Glosse: Hand aufs Herz Die elektronischen Medien, allzuvoerderst das Fernsehen, so lamentieren Spengleristen landauf, landab, wuerden fuer im- mer mehr Bundesbuerger zum einzigen Zugang zur Welt, wo sich doch der Mensch und sein Universum viel wertvol- ler aus einem guten Buch... - Vielen Dank, Freunde, morgen wieder. Aber heute machen wir uns nichts vor: Gerade fuer junge Menschen ist das einzig wirklich brauchbare Panopti- kum des Lebens die WG. Warum gerade die WG? I'm glad you asked. Nehmen wir meine eigene. Im Verlauf von nun insgesamt sieben WG-Jahren fanden sich unter meinen Mit- bewohnern u.a. folgende Exemplare einer Spezies, die meine eigene zu nennen ich nur unter Staunen vollbringe: eine Psy- chologin, die zu David Sanborn nackt vor dem Spiegel zu tanzen pflegte (wie mir ein Bewohner des Hauses gegenue- ber eines Tages zitternd berichtete); ein Philosoph, der auf jede Frage, gleich welchen Wissengebietes, eine Antwort wusste, die den Eintrag in der Encyclopaedia Britannica an Ausfuehrlichkeit noch uebertraf (sein einziger blinder Fleck:Carl Lewis); eine Romanistin, die jeden Raum, den sie betrat, mit negativen Schwingungen geradezu schwaengern konnte; mehrere Theologen, deren einer sich an den mit sei- ner Freundin verbrachten Wochenenden vor allem dem ge- meinsamen Backen und Verspeisen von dunklem Brot wid- mete und dessen Zimmer keiner von uns auch nur einmal zu sehen bekamen; eine blonde Islaenderin (Tautologie?), die von unserer Hauswirtin haertnaeckig "die Finnin" genannt wurde und deren ebenfalls blonde Freundinnen... - aber das ist nicht mein Thema; ein Psychologe, der bei der Sparkasse jobbte, haeufig aber so abgebrannt war, dass es am Sonn- tagmittag nur noch zur Mehlschwitze reichte; eine Kunsthi- storikerin, die vor allem eines wollte: "intensiv leben" (heute promoviert sie und arbeitet in einem Kindergarten in der Schweiz); eine Frau mir unbekannter Studienrichtung, die nur hier wohnte, waehrend sie auf das Freiwerden eines an- deren Zimmers wartete, und die nach einem Monat in scheinheiligstem Schwaebisch (Tautologie?) erklaerte: "Woisch, mir g'fallt's hier nedde"; eine Juristin, die mir nach dem Besuch einer Verbindungsparty mit allen Anzeichen echter Entgeisterung berichtete: "Du, die Maenner wollten alle was von mir, dabei hab' ich gedacht, wir koennten bloss reden." - Ich kann nur sagen: Die WG. Das will ich sehen. (bpe)