"Nie reine Studi-Lobby" Studi-Listen-Raetin Jutta Goettert ueber Ihre erste Zeit im Gemeinderat Im Poker um die Plaetze in den Gemeinderats-Ausschuessen sind fuer Jutta Goettert - mithilfe einer "Zaehlgemeinschaft", die sie mit Arnulf Lorenz, dem Gemeinderatsmitglied der Li- beralen Demokraten und Annette Trabold, der Raetin der F.D.P. geruendet hatte - Sitze und im Hauptausschuss, so- wie stellvertretende Mitgliedschaften im Kultur-, Bau- und Bauausschuss herausgekommen. Fuer die Studi-Liste, die im Moment nach Juttas Angaben 5-7 aktive Miglieder hat, sitzt sie auch im Aufsichtsrat der staedtischen Wohnungsbauge- sellschaft DGH. ruprecht fragte sie nach ihren ersten Erleb- nissen im Gemeinderat. ruprecht: Wie fuehlst Du Dich nach den ersten Sitzungen im Gemeinderat - wirst Du ernstgenommen? Goettert: Ich fuehle mich wohl, und denke schon, dass ich ernstgenommen werde, auch als Person. Es gab schon Si- tuationen, in denen ich verhandeln musste. Zum Beispiel bei der Muellsatzung, bei der es wechselnde Mehrheiten gab, und ich nicht mit der GAL stimmte. Allerdings hing es letzt- lich nicht an meiner Stimme. Ob die Studi-Liste als politische Erscheinung ernstgenommen wird, ist noch schwer abzu- schaetzen. ruprecht:Wie waren die Reaktionen von Seiten der etablier- ten Parteien? Goettert: Ganz unterschiedlich. Natuerlich werde ich von der CDU in die GAL-Kiste gesteckt. Die GAL kannte ich schon vorher; dort bin ich ohnehin oft bei Fraktionssitzun- gen. Mit der SPD ist es auch drin, nach den Gemeinderats- sitzungen noch einen trinken zu gehen; die Freien Waehler beginnen mich auch zu akzeptieren, schliesslich haben wir mit ihnen zusammen den Deal mit den Aufsichtsraeten ge- macht: zwei fuer sie, zwei fuer die AG Liberale & Studie- rende, zu Lasten der CDU. ruprecht: Zu Eurem Selbstverstaendnis: Ist die Studi-Liste eine Interessenvertretung der Studierenden? Goettert: Als reine Lobby-Liste haben wir uns nie verstan- den. Es gab Bereiche in der Kommunalpolitik, in denen De- fizite bezueglich studentischer Interessen bestanden. Hier gibt es natuerlich Handlungsbedarf. Ein aktueller Fall: Wir wollen bei der DGH durchsetzen, dass deren Wohnungen als WG genutzt werden koennen. So etwas kaeme vorwiegend Studierenden zugute, aber eben auch nicht ausschliess- lich.Trotzdem sehe ich mich, wenn ich mich z.B. durch die Haushaltsunterlagen durchkaempfe, nicht so sehr als reine Studi-Listen-Vertreterin. ruprecht: Wie haltet Ihr den Kontakt zu den Studierenden? Immerhin ist das Eure Klientel. Goettert: Wichtige Probleme, wie den geplante Ausbau der Schlierbacher Landstrasse, tragen wir in die Fachschaftskon- ferenz. Auch manche unserer Antraege, die wir im Gemein- derat stellen werden, werden sich auf Diskussionen in der FSK zurueckfuehren lassen. Schon angefangen haben wir mit unseren Sprechstunden, die fuer direkten Kontakt sorgen sollen. In Zukunft soll das Kommunalreferat der FSK als Bindeglied zwischen den Fachschaftern und uns fungieren. Praktisch gesehen ist ohnehin meist jemand von uns auf den FSK-Sitzungen. Wir werden natuerlich auch regelmaessig berichten. Endgueltig geklaert ist hier aber noch wenig. ruprecht: Mittlerweile bist Du eine zentrale Figur in der Studi-Liste. Im Mai dieses Jahres roch die Wahl einer recht unerfahrenen Studentin auf Platz 1 der Liste gegenueber ei- nem Fast-Kommunalpolitiker nach Quotierung. Ist Quotie- rung also eine sinnvolle Art der Personalpolitik? Goettert: Es war von Anfang an common sense, dass unsere Liste quotiert sein soll. Das halte ich fuer vollkommen kor- rekt. Gelaengen genug Frauen ohne Quote in die Politik, waere alles in Butter. Aber das ist nun mal leider noch nicht so. Ich sehe mich allerdings bestimmt nicht als reine Quoten- frau. Zugegeben, vor einem Jahr ahnte ich noch nicht, dass ich heute im Stadtparlament sitze, aber den Weg dorthin ha- be ich mir schon hart erarbeitet. Seit ich voll bei der Studi- Liste mitarbeitete - anfangs bearbeitete ich die Themen Um- welt und Frauen - bestand zugleich Einvernehmen darueber, dass ich auf einen der oberen Listenplaetze komme. Letzten Endes wurden die beiden Spitzenplaetze dann umgedreht. ruprecht: Welches sind die wichtigsten Themen, an denen Ihr derzeit arbeitet? Goettert: An erster Stelle sehe ich das Buergerbegehren ge- gen den Ausbau der Schlierbacher Landstrasse. Alle Fraktio- nen des Gemeinderates ausser GAL, LD und Studi-Liste sind der Meinung, dass hier 18 Mio. fuer einen 3-spurigen Ausbau, der noch mehr Verkehr fuer die Altstadt und Schlierbach zur Folge haben wird und durch Ampelanlagen das Neckartal verschandelt, verschwendet werden sollen, die dann fuer den OePNV-Ausbau und andere Projekte fehlen - wobei noch nicht einmal eine angemessene Verbesserung fu- er Fuss- und Radverkehr erzielt wird. Ausserdem halte ich ein Buergerbegehren auch schon wegen seiner basisdemo- kratischen Bedeutung fuer wichtig. Allein schon das Zustandekommen waere ein wegweisendes Zeichen fuer artikulierten Buergerwillen, direkte Demokra- tie. Weitere Punkte sind der Haushaltsentwurf fuer 1995, der bei mir zu Hause auf dem Tisch liegt, die Bebauungsplaene fuer das Neuenheimer Feld, zu denen wir Vorschlaege unter- breiten und auch Aktionen starten wollen. Generell werden wir uns ueber Plakate und den Unimut an die Studierenden- schaft wenden, denn es ist wichtig, dass dort eine Mei- nungsbildung stattfindet. Das Universitaetsbauamt reprae- sentiert nun einmal nicht unbedingt die studentische Mei- nung. (Interview: hn/hb)