaendern. Ein Seminar 
zur sozialen Lage der Studierenden; 3. - 5. Juni in Erfurt
Studieren heute: Lebenswelt  - Lebensumwelt - Lebensumwelt 
Hochschule; 24. - 26. 6. in Oberrerifenberg/Ts. bei 
Frankfurt/M.
Demokratie  nach aussen - Demokratrie nach innen. Zum 
Funktionswandel der Hochschulen; 26. - 28. 9.
Willkommen in der etwas anderen Universitaet: Von 
Mittwoch, den 8. Juni, bis Sonntag, den 12. Juni, oeffnet die 
6. Heidelberger Sommer-Uni ihre Pforten. Sie versteht sich als 
alljaehrliches, aekritisch-interdisziplinaeres" Gegenstueck zum 
etablierten akademischen Betrieb; in der Praxis heisst das: 
fuenf Tage lang Workshops, Vortraege, Podiumsdiskussionen 
und kulturelle Veranstaltungen am Abend. ruprecht 
dokumentiert einige der Highlights:
Dienstag: 
Auftakt - Podiumsdiskussion zum Hayek-Bericht
Mittwoch: 
11-16 Uhr: Workshop der Mediengruppe Schraegspur
14-17 Uhr: Film, Reisebericht und Diskussion (Redaktion 
aeGraswurzelrevolution"): aeAuschwitz: damals und heute"
14-17 Uhr: Film aeDas Kuckucksei" der aeRosa Prinzen"
17-19 Uhr: Podiumsdiskussion zur Kommunalpolitik 
(Heuscheuer)
19-22 Uhr: Harry Rowohlt liest aus Werken von Flannery 
O'Brien (Eintritt DM 11, ermaessigt DM 9)
Donnerstag:
11-13 Uhr: Workshop aeDer Dichtungsbaum waechst in den 
Himmel" - Fuenf Aborigines-Lyriker
11-14 Uhr: Lesung Knast-Lyrik
15-18 Uhr: Workshop aeSpinnen und Traeumen" - 
Gesellschafts- und Hochschulutopien
16-18 Uhr: Kabarett Prost Wahlzeit (Eintritt DM 3)
20-22 Uhr: Thomas Marek - Steptanz und Chansons
Freitag:
11-13 Uhr: Arbeitsgemeinschaft aeBundeswehr in alle Welt?"
11-14 Uhr: Film zu Tierbefreiung, veranstaltet von der 
Autonomen Tierbefreiungsaktion
11-14 Uhr (nur fuer Frauen): Workshop des AK 
aeFeministische Naturwissenschaftskritik", der an 
Textbeispielen seine Arbeit vorstellt
13-15 Uhr: aeVon der Sprachlosigkeit der Maenner" - 
Maenner gegen Maennergewalt
13-16 Uhr: Oekologische Utopien
14-17 Uhr: aeEl Norte" - Film ueber ein lateinamerikanisches 
Geschwisterpaar, das in die USA fluechtet
14-17 Uhr: Vortrag: Politischer und kultureller Alltag in 
Nepal
14-16 Uhr: Workshop: Musik- und Tanzhaus aeCarree" aus 
Weimar; internationaler Folk-Tanz-Workshop (Innenhof der 
Uni)
Samstag:
16-22 Uhr: Bandfestival im Marstallhof (Einritt DM 20/DM 
24), mit Poems for Laila, Baby Lemonade, Lupita Screams, 
Friends of Jordan Baker, 30-Zone; danach: Fete in der 
Marstallmensa
Sonntag:
16-18 Uhr: Orgel- und Posaunenkonzert in der Stadthalle 
(Eintritt DM 10, erm. DM 6)


ruprecht-Redakteur Till Baernighausen verbringt einen 
Studienaufenthalt in Nanjing, China. Dort avancierte er jetzt 
zum Fernsehstar. Hier sein Bericht:

Samstagabend, Werbepause bei Nanjing 1: Der Auslaender 
grinst, als habe er Bauchschmerzen, und zeigt Zaehne ohne 
Zahnfleisch. aeJa", sagt er mit Blick auf den chinesischen 
Geschaeftspartner, aeder Lebe-Lange-Tausend-Jahre-Schnaps 
hilft uns bei allem, noch mehr Geld zu machen. Prost." Die 
beiden stossen an - nach dem Schnaeppchen einen Schnaps. 
