ruprecht Nr. 35 vom 16.5.1995


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Meinung


Hochschule


Heidelberg


Feuilleton


Reportage


Ernsthaftes


Verschiedenes


Kräftemessen

MdL-Student ließ sich nicht von der Uni werfen

Auch unser Rektor ist nicht der ewige Sieger. Unlängst zog er sogar gegen einen Studenten den Kürzeren. Der Politologe und Germanist im 27. Semester erhielt zum Ende des Wintersemesters die Exmatrikulation. Die Begründung lautete, einem Studenten sei laut Universitätsgesetz nicht erlaubt, einem Vollzeitjob nachzugehen. Pech für Ulmer: Der Langzeitstudent ist Landtagsabgeordneter und konterte auf höherer Ebene. Das Grundgesetz nämlich schützt den Arbeitsplatz eines Abgeordneten. Und genau dies müsse dann ja wohl auch für einen Studenten gelten.

Wahrscheinlich hätte der 34jährige Michael Jacobi in aller Ruhe in diesem Sommer sein Studium abgeschlossen - wenn da nicht gerade die Umstrukturierung der Magisterstudiengänge gewesen wäre (ruprecht berichtete). So erhielt er also wie fast alle seine Kommilitonen ein Schreiben, in dem er aufgefordert wurde, seine Zwischenprüfung nachzuweisen. Eigentlich reine Routine, doch als Jacobi sein Grundstudium durchlaufen hatte, gab es überhaupt noch keine Zwischenprüfung. Ein kurzer Brief an die Herren im Sekretariat, und die Sache dürfte erledigt sein, dachte er; zumal er die Politologie schon abgeschlossen hatte und mitten im Germanistik-Examen steckt. Doch dem Grünen-Politiker unterlief dabei eine kleine Fahrlässigkeit. Als Eckhard Behrens, Dezernent der Zentralen Univerwaltung, sein Schreiben in den Händen hielt, schlug bei ihm sofort der Exmatrikulations-Alarm an: Auf dem Papier prangte unübersehbar der Landtagsbriefkopf. § 86 des Universitätsgesetzes jedoch verbietet, daß "der Studienbewerber (...) beruflich tätig ist". Jacobi dachte allerdings überhaupt nicht daran, sich mit dieser Entscheidung geschlagen zu geben. Er verfaßte ein freundliches Schreiben, in dem er den Rektor darüber aufklärte, daß es noch andere Gesetze gibt. Im Artikel 48 der Grundgesetzes heißt es nämlich, daß niemand "gehindert werden (darf), das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig". Folglich darf ein Student also auch nicht von der Uni geworfen werden.

Jacobi hätte es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen: "Ich bin sicher, daß ich gewonnen hätte." Rückendeckung verschaffte er sich bei Wissenschaftsminister von Trotha, dem er eine Kopie seines Briefes zukommen ließ. Gegen soviel scharfes Geschütz gab sich unser Rektor schließlich geschlagen und ließ Jacobi wieder immatrikulieren. Der Sieg des Gerechten... (gz)


Höheres BAföG für alle Schmarotzer

gibt es eigentlich nicht, aber vielleicht mehr "Leistungsnachweise"

Unter 9,8% geht nichts - folgt man dem Deutschen Studentenwerk (DSW), das eine solche Erhöhung des BAföG ab Herbst 1995 in seiner neuesten Sozialerhebung fordert. "Jede darunter liegende Anhebung [...] würde ein weiteres Sonderopfer der BAföG-geförderten Studierenden darstellen." Insgesamt habe sich die soziale Lage der Studierenden verschlechtert.

Das meinen auch die ExpertInnen von der "HIS (Hochschulinformationssystem) GmbH" in einem Gutachten für die Bundesregierung. Sie sehen in der "unzureichenden Unterhaltsleistung von Eltern und Staat" einen der Hauptgründe für die großen Unterschiede bei den tatsächlichen Studienzeiten. Einen weiteren Grund hierfür sei die "uneffektive Studienorganisation der anbietenden Einrichtungen (z.B. Prüfungswesen)". Die Bundesregierung schließt daraus, daß eine Erhöhung der BAföG-Sätze um 4% und die Einführung eines verbindlichen Leistungsnachweises nach dem zweiten Semster angebracht sind. Vorerst ist sie aber mit diesem Vorschlag am Bundesrat gescheitert, der eine Erhöhung um mindestens 6% will. Vermutlich werden sich beide Gremien nach einigen Schaukämpfen auf eine Erhöhung um 4% und den Wegfall des Leistungsnachweises einigen - der kommt dann nächstes mal und das Geld nie.

Bei der gesamten Diskussion geht es inzwischen weniger ums BAföG - das reicht ohnehin nicht und läßt genug Studis in das Mittelstandsloch der gerade nicht Geförderten fallen - sondern um eine generelle Straffung des Studiums: Kommt der Leistungsnachweis für BAföG-BezieherInnen, muß er - der Gleichbehandlung wegen - auch für den Rest der Studierenden kommen. Und schon ist die Vor-zwischenprüfung für alle eingeführt - über die Hintertüre BAföG.

Zur bevorstehenden BAföG-Novelle fand am 10. Mai eine Anhörung des zuständigen Bundestagsausschusses statt. Die Sachverständigen, auch jene der HRK (Hochschulrektorenkonferenz), lehnten einen weiteren Leistungsnachweis durchweg ab. Erst müsse diskutiert werden, "wann welche Nachweise erbracht und welche Folgen an ihr Fehlen geknüpft werden sollen" (HRK). Konsequenz der Vorsitzenden der "Zukunftskommission": das nächste Mal wird nicht nur über BAföG, sondern auch über Studienreform geredet. Für manche wird es dann freilich schon zu spät sein. Mit der 17. BAföG-Novelle wird nämlich auch die "Studienabschlußförderung" nicht mehr gewährt. Die kommt vielleicht erst mit der 18.Novelle wieder - dann aber zusammen mit der Vorzwischenprüfung, in der BAföG-Schmarotzer dann wirkungsvoll vorsortiert und ausgesiebt werden. (khp)


Urin-Theater

Nackter Mann, urinierend vor einem Kreuz: Das Plakat, auf dem das "Choralgrafische Theater" vom Praktisch-Theologischen Seminar für die Aufführung des Stückes "Gottesvergiftung" in der Peterskirche wirbt, löst natürlich Proteste aus. Das Kapitel der Peterskirche fordert den Regisseur Herbert Grasmück auf, keine derartige Szene aufzuführen. Man behält sich vor, nach der Premiere weitere Termine in der Peterskirche zu unterbinden. Grasmücks Inzenierungen waren schon früher an der Fakultät kritisiert worden. Anderen Theologen, z.B. Christian Möller, dem Direktor der Praktischen Theologen, gefällt Grasmücks Dramaturgie - er könne kirchliche Themen "mit Feuer" inszenieren. Die Premiere des Stücks zeigte: Die Inszensierung der "Gottesvergiftung" ist provokativ, für modernes Theater aber nicht ungewöhnlich drastisch. Uriniert wird zwar, aber nicht nackt. (hn)


Ey!

Im Vergessen sind die Deutschen Weltmeister. Von der Schulzeit ("Aufsatzheft vergessen") über die Pubertät ("Pille vergessen") bis zum Erwachsenendasein ("Hochzeitstag vergessen") - unsere perfektionierte Gedächtnisschwäche begleitet uns sogar in den intimsten Lebenslagen: "..das Händewaschen auf den Toiletten vergeß´ ich wirklich immer..". Beinahe hätten wir sogar vergessen, daß wir den zweiten Weltkrieg gar nicht gewonnen haben! Die Polen waren wirklich eine Siegermacht? Mensch, wie die Zeit vergeht!

Damit diese kollektive Erinnerungsschwäche nicht allzu peinlich wirkt ("Straßburg schreibt man mit O-U??"), haben wir die Disziplin erfunden, denn, wenn er muß, kann ein Deutscher auch denken, sogar zurück. Und darum gibt´s Gedenktage, Herrschaften, und an denen haben wir uns zu erinnern! Am 8.Mai z.B. erinnern wir uns voll Erstaunen an all die schönen ARD-Western, die unser Freund Alfred Dregger anscheinend schon wieder vergessen hat, wenn er seine Bild-am-Sonntags-Reden vom Leid der Deutschen hält: "Wer ein Pferd beim Schwanz aufzäumt, braucht sich nicht zu wundern, wenn es nach der verkehrten Seite durchgeht!" (John Wayne).

Donnerstag ist hinwiederum Studentengedenktag. Rechtzeitig zur BAFöG-Erhöhung wird der Steuerzahler dank der Heidelberg-Schnulze des ZDF daran erinnert, wie berechtigt doch seine Vorurteile Jung-Akademikern gegenüber sind: Zwischen Parties und Geschlechtsverkehr werden ihnen laufend Referendarsstellen, Zeitungsjobs und Wohnungen dreistelliger Quadratmeterzahl angeboten. Nach deren Preis fragen Germanistikstudent Stefan und Lehrerin Christiane nie: Mein Gott, das vergißt man schon mal! So warten wir gespannt auf den Zwölfteiler zur Asylrechtsänderung ("Der Mond scheint auch für Untermenschen"), den man auch vor hiesiger Kulisse abdrehen wird, irgendwo zwischen Neger-gmünd und Neger-elz wahrscheinlich.

Den Schmerzensschrei nach solchen Kalauern bitte ich für das Ende dieser Glosse aufzusparen: Die Muttergedenkfeiern finden nämlich jährlich am zweiten Maisonntag statt -das war vor drei Tagen! Und? "Mist, schon wieder die Mama vergessen!!!" Gut gebrüllt, Löwe! (step)


point & counterpoint: Gemeinderat für die Kids?

Jugendliche an die Macht? Sollen Heranwachsende aktiv in die Politik eingreifen können? Genügen dafür die bisherigen Möglichkeiten oder ist eine eigene kommunale Vertretung notwendig? Modelle von Jugendparlamenten existieren bereits. Doch welche Kompetenzen sollen sie haben? Können die Jugendlichen durch sie ihre Interessen angemessen vertreten?Wir fragten nach.

Soll Heidelberg eine kommunale Jugendvertretung
erhalten?

Anschi Scholbeck
Städträtin Heidelberg, GAL

Jugendliche wollen selber bestim-men, wo's lang geht. Ihnen wird häufig unterstellt, sie wären an politischen Gestaltungsprozessen nicht interessiert. Daß dem nicht so ist, zeigt eine bundesweite Umfrage unter 15.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von 4-14 Jahren, die ergab, daß 78% aktive politische Mitbestimmung wollen. Wir, die GAL (Grün-Alternative Liste), GAJ (Grün-Alternative Jugend) und Grüne/Bündnis 90 reden nicht nur davon, Jugendliche mit ihren Anliegen ernst zu nehmen, sondern wollen dafür auch etwas tun. Um Jugendliche aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen, reicht es nicht aus, ein Diskussionsforum (bspw. "Jugendforum") zu gründen, das keinerlei Kompetenzen, Legitimation und somit wenig Einfluß auf politische Prozesse hat. Jugendlichen müssen Entscheidungsräume, Rechte und Einflußmöglichkeiten in Form eines legitimierten Gremiums eingeräumt werden. In Baden-Württemberg gibt es bereits in 24 Gemeinden (z.B. in Weingarten, Friedrichshafen, Filderstadt) einen Jugendgemeinderat (JGR), der sich dort sehr bewährt hat. Wir fordern daher die Einrichtung eines Heidelberger Jugendgemeinderates, der als Sprachrohr und Interessenvertretung von Jugendlichen gegenüber der Öffentlichkeit und des Gemeinderat fungiert.

Der Jugendgemeinderat sollte ein überparteiliches, unabhängiges Gremium sein, das von in- und ausländischen Jugendlichen gewählt und gebildet wird.

Unabdingbar für einen Jugendgemeinderat ist ein Anhörungs-, Initiativ- und Rederecht für Jugendliche. Das heißt, Jugendliche müssen selber Initiativen und Anträge in den Gemeinderat einbringen und dort abstimmen lassen können. Werden Themen behandelt, die Jugendliche betreffen, so halten wir es für sinnvoll, die Beschlußkompetenz des Gemeinderats dem Jugendgemeinderat abzutreten und dieses Gremium entscheiden zu lassen. Darüberhinaus sollte der Jugendgemeinderat das Recht zu eigenen Veröffentlichungen im Heidelberger Stadtblatt haben und ein Budget bis zu 10.000 DM pro Jahr zur Verfügung haben, um Veranstaltungen und Publikationen finanzieren zu können.

Dem Jugendgemeinderat soll in allen Sitzungen, außer bei Personalentscheidungen, die Jugendliche nicht betreffen, ein Anwesenheitsrecht, auch in nicht-öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats, eingeräumt werden. Diskutiert werden muß die Länge der Legislaturperiode und ab welchem Alter die Jugendlichen kandidieren und wählen dürfen. Möglich wäre, ein ähnliches Modell wie in Filderstadt einzuführen. Hier setzt sich der Jugendgemeinderat aus zwanzig Jugendlichen zusammen und wird auf zwei Jahre gewählt. Jugendliche können dort im Alter zwischen 14 und 18 Jahren kandidieren und wählen. Es gibt keine konkurrierenden Listen, sondern eine gemeinsame Liste, auf der alle Bewerberinnen und Bewerber kandidieren. Aufgrund dieser Wahl wird eine verbindliche Verpflichtung zur kontinuierlichen Teilnahme und Verantwortung gegenüber der Arbeit gewährleistet und sichergestellt, daß das Gremium von Gemeinde und Verwaltung ernst genommen wird.Wie aber ein JGR in Heidelberg aussehen soll, sollen die Jugendlicheselbst entscheiden.Daher wird es in den nächsten Wochen unser Ziel sein,mit den Jugendlichen zusammen eine parteiübergreifende Diskussion über einen Jugendgemeinderat in Heidelberg anzustoßen. Denn die beste Interessen vertretung für Jugendliche sind die Jugendlichen selber!

Werner Pfisterer
Gemeinderat und stellvertretender Fraktionsvorsitzender, CDU

Von verschiedenen Gruppen, namentlich von der Grün-Alternativen Liste (GAL) im Heidelberger Gemeinderat, wird derzeit eine Diskussion um die Einrichtung eines Jugendgemeinderates geführt. Die Diskussion um mehr Beteiligung von Jungendlichen hält die CDU für sehr wichtig und für sinnvoll. Kinder und Jugendliche nehmen ihr Lebensumfeld wach zur Kenntnis und machen pragmatische Vorschläge, die wir sehr ernst nehmen sollten. Kinder und Jugendliche sollten daher tatsächlich stärker am öffentlichen Leben beteiligt werden. Dies kann auf verschiedenen Wegen geschehen, zum Beispiel über den Eintritt in eine politische Partei bzw. deren Jugendorganisation; für die CDU wäre dies die Schüler-oder Junge Union. Auch die Direktkandidatur für den Gemeinderat ist für Jugendliche eine Möglichkeit zu politischer Beteiligung.

Die Einrichtung eines Jugendgemeinderates aber lehnen wir ab. Man kann nicht für eine Gruppe Sonderrechte schaffen, sonst müßte man auch noch für Senioren, Behinderte, usw. einen Gemeinderat einrichten. Die Zusammensetzung des Gemeinderates ist per Gesetz festgelegt und darf nicht um eine Kinder- oder Jugendvertretung ergänzt werden. Der bestehende Gemeinderat sollte mit seinen Einflußmöglichkeiten immer wieder Partei für die Kinder und Jugendlichen ergreifen. Das aber setzt voraus, daß wir alle noch mehr zuhören, die Alten und die Jungen. Nur so erfahren wir, wo ihre Bedürfnisse liegen, beziehungsweise was von den Wünschen und Anregungen, die die Kinder und Jugendlichen vorbringen, umgesetzt werden kann.

Unabhängig von allen Vorschlägen sollten sich Jugendliche direkt in der Politk und im Gemeinderat engagieren. Die CDU Heidelberg hat seit langer Zeit immer Platz 5 ihrer Kommunalwahlliste für die Jugend reserviert. Jugendliche, die mitarbeiten möchten, sind in den kommunalen, sportlichen, sozialen, musikalischen und auch politischen Vereinigungen sehr willkommen. Dort können sie mehr bewirken als in einem Kinder- und Jugendgemeinderat. Es bestehen heute viele Möglichkeiten für Jugendliche unter 18 Jahren, ihre politischen, kulturellen oder sozialen Interessen einzubringen und zu gestalten.Die CDU ist der Auffassung, daß es derzeit keine Politikverdrossenheit im allgemeinen Sinne bei den Jugendlichen gibt, sondern daß sich die Jugendlichen engagieren, wenn sie ihre Interessen sehr konkret vertreten wollen. Es ist allgemein feststellbar, daß es kein allgemeines Engagement in Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Vereinen mehr gibt, wie das früher zahlmäßig häufig der Fall war. Stattdessen findet heute der Einsatz für die eigenen Interessen gezielter und mehr an konkreten Anlässen orientiert statt.

Im Gegensatz zur SPD sind wir beim Wahlrecht allerdings der klaren Meinung, daß es vernünftiger ist, die Grenze bei 18 Jahren zu belassen und nicht auf 16 Jahre zu senken. Es kann nicht angehen, daß sich das linke Lager - SPD, Grüne und so weiter - den Wähler nach seinen politischen Interessen schafft. Dies wäre der Fall, wenn man - wie es Scharpings Schatten-Sozialministerin Heidi Schüller bereits gefordert hat - die älteren Mitbürger vom Wahlrecht ausschließt und versucht, für Jungwähler, auf deren Stimmen man hofft, das Wahlalter zu senken. Die CDU wird den Versuch, die Senioren auszuschließen, aufs schärfste bekämpfen, und Bestrebungen, das Wahlalter zu senken, in keiner Weise mittragen.

(Red. "point/counterpoint": kirk/bpe)


Interview: Hans-Georg Gadamer

Die breite, gepunktete Krawatte ist lose gebunden und fällt schräg an seinem Oberkörper herunter. Der im Februar 95zig gewordene Philosoph sitzt seitlich geneigt im Sofa und blickt dem Besucher interessiert entgegen. So wie bei berühmten Pianisten im hohen Alter ihre Hände zum Merkmal ihres künstlerischen Vermögens werden, so sind bei dem zu den letzten großen Denkern des 20. Jahrhunderts gehörenden Hans-Georg Gadamer die leuchtenden Augen Ausdruck seines geistigen Vermögens. Der in Breslau Aufgewachsene habilitierte sich 1929 bei Heidegger und übernahm 1949 den Lehrstuhl von Karl Jaspers in Heidelberg. Mit "Wahrheit und Methode" veröffentlichte Gadamer 1960 sein Hauptwerk. Seine Philosophie befaßt sich mit der philosophischen Hermeneutik - der Kunst des Auslegens und Verstehens: Im "lebendigen Dialog" kann es zu einem wirklichen Verständnis des Anderen kommen.

ruprecht: Herr Gadamer, Ihre Philosophie - die philosophische Hermeneutik - beschäftigt sich im wesentlichen mit dem Dialog. Wie wird aus dem Gespräch zwischen Ihnen und mir, also aus dem bloßen Miteinander-Sprechen, ein Dialog?

Gadamer: Zu einem Dialog käme es dann, wenn Sie kein Programm hätten.

ruprecht: Schlechte Startchancen... Die Hermeneutik ist die Lehre vom Verstehen. Sie haben aufgezeigt, wie wir einander verstehen können. Welches sind die Kerngedanken der Hermeneutik?

Gadamer: Es ist natürlich immer eine Augenblickssache, ob das Verstehen gelingt. Aber ich könnte schon von einem Grundsatz ausgehen: Daß man nämlich das, was die Hermeneutik ist, niemals mit wenigen Worten sagen kann. Es gibt unendlich viele Formen des Mißverstehens, des Aneinander-Vorbeiredens oder des ewigen Wiederholens-des-Immergleichen, ohne daß wir den anderen jemals verstehen. Deshalb habe ich Hermeneutik auf eine andere Formel gebracht: Bereit sein, daß man auch mal Unrecht hat.

ruprecht: Gerade eine offene und multikulturelle Gesellschaft ist auf den Dialog angewiesen. Bewährt sich der hermeneutische Dialog im Austausch zwischen einem Gastarbeiter aus Ghana und seinem deutschen Nachbarn?

Gadamer: Hier haben wir in der Tat ein sehr schwerwiegendes Sprachproblem. Oft ist es ja so, daß, wenn man sich mit einem Anderssprachigen unterhält, die Abmachung getroffen wird, "Du sprichst in deiner Sprache, ich in meiner". Nach fünf Minuten verläuft das Gespräch aber nur in einer der beiden Sprachen. Sonst geht es gar nicht. Solange jeder in seiner Sprachwelt verharrt, wird nur aneinander vorbeigeredet. Man muß in ein und derselben Sprache die Worte finden, die einander erreichen.

ruprecht: Sehen Sie Chancen für eine funktionierende Veständigung?

Gadamer: Ja. Ich erlebe in Heidelberg oft, wie jüngere amerikanische Kollegen mit ihren Familien nach Deutschland kommen. Die Eltern, die hier an der Universität arbeiten, haben alle exzellente Sprachzeugnisse. Das Interessante ist: Nach drei Wochen lernen die Eltern von ihren Kindern die Sprache, da die Kinder in den Kindergarten gehen und dort die Sprache erst wirklich lernen.

ruprecht: Zeigen sich nicht Grenzen der Verständigung auf globaler Ebene? Der Umweltgipfel in Rio oder die Bevölkerungskonferenz in Kairo konnten, obwohl die Probleme klar erkannt wurden, keine Handlungsvorgaben entwickeln. Viel Worte, keine Folgen?

Gadamer: Hier sprechen Sie ein anderes Problem an, nämlich das der Umsetzung in die Praxis . Davon rede ich nicht, weil ich den wirklichen Dialog meine. Aber zu den Konferenzen. Hier kann es kaum zu einer fruchtbaren Verständigung kommen. Diese großen Runden, in denen viel gesprochen wird, und wo dann doch nichts entschieden wird. Nein, ich glaube, es wird eine neue Generation kommen, die das dann besser macht, d.h. die für ein besseres Miteinander keine Konferenzen braucht.

ruprecht: Kommen wir wieder auf die zwischenmenschliche Ebene zurück. Sie haben geschrieben: "Die ethischen Ideale müssen im gesellschaftlichen Dialog über ein spezifisches Problem erarbeitet werden." Solch ein Dialog braucht viel Zeit. Aber beispielsweise das Problem der Bevölkerungsexplosion braucht sofortige Maßnahmen.

Gadamer: Gibt es schnellere als vernünftige und wohlberatene? Freilich, mit wem soll man sich beraten? Es soll ja nicht alles im Dialog geregelt werden. Ich denke mir das so, wie es ja wohl auch in der Welt beschaffen ist: So ist es eine Illusion, zu glauben, jeder müßte bei allem mitreden. Es ist in der Praxis doch immer so, daß wenige entscheiden. Sie müssen jedoch demokratisch legitimiert sein und Rechenschaft geben.

Nicht jeder einzelne Mensch kann im Dialog über letztgültige Normen beraten. Der Dialog ist ein sehr sehr kleiner Teil, ein winziges Moment, das dazu beihelfen kann, daß es auf allen Niveaus der Beratung besser wird. Die Beratung und Entscheidung bewegt sich in dem vom Gesetzgeber und der Gesellschaft vorgegebenen normativen Bereich. In diesem Bereich muß der Einzelne mit Anderen erörtern, was gut und was schlecht ist. Die Regeln sind mehr oder weniger vorgegeben. Aber eine meiner Maximen ist: Bei einer Regel muß immer danach gefragt werden, was sie erlaubt, welche Freiheit sie gibt, nicht danach, was sie einschränkt.

ruprecht: Nicht jeder ist zum Dialog bereit. Was machen Sie mit dem, der sich verweigert?

Gadamer: Nichts. Dann redet er eben nicht.

ruprecht: Keine sehr vielversprechende Situation.

Gadamer: Vielleicht hat er doch mal Lust. Er wird schon früher oder später kommen und sehen: "Aha, das ist ja doch ganz gut, was die anderen denken. Das ist ja sinnvoll, mit denen einmal zu reden."

ruprecht: Gibt es im Menschen etwas, das ihn zum Dialog treibt? Sie sprechen oft von der Solidarität.

Gadamer: Aber natürlich! Wozu ist denn sonst das Wort, die Sprache, überhaupt da. Es ist doch nur für den anderen da. Der Mensch will sich mit seinen Mitmenschen austauschen und kann ohne den Anderen überhaupt nicht leben. Nicht umsonst reden wir von "Muttersprache".

ruprecht: In Heidelberg wird dieser Tage ein Hochsicherheitslabor für Gentechnik eröffnet. Die Möglichkeiten der Gentechniker wecken in der Gesellschaft Ängste. Welche Rolle spielt hierbei der Forscher?

Gadamer: Die Wissenschaft und die Forschung kann man nicht reglementieren. Sie muß frei arbeiten können. Natürlich, mit ihren Ergebnissen können scheußliche Dinge angefangen werden. Auch Otto Hahn hat nicht an die Atombombe gedacht! Der Einzelne ist ein kleiner Teil in einem großen System, und was aus dem, was er tut, wirklich wird, das weiß er nie. Ähnlich ergeht es dem Forscher.

Aber wenn Sie nach den Motiven für verhängnisvolle Anwendungen der Forschungsergebnisse fragen, zum Beispiel die Anwendung von Waffengewalt, von Terror, so stellt sich dies als die Hauptaufgabe unserer heutigen Zivilisation dar, wie sich der Mißbrauch der in die Hand des Menschen gelegten Macht verhindern läßt.

Aber sicher ist richtig, daß die Wissenschaft uns mit immer größeren Gefahren konfrontiert. Was aus dieser Situation heraus die heutige Gesellschaft prägt und was für sie kennzeichnend ist, ist ihre gemeinsame Angst! Die Angst stiftet zwischen den Menschen neue große Solidaritäten. Etwa wie wir sie mit Überraschung im Bombenkrieg erlebt haben. Es gab wieder Nachbarn! Aus Solidarität und durch die Konzentration auf das Gemeinsame hin wird man zu vernünftigen Lösungsansätzen gelangen, hoffe ich.

ruprecht: Hans Jonas spricht von der "Heuristik der Furcht".

Gadamer: Ja. Das ist zwar nichts Neues gewesen. Aber er hat es in einer sehr verdienstvollen Weise aufgearbeitet und wieder in das allgemeine Bewußtsein erhoben, was Kant sehr wohl gewußt hat, wenn er von den Imperativen der Klugheit und von dem kategorischen Imperativ sprach, daß man niemals einen Menschen nur als Mittel zum Zweck gebrauchen dürfe.

Ich bin allerdings skeptisch, ob die oftmals auftretende hysterische Furcht vor zukünftigen Entwicklungen begründet ist. Nehmen Sie doch mal als Beispiel die Erfindung des Rades, des Pfluges oder auch des mechanischen Webstuhls und vergleichen Sie, wie man vor und wie nachher gelebt hat. Da konnten die Menschen damals auch sagen - und sie haben es gesagt: "Das ist doch kein Leben mehr. Früher war das doch so und so." Nun, es ging doch, nur eben anders.

ruprecht: Denkt jede Generation, sie hätte die schwerwiegendsten Probleme?

Gadamer: In gewisser Weise schon. Ich bestreite, daß alles so furchtbar neu ist. Die Angst vor umwälzenden Entwicklungen ist nichts Neues. Gleichwohl ist es andererseits unbestreitbar, daß wir heute vor einer Grenzsituation existentieller Bedrohung stehen, die in der Geschichte keinen Vergleich hat.

ruprecht: Wie das Genlabor zeigt, steht die Universität Heidelberg heute für Medizin und Molekularbiologie, also für die Naturwissenschaften - früher war sie Hochburg geisteswissenschaftlichen Forschens. Sie sind einer der großen Geisteswissenschaftler dieses Jahrhunderts. Macht sie dieser Wandel betroffen?

Gadamer: Aber nein. Daß die Naturwissenschaften dominieren, ist doch nichts Neues. Das ist schon seit ihrer Entstehung im 17. Jahrhundert so. Es fällt heute vielleicht mehr auf, weil so viele Gelder zu den Naturwissenschaften fließen.

ruprecht: Aber die Reputation der Geisteswissenschaften ist doch heute stark zurückgegangen. Wenn ein Problem zur Lösung ansteht, fragen die Leute nach dem naturwissenschaftlichen Experten und nicht nach dem Politologen, geschweige denn nach dem Philosophen. Der Naturwissenschaftler, so die verbreitete Meinung, könne sagen, was das "Faktum" sei.

Gadamer: Was glauben Sie, was mir mein Vater, der Chemiker war, vorgehalten hat, als ich ihm sagte, ich wolle Geisteswissenschaften studieren. Seiner Meinung nach ging ich zu den "Schwätz-Professoren". Nein, die Reputation der Geisteswissenschaften war schon vor 100 Jahren schlecht.

Aber zum "Faktum": Wenn ein Naturwissenschaftler mir sagt: "Das sind facts, Tatsachen", dann lächele ich natürlich im Geist. Der Zeigerausschlag auf seinem Meßinstrument ist doch nur das Resultat einer hochkomplexen Vermittlung zwischen dem Wissenschaftler und seinem Untersuchungsgegenstand.

ruprecht: Was kann er besser machen?

Gadamer: Nichts. Er macht es vielleicht gut. Aber es würde ihm nichts schaden, zu uns zu kommen und denken zu lernen.

ruprecht: Wenn es so ist, daß die Naturwissenschaften ohne über ihre Grenzen nachzudenken nicht zum Erfolg kommen, muß man dann wie ihr Kollege Paul Feyerabend behaupten: "Letztlich sind alle Naturwissenschaften Geisteswissenschaften"?

Gadamer: Der von Ihnen genannte Kollege neigte zu Übertreibungen. So weit kann man nicht gehen. Er hält immer noch zu viel von den Wissenschaften. Daß bei allem Geist dabei ist, ist natürlich richtig, aber das meinen wir nicht, wenn wir von den Geisteswissenschaften sprechen. Was wir meinen, ist, sich bewußt zu machen, daß die Tatsachen immer schon etwas durch uns Erinnertes und Interpretiertes sind. Leugnen wir diesen Zusammenhang, so fixieren wir die Natur auf erzwungene Antworten und beherrschen sie dadurch vielleicht. Die Geisteswissenschaften und vollends die Philosophie sind sich ihrer Sache nie so sicher.

ruprecht: Zurück zu den Problemen des Dialoges. Er setzt voraus, daß man vom Thema des Gespräches innerlich ergriffen ist. Noch nie hat man so viel kommuniziert wie heute: Telefon, Telefax und Talkshows. Geht nicht gerade dadurch die Fähigkeit zum Ergriffen-Sein verloren?

Gadamer: Ja, gewiß. Denn das sind alles Mittel, den lebendigen Dialog zu verdrängen. Mein Rat ist: Überlege, bevor Du auf den Knopf drückst. Womöglich ist es vernünftiger, selber nachzudenken und auf gute Freunde zu hören.

ruprecht: In Ihren Werken geben Sie der Überzeugung Ausdruck, daß die Vernunft den Weg zum Guten weist...

Gadamer: ...wirklich?

ruprecht: ...wir denken schon. Sie haben in ihrem Leben schon viele Irrwege der Menschen miterlebt. Vertrauen Sie immer noch auf die heilende Kraft des gesunden Menschenverstandes?

Gadamer: Da fühle ich mich nicht richtig wiedergegeben. Ich behaupte nicht, daß der Mensch nur aus Vernunft besteht. Er besteht zu einem weit mächtigeren Teil aus seinen Emotionen. Das muß doch jeder zugeben. Das wird beim Katholizismus, der die Wichtigkeit der Zeremonien erkannt hat, gesehen, ganz im Gegensatz zum betont rationalen Protestantismus. Aber es ist auch ein Aberglauben, wenn man die Wissenschaft für ein All-heilmittel hält. Das ist keine Wissenschaft, die das denkt!

Eine andere Art, mit der menschlichen Art umzugehen, ist zum Beispiel die chinesische. Schauen Sie sich diese Selbstdisziplin an. Eine jahrtausendalte Kultur des Umgangs miteinander. Von dieser Kultur können wir noch viel lernen. Die europäische Kultur ist in eine Sackgasse gerannt. Wer weiß, vielleicht sprechen wir im Jahre 3000 in Europa chinesisch. Vor 200 Jahren standen die Menschen vor dem Beginn des europäischen Wirtschaftsimperialismus, heute stehen sie vor der globalen Aufgabe, miteinander zu leben und weder uns gegenseitig umzubringen, noch unser aller Lebensgrundlagen zu zerstören.

Die "Hermeneutik" ist auch kein Allheilmittel. Aber als Philosophie macht sie uns bewußt, daß wir nicht von der Wissenschaft, auch von den Geisteswissenschaften nicht, erwarten dürfen, was sie nicht leisten kann.

(eile, hb)


Queue, please!

Am Anglistischen Seminar ist man very British

Schlangestehen, das können Heidelbergs Anglisten, zumindest das haben sie von den Engländern gelernt. Und in jedem Semester, an den ersten beiden Vorlesungstagen, gibt man ihnen Gelegenheit, eine Kostprobe davon zu geben. Im Kampf um eine erfolgreiche Ausbildung.

Verdammt Glück haben sie gehabt. Mit dem Wetter. Daß es nicht geregnet hat. Daß die Frühlingsnacht vom 24. auf den 25. April so mild gewesen ist. Statt der Schlafsäcke zum Schutz vor der Kälte wird die Gitarre ausgepackt. Das lange Warten beginnt. Schon gegen 22.30 Uhr sitzen die ersten auf den Haupteingansstufen des anglistischen Seminars, sehr früh, siebeneinhalb Stunden zu früh. Mit Schlafsack, Isomatte und ein bißchen Proviant harren sie aus, um in ihrem Studiengang jene Kurse sicher belegen zu können, die eine Voraussetzung für die Zwischenprüfung sind. Denn nur wer vorne mit dabei ist, kann frei auswählen, den anderen bleiben meist nur die Lückenfüller, die Reste, die keiner haben will. Wie jene, die auch nach dem dritten Semester keinen Erfolg in der Belegung eines Pflichtkurses hatte. Zu Stift und Papier mußte sie greifen, den zuständigen Professor zu erweichen, ihr wäre wohl sonst das BAfÖG gestrichen worden.

"Aus der Not eine Tugend machen" - so drücken es die aus, die die Nacht auf den Stufen durchgefeiert haben. Musik zwingt der Straße Leben auf, lockt Fremde aus den umliegenden Discos, Kneipen und gelegentlich auch Wohnhäusern, überredet sie, die laue Frühjahrsnacht unter freiem Himmel zu verbringen. "Always look on the bride side of life", leichter fällt das, feiert man nicht alleine, bekommt man Unterstützung, Sympathisanten. Sogar Peter, der Hausmeister des Seminars, um halb drei aus dem Bett gescheucht durch das Singen, Gitarrespielen, Lachen unten auf der Straße, zeigt Verständnis, läßt einige drinnen auf die Toilette, bringt Sprudelflaschen gegen Erschöpfung und trockene Kehlen.

Sein Protest soll an die richtige Stelle gehen, sagt er. Nein, nicht den lärmenden Studenten könne er einen Vorwurf machen, da müsse man schon an oberster Stelle vorstellig werden. Bei denjenigen, die diese Prozedur nicht durchmachen, noch nie durchgemacht haben, noch nie mit dem Rücken an einer Holztür gelehnt haben, die Nacht hindurch, fünf, sechs, sieben Stunden lang. Irgendwann wird das ungemütlich, schmerzt das. Und mit dem Schmerz kommt der Frust. Die Feierstimmung verfliegt, die Müdigkeit kommt, und irgendwo tief drinnen war der Frust schon immer da. Der Ärger auf die Institutsleitung bricht hervor.Doch dort ist die Ratlosigkeit spürbar, ein bißchen auch das Unverständnis für das "panische Frühanstehen" mancher Studenten, so Prof. Höfele. Auswege sollen in den nächsten beiden Wochen besprochen werden, in Zusammenarbeit mit der Fachschaft. Doch eines scheint sicher: Im Interesse einer gleichmäßigen Belegung aller Kurse wird der Eintrageritus wohl beibehalten werden.

Viele standen montags auch schon hier, die Hoffnung auf zusätzlich ausgelegte Listen für Kurse hat sie mitten in der Nacht ein zweites Mal aus den Federn geschmissen. Dann die Nachricht, daß schon montags zum Teil Kurslisten ausgelegt wurden, die eigentlich für Dienstag reserviert waren. Unruhe. Ein bißchen Wut mischt sich hinein. "Jetzt habe ich schon zwei Nächte nicht richtig geschlafen !" Die das sagt, sitzt bei Schlangenmeter 25 auf dem Boden, seit 3.50 Uhr schon. Sie fragt mich nach der Uhrzeit. Vielleicht hat sie extra keine Uhr mitgenommen, um nicht immer die Minuten, die Stunden zählen zu müssen und doch festzustellen, daß es noch viel zu lange dauert. So kommt das Gerücht auf, schon um sechs Uhr würden die Nummern, kleine Zettelchen mit der Macht, die Reihenfolge der Eintragung zu bestimmen, ausgeteilt werden. Ein Informierter zerstreut diese Hoffnung auf Verkürzung der Langeweile aber sofort wieder: Vor sieben Uhr wird nichts passieren. Nichts, außer der Party, die irgendwie zumindest am Schlangenanfang auch um fünf Uhr noch im Gange ist. Gedankenzerstreuung, aber doch nicht ganz abgelenkt: Die Nummer eins ist schon gemalt, Zeichen der Ungeduld. Um 5.40 Uhr kommt die Zeitung, Leseunterhaltung für ganz vorne. Wäre da nicht die Erschöpfung, schließlich schluckt sie doch der Briefkasten.

Schlangenmeter 96: Seit 6.10 Uhr hat sie diese Marke erreicht. "Wir kriegen noch unsere Kurse, doch, ich bin da zuversichtlich." Ein abschätzender Blick nach vorne begleitet den Ausspruch. Zweckoptimismus? Andere nehmen das nicht so locker. Vor allem die Erstsemester sind etwas ratlos, die Konfrontation mit dem Massenbetrieb Uni läßt einigen Frust zurück. Bei Schlangenmeter 60 macht sich einer Luft: "Das ist ja Wahnsinn." Um 5.20 Uhr ist er hier eingetroffen, diesmal ausnahmsweise mit dem Auto, denn sein erster Zug fährt erst um 5.20 Uhr, und bei einer Stunde Wegzeit: Was wäre da noch an Kursen für ihn übriggeblieben? So ist er um vier Uhr aufgestanden, um wenigstens etwas Einfluß nehmen zu können. Wenn man so will, hat er noch Glück gehabt. Nicht jeder Student ist motorisiert, und in Heidelberg fahren die ersten Straßenbahnen erst kurz nach fünf. So bleibt vielen gar nichts anderes übrig, als sich erst gegen sechs Uhr einzureihen in den Kampf um eine gute Ausbildung. Denn im Dunkeln mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, den Mut bringen vor allem viele Studentinnen verständlicherweise nicht auf.

Einige der Erstsemester kannten den Andrang aus Erzählungen, "mit gesundem Menschenverstand" jedoch wollten sie das nicht wahrhaben. So sitzen, lehnen, stehen sie nun seit ungefähr halb sechs Uhr an der Gebäudeecke, ca. 80 Meter vom Eingang entfernt, mit Gedanken an die Zukunft: "Stell dir mal vor, wie das im Wintersemester wird!", "Wo soll das noch hinführen?" Die Antwort findet sich um 6.25 Uhr: Schlangenmeter 100 ist erreicht. Und trotzdem irgendwo immer wieder ein Lachen, eben "aus der Not eine Tugend machen".

Frühstückszeit. Ein kühler Wind streicht durch die Gasse, läßt viele Wartende die Arme um den Körper schlingen, fröstelnd denkt so mancher an das Wintersemester, an den Herbst, an Regen und Kälte. Bei Schlangenmeter 53 besorgt einer Kaffee in Pappbechern, vorne wird Tee aus dem Haus gegenüber geschlürft. Einige haben sich warme Getränke mitgebracht, Brötchen und Gebäck vom Bäcker. Eine Studentin sitzt in einem Hauseingang gegenüber der Schlange, alleine, die Thermoskanne voll mit Kaffee neben sich. Der Blick geht genervt und irgendwie ungeduldig nach unten, auf die kalten Steinstufen. Zwei biegen um die Ecke, ihr Mund verzieht sich unweigerlich, als sie den Andrang sehen. 105 Meter ist die aktuelle Länge. Dann 6.45: Bewegung, bis 30 Meter vor den Eingang erheben sich die Wartenden. Weiter vorne sitzt man schon zu lange, wartet schon zu viele Stunden, um sich von der plötzlichen Hektik anstecken zu lassen. Dichter drängen sich die Stehenden, ordnen sich zu Viererreihen, die Schlange verkürzt sich um 30 Meter. 6.50 Uhr: Endlich öffnet sich die weiße Tür, mit einemmal stehen alle, einer nach dem anderen verschwindet im Gebäude. Drinnen ein kahler Eingangsraum, ein kleiner Tisch. Dahinter einer, der kleine orangene Garderobenpapierstückchen austeilt. Die Zettel mit den Nummern. Die Trophäen der Nacht.

Früher, da standen die Anglistik-Studenten erst um sieben Uhr an, um sich einzutragen, reihten sich auf der Treppe auf, mit Ellenbogenmentalität um ihre Kursbelegungen kämpfend. Vor zwei Jahren dann führte die Fachschaft Anglistik als Protestaktion die Vergabe der Nummern ein. Die Schlange stand nun auf der Straße, öffentlich, für alle sichtbar. Umsonst. Der Protest hat sich etabliert, geändert hat sich nichts. Noch immer ist das Kursangebot nicht bedarfsorientiert, teils deshalb, weil Personal, aber auch, weil notwendige Geräte, wie beispielsweise Tonbandgeräte für die Phonetikkurse, fehlen. Aber manchmal heizen die Studenten ihre Hölle auch selbst. Wenn erst einmal gesammelt wird, um danach eine Auswahl zu treffen, schließlich deshalb in einigen Kursen 4 - 5 Plätze frei bleiben, verschmiert die simple Schwarz-weiß-Malerei ein bißchen. Um fünf nach sieben ist der ganze Spuk vorbei. Ein paar komen aber doch noch. Um 7.10 Uhr. Nehmen ihre Zettel entgegen, dann Verwunderung auf ihren Zügen: 243 waren vor ihnen da. (rot)


Verständnisschwund trotz Datenflut

Der moderne Wissenschaftsbetrieb produziert Datenströme, die niemand mehr überblicken kann. Die Kanalisation dieser Informationsmengen in leicht zugängliche Datenbanken ist nur mit Hilfe der gesamten scientific community möglich. Darauf müssen sich auch die Hochschulen und ihre Studenten einstellen.

Akademiker sind von Berufs wegen Datenverarbeiter. Sie müssen wissen, was bereits bekannt ist und was nicht. Kein leichtes Unterfangen angesichts der Tatsache, daß z.B. Biologen und Mediziner mehr als eine Million wissenschaftlicher Arbeiten pro Jahr publizieren.

Um der Publikationsflut Herr zu werden, hat man schon frühzeitig bibliographische Datenbanken eingerichtet. Die Grenzen dieser Datenbanken werden jedoch dann erreicht, wenn es zuviel Literatur gibt. Sucht man beispielsweise die Medizin-Bibliographie MEDLINE nach dem Begriff HIV ab, findet man allein für das Jahr 1994 mehr als 7000 Arbeiten über dieses Thema. Da man aber nicht das Literaturzitat per se will, sondern die Information aus der zitierten Arbeit, sind solche Bibliographien nur eine Notlösung für das Informationsproblem.

Deshalb gibt es heute kommerzielle Faktendatenbanken für die meisten Gebiete, sehr umfangreiche z.B. für Chemie- und Wirtschaftsdaten. Sie sind aber so teuer, daß sie sich nur größere Unternehmen und Institute leisten können. Das Absurde daran ist, daß die ursprünglich mit Steuergeldern erarbeiteten Forschungsergebnisse von Firmen oder Instituten gesammelt und nun an diejenigen Wissenschaftler zurückverkauft werden, die dieses Wissen produziert haben.

Traditionelle Publikationen: Um Karriere zu machen, sind Wissenschaftler darauf angewiesen, möglichst viel zu veröffentlichen. Es spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, ob die Werke gelesen werden oder in irgendwelchen Bibliotheken verstauben. Das Paradoxe an den meisten wissenschaftlichen Arbeiten ist, daß sie nur in Verbindung mit anderen Sinn machen, aber gewöhnlich nicht mit diesen zusammen vorliegen. Die Evolutionstheorie etwa wurde aus vielen Einzelbeobachtungen abgeleitet. Natürlich kann man alle Artikel zu einem bestimmten Problem zusammentragen und daraus eine neue Theorie ableiten. Effektiver wäre es jedoch, wenn man alle Informationen automatisiert zusammensuchen könnte und Einzeldaten dann z.B. in Form einer neuen Theorie interpretiert.

Warum funktioniert diese Vorgehensweise nicht? Klar: weil man besagte Daten nicht einfach z.B. aus einem Computer abrufen kann. Einer von vielen Gründe dafür: Die meisten Entscheidungsträger der heutigen Forschungslandschaft sind im Vorcomputerzeitalter ausgebildet worden. Sie scheinen sich nicht besonders für Computer und Netze zu interessieren, nicht zuletzt wohl aus einer unterschwelligen Angst heraus, mit den neuen Techniken nicht mehr zurechtzukommen.

Neue Strategien: Informationen nützen nur etwas, wenn sie leicht und schnell verfügbar sind. Fachzeitschriften müssten deshalb eigentlich so funktionieren: Ein Wissenschaftler muß bei Einreichung eines Manuskriptes die Ergebnisse gleichzeitig maschinenlesbar und in einem standardisierten Format vorlegen. Der Artikel in der Fachzeitschrift sollte dann zeitgleich mit einem entsprechenden Datenbankeintrag erscheinen.

In der Tat ist dieses Prinzip in der Molekularbiologie schon teilweise verwirklicht. Neu entdeckte Gensequenzen werden von den meisten Fachzeitschriften seit einigen Jahren schon gar nicht mehr abgedruckt (was auch ziemlich witzlos wäre, denn 20 Seiten ...CGTAAGTTTGAT... wird niemand durchlesen). Die Artikel beschreiben nur noch wichtige Eigenschaften, z.B. Krankheiten durch zugehörige Gendefekte. Von der eigentlichen Sequenz wird nur noch die Datenbank-Nummer erwähnt, mittels der jeder die Sequenz abfragen kann.

Die meisten anderen Disziplinen, auch die anderen innerhalb der Biologie, sind davon noch weit entfernt. Freilich liegt das auch an der Art der Daten: komplexe philosophische Ideen lassen sich nicht so leicht katalogisieren wie chemische oder ökonomische Daten. Trotzdem ist es für alle Fachbereiche ein unumgängliches Ziel, Strategien zur systematischen Speicherung des jeweiligen Fachwissens zu entwickeln.

Was wir tun könnten: Die nötige Infrastruktur für die Informationsgesellschaft muß noch weiter ausgebaut werden. Ein großer Teil der Studenten und immerhin ein Viertel aller deutschen Haushalte verfügt bereits über einen Computer. Mit einem kostenlosen Benutzerkonto beim Rechenzentrum, einem Modem (ab 200 DM) und einer normalen Telefonleitung kann man sich nun z.B. ans Internet anschließen und dadurch von Zehntausenden anderen Computern weltweit Daten abrufen. Natürlich kann man auch ins URZ gehen oder seine Online-Aktivitäten von Uni-Instituten aus entfalten. Vor allem: Als Studis habt ihr die einzigartige Gelegenheit an einen kostenlosen Internet-Anschluß zu kommen - use it or lose it!

Das Problem ist heute oft nicht die Verfügbarkeit, sondern das Auffinden von Informationen. Mit moderner Software wird aber diese Aufgabe selbst für völlig Unbedarfte, die ihr bislang hilflos gegenüberstanden, immer leichter. Trotzdem gibt es noch viel zu wenig Informationen online. In der Zukunft müssen deshalb ganze Institute geschaffen werden, die ausschließlich Informationen sammeln und aufarbeiten, um sie anschließend der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel für ein solches Institut ist das European Bioinformatics Institute (EBI) in England, das Daten aus dem Bereich der Molekularbiologie sammelt und anbietet.

Forschungsförderung: Forschungsprojekte sollten nur gefördert werden, wenn ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit online zugänglich gemacht werden. Mittelfristig sollte das für alle öffentlich geförderten Informationsanbieter gelten (z.B. Statistisches Bundesamt und andere Ämter, Ministerien, Verbraucherzentralen, lokale Informationen, z.B. über Wahlen und Kandidaten, aber auch Fernsehprogramme und Busfahrpläne). Während man hierzulande Kohle und Landwirtschaft mit Milliarden subventioniert, haben noch nicht einmal die bundesdeutschen Oberdatenverarbeiter beim Statistischen Bundesamt einen Internet-Server.

Uni-Ausbildung: Ausbildung und Studium müssen diese Möglichkeiten vermitteln und fördern, was aus den obengenannten Gründen (Stichwort "PC-lose Dozentengeneration") an vielen Fakultäten nur schleppend passiert. Die Studenten sollten mächtig darauf drängen, daß endlich die relevanten Informationstechniken anstatt angestaubter Seminare und Praktika angeboten werden. Das kann natürlich in der Form von autonomen Seminaren geschen. Bei der derzeitigen Info-Explosion wird der alte Spruch vom "Lernen, um zu lernen" wieder brandaktuell, da man eher neue Information finden können muß, als nur einmal Gelerntes abzuleiern.

Es wird Zeit, daß sich die Uni nicht nur in der Forschung der Informationsgesellschaft annimmt, sondern auch in der Lehre, und zwar so, daß das Endprodukt der Universitäten - nämlich das Wissen - der ganzen Gesellschaft zur Verfügung steht. (pue / hn)

Aktiv im Internet: Eigeninitiative ist eine Eigenschaft, die man als Net-Surfer mitbringen sollte. Ist die Datenbank, die Ihr gerade braucht, nicht vorhanden - richtet sie doch selbst ein! Am sichersten ist es, die Betreiber ähnlicher Datenbanken zu fragen, ob ihr deren Datenbank auf euer Interessengebiet ausweiten könnt (viele Internet-Datenbanken sind Einmann-Betriebe). Solche Angebote sind in aller Regel willkommen, da es immer noch viel zu wenige KNECHTE gibt, die Daten aus irgendwelchen Quellen MÜHSAM ABTIPPEN oder zumindest anderweitig maschinenlesbar zur Verfügung stellen.


Unter ferner liefen...

Lehramtsstudenten sind die Stiefkinder der Uni

Obwohl Lehramtskandidaten in ihren Fächern im Durchschnitt fast 50% der Studis ausmachen, werden sie nicht nur von der Universität in ihrer Gesamtheit sondern oft auch von ihren Fakultäten sehr stiefmütterlich behandelt. Betroffene Kommilitonen haben das Gefühl, Studenten zweiter Klasse zu sein.

Als die Teilnehmerliste im Mathe-Seminar durchgegeben wird, bemerkt Johanna, daß ihre Nebensitzerin nicht ihr zweites Fach angibt. "Studierst du nicht noch Germanistik?" fragt sie erstaunt ihre Kommilitonin. "Psst", zischt diese nur zurück, "wenn ich mein zweites Fach angebe, können sich die Leute ja denken, daß ich nicht auf Diplom, sondern auf Lehramt studiere."

Witzig? Komisch? Traurig? Jedenfalls gibt es immer wieder Studierende, sowohl Magister als auch Lehramtskandidaten, die letztere für irgendwie minderwertig halten. Das ist freilich kein größeres Malheur, und der gedemütigte künftige Lehrer kann das noch mit stoischer Ruhe hinnehmen. Doch härter trifft ihn schon, daß vielmals die Professoren ähnliche Ansichten haben. Denn die Aussichten der Dozenten, aus einem Lehramtskandidaten einen Wissenschaftler zu machen, der ihnen dann möglicherweise noch die passende Doktorarbeit zu eigenen Forschungszwecken liefert, sind nicht gerade gut. "Tatsächlich ist das Interesse der Professoren an Lehramtskandidaten außerordentlich gering", berichtet Herr Held, Studienberater des Oberschulamt in Heidelberg. "Lehramtskandidaten gelten als unter ferner liefen."

Doch wer sich darüber ärgert, ärgert sich schon zu früh. Das Resultat all dieser kuriosen Vorurteile wirkt sich nämlich keineswegs nur negativ auf das Selbstbewußtsein der Geplagten aus. Eine Folge davon ist auch, daß die Universität in ihrer Gesamtheit ihre Lehramtskandidaten recht stiefmütterlich behandelt. Das beginnt in den Instituten: Teilweise werden nicht einmal die vom Oberschulamt zugeschickten Prüfungstermine für das Staatsexamen ausgehängt, und viele Studienberater fühlen sich nur für den Magisterstudiengang zuständig. Die Bibliotheken kümmern sich viel zu wenig um passende Literatur: In Germanistik etwa, wo immerhin 42% auf Lehramt studieren, wird schon seit Jahren die Literatur für Didaktik völlig vernachlässigt, und Fächer wie Chemie oder Physik bieten keine Didaktik-Seminare an.

Hinzu kommt die ganze verheerende Beratungssituation: Wenden sich etwa Lehramtskandidaten mit ihren Fragen an die Dekanate, wird ihnen dort nur erklärt, man sei nicht zuständig für diesen Studiengang - nicht eingedenk des Geldes, das ihnen vom Oberschulamt für die Lehramtskandidaten bezahlt wird. Immerhin gibt es einmal im Monat eine Beratung des Oberschulamts, wo Herr Held die Lehramstsstudenten informiert. Herr Held stellt fest, daß dort immer wieder dieselben Fragen auftauchen, immer wieder die simpelsten Dinge mitgeteilt werden müssen: "Die Lehramtskandidaten sind völlig unterinformiert". Eine Germanistikstudentin erzählt von den Mühen, die es allein schon kostet, die Anmeldeformulare für das Saatsexamen aufzutreiben.

So hat sich vor ca. einem Jahr ein Arbeitskreis für Lehramtskandidaten gebildet. Als sie im Januar einen Infoabend veranstalteten, war der große Hörsaal erfreulich - vielmehr erschreckend - voll, obwohl kaum Werbung dafür gemacht worden. Auch dort zeigte sich, daß die auf Lehramt Studierenden nicht mal über die grundlegensten Dinge informiert waren.

Schuld an dem ganzen Mißstand ist freilich auch die Kompetenzüberschneidung von Ministerium für Kultus und Sport und dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung. Da ersteres eigentlich nicht direkt mit der Universität zu tun hat und letzteres eigentlich nicht für das Studium der Lehramtskandidaten zuständig ist, bleiben dieselben gewissermaßen in einem Machtvakuum. Anstatt daß sich beide Ministerien der Lehrer in spe annehmen, bleiben diese nun sich selbst überlassen. Ein Mitglied der Arbeitsgruppe für Lehramtskandidaten konstatiert: "Das ist ja tragischerweise nicht spektakulär, sondern einfach Alltag an der Uni." - Merkwürdiger Uni-Alltag. In der Tat. (hee)

Das Dasein als Lehramtsstudent ist hart. Die folgenden Veranstaltungen machen es ein wenig angenehmer:


Studi, wohin?

Soziologische Studie zum "Studienverlauf"

Was läuft eigentlich schief, wenn es in einem Studiengang zwar ein paar hundert Studierende, aber nur ein Dutzend Absolventen gibt? Das wollten im vergangenen Sommer drei Heidelberger Soziologie-Studenten wissen.

Nicht nur den Herren Bildungspolitikern und der Professorenobrigkeit ist betrüblich bewußt, daß das Studium in diesem unseren Lande viel zu lang ist; auch die gemeine Studentenschar leidet unter dem sich wie ein Stück Kaugummi hinziehenden Studium. Drei Heidelberger Jung-Soziologen ließ das Problem, dessen Lösung häufig allein in der Reglementierung des Studiums gesucht wird, keine Ruhe. Claus Wendt, Christoph Schneider und Markus Gülland untersuchten in einer Studie an ihrem Institut, wie Probleme bei Finanzierung, Prüfungen und andere Faktoren auf "Studienverlauf und Studienerfolg" - so der Titel ihres 44seitigen Heftes - einwirken. Ihr Resümee: Stärkere Kontrolle und die "Einführung von sogenannten Effizienzkriterien" werden den Notstand nicht beheben können. Bemerkenswert: Die Studie gelang als rein studentisches Projekt, das ohne Unterstützung des Institus für Soziologie durchgeführt wurde (und den Studienabschluß der drei Autoren, so ist zu hoffen, nicht verzögert hat).

Mit einem detaillierten Fragebogen gingen die Autoren zunächst den Ursachen für die hohe Quote von Abbrechern in ihrem Fach nach, wendet sich doch etwa die Hälfte der Studienanfänger nach 2 Semestern wieder von der Soziologie ab. Der Befund: Daß so viele Anfänger die Weber-Gesamtausgabe so schnell wieder aus der Hand legen, habe nicht nur damit zu tun, daß Soziologie als "Parkstudium" benutzt wird. Wendt, Schneider und Gülland: "Ersehen läßt sich auch, daß ein Großteil der Neuimmatrikulierten schlichtweg eine falsche Vorstellung vom Fach hatte"; zudem vergehe der Spaß am Fach durch die Theorielastigkeit des Studiums.

Auch mit der Vorstellung, diejenigen Studierenden, die sich zum Weiterstudium entschließen, könnten ihr Studium in 9 Semestern (Regelstudienzeit) absolvieren, und jeder, der länger brauche, sei ein Bummler, räumten die drei Soziologen - auf der Basis der Befragungen ihrer Kommilitonen - auf. Vielmehr seien 12 oder mehr Semester "notwendig, um ein komplexes Studium zu absolvieren und sich in ein oder mehrere Spezialgebiete einzuarbeiten"; auch mangelnde Beratung und die Überlastung der Studierenden seien Faktoren für das verlängerte Verbleiben an der Uni. Ergo: "Nicht die durchschnittliche Studienzeit muß an die Regelstudienzeit angeglichen werden, sondern die Regelstudienzeit muß an die realistische Dauer von 12 Semestern angepaßt werden." Bezeichnend ist auch, daß Unzufriedenheit und Orientierungslosigkeit bei den Studierenden mit zunehmender Studiendauer stetig größer werden.

Unter den "äußeren" Faktoren, die Einfluß auf den Studienverlauf nehmen, steht die Nebentätigkeit vieler Studenten für die drei Autoren an prominenter Stelle; schließlich gaben 67% der befragten Studierenden im Hauptstudium an, sie jobbten nebenbei, um sich über Wasser zu halten.

Mit ihrer Studie möchten die drei Autoren nach ihren eigenen Worten dazu beitragen, daß "die Diskussion über die Hochschulreform in einer differenzierteren Form fortgeführt werden kann". Na denn. (gz/alf/bpe)


Jetzt neu: Umweltökologie

Ökologische Vorlesungen gab und gibt es im Feld schon des längeren. Dank der Studienreform, die den Bereich der Biologie jetzt in sechs Teilgebiete gliedert (Biochemie, Molekular- und Zellbiologie, Botanik, Zoologie und neu, die Ökologie) wird ein kompletter Studiengang "Ökologie" eingerichtet. In den Genuß dieser Schwerpunktsetzung kommen allerdings nur Studierende, die sich im Hauptstudium befinden. Und auch für die gibt es vorerst nur begrenzt Platz. 10 Hauptfach und 20 Nebenfach Studenten kommen zum Zuge, doch ist bei diesen Zahlen noch Bewegungsspielraum gegeben. Man richte sich hierbei auch nach der Resonanz, wie Prof. Rausch als neuer Leiter neben dem Zoologen Prof. Storch ruprecht mitteilte.
Scheine, welche für den Studiengang angerechnet werden, sind im Vorlesungsverzeichnis in Zukunft mit einem "Ö" versehen. Für die Prüfungen sind dann jeweils ein Zoologe und ein Botaniker vorgesehen.

Der Frage der Interdisziplinarität wird in Heidelberg zunächst intradisziplinär gelöst. So siedelt man die Ökologie nicht im Bereich mehrere Fakultäten an, wie es z.B. in Bonn mit Erfolg verwirklicht wurde, sondern findet die ökologische Vielfalt innerhalb der Biologie wieder. Zaghafte Schritte in Richtung einer interdisziplinär verwirklichten Wissenschaft bahnen sich jedoch an. So ist ein Nebenfach aus einem außerbiologischen Gebiet vorgesehen. Vorstellbar seien auch Pflichtscheine aus dem Bereich der Umwelt-Physik, Geologie, Geographie und Jura, erklärt der Ökophysiologe Prof. Rausch. Als problematisch aber wünschenswert wird die Eingliederung der Mikrobiologie gesehen, der gerade beim Problem der Altlastensanierung große Bedeutung zukommt.

Sollte es in Zukunft jedoch zu dem geplanten "Zentrum der Umweltökologie" (Prof. Rausch) kommen, in dem dieser Studiengang dann aufgehen würde, ist die Frage Heidelberger oder Bonner Modell sowieso hinfällig.
Letzte Hürde, die noch genommen werden muß, ist auf jeden Fall Stuttgart, dessen endgültiges Plazet erst Ende Mai zu
erwarten ist. Die Vorprüfung seitens des Ministeriums fiel jedoch bereits positiv aus. (bw)

Re-education der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg" - das ist doch genau das Thema, das einen Gegenwartsbezug hat. Da geht es doch um den Aufbau von Demokratie und die Überwindung von Politikverdrossenheit. Ironischerweise ist zu dieser Veranstaltung nur eine Teilnehmerin erschienen. Stefan Bamberg ist enttäuscht.

Doch er ist nicht der einzige, dessen Workshop wegen mangelnden Interesses abgeblasen bzw. nicht fortgeführt wurde. Die Studienwoche der Heidelberger Erziehungswissenschafter anläßlich des 8. Mai, des Datums des Kriegsendes, war in gewisser Hinsicht ein Flop, wie die Handvoll Fachschafter, die morgens an den farbbeklecksten Werktischen im "Café Gisela"des Erziehungswissenschaftlichen Seminar ihren Kaffee trinken, auch zerknirscht zugeben. Die Stimmung hat etwas von: Na ja.

An der Planung im Vorfeld lag es nicht, darin ist man sich einig. Schließlich haben die Studierenden monatelang darauf hingearbeitet, hat Micha Brumlik, Professor (und Guru) am Erziehungswissenschaftlichen Seminar, für Referenten von außerhalb gesorgt und auch selbst immer wieder an Diskussionen und Filmbesprechungen teilgenommen. Andere Dozenten waren nicht so aktiv, zwei von ihnen hielten sogar gegen die Abmachung ihre regulären Seminare ab, zu denen die Studis dann auch erschienen, nur um im Anschluß daran das Institut schnellstmöglich wieder zu verlassen.

Wie kommt es, daß ausgerechnet Studenten einer Sozialwissenschaft so wenig Interesse für sozialgeschichtliche Fragen aufbringen? Liegt es am oft gehörten Thema? Am overkill in den Printmedien? An Guido Knopp? Mitorganisator Hubert Ortwein verteidigt die kritischen Tage: "Man denkt ja oft, 2. Weltkrieg ist so ausgelutscht, hat dann aber trotzdem wenig Hintergrundwissen." Der Mann hat gut reden. Sein Workshop mit dem Titel "Jugendbewegung im Übergang zum NS" konnte ja stattfinden. Mit immerhin 8 Teilnehmern.

Und die anderen Veranstalter? Stefan jedenfalls gibt sich nicht frustriert. Nee, gar nicht. Er habe viel aus dieser Woche ziehen können, sagt er, und die mangelnde Außenwirkung motiviere ihn eher für die Zukunft. "Denn das ist ja genau das, worauf es bei den Erziehungswissenschaftlern ankommt: Wie vermittle ich?" Scheinbar brauchen wir Zeit für eine Re-education. (sm)


Fressbud'

Der Ausbau des "Feldes" geht weiter. Wer in den letzten Wochen offenen Auges durch die Neuenheimer Betonsilos mäanderte, dem ist sie wahrscheinlich nicht entgangen, die kleine "Bude" neben dem Cafe Botanik, dort, wo die Mensa bislang immer aussah, als hätte man das Erdgeschoß vergessen. Die "Bude", zusammengezimmert aus alten Bauwägen und mit einem Holzausbau versehen, entpuppt als der schon länger angekündigte Verkaufsstand der Food-COOP- Gruppe (jetzt "Appel un' Ei", ruprecht berichtete in Ausgabe Nr. 34): Nahrungsmittel aus ökologischem Anbau, die durch die studentischen Initiatoren des Projektes mehrmals wöchentlich von den Bauern der Umgebung abgeholt werden.

Das Vorurteil "Körnerschuppen", das mancher jetzt hegen mag, wird sofort nach Betreten entkräftet: eine Gemüsetheke, Ziegenkäse, seit Neuestem gegen Vorbestellung sogar "echte" Milch vom Ziegelhausener Kloster. "Der Apfelsaft z.B. geht kistenweise weg !", sagt mir der sonnenbebrillte junge Herr mit den Rhombengläsern, der hinter der Theke mit den Gewichten jongliert wie zu besten Tante-Emma-Zeiten, überhaupt sei das Projekt "eingeschlagen wie eine Bombe". Ein Blick hinein lohne sich, und: "Helfer suchen wir immer."

Übrigens: Wer genau hinsieht, wird außer Nahrungsmitteln auch ein paar prozenthaltige Genußmittel auftreiben... (gvg)


Neue ruprecht-Serie: Revolte in Heidelberg

Wer "Studentenbewegung" sagt, meint meistens nur: 1968. Nicht so der ruprecht. In einer vierteiligen Serie, die in dieser Ausgabe beginnt, beschäftigen wir uns im Schwerpunkt mit - gänzlich unterschiedlichen - Formen studentischer "Revolte in Heidelberg" während der 70er Jahre: mit dem "Sozialistischen Patienten-Kollektiv" 1970/71, den Unruhen bei Mathematikern, Juristen und Germanisten in der Mitte des Jahrzehnts sowie dem Ende des "Collegium Academicum" 1978, das auch das Ende der Revolte signalisiert. Ein abschließender Artikel blickt zurück auf die pragmatischeren 80er Jahre, auf den "Unimut"-Winter 1988/89.

"Aus der Krankheit eine Waffe machen!"

Wo aus Psychiatrie-Patienten Revolutionäre werden sollten - das Sozialistische Patientenkollektiv SPK (1970/71)

Jean-Paul Sartre war "außerordentlich beeindruckt". Der deutsche Staatsschutz war anderer Meinung: Für ihn war das im Februar 1970 gegründete "Sozialistische Patientenkollektiv" ("SPK") keine Selbstorganisation von Psychiatrie-Patienten, sondern eine kriminelle Vereinigung. Fest steht: In den gerade mal 17 Monaten seiner umkämpften Existenz radikalisierte sich das antipsychiatrisch-revolutionäre Kollektiv bis hin zur Bewaffnung, und nach seinem Ende schlossen sich über ein Dutzend seiner Mitglieder dem bewaffneten Kampf der "Rote-Armee-Fraktion" ("RAF") an, der in den folgenden Jahren die Republik erschüttern sollte. Doch mit diesen Feststellungen ist die Geschichte des SPK kaum zur Hälfte erzählt.

Es ist das Jahr, in dem sich die Beatles trennen. Die Amerikaner marschieren in Kambodscha ein, Alexander Dubceks Versuch eines "Sozialismus mit menschlichem Gesicht" scheitert, Willy Brandt fällt im Warschauer Ghetto auf die Knie, Peter Handke veröffentlicht "Die Angst des Torwarts beim Elfmeter", in deutschen Gazetten ist häufig von Oswald Kolle die Rede. Und: Im Frühjahr dieses Jahres 1970, als das SPK seinen Anfang nimmt, treibt die Studentenrevolte gerade ihrem Ende zu. Im Rückblick auf diese Zeit wird das linke "Kursbuch" 1985 schreiben: "Wenn ein gewitzter Staatsschützer (damals) ein Mittel gesucht hätte, um die Protestbewegung zu paralysieren, so hätte ihm nichts Bessereres einfallen können, als was die Bewegung sich selbst verordnete: die 'Proletarische Wende', die Schulungskurse, die Marx-Exegese, die Organisationsdebatten, die Parteigründungen. Es war, trotz aller Märsche, der Stillstand der Bewegung, ihr Zerfall."

Längst ist die Masse der politisierten Studenten, die selbst in der Hoch-Zeit der Bewegung eher eine (starke) Minderheit waren, an ihre Schreibtische zurückgekehrt. Viele ziehen sich in Wohngemeinschaften, Kneipen, Kinderläden, Selbsthilfegruppen, selbstverwaltete Betriebe, die SPD zurück. Die lange gepflegte Gewißheit, daß die ersehnte Revolution vor der Tür stehe, weicht bei nicht wenigen Linken dem schleichenden Gefühl, daß sie, wenngleich letztlich unaufhaltsam, doch noch eine Weile auf sich wird warten lassen.

Auch in der Heidelberger Provinz zeigt die einstmals so mächtig auftretende Studentenrevolte in diesem Jahr 1970 ein Bild der Erschöpfung: "Die Bewegung war in einer Sackgasse", wird sich der Heidelberger Altlinke Dietrich Hildebrandt erinnern. "Wir konnten noch verhindern, daß bestimmte Professoren Vorlesungen hielten, wußten aber nicht, wohin damit." Ende November spaltet sich die Heidelberger Sektion des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, der die Bewegung einst vorangetrieben hat; Hildebrandt: "Freundschaften zerbrachen, Wohngemeinschaften gingen in die Brüche." In der Folge lassen sich die Studenten noch gelegentlich zu - teilweise spektakulären - Aktionen mobilisieren, aber, so Hildebrandt, "von den selbstgesteckten Zielen wirklich etwas erreicht hatte die Bewegung nicht".

Die Schwäche der Revoluzzer bleibt ihren Gegnern nicht verborgen: Die Landesregierung, voran Kultusminister Wilhelm Hahn, will jetzt endlich gegen die Radikalen an den Universitäten vorgehen. Ein konservatives rollback beginnt und findet im "Radikalenerlaß" zwei Jahre später, den auch die SPD mitträgt, einen seiner Höhepunkte. In seinem Buch "Der Untergang von Heidelberg" wird der Heidelberger Schriftsteller Michael Buselmeier 1981 formulieren: "Die liberalen Freiräume vor allem an der Universität, die uns 1968 beinahe kampflos zugefallen waren, wurden nun Zug um Zug unter Knüppelschlägen und Drohungen wieder kassiert."

Während die Reste der Studentenbewegung derart mit sich selbst beschäftigt sind und das "System", wie es damals Mode wird zu sagen, sich zum Widerstand aufrappelt, findet die Revolte neue Wege: Am 2. März 1970 beziehen der Arzt Dr. Wolfgang Huber, drei Kollegen (darunter seine Frau Ursula) und 40 ehemalige Patienten der Psychiatrischen Poliklinik eine 4-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoß der Rohrbacher Straße 12, richten Therapieangebote und Arbeitskreise ein - das "Sozialistische Patientenkollektiv" ("SPK") ist geboren.

Die Klinik hat den 35jährigen Assistenarzt Huber nach langen Streitereien entlassen; der Vorwurf: er verweigere die Zusammenarbeit und mißbrauche seine Gruppentherapie zur "Aufhetzung von Patienten gegen die Klinikleitung und die übrigen Mitarbeiter der Poliklinik" sowie zu politischer Agitation. Gespräche hat Huber abgelehnt; er erklärt, er müsse sich um seine Patienten kümmern. Viele von ihnen haben sich auf einer Vollversammlung - der ersten in der Geschichte der Bundesrepublik - mit ihm solidarisiert; gut drei Dutzend haben mit ihm die Klinik verlassen und von Rektor Prof. Rolf Rendtorff eine Woche später per Hungerstreik Zusagen erzwungen: Die Universität finanziert der Gruppe das Quartier in der Rohrbacher Straße (und bezahlt Hubers Gehalt); Voraussetzung ist, daß der Arzt die begonnenen Behandlungen bis Ende September dort abschließt. Um einen Vertrag wird lange gestritten; einer der Gründe für den Hader: Statt sich selbst abzuwickeln, öffnet sich das SPK für mehr Patienten; zeitweilig versorgt es angeblich bis zu 500 Menschen, nicht mehr vor allem Studenten, sondern zunehmend auch Arbeiter, Schüler, Angestellte.

Revolution.

Wofür das Kollektiv in den nächsten Monaten mit Flugblättern, teach-ins, einer Petition an den Landtag und allerhand anderen Aktionen streitet, ist ein therapeutisches Experiment, das eine ganze Reihe von Impulsen - Hegelsche Dialektik, Marxismus, Freudsche Psychoanalyse, Wilhelm Reich, Antipsychiatrie, die anti-institutionelle Studentenbewegung - aufnimmt und sogar nach den Maßstäben der damaligen Zeit, die an Umbrüchen wahrlich reich ist, gewagt daherkommt: "Genossen!", heißt es da griffig im SPK-"Patienten-Info Nr. 1" vom Juni 1970. "Es darf keine therapeutische Tat geben, die nicht zuvor klar und eindeutig als revolutionäre Tat ausgewiesen worden ist." Tatsächlich ist Hubers Therapiemodell immens politisch - aber das ist ja auch sein Grund-Credo: "Krankheit", so erklärt das SPK, "ist kein Vorgang im einzelnen Menschen, krank ist unsere Gesellschaft"; was 'Krankheit' genannt werde, sei eigentlich der "individuelle bewußtlose Ausdruck der gesellschaftlichen Widersprüche" im Kapitalismus. Dieser produziere Krankheit, um Kapital zu schaffen - ein Vernichtungssystem, in dem auch die Medizin, insbesondere die Psychiatrie, ihre Funktion habe: "Sie stellt den Kranken für den Arbeitsprozeß wieder her, so daß er wieder Mehrwert produzieren kann. (Der Arbeiter) kommt schon als Zerstörter in die Klinik und wird dort vollends verstümmelt."

Aus dieser Analyse gibt es für das SPK nur eine Konsequenz: "Im Sinne der Kranken kann es nur eine zweckmäßige bzw. kausale Bekämpfung ihrer Krankheit geben, nämlich die Abschaffung der krankmachenden privatwirtschaftlich-patriarchalischen Gesellschaft." Während die traditionelle Psychiatrie darauf aus sei, den Kranken an Verhältnisse wiederanzupassen, die ihn doch gerade krank gemacht haben, zielt der SPK-Ansatz auf "Emanzipation": Der Kranke soll seine scheinbare Schwäche Krankheit produktiv machen, sie aus einem "bewußtlosen Unglück" in ein "unglückliches Bewußtsein" verwandeln, das die Ursache seines Elends erkennt. Die gewünschte Folge: "Der Leidensdruck als subjektive Notwendigkeit der Veränderung wird politisch", die Krankheit produziert "ihr eigenes Gegenteil, die Revolution."

Damit ist das SPK in der historischen Situation, in der sich die Linke 1970 befindet, ebenso eine Antwort auf die Lenin'sche Frage nach dem "Was tun?" wie andere Gebilde, die in jener Zeit aus der Konkursmasse der Studentenbewegung entstehen: das Heer von Gruppen und Grüppchen maoistischer, leninistischer, trotzkistischer Ausrichtung etwa oder die terroristische RAF. Die Linke sucht schon lange nach dem, was sie das "revolutionäre Subjekt" nennt: dem potentiellen Träger der Revolution. In der Enttäuschung darüber, daß sich das ursprünglich für diese Rolle ausgeguckte Proletariat mit dem Aufstand noch Zeit läßt, hat ein Teil der Linken gar zur sogenannten Randgruppen-Strategie gegriffen: der Idee, daß soziale marginalisierte Gruppen wie Heimzöglinge oder randständige Jugendliche aus ihrer verschärft unterprivilegierten Situation heraus besonders als Ausgangspunkt der Umwälzung taugen. Das SPK nun lokalisiert das revolutionäre Subjekt in einer Gruppe, die es zunächst als Avantgarde begreift: in den Kranken, die die Widersprüche des Systems am sinnlichsten erfahren. "Revolution machen", so heißt es im "Info" Nr. 38, "können nur die, die begriffen haben, daß sie nichts als ihr krankes, gebrochenes Dasein zu verlieren haben." Schnell aber erweitert das SPK seine Randgruppen- zur Universal-Strategie: "Wir sind alle krank" - potentieller Revolutionär: jedermann.

Um solche Theorien und das weitere Schicksal des SPK entbrennt nicht nur eine öffentliche Debatte, sondern auch ein regelrechter Gutachterkrieg: Auf SPK-Seite sprechen sich drei von Rendtorff kontaktierte Wissenschaftler - unter ihnen der Sozialpsychologe Prof. Peter Brückner aus Hannover - dafür aus, das Kollektiv, gegebenfalls als universitäre Einrichtung, fortzuführen. Auf der anderen Seite verurteilt die etablierte Universitätsmedizin in der Person des Klinikchefs Prof. Walter von Baeyer und zweier auswärtiger Professoren - ausschließlich auf der Grundlage des Aktenstudiums - das Konzept des SPK als "unwissenschaftlich" und für Patienten "ausgesprochen schädlich". Es sei "durchaus denkbar", schreibt etwa der Ulmer Gutachter Prof. Hans Thomae, daß sich die Mitgliedschaft im SPK "therapeutisch" auswirken werde - "ebenso wie es für manche Menschen hilfreich sein kann, Angehörige einer Sekte zu werden"; wie seine Kollegen rät auch er heftigst davon ab, die "Utopie von wahnähnlichem Charakter" an der Hochschule zu institutionalisieren.

Kollektiv.

Derweil läuft in der Rohrbacher Straße die ganz andere Therapie des SPK sieben Tage in der Woche, von 9 Uhr morgens bis 10 Uhr abends oder noch länger - in Einzelsitzungen, die jetzt "Einzelagitationen" heißen, und in 10 bis 12 Gruppen, den "Gruppenagitationen", mit jeweils einem Dutzend Teilnehmer. Drei wissenschaftliche Arbeitskreise - "Dialektik"; "Marxismus"; "Sexualität, Erziehung, Religion" - sollen die theoretischen Grundlagen für die Agitationen liefern; als Texte werden u.a. Hegel, Marx sowie Lukács benutzt. "Ärzte" gibt es im SPK nicht mehr, sondern nur noch "Träger ärztlicher Funktionen", will man das Arzt-Patient-Verhältnis als Ausdruck der "Objektrolle" des Patienten doch aufheben; stattdessen soll "jeder Patient Therapeut seiner selbst und anderer Patienten" werden.

Obwohl das SPK monatelang unter dem Schatten der drohenden Schließung existiert, ist es für viele Mitglieder - Revolution hin oder her - offenbar eine bereichernde Erfahrung. Ein Ehemaliger wird 1992 in der Zeitschrift "brennpunkte" zurückdenken: "Man sah an anderen und hat es auch in sich selbst gespürt, daß es möglich war, angstfrei Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen. Man konnte im SPK erleben, daß (Kollektivität) etwas sehr Befreiendes, Befriedigendes und Vielversprechendes ist und keineswegs einen Gegensatz bildet zu individueller Entwicklung." Auch die drei Pro-SPK-Gutachter, die das Kollektiv besichtigen, bestätigen zumeist diese Darstellung. Dr. Dieter Spazier etwa, Heidelberger Facharzt für Psychiatrie, hält fest, es sei "erstaunlich, wie besonnen, gegenseitig verständnisvoll und soziabil, dabei vor allem auch leistungsfähig" das Kollektiv trotz seines unsicheren Status arbeite.

Freilich: Einem der SPK-Befürworter, dem Gießener Psychosomatiker Prof. Horst Eberhard Richter, fällt im Verhalten des Kollektivs auch Beunruhigendes auf: "Es hat sich anscheinend unter dem Einfluß eines gruppendynamischen Prozesses ein regelrechtes kollektives Ich gebildet. Der Glaube an die überragende therapeutische Qualität und an den politischen Stellenwert des Unternehmens ist für die Anhänger kaum noch diskussionsfähig." Richter schließt mit den Worten: "Ein direkter revolutionärer politischer Kampf auf der Basis gruppentherapeutischer Krankenbehandlung wäre nichts als eine Absurdität" - doch genau in diese Richtung treibt die Entwicklung.

Seit Herbst 1970 nämlich spitzt sich die Auseinandersetzung zu. Im September schlägt sich Minister Hahn auf die Seite der SPK-Gegner und untersagt der Universität Heidelberg "aus medizinischen und rechtlichen Gründen", das "Provisorium" SPK weiterhin zu unterstützen. Von der Gegenseite verlautet prompt in einem "Info": "Das SPK wird sich allen 'Beendigungsversuchen' - von welcher Seite auch immer - nicht kampflos unterwerfen."

Kampf.

Bald besitzt das Kollektiv auch an der Universität keinen Verbündeten mehr: Dem Rektor, der bemüht ist, Polizeieinsätze in der Hochschule zu vermeiden, sind durch die Weisung des Ministers die Hände gebunden; die private Finanzierung für das SPK, um die er sich bemüht, lehnt das Kollektiv ab - und läßt es sich nicht nehmen, Rendtorff öffentlich als "Judas" und Schlimmeres zu beschimpfen. Doch auch unter den linken Studenten hat das SPK wenig Unterstützung. Dietrich Hildebrandt, zu jener Zeit Vorsitzender des AStA, meint heute: "Das SPK hat uns so erfahren, wie sie das Rektorat auch erfuhren - als eine verhaßte Autorität." Michael Buselmeier, damals auch politisch aktiv, räumt ein: "In vielen Fragen waren wir vom SPK gar nicht so weit entfernt, wir dachten nur, die sind ein bissl verrückt, die machen alles falsch." Ein anderer Aktivist denkt an Begegnungen mit Dr. Huber zurück: "Ich könnte mich nicht erinnern, daß es zwischen uns jemals zu einer Kommunikation gekommen wäre."

Derart "isoliert" (Buselmeier), zieht sich das SPK wohl immer stärker in sich selbst zurück. Was genau in diesen Monaten seit Herbst 1970 im Kollektiv geschieht, ist schon damals für Außenstehende schwer durchschaubar, läßt sich aus heutiger Perspektive nur erahnen. Wenn die weiterhin erscheinenden "Patienten-Infos", die immer wütender, verzweifelter, entschlossener werden, einen Anhaltspunkt bieten, kommt es zu dem, was der spätere RAF-Terrorist Klaus Jünschke, damals SPK-Mitglied, in einem Interview 1985 "Radikalisierung und Brutalisierung" nennen wird. Rektor Rendtorff wird 1995 ruprecht berichten: "Mitten in der Nacht rief Huber mich an. Er sagte: 'Wir sitzen hier (im SPK) und haben Handgranaten. Wenn die Polizei kommt, sprengen wir das Ding in die Luft.'"

Die Spirale der Konfrontation ist nicht mehr aufzuhalten. Ob sie sich vornehmlich aus der Abwehrhaltung von Politik und Universität ergibt oder in dem revolutionären Grundansatz des SPK bereits vorgezeichnet ist, ist schon lange nebensächlich (und im übrigen kaum eindeutig zu entscheiden). Das SPK, das sich mit den Juden im Dritten Reich vergleicht, ist spätestens seit dem Selbstmord eines Mädchens aus der Gruppe im April 1971 überzeugt, daß der Staat nicht nur das Kollektiv als Institution, sondern auch die darin versammelten Kranken - im SPK-Jargon - "liquidieren" will; die Polizei schließt nicht aus, daß der Suizid von der Gruppe forciert wurde, um deren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Daß sich im SPK nicht (wie bei den K-Gruppen) Aktivisten sammeln, die unter Berufung auf Marx, Mao und/oder einen anderen Denker die Gesellschaft verändern wollen, sondern Patienten, die sicher sind,nur eine Chance auf Überleben zu haben, wenn sie Revolution machen, verschärft den Konflikt existentiell.

Ein rätselhafter Vorfall in den frühen Morgenstunden des 24. Juni 1971 ist der Auftakt zum letzten Akt des Dramas um das SPK: Gegen drei Uhr morgens schießen Unbekannte in Wiesenbach in der Nähe Heidelbergs auf einen Polizeiposten, der eine Verkehrskontrolle dürchführt, und flüchten. Da ein Zusammenhang mit der (noch "Baader-Meinhof-Gruppe" genannten) RAF vermutet wird, schaltet sich das Bundeskriminalamt ein; obwohl 350 Beamte ihn suchen, ist der Schütze nicht zu finden. Dafür erscheint am nächsten Tag - es gibt Hinweise, Huber habe den Gesuchten zur Flucht verholfen - die Polizei beim SPK, durchsucht die Räume in der Rohrbacher Straße und Privatwohnungen und nimmt acht Mitglieder fest; zwei davon bleiben unter dem Verdacht der Unterstützung der RAF inhaftiert, die anderen, auch Huber, werden nach Verhören freigelassen.

Für das SPK ist klar: Die "endgültige Vernichtung" des Kollektivs soll vorbereitet werden; klar ist auch: "Antwort" kann "nur der totale Widerstand = Angriff" sein. Das SPK - oder doch eine maßgebliche Gruppe darin - zeigt sich nun offen zur Militanz entschlossen; Waffen hat man auch schon besorgt. Als Strategie wird "ein Volkskrieg von sehr langer Dauer" propagiert, der nach dem Vorbild des Vietcong als Guerillakrieg zu führen sei: "erst unbewaffnet, dann bewaffnet". Am 13. Juli erscheint das letzte Flugblatt, auf dem die Buchstaben "SPK" durchgestrichen und durch "RAF" ersetzt sind; darunter eine Art Gedicht: "Wenn wir umzingelt sind, entweichen wir." Das SPK taucht ab.

Ende.

Jetzt geht alles ganz schnell: Ein Ex-Mitglied sagt bei der Polizei aus; am 21. Juli rückt die Polizei mit 300 Beamten und elf Haftbefehlen erneut in den SPK-Räumen und verschiedenen Privatwohnungen an. Bei den Durchsuchungen werden eine Ausrüstung zur Fälschung von Führer- und Kfz-Scheinen, mehrere Waffen, Munition und Sprengstoff gefunden. Für die Polizei, die das Kollektiv auch schon einige Zeit observiert hat, ist klar: "Eine Anzahl von Mitgliedern des SPK Heidelberg steht in dringendem Verdacht, sich zu einer kriminellen Vereinigung zusammengeschlossen zu haben, die zum Teil schon strafbare Handlungen begangen beziehungsweise geplant hat." Der "Spiegel" kommentiert lapidar: "(Die) Kripo-Funde deuten sicher nicht auf einen normalen Praxis-Betrieb Hubers und seiner Genossen hin." Der Arzt und seine Frau werden zusammen mit fünf anderen verhaftet; andere SPK-Genossen tauchen unter. Viele der ehemaligen Patienten wenden sich traditionellen Therapieeinrichtungen wie der gerade eingerichteten Beratungsstelle des Studentenwerks zu oder gehen in keine Behandlung mehr. Und auch wenn ein "Informationszentrum Rote Volksuniversität" weiterhin Propaganda für das Kollektiv macht (und, wie ruprecht erfuhr, versucht, Kämpfer für den Untergrund zu rekrutieren): Das SPK ist faktisch am Ende.

Die weiteren Ermittlungen der Polizei ergeben, daß im SPK ein "innerer Kreis" um Dr. Huber existiert hat, der vor dem Rest der Mitglieder geheimgehalten wurde und aus ca. 12 Leuten bestand, die als "Stadtguerillatruppe" arbeiteten; dieser Kreis, der sich regelmäßig in Hubers Haus in Wiesenbach getroffen habe, habe sich bewaffnet, vier eigene "Arbeitskreise" - "Funktechnik", "Sprengtechnik", "Fototechnik", "Karate" - gebildet, Revolutionspläne geschmiedet und zur Übung einige kleinere Anschläge verübt. Ab November 1972 folgen mehrere Prozesse gegen Mitglieder der Gruppe, in derem ersten Huber und seine Frau wegen "Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Sprengstoffherstellung und Urkundenfälschung" zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden. Auch die Approbation als Arzt verliert Huber - für den "outlaw der Psychiatrie" ("Stuttgarter Zeitung") wohl eher Ehrung als Strafe.

Für nicht wenige aus der Gruppe indessen geht der Kampf in anderer Form weiter. Klaus Jünschke wird sich im Interview entsinnen: "Nach der Zerschlagung des SPK herrschte Verzweiflung, man mußte etwas tun." Seine Konsequenz: "Ein paar Monate später war ich bei der RAF." Ehemalige SPK-Mitglieder, die schon länger im Untergrund sind, nehmen Kontakt mit ihm auf, er erklärt sich bereit, "Einkäufe" zu machen: Autonummernschilder, Wohnungen. Gudrun Ensslin gibt ihm den Codenamen "Spätlese"; er ist bei der "kämpfenden Truppe" (Jünschke) angekommen. Für ihn, so wird er bemerken, ist es "keine Frage, als die RAF kam und sagte, machst du mit. Die Rote Armee aufbauen, Sieg im Volkskrieg" - Ähnliches hat er schon beim SPK gehört, wenngleich man bei seiner neuen Truppe von den Theorien des Kollektivs wenig wissen will, Ensslin verächtlich von den "SPK-Flippern" spricht.

Gleichwohl tut wie Jünschke mehr als ein gutes Dutzend Leute aus dem Kollektiv und seinem Umfeld den Schritt zur RAF - ein Großteil der sog. "zweiten Generation" der Terror-Gruppe. Ex-SPK-Mitglied Margrit Schiller etwa ist jene Frau, die verhaftet wird, kurz nachdem am 22. Oktober 1971 der Zivilfahnder Norbert Schmidt von einem Terroristen-Pärchen erschossen wird - der erste Polizeibeamte, der durch die RAF den Tod findet. Unter den sechs Terroristen, die 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm überfallen, ein Dutzend Geiseln nehmen und zwei davon mit Kopfschuß töten, bevor sie das Gebäude in die Luft sprengen, sind vier Ex-SPKler: Lutz Taufer, Bernhard Rössner, Hanna Krabbe und Siegfried Hausner. Auf ihrer Liste freizupressender Genossen steht auch Eberhard Becker, ehemals Anwalt des SPK. Elisabeth von Dyck, Ralf Baptist Friedrich, Sieglinde Hofmann, Friederike Krabbe schließlich, ehemalige SPK-Mitglieder auch sie, sind Teil der Truppe, die die RAF-"Offensive" des Jahres 1977 - die Tragödie des "deutschen Herbstes" - vorbereitet. Sie machen ihren eigenen "Volkskrieg" - auch wenn sich das Volk damit begnügt, sachdienliche Hinweise zu ihrer Festnahme zu geben.

Epilog.

Wo Wolfgang Huber sich heute aufhält, wissen nur Eingeweihte. 1973 ruft er, noch aus seiner Stammheimer Zelle heraus, die "Patientenfront" ("PF") aus, die er als "Rückkehr zu den Wurzeln" des SPK versteht. Im Januar 1976 werden er und seine Frau aus der Haft entlassen; 1985 gründet sich in Mannheim die Gruppe "Krankheit im Recht", die die SPK-Schriften verlegt, die SPK-Arbeit fortführt und gegen die "Ärzteklasse" kämpft. Sie hat auch Kontakt zu Huber, lehnt aber Gesuche um ein Interview ab. Huber sei "viel unterwegs", heißt es, in Sachen Kampf gegen die "Iatrokratie" (i.e. "Herrschaft der Ärzte"); ein Kenner aus der linken Szene kommentiert: "Den Huber halten sie wie den Großen Alten Mann im Hintergrund."

"Krankheit im Recht" hütet auch die SPK-Geschichte - und tut es mit Verve: "Hände weg vom SPK", verlautbart man; Presseanfragen, nicht nur die des ruprecht, werden zuerst zuvorkommend, dann aber zunehmend restriktiv (und schon mal mit einer Drohung) beantwortet. Dafür gibt die selbstgebastelte Historie dann den gewünschten Grund zur Freude: Das Ende des SPK im Juli 1971 sei nur ein "strategischer Rückzug" gewesen, seit Hubers Entlassung sei die SPK/PF-Arbeit erfolgreich "auf alle Kontinente ausgeweitet" worden, Huber stehe in einer direkten Ahnenreihe mit Hegel, Marx und Sartre.

Anfang dieses Jahres feiert man bei SPK/PF ein dreifaches Jubeldatum: 25 Jahre SPK, den 60. Geburtstag Hubers, 10 Jahre "Krankheit im Recht". Zum Anlaß verfaßt die Front einen Text, der, von der Gruppe zur Hammondorgel selbst dargeboten, vom SPK-Verlag auf Tonbandkassette angefordert werden kann. Im Schlußrefrain singen die Patienten: "Fragst Du nach dem alten Huber, Huber, Huber / Fragst Du nach dem alten Huber / Ja, es ist der alte noch." (bpe)

Kurze Chronik des SPK

12. Februar '70:

Patientenvollversammlung in der Psychiatrischen Poliklinik Heidelberg gegen die drohende Entlassung des Assistenzartes Dr. Wolfgang Huber; kurz darauf wird der Arzt gekündigt.

2. März '70:

Nach Hungerstreik im Dienstzimmer des Verwaltungsdirektors der Universitätskliniken beziehen die Patienten von der Universität befristet finanzierte Räume in der Rohrbacher Str. 12 - die Geburt des SPK.

Juni '70:

"Patienten-Info" Nr. 1: "Genossen! Das System hat uns 'krank' gemacht; geben wir dem kran-ken System den Todesstoß!"

6. Juli '70:

Mitglieder des SPK besetzen das Rektorat; ihre Forderung: "unbefristete Überlassung" von zwei Häusern mit je 10 Zimmern.

9. Juli '70:

Der Verwaltungsrat beschließt: SPK soll eine Einrichtung der Universität werden; es folgt ein Gutachterkrieg.

18. September '70:

Kultusminister Wilhelm Hahn erläßt eine Weisung gegen die Institutionalisierung des SPK.

24. November '70:

Der Senat beschließt: "Das SPK kann keine Einrichtung an der Universität werden."

24. Juni '71:

Nach den "Schüssen von Wiesenbach" führt die Polizei eine Razzia gegen das SPK durch; acht Mitglieder, darunter Dr. Huber und seine Frau, werden festgenommen.

2. Juli '71:

"Patienten-Info" Nr. 49: "MAHLER, MEINHOF, BAADER - das sind unsere Kader!"

21. Juli '71:

Entscheidender Schlag der Polizei: Häuser werden durchsucht, insgesamt sieben SPK-Mitglieder verhaftet; Waffen und Munition werden gefunden.

19. Dezember '72:

Das Urteil im 1. SPK-Prozeß wird verkündet: Dr. Wolfgang Huber und Dr. Ursel Huber werden zu je 4 1/2 Jahren Gefängnis, Siegfried Hausner zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt (1974 entlassen, taucht er ab und geht - wie viele andere Ex-SPKler - zur RAF).

Stellungsnahmen:

"Das SPK war ein offener und vielfältiger Prozeß, der am Ende über der panischen Abwehrreaktion der Machthabenden in Universität und Politik zur Sekte verkam, in der das Vorläufige, unfertig Erarbeitete zum Dogma wurde."

- Lutz Taufer, ehem. SPK, RAF

"Da, wo eine Gemeinschaft nach dem Paradies im Hier und Jetzt sucht, endet es in Jonestown. Ich bin in meiner Radikalisierung sehr intolerant geworden, damals. Es ist natürlich auch irre, gemessen am eigenen Anspruch, die Welt zu verändern, wenn man sich so brutalisiert."

- Klaus Jünschke, ehem. SPK, RAF

"Es wäre zu fragen, welchen Grad von Besonnenheit und Zielgerichtetheit ein politischer Kampf gewinnt, der von der Dynamik des Ausagierens unbewältigter psychischer Konflikte bestimmt wird."

- Jörg Bopp, Psychotherapeut

"Das SPK hatte eine totalitäre Struktur. Entweder man bekannte sich mit Haut und Haaren dazu, oder man wurde angefeindet - Zustände, wie man sie von Politsekten kennt."

- Studentischer SPK-Zeitzeuge

"Man müßte sich fragen, was aus dem SPK geworden wäre, wenn es an der Uni institutionalisiert worden wäre. Es hätte durchaus sein können, daß die Mitglieder zufrieden gewesen wären mit einem radikalen, auf die Psychiatrie und deren Revolutionierung bezogenen Konzept; es ist nicht unbedingt logisch, daß manche den Schritt zur RAF machten."

- Michael Buselmeier

"Die Geschichte des SPK ist eine

Verfolgungsgeschichte, die gleichermaßen die Spuren eines vergeblichen inneren Bemühens um therapeutische Problembearbeitung und die Spuren der vergeblichen Mühe spiegelt, die Angriffe von außen abzuwehren."

- Dieter Spazier/Jörg Bopp,

Psychotherapeuten

"Und was ist aus den Verfolgern des (SPK) geworden? Keiner ohne daraufhin gebrochene Karriere und viele inzwischen verstorben. Merkwürdig? Nein, zwangsläufig und

wiederholbar."

- Aus einer SPK-Chronik, 1995

"Nichts, was meinen Widerwillen begründet, hat etwas zu tun mit Ärztemoral, Ärztegeschichten, ärztlichen Kunstfehlern oder mit ihrer Bereicherungssucht. Nichts mit Charakterstärke oder Überlegenheit in eigener Sache, die ich mir selbst oder sonstwem noch zu beweisen hätte, sondern: Entweder ist die Ärzteklasse die herrschende, die alles durchherrschende, die folglich weg muß, weil es schlecht läuft in der Welt, oder ich habe mich geirrt. Dann habe ich wenigstens für viele den Platz geräumt. Und es herrscht ja Ärzteschwemme."

- Wolfgang Huber, November 1992

Literatur u.a.:

Butz Peters, "RAF"; Margot Overath, "Drachenzähne" (Dank); Stefan Aust, "Der Baader-Meinhof-Komplex"; Gerd Langguth, "Protestbewegung"; Wanda von Baeyer-Katte et al., "Gruppenprozesse"; Jörg Bopp, "Antipsychiatrie" Quellen u.a.: "Dokumentationen zum SPK an der Universität Heidelberg", Bd. 1-3; "Kleinkrieg gegen Patienten. Dokumentation zur Verfolgung des SPK Heidelberg"; SPK/PF/Huber, "Über das Anfangen. Zur Vorgeschichte des SPK und der PF"; Klaus Jünschke, "Spätlese"; "brennpunkte", Heft 7, Febr./März 1990; "Rhein-Neckar-Zeitung" (Dank ans Archiv); "Heidelberger Tageblatt"; "Unispiegel"; Zeitzeugen (Dank) Fotos: Welker

Das Ende des Experiments: Am 21. Juli 1971 durchsucht die Polizei, die Haftbefehle gegen 11 SPK-Mitglieder hat, auch Wohnungen in Heidelbergs Sandgasse, wo einige aus der Gruppe in Wohngemeinschaften zusammenleben.


Gebt den Kindern das Kommando

In Baden-Württemberg gibt es bereits in 24 Gemeinden ein Jugendparlament. Als Standard haben sich ca. 20köpfige "Jugendgemeinderäte" mit Mitgliedern zwischen 14 und 18 und einer Amtszeit von zwei Jahren etabliert.

Das erste entstand 1985 in Weingarten, weitere Orte sind z.B. Filderstadt (1987) und Waldenburg (1992). Seit Herbst 1993 gibt es einen Dachverband. Zwei Typen lassen sich unterscheiden: Es gibt formale Räte mit Parlamentarisierung wie in Filderstadt, deren Ausgestaltung und Geschäftsordnung am Gemeinderat orientiert sind; initiiert wurden sie i.a. von den Parteien.

Ferner existieren pädagogisch unterstützte Räte, die von den Schulen ausgehen. Meistens hat der Magistrat den Vorsitz. Die Wahlberechtigung gilt auch für ausländische Jugendliche. Gewählt wird für zwei Jahre, nicht nach Listen, sondern nach Bewerbern, die sich dafür anmelden müssen. Die Jugendvertretungen tagen ca. 4-6 Mal jährlich. Behandelt werden Fragen zu Energie, Verkehr, Sportanlagen, Umwelt und Schule, doch auch allgemeinpolitische Themen (Rechtsextremismus) kommen vor. Rechtlich haben sie kaum, allenfalls konsultative, Kompetenzen. In Filderstadt dürfen die JGR-Mitglieder ihre Beschlüsse dem Gemeinderat vortragen. Ihr Budget (i.a. ca. 10.000 DM) können die Gremien nur zum Teil eigenverantwortlich nutzen. Dieser Mangel an Kompetenzen führt oft zu Ohnmachtserfahrungen.

Die Erfolge sind unterschiedlich. In Friedrichshafen haben sich die Heranwachsenden ohne Verordnung von oben selbst konstituiert; entsprechend groß sind Resonanz und offizielle Anerkennung. In Weingarten konnten jedoch nur bereits engagierte Jugendliche zur Mitarbeit gewonnen werden. Der Magistrat bestimmt die Tagesordnung, die politischen Nachwuchsorganisationen nützen den JGR zur Profilierung.

Vor einiger Zeit hat auch in Heidelberg die Diskussion über dieses Thema zwischen SPD und GAL begonnen. Auslöser bei der SPD war der Weltkindertag, bei der GAL eine Veranstaltung des Stadtjugendrings, auf der Anschi Scholbeck und Gerhard Pitz beschlossen, auch in Heidelberg einen JGR einzurichten.

Beide Parteien unterstützen bereits jugendpolitische Projekte wie z.B.den Kulturbahnhof. Die GAL fördert ferner ein Mädchenhaus.Sie propagiert ein Gremium, in das alle Jugendlichen über eine Liste gewählt werden können. Die SPD und und ihre Nachwuchsorganisation, die Jungsozialisten, treten hingegen für ein Jugendforum ein, das nicht gewählt wird, in dem aber alle Interessierten zw. 14 und 18 mitarbeiten und Beschlüsse fassen können, nicht nur eine kleine Abordnung. Die GAL kritisiert eine solche Einrichtung als unverbindlich und machtlos.

Der entscheidende Punkt ist laut SPD-Fraktionschef Lothar Binding die geltende Gemeindeordnung, die die von der GAL geforderten Rechte nicht deckt. Sie kann nur vom Land geändert werden. Dies befürworten SPD wie GAL, doch bis dahin hätte der JGR keinen Deut mehr Kompetenzen als das JF - der Name würde nur Einfluß suggerieren. Binding befürchtet zudem,daß das reglementierte Wahlverfahren den Jugendgemeinderat zu einer Spielwiese für die bereits aktiven Nachwuchsorganisationen machen wird, da nur sie über die Möglichkeiten zu einem Wahlkampf verfügen. Politikunerfahrene Jugendliche, die gerade die Zielgruppe des Projekts sind, kämen nicht zum Zug.

Als Übergangslösung bietet die SPD an, Beschlüsse des JF als Anträge in den Gemeinderat einzubringen. Sowohl sie und die JUSOS als auch die GAL und ihre Nachwuchsgruppe, die GAJ, werden in den nächsten Wochen zu einem Treffen der Jugendgruppen einladen, um mit ihnen ihr jeweiliges Projekt anzustoßen. (kirk)

(siehe "point/counterpoint" auf S. 2: "Gemeinderat für Kids?")


Die Bahn

vibriert durchs Feld

Das Feld... Unendliche Weiten... Dies sind die Abenteuer der Straßenbahn, die seit vier Jahren geplant ist, um neue Gebäude zu erschließen, unbekannte Institute und neue Studentenzivilisationen. Logbuch Architekt Müller, Universitätsbauamt.

Feldzeit 1991. Die HSB beginnt mit Planungen für eine "große Schleife": Eine Straßenbahn biegt auf Höhe der Blumenthalstraße in das Neuenheimer Feld ein, passiert Institute und Wohnheime, biegt südwärts in die Tiergartenstraße ein, fährt am Zoo vorbei, zwischen Botanik und Kinderklinik hindurch, um zwischen DKFZ und chirurgischer Klinik wieder auf die Berliner zu stoßen.Doch Ende 1993 geben Mineralogisch-Petrographisches und Physikalisch-Chemisches Institut Alarm: Vibrationen und Elektrosmog würden genaues Arbeiten mit empfindlichem Gerät behindern.Das HSB-Kommando bestellt zwei Gutachten.

Feldzeit 23.3.1995. Das Urteil der Universität: Der Kurs muß mindestens 100 m von den Instituten entfernt verlaufen. Mögliches Ausweichmanöver: Die Bahn könnte im Norden bereits in den Klausenpfad einbiegen und erst vor den Wohnheimen auf die ursprüngliche Route stoßen.
Laut HSB können frühestens im Sommer erste Planungen dafür vorliegen. Doch weitere Hindernisse sind in Sensorreichweite: Im Süden muß ein Teil des Zoos sowie ein Streifen der botanischen Gärten der Strecke geopfert werden. Diese Punkte müssen erst geklärt werden. Noch heikler ist eine Schwesternschule,die abgerissen werden müßte.

Im schlimmsten Fall muß der Kurs abermals geändert werden. Und vielleicht heißt es zum Schluß: Kilometer von den Gebäuden entfernt dringt die Straßenbahn in Gebiete ein, die nie ein Mensch zuvor erreichen wollte...

(kirk)


Neue Serie

Heidelberger Ecken

Wer kennt sie nicht, diese wuselnden und fotografierenden "Haufen", die täglich in Heidelberg umherhetzen. Bleibt da noch Platz für verträumten Flecken der Ruhe und Besinnung? Der ruprecht wird von nun an regelmäßig weniger bekannt Winkel der Stadt vorstellen.

Da ist z.B. das alte Blockhaus mit der Rhododendron-Anlage, hoch gelegen auf der Gaisberg-Scholle, kaum bekannt oder eher verkannt.
Schon 1622 wird an dieser Stelle ein Blockhaus erwähnt, das jedoch in den Wirren der Zeit untergeht, mag sein, daß eine hier lagernde Abteilung des Tilly'schen Lagers ein wenig nachhalf.
Zum 500jährigen Universitätsjubiläum 1886 stand das heutige "Blockhaus" im Schloßhof und wurde nach den Festlichkeiten an seinen jetzigen Standort gebracht. Es lohnt, sich einmal die Zeit zu nehmen und über Wolfshöhlenweg (Juristisches Seminar) und Waldlehrpfad die knapp 200 m zu ersteigen, zumal der Anblick der in den nächsten Tagen blühenden Rhododendren-Büsche - ein Exemplar mißt jeweils 5 auf 10m! - für die Mühe belohnen. Imposanter mag noch das nahe Arboretum mit den über 40m hohen "Mammut"-Bäumen wirken. Unter der Woche begegnet man höchstens noch Joggern oder Radfahrern.
Auf einer Bank liegend, die Beine baumelnd, das Rauschen der Bäume und zucken der Sonne genießend, sieht die Welt schon ganz anders aus.

(bw)


Sprengmeister der Avantgarde

Pierre Boulez - Komponist, Dirigent und Politiker

Die Opernhäuser in die Luft sprengen" wollte er noch 1969, weil er in ihnen "Nistplätze reaktionärer Machenschaften" sah, wie er dem Spiegel erzählte. Dazu ist es dann aber doch nicht gekommen - zu seinem Glück, wie sich herausstellte, denn inzwischen trifft man ihn häufiger in derlei Örtlichkeiten an: im Orchestergraben, am Dirigentenpult. Auch sonst hat Pierre Boulez es meist verstanden, seine radikalen Impulse nicht gegen bestehende Institutionen zu verwirklichen, sondern sich diese nutzbar zu machen. Anfangs allerdings sah alles ganz anders aus.

Nach dem Studium von Mathematik und Komposition (u.a. bei Olivier Messiaen) schwebte dem gerade siebzig gewordenen Boulez ein eigenständiges, neues, von Tradition völlig freies musikalisches Vokabular vor. Also schritt er zum Vatermord und erklärte kurzerhand Arnold Schönberg - Stammvater der Avantgarde - für tot. Die öffentliche Hinrichtung fand bei den Donaueschinger Musiktagen statt, wo 1951 "Polyphonie X" uraufgeführt wurde und einen fulminanten Skandal verursachte. Boulez galt mit einem Schlag als einer der führenden Köpfe der musikalischen Avantgarde und war fortan in den Feuilletons der großen Tageszeitungen als Bürgerschreck verrufen. Lob kam von anderer Seite; so bezeichnete Igor Strawinsky die Mallarmé-Vertonung "Le Marteau sans Maître" als das einzige überzeugende Werk eines Komponisten der (damals) jungen Generation.

Von solcherlei Reaktionen jedoch unbeeindruckt war Boulez weiterhin damit beschäftigt, avantgarde zu sein. In seiner 3. Klaviersonate beispielsweise verband er die von John Cage frisch aus den USA importierte Idee des musikalischen Zufalls mit seinen eigenen konstruktiven Verfahren, begrenzte dadurch die Zahl der möglichen Varianten von unendlich auf x und schuf so den "gelenkten Zufall", die "variable Form". Außerdem griff er, um kompositorische Probleme zu lösen, häufig auf literarische Vorlagen zurück (bevorzugt Mallarmé und Char) und übertrug deren Strukturen auf die Musik. - Allerdings hatte diese Musik einen Makel: Man konnte ihre Konstruktionsprinzipien nicht hören. Also mußte sie kommentiert werden, was dann in Aufsätzen und Vorträgen auch ausgiebig geschah. Aber wenn man dem Musikschriftsteller Boulez auch Scharfsinn und Witz nicht absprechen kann, so wurde doch die derart drohende Verkopfung seiner Musik v.a. dadurch verhindert, daß er zugleich als Interpret tätig war.

Von Anfang an nämlich trat Boulez auch als Dirigent v.a. zeitgenössischer Musik auf. So bot sich ihm zum einen die Möglichkeit, durch "exemplarische" Interpretationen der Werke dieses Jahrhunderts dem Publikum diese als "schwierig" geltende Musik näherzubringen und dadurch die Grundlage für ein Verständnis seiner eigenen Werke zu schaffen. (Seine Abstecher nach Bayreuth, 1966 mit "Parsifal", 1976 mit dem "Ring", haben zwar Furore gemacht, stellen in seinem Dirigierrepertoire aber eher Ausnahmen dar.)

Zum anderen hatte Boulez als Dirigent ausgiebig Gelegenheit, seinen Klangsinn zu schärfen, was ihn seit etwa 1960 immer wieder dazu veranlaßte, seine Werke zu überarbeiten und zu erweitern - zum Entsetzen seiner Verleger zwar, aber sehr zugunsten des Klanges. So entstand mit der Zeit ein Klangbild, das bei aller Fülle doch klar, teils geradezu "kristallin" wirkt. V.a. seine Werke für große Besetzungen zeugen von ungebremster Experimentierfreude, die auch vor den traditionellen Grenzen des Raumes und der Technik nicht haltmacht: Das Orchester verteilt er oft in mehreren Gruppen im gesamten Konzertsaal und reichert das ganze mit Elektronik an, wie z.B. in "Répons". Hierin ist er bis heute in der Tat avantgarde geblieben.

1975 bot sich Boulez eine einzigartige Gelegenheit zur Sprengung musikalischer Grenzen. Nachdem er sich 1966 mit dem damaligen Kulturminister (!) André Malraux überworfen hatte und seither das französische Musikleben mied, lud ihn 1975 Georges Pompidou höchstpersönlich ein, an der Gestaltung seiner neuen Kulturpolitik mitzuwirken. So gründete Boulez, reichlich ausgestattet mit staatlichen Geldern, das "Institut de Recherche et de Coordination Acoustique/Musique" IRCAM, ein "Klanglaboratorium" voll neuester Tontechnik, und das auf Neue Musik spezialisierte "Ensemble InterContemporain". Damit war und ist er seit-her auch Herrscher über ein schier grenzenloses Reich klanglicher Möglichkeiten.

Nur eines fehlt im Œuvre des Komponisten/Dirigenten/Or-ganisators Pierre Boulez noch: ein Werk fürs Musiktheater. Denn wie gesagt, die Opernhäuser stehen nach wie vor. Aber möglicherweise bastelt Boulez ja doch noch an einer Bombe. Jedenfalls war jüngst zu hören, er schreibe an einer Oper. Text: Heiner Müller... (koben)


Unaufdringliche Wirkung

Im Zimmer des jungen Mannes scheint bereits längere Zeit nicht mehr aufgeräumt worden zu sein. Leere Pizzaschachteln liegen klumpig auf dem Boden rum, begraben einen Teil der zahllosen Bierdosen unter sich, während der Rest des Gebräus noch seiner Verwendung zwecks Durstlöschen harrt. Improvisierte Aschenbecher, gefüllt und spontan im Raum verteilt, tragen zur heimeligen Atmosphäre bei. Aus dem Bild ragt, durch die Weitwinkel-Perspektive grotesk verzerrt, ein Fuß, an dem sich der Betrachter langsam nach oben zieht, am Bein entlang, das in verwaschenen Jeans steckt, bis er schließlich im Gesicht eines jungen Mannes endet, der inmitten des Chaos mit gelangweilt-angenervtem Gesicht lümmelt und auf den Fernseher starrt, auf dem sich ein nacktes Mädchen lasziv räkelt.

"Porträt eines jungen Mannes" ist dieses Bild betitelt, wohl das lustigste und ungewöhnlichste der Fotoausstellung von Axel Gustav Hesse, die derzeit noch im oberen Marstall-Stockwerk zu sehen ist. Unter dem Titel "Menschen und Städte" hat Hesse hier S/W-Fotographien zusammengestellt, die schnappschußartig Einblicke in seine Reisen durch diverse Weltgegenden bieten, darunter etwa New York, Paris, Berlin und Weimar. Das besondere Interesse des Fotographen aber gilt Osteuropa. Polen, Prag, auch Teile der ehemaligen DDR bilden einen Schwerpunkt der Ausstellung. Axel Hesse hat hier versucht, die Stimmung des Wandels in seinen Bildern einzufangen, jedoch ohne pompöses In-Szene-setzen, sondern beinahe nebenbei bringt er den sozio-politischen Hintergrund seiner Bilder ins rechte Licht, so etwa wenn ein Bild den stalinistischen Kulturpalast in Warschau mit all seiner trotzigen Wucht zeigt und am linken Bildrand auffällig-unauffällig an einer Glasfassade das blitzende Logo von Mc Donald's klebt.

Das Unaufdringliche, Unauffällige scheint das Prinzip zu sein, dem der Künstler bei seinen Touren gefolgt ist. Axel Hesse bevorzugt die intimen Details, die versteckten Menscheleien der Großstadt. Anstatt auf die Glaspaläste, Stadtautobahnen und Einkaufszentren richtet er seine Kamera in die Hinterhöfe und Randviertel der Städte, wo ihm oft scheinbar Banales vor die Linse gerät, etwa eine "Katze in einer Hofeinfahrt in Weimar". Den speziellen Eindruck der Bilder vermitteln daher auch nicht die Motive selbst, bei deren Anblick sich der Betrachter fragt, warum er das nicht schon längst auch einmal fotografiert hat. Die Antwort heißt: Er hat es längst getan, nur bei ihm wirkt es merkwürdig aussagelos und leer. Axel Hesses Bilder dagegen leben von der Belichtung, einer schwachen, dunklen, weichzeichnerischen Belichtung, die oft Gegenlichtaufnahmen am frühen Abend verwendet. Dadurch, und durch die distanzierte Perspektive bekommen die Bilder ihren gewissen Touch romantischer Hoffnungslosigkeit.

Die Ausstellung zeigt keine atemberaubenden technischen oder motivischen Revolutionen, sie will auch nicht schocken. Aber es ist eine Reihe sehr ordentlich gemachter, ruhiger, unaufdringlich wirkender Bilder, die es sich lohnt, einmal anzusehen. (kw)

Axel Gustav Hesse wurde 1964 in Darmstadt geboren, studierte Romanistik, Anglistik und VWL in Heidelberg (Magister 1993) und arbeitet derzeit für einen Fernsehsender.


Der Mond am Vorabend

In den Semesterferien sprechen einen Freunde an: "Sag mal, da soll doch jetzt diese Heidelberger Studentenserie im Fernsehen kommen..." Na endlich, denkt man, endlich nimmt sich mal jemand dieses dankbaren Stoffs an. Was sich da alles für Geschichten erzählen lassen: Nervenkrieg vor Prüfungen, Frust wegen Geldmangel, wilde Parties, erhitzte Diskussionen, Liebeskummer, Nebenjob und Bücherstapel, und, und, und...

Doch wer jetzt donnerstags um kurz vor halb acht das ZDF einschaltet, läßt schnell alle Hoffnung fahren. Schon der Titel "Der Mond scheint auch für Untermieter" klingt wie ein Relikt aus Dalli-Dalli-Zeiten.

Gestellte Situationen, gestelzte Dialoge, unnatürlich herumstaksende Schauspieler, eigentlich fehlt nur noch Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer - von Studentenleben keine Spur. Im Mittelpunkt der Serie steht ein junges Ehepaar, dessen Hauptproblem darin besteht, den Urlaub für die Flitterwochen zu koordinieren, und die Schwiegermutter für einen neuen Hausgenossen zu gewinnen: den Schäferhund "Rocky". Der Hund ist höchst wichtig für die Handlung, denn er kommt immer ins Bild, sobald Herrchen und Frauchen sich an die Wäsche gehen.

Keine durchgebüffelten, keine durchzechten Nächte, stattdessen bieder-gepflegte Freizeitgestaltung, Kostprobe: "Wir wollten doch heute nachmittag in diese neue Boutique gehen". Na, dann.

Wieso bloß schaffen deutsche Fernsehserien es immer, auch die gewöhnlichste, alltäglichste Szene noch so hölzern und gekünstelt rüberzubringen, daß es klingt wie eine Kassette mit "Deutsch für Ausländer"?

Keine grotesken Stories über verzweifelte Wohnungssuche oder chaotische WGs; in der Serie - die laut ZDF-Ankündigung tatsächlich das Studenten-Leben darstellen soll - wohnen alle Leute in riesigen, frisch renovierten Appartements, inklusive Parkettboden und bunten Glasfenstern in der Dielentür. Die Hauptdarsteller sind auch schon um die dreißig, daheim haben sie immer aufgeräumt, und vor allem: Sie kriegen immer einen Parkplatz - typisch Heidelberg eben.

Wenn wenigstens ein paar Studenten-Klischees auftauchen würden, der Öko-Freak in Jesus-Latschen, der Karriere-Streßling mit Seidenhalstuch, der kontaktarme Bücherwurm... Stattdessen versucht schüchtern der fliege-tragende Vermögensberater Max eine adlige Zahnärztin anzumachen - erst indem er in ihrer Sprechstunde buchstäblich vom Stuhl hüpft, dann als er in einem der Heidelberger Oma-Cafés fast den Kaffee über ihren Rock (!) kippt- worauf sie ihn zum Ausritt in den Odenwald einlädt. Ausgang ungewiß.

Die dreieinhalb Szenen, in denen wirklich mal ein bißchen vom Studentenalltag zu sehen ist, müssen allerdings wirklich schwer zu drehen gewesen sein: Wie schafft man es bloß, Außenaufnahmen in Uni-Nähe hinzukriegen, ohne gleich das halbe Barbour-Jacken Geschwader im Bild zu haben?

Das einzig Schöne sind die Stadt-Ansichten, ansonsten bekommen die Fernsehzuschauer den gleichen kitschigen Eindruck vom Heidelberger Leben, wie jene drei bis vier Millionen Menschen, die jedes Jahr für ein paar Tage hier durchreisen: die Touristen. (alf)


Legger Salädsche

Berühmt wird man nur selten über Nacht. Oft heißt es, in kleinen Schritten voranzugehen. Einer dieser Schritte ist, von einer regional bekannten Band in den überregionalen Raum zu gelangen. Mit diesem gemeinsamen Ziel taten sich fünf Bands aus Stuttgart, Pforzheim, Karlsruhe und Heidelberg, die zuhause bereits die Säle füllen, zusammen und nahmen einen Sampler mit drei bzw. vier bisher unveröffentlichten Songs jeder Band auf. Aus der amerikanischen Geschichte entlehnten sie sich für diese CD, die für 20,- DM verkauft wird, den Titel "Salad Bowl", der zugleich Vielfalt, Einheit und Eigenständigkeit symbolisieren soll.

Forciert wird dieses ambitionierte Projekt durch gemeinsame Konzerte in jeder Stadt, so daß jede Band zusammen mit einem Lokalmatador neues Terrain erkunden kann. Mit dabei sind across the border (Irish-Folk-Punk), chase the bird (crossover), marshmallow overdose (die wohl bekanntesten, mit ausgereiften, gefällig arrangierten Popsongs), waiting for? (ska? wave? rock? von allem e biss'l und eine herausragende Stimme) und hey nonny nonny (well, we all know, don't we!?). Coole Idee, gelungene CD und schaut's Euch live doch einfach mal an am 18.5. in der Triplex-Mensa (19.30h). (jk)


ruprecht goes to the movies

ruprechts Notenskala:

- nicht empfehlenswert
* mäßig
** ordentlich
*** empfehlenswert
****begeisternd

Im Sumpf des Verbrechens (**)

Wie praktisch: Ein Film im Doppelpack! Denn mit Im Sumpf des Verbrechens bekommt man gleich zwei Filme. Alles fängt so konventionell an, daß man sich schon mal gelangweilt zurücklehnt und zwecks Adrenalinspiegel-Steigerung höchstens noch die typischen special-effects eines Thrillers erhofft: Junger, ehrlicher, talentierter Schwarzer wird der Vergewaltigung und des Mordes an einem kleinen weißen Mädchen angeklagt und legt unter polizeilichem Druck Geständnis ab. Doch im Gefängnis überlegt er sich's anders, und dem beauftragten Jura-Professor Armstrong (Sean Connery) gelingt es schließlich, seine Unschuld zu beweisen. Alles in Butter - denkt der gutgläubige Zuschauer. Doch nach einem nervigen Spannungstief fängt alles noch einmal von vorne an. Mit allerlei dramaturgischem Geschnörkel und logischen Verrenkungen versucht der Film uns jetzt weiszumachen, daß alles ganz anders war. Nach dem lange erwarteten Showdown in Floridas Everglades fragt sich der Zuschauer schließlich, ob der Drehbuchautor überhaupt selbst seine hyperkonstruierte Story verstanden hat. (kw)

Der Tod und das Mädchen (**)

In irgendeinem südamerikanischen Land (Ähnlichkeiten mit Chile wären rein zufällig): Die Diktatur ist abgeschafft, die Demokratie an ihre Stelle getreten. Der künftige Justizminister, der als Vorsitzender einer Kommission die Greueltaten des gestürzten Terrorregimes aufklären soll, wird nach einer Reifenpanne von dem freundlichen Dr. Miranda (Ben Kingsley) nach Hause gefahren. Seine Frau Paulina (Sigourney Weaver) glaubt ausgerechnet in diesem Mann ihren einstigen Peiniger wiederzuerkennnen, der sie - zu den Klängen von Schuberts "Tod und das Mädchen” - im Zuge der staatlichen Repression gefoltert und mehrmals vergewaltigt hat. Kurzentschlossen fesselt und knebelt sie den vermeintlich Fremden, der immer wieder seine Unschuld beteuert, und will "ihm den Prozeß machen”, während ihr Mann, den sie durch einen entsicherten Revolver auf Abstand hält, hilflos zwischen den Fronten steht.

Darf man, um Vergeltung zu üben, die gleichen Mittel anwenden und sich so mit dem Täter auf die gleiche Stufe stellen? Nicht zuletzt um diese Frage dreht es sich in Roman Polanskis neuestem Werk, das ohne die üblichen Rückblenden auskommt: Was in der Vergangenheit liegt, wird erzählt. Kein Zufall, da der Film auf einem Theaterstück basiert, doch damit bietet er trotz überzeugender Darsteller nicht viel, was eine gute Theaterinszenierung nicht auch bieten könnte. Spannend ist er jedoch allemal. (ah)

Bullets over Broadway (***)

"No, don`t don`t speak!" befiehlt die geliebte große Diva dem liebenden kleinen Dramatiker. Und fast möchte man selbst verstummen vor diesem neuen Meisterwerk Woody Allens. Doch unmöglich ist es, nicht in lautes Gelächter auszubrechen angesichts dieser Verrücktheiten: Ohne den Gauner gibt`s keine Kunst, ohne das gnadenlos unbegabte Flittchchen als Schauspieler darf das Stück nicht auf die Bühne, die Diva übernimmt zuletzt doch die Nebenrolle, und der brutale Prolet schließt mit dem kleinen Dramatiker ein geheimes Bündnis...

Um Himmels willen, worum geht's denn da eigentlich? Ums Lachen jedenfalls; vielleicht auch darum, was der Künstler ist: der sensible Mann mit der Nickelbrille oder der vierschrötige Bodyguard? Oder der, der ein Menschenleben für die Kunst opfert (spekulieren die Künstlerfreunde des Dramatikers am Anfang des Films - und siehe da, einer tut's). Whatever: Woody Allen - auch ohne Menschenopfer - ist definitiv ein großer, großer Künstler. (hee)

Drop Zone (-)

Wenn sinnlose Schlägereien nicht so viel mehr Zeit einnehmen würden, als die grandiosen Fallschirm-Szenen, wäre das hier fast ein guter Action-Film. Aber so wird der Streifen ohne vernünftige Handlung und mit magerer Besetzung eher zur Flop-Zone. Einziger Star ist Wesley Snipes als US-Marshall, dessen Bruder durch einen buchstäblich unglaublichen Terror-Akt zu Tode kommt: Ein krimineller Fallschirm-Profi kooperiert mit der Drogenszene und kidnappt für diese Zwecke einen Spezialisten für Computer-Codes. Aber dieses Kidnapping findet in einem Jumbo statt, der in Reise-Flughöhe dahinrast. Wie die Entführer entkommen? Durch die Luft natürlich...
Wer´s glaubt wird selig und geht rein. Viel geballert wird auch. (alf)

I.Q. (**)

Einfach unschlagbar: Walter Matthau als Einstein! Herrlich sind auch die drei alten, trotteligen Freunde Einsteins, die sich ständig darüber zanken, ob denn nun Zeit existiere oder nicht. Aber natürlich kommen auch diejenigen auf ihre Kosten, die eine Lovestory erwarten haben: Einsteins Nichte (Meg Ryan) wird von einem zwar nicht von der Intelligenz verwöhnten, aber dafür mit reichlich Einfallsreichtum bescherten Jüngling (Tim Robbins) umgarnt. Mit Hilfe seines genialen Freundes-Trios und seines unwiderstehlichen Charmes schafft es der getürkte Tankwart natürlich schließlich, das Herz seiner Angebeteten zu erobern. (gz)

Lamerica (**)

Ein ziemlich harter Schlag in die Magengrube, den Regisseur Gianni Amelio da seinen Zuschauern versetzt. Halbverhungerte, in Fetzen gekleidete Menschen, aus deren Augen nur der Wunsch nach einem Stück Brot spricht, eine vollkommen trostlose Landschaft, und Menschentrauben auf einem Lastwagen, die den Traum vom reichen Leben in der Ferne noch nicht aufgegeben haben. Das Bedrückende an der Geschichte ist, daß sie mitten unter uns in unserer Zeit spielt: im Albanien 1991.
Ein italienischer Unternehmer sucht einen Trottel, der für ihn als Strohmann agieren soll. Doch sein Plan funktioniert nicht wie geplant, und so landet er selber in der Mangel des albanischen Regimes.
Obwohl das Thema zugegebenerweise ernst ist, hätten dem Film ein paar Szenen zum Luftholen gutgetan. Nichts für Samstagabend-Unterhaltungssuchende! (gz)

Outbreak (*)

Was auch die ausgefeilteste Werbekampagne für einen eher mittelmäßigen Hollywood-Thriller nicht vermag - die Realität schafft es allemal: Traurige Berühmtheit erlangte in den letzten Tagen eine in der südzairischen Stadt Kikwit ausgebrochene Ebola-Epidemie, der bisher schon etliche Menschen zum Opfer gefallen sind.
Doch dies ist schon die einzige Übereinstimmung zwischen medizinischer Realität und cinematografischer Fiktion. Denn weder den Verantwortlichen in Kikwit noch den Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO käme eine "Lösung" in den Sinn, wie sie Wolfgang Petersen in seinem neuesten Film Outbreak propagiert.
Da empfiehlt eine Komission aus Militärs dem US-Präsidenten, die Bevölkerung einer infizierten amerikanischen (!) Kleinstadt mitgezielten chirurgischen Schlägen zu opfern. Szenen aus Hochsicherheitslabors für biologische Gefahrenstoffe sollen dem Zuschauer die Gefährlichkeit der mysteriösen Erreger, gegen die es bis heute noch keine Impfungen gibt vor Augen führen. Träger der todbringenden Fracht sind dabei bezeichnenderweise niedliche Meerkatzen, die als Versuchstiere die Seuche aus den "dunklen" Regionen unseres Planeten in unsere heile industrialisierte Welt einschleppen.
Wenn dann Dustin Hoffmann als rebellierender Offizier der Säuberungsaktion während des Showdowns dem Bomberkommando im Helikopter entgegenfliegt und die "Guys" beschwört, den Präsidentenbefehl zu ignorieren, ist die Spitze einer Reihe von unglaubwürdigen Handlungsabläufen erreicht. (sf)

Clerks (****)

27.000 $ Budget (loooowww!!!), krisselndes Schwarz/Weiß und ein Soundtrack voller Indiebands. Alles, was einen Film cool und kultig macht. Im 16-mm-Format gedreht. Des Cineasten Herz schlägt höher. Warum auch immer. Es geht um ein gott- und auch ziemlich menschenverlassenes Kaff irgendwo in den USA. Randal arbeitet in einer Videothek und sieht es als seine Hauptaufgabe an, keinen einzigen Film zu verleihen. Sein Freund Dante arbeitet im Gemischtwarenladen nebenan, obwohl er gar nicht dran ist, trauert einer vergangenen Beziehung und gleichzeitig seinem eigenen Leben nach und streitet sich mit seiner Freundin, wer mit wievielen, was und wie oft. Randal philosophiert, flucht und sieht die ganze Scheiße locker. Dieser Tag im Leben von Dante und Randal ist eine einzige Heldentat. Der Kritiker nennt so ein Werk erfrischend, zeitgemäß, unangepaßt. Die Dialoge sind köstlichst, die Darsteller natürlichst und die "Fuck"-Dichte unerreicht. Unbedingt ansehen! (jk)


Knarrende Stimme

Ernst Jandl in Ludwigshafen

Vielleicht liegt's ja am Namen, wer weiß? Nicht nur Ernst Jünger präsentiert sich in nahezu jugendlicher Frische, auch Ernst Jandl (aber hier erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten auch schon), der bekannte österreichische experimentelle Lyriker, 1925 geboren, tourt gerade wieder munter durch die Lande.

Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des Ludwigshafener Pfalzbau-Theaters unter dem Motto "Jazz in der Philharmonie” wird auch Jandl dort auftreten. Als "Ernst Jandl and the Neighbours” trägt Jandl seine Werke, darunter auch die berühmten Laut- und Sprechgedichte, vor. Begleitet wird er dabei von einer Jazz