Heidelberger Profile Massenkunst: Klaus Staeck Ob als Plakat an der Litfasssaeule oder am Kleiderschrank einesTeenieprotestlers - wahrscheinlich gibt es kaum ein Dorf in Deutschland, in dem nicht frueher oder spaeter "ein Staeck" auftaucht. Klaus Staeck, Jahrgang 1938 und "entschiedener Verdros- senheitsgegner", versteht seine Bilder als politische Massen- kunst. Jaehrlich kreiert er etwa zwoelf Motive, die anschlie- ssend im Eigenvertrieb von der Heidelberger "Edition Staeck" tausendfach als Plakate und Postkarten in die Re- publik versandt werden. Rekordauflage eines Motivs: 270.000. Gesamtauflage: ueber 16 Millionen. Langen Atem hat er. Waehrend "um die fuenfzig, studiert und ein bisschen links" schon fast zum Synonym fuer " ge- frustete 68`er" geworden ist, produziert Klaus Staeck eifrig weiter. Seit fast einem Vierteljahrhundert, hauptsaechlich Text-Bild-Montagen, die, so der Kuenstler, "auf die Luegen, den Wahnsinn aufmerksam machen sollen, mit dem wir alle Leben". Praktisch sieht das so aus: Ein Gartenzwerg liegt auf einer angezuendeten Streichholzschachtel und illustriert den Satz: "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein." Zwei kondomueber- stuelpte Kirchtuerme verkuenden: "Doppelt genaeht haelt besser. Aids ist keine Strafe Gottes." Oder Staecks Lieb- lingsmotiv - der Kanzler - bekommt Saetze in den Mund ge- legt wie: "Liebe Mitbuerger, bitte haben Sie Verstaendnis dafuer, dass die Steuern erst nach den Wahlen erhoeht wer- den koennen." Die Plakate sind schlicht, ihre Botschaften klar - oder trivial? "Gute Satire ist auf den ersten Blick immer simpel, auf den zweiten oder dritten aber nicht unbedingt", verteidigt sich der Sechsundfuenfzigjaehrige."Das einfache Bild hat grosse Wirkung. Die Leute erregen sich oft ungeheuer." Das hat Staeck zum ersten Mal 1974 erfahren. Zum Duerer- Jahr in Nuernberg schlug er das Portraet von Duerers Mutter mit dem Zusatz "Wuerden sie dieser Frau ein Zimmer ver- mieten?" an den staedtischen Litfasssaeulen an. Nach dem Erlebnis der erregten Oeffentlichkeit gab es kein Zurueck mehr zu Holzschnittchen und Aquarellen, mit denen der Jurastudent bisher auf dem Heidelberger Kunstmarkt aufge- treten war. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Und - natuerlich - die Zeiten haben sich geaendert. Staeck: "Die geistig-moralische Wen- de, die Kohl immer verkuendet hat, ist schon eingetreten - zwar wenig Geist und wenig Moral, aber da ist ja auch 'ne Wende." Er wisse ueberhaupt nicht, wofuer sich die Leute heute noch interessierten. Auch das Interesse an seinen Bil- dern ist zurueckgegangen. Das merkt Staeck am Absatz sei- ner Plakate. Und an den Medien, die weniger und kritischer ueber ihn berichten. Sein Engagement im letzten Wahlkampf stiess auf ziemlich viel Kritik. Doch er nimmt das gelassen:" Ich habe das Gefuehl, die Journalisten wollen nur die Be- staetigung ihres eigenen Vorurteils, dass in der Kunstszene politisch nichts mehr laeuft. Und wenn dann doch etwas laeuft, sagen sie: Verglichen mit der Willy-Brandt-Zeit ist das aber laecherlich." Doch der blasse Mann mit der rahmenlosen Brille versprueht erfrischend wenig Selbstwichtigkeit, ergeht sich nicht in den gelaeufigen Litaneien ueber die Schlechtigkeit der Welt. Klagen oder Bedauern sei nie seine Sache gewesen. Er habe immer versucht, in schlechten Zeiten sein Engagement ent- sprechend zu steigern. Das 'Mensch, dass Du immer noch weiter machst'-Gerede kann Staeck nicht leiden: "Indem die Leute meiner Generati- on mich als etwas besonderes hinstellen, beruhigen sie sich, dass es ganz normal ist, dass sie nur noch ihre naechste Ur- laubsreise im Kopf haben. Es ist doch normal, dass ich wei- termache. Wie jeder Lehrer, der weiss, dass ihm wahrschein- lich nur drei Schueler zuhoeren oder jeder Arzt, der den dritten Zeh auch dann amputiert, wenn er weiss, dass der Patient hinterher erst einmal eine raucht." (mp)