Schnitt. Ein chinesischer Komikdionysos mit wellendem Haar 
und Rauschbart brummt aeLebe-Lange-Tausend-Jahre-
Schnaps", die computeranimierten Lippen atmen unsynchron. 
Schnitt. Der Auslaender prostet in Grossaufnahme dem 
Fernsehpublikum zu. Er blinzelt mit dem linken Auge: 
Verehrte Zuschauer, jetzt kennen Sie das Geheimnis meines 
Erfolges. Ein Schnaepschen in Ehren... Moege der Lebe-
Lange-Tausend-Jahre-Schnaps auch Ihnen helfen. Langsames 
Ausblenden mit Trompetenmusik.
Der Auslaender gibt sich gelassen. Schliesslich ist er Profi. 
Eine Kleiderfirma wirbt mit ihm fuer Pyjamas, ein Fotoatelier 
fuer Hochzeitsbilder. Der Aufstieg zur Fernsehkarriere ist da 
nur konsequent. So sieht es auch der Regisseur, als er den 
Auslaender fragt, ob er so was denn schon mal gemacht habe: 
aeWeisst du, frueher war ich Bauer", erzaehlt er leutselig. 
aeIch bin erst spaet zum Fernsehen gekommen. Und im 
Herzen, da bin ich immer noch Bauer. Bei der Arbeit auf dem 
Feld wie beim Filmen zaehlt nur eins: Erfahrung."
Allein diese fehlt. Im 50-Quadratmeterstudio der Nanjing 
Television draengeln sich 30 Angestellte um einen riesigen 
Steintisch. Der versperrt die Sicht der Kamera auf die Buehne. 
Niemand weiss, wie er dort hingekommen ist. Alles diskutiert: 
Wer etwas zu sagen hat, der schreit. Von Zeit zu Zeit haut 
jemand mit der Hand auf die Tischplatte, um seinen Worten 
Nachdruck zu verleihen. Der Tisch steht ungeruehrt. Endlich 
entschliesst man sich zu konzentrierter Aktion. Die 
Werbemacher holen ihre Frauen und Kinder aus den 
nahegelegenen Wohnblocks, um gemeinsam, Zentimeter um 
Zentimeter, den Tisch zur Tuer zu schieben. Dort bleibt er 
dann stecken. Verlaengerungskabel, Ersatzlampen, Stuehle 
muessen von nun an ueber die Tischplatte ins Zimmer 
geschleift werden. Der erste Kameramann kann nicht aufs 
Klo, weil er Bauch hat. Und abends wird es kalt in Nanjing. 
Durch die offenen Tuer weht ein eisiger Wind ins Studio: Es 
kann losgehen. - Die beiden Geschaeftspartner spielen Szenen 
des Erfolges, schuetteln Haende, unterzeichenen Vertraege, 
trinken kraeftig und betonen immer wieder, dass der Lebe-
Lange-Tausend-Jahre-Schwips zum ganz, ganz grossen Geld 
gehoere. 
Der Auslaender beobachtet bei sich eine Mischung aus Kaelte 
und moralischen Skrupeln. (Kann man fuer so etwas denn mit 
gutem Gewissen werben? Bei dem Abhaengigkeitspotential? 
Und ueberhaupt: Muss denn das Konsumobjekt Alkohol 
ausgerechnet mit dem schnoedesten aller Lustobjekte, Geld, 
gekoppelt werden? Was fuer ein Abstieg aus den Zeiten, als 
der Schnaps in China noch als Getraenk der Musse galt, mit 
dem sich Dichter Schaffenskraft einhauchten!) Ausserdem: 
Warum heisst das Gebraeu eigentlich nicht Verdiene-Schnelle-
Tausend-Dollar-Schnaps? Das wuerde die Erklaererei 
ersparen.
Doch die Geschaeftsmaenner muessen weiter, immer wieder, 
mal schneller, mal langsamer sprechen, die Kamera, das Glas, 
die Frau des Regisseurs anschauen und trotzdem: aeMeine 
Herren, sie haben doch gerade einen Vertrag abgeschlossen, 
sie jubeln ueber den Profit, also bitte lachen, laecheln, ja so 
ist's besser, ruhig ein bisschen ins Komische ziehen... und 
vielleicht kann der Auslaender... wie heisst er noch... Dier?... 
also Dier, vielleicht kannst Du mal probieren, wenn Du  in die 
Kamera blickst, die linke Hand vor das Gesicht zu halten und 
den Daumen abzuspreizen."(Die Szene wird spaeter 
geschnitten.)
Nach dem Ende der Qualen laesst der entnervte Regisseur im 
Hof Feuerwerkskoerper krachen. Er sei Bauer und wolle 
seinen Spass. Der Rest der Truppe geht zum Essen. Als der 
chinesiche Geschaeftspartner im Restaurant einen Flachmann 
auspackt und reiherum Klaren einschenkt, versucht der 
Auslaender einen Witz."Wer braucht schon Geld? Moege der 
Lebe-Lange-Tausend-Jahre-Schnaps uns Ruhm und wirklich 
langes Leben bringen!" Der Chinese sieht ihn mitleidig an. 
aeDas Gesoeff wuerde ich im Leben nicht trinken."                
(tb)
BARBARA: Die Zeitung ist bescheuert - nimm Dir ein 
Beispiel an der Broschuere. - H.
BRITTA: Tauben scheissen, Eier klatschen, dennoch: Wish 
you a nice time on ANYONE'S balcony (Mr. 1936 wird sich 
freuen). Du weisst ja, wer an einem Anglizismus vorbeigeht, 
muss eine Stunde IOT mit schieflippigen Rosabehemdeten 
lernen. Uebrigens: bei unserer naechsten Party wird 
wahrscheinlich der Irish Pub geschlossen - schade, nicht?! 
Trinkspruch Nummer vier - Dein Mr. Ich-spuel-morgen-mal.
CARLA: Knalldoof? Ach was, wer ginge schon lieber ins 
Kino? Dein bfuetzi
JUeRGEN: O hominem sine pectore! Oh pleeeazze! - B.




Hallo, Herr Schneider!
Da zuenden sich bei uns auf den Autobahnen Kurden an, um 
in Deutschland bleiben zu duerfen, und Sie verschwinden 
freiwillig aus Ihrem Gastland! Jetzt, wo Eintracht Frankfurt 
auch noch die UEFA-Cup- Teilnahme verpasst hat! Jetzt, wo 
man in Ihnen endlich einen Vorzeigefall fuer die korrekte 
Behandlung von Randgruppen gefunden haette! Ein schnelles 
und unbuerokratisches Asylverfahren der deutschen Bank, ein 
offenes Ohr von Seiten von Stadt, Land und Bund, was, bitte, 
wollten Sie noch mehr? Um sat.1 zu gucken, haetten Sie sich 
nicht erst auf einer Karibikinsel fuer das Jahresgehalt einer 
jemenitischen Putzfrau eine teuere Satellitenschuessel 
installieren muessen. Erstfernseher sind in der Bundesrepublik 
im allgemeinen unpfaendbar, den haetten Sie sogar in einer 
Sozialwohnung behalten duerfen. Und bei Ihrer 
Integrationsfaehigkeit an die Sitten Ihres Gastlandes -dunkler 
Anzug, bunte Krawatte, grosskotziges Auftreten - waere es 
Ihnen sicher nicht schwer gefallen, eine solche  solche auch zu 
finden. Die Situation momentan ist dafuer ausserordentlich 
guenstig: Frueher durftenicht, heute muss unbedingt gebaut 
werden. Fertiggebaut. Denn was ein Deutscher anfaengt, 
bringen die deutschen Steuerzahler auch zu Ende, dies ist ein 
ordentliches Land. Zu Ende gebracht wird das Ganze wegen 
eben jener Kleinunternehmer, die normalerweise am Tropf 
von Kredithaien haengen, da sie regulaere Banken, wie die mit 
dem Nationaladjektiv aedeutsch" fuer Wohlstandsfluechtlinge 
halten. Das Endprodukt wird zwar kein Wohnraum, sondern 
ueberfluessige Quadratmeter Bueroflaeche, aber es  gilt zu 
verhindern, dass die aussterbende Rasse Handwerker auch 
noch offiziell auf die rote Liste und damit in das Bewusstsein 
der Oeffentlichkeit geraet. Bitte bleiben Sie in dieser Situation 
bei uns, Herr Schneider! Von Ihnen haengen unsere Renten 
ab! Sie haben es trotz Nadelstreifenanzug fertiggebracht, Sie 
selbst zu bleiben, und in diesem kuendigungsfreien 
Chefetagenbiotop Intelligenz zu bewahren, ohne Ihren 
urspruenglich sizilianischen Charme gaenzlich zu verleugnen! 
Das Grundgesetz wird auch bald zu Gunsten von 
Amnestiebewerbern geaendert. Und die Eintracht wird 
Meister. Versprochen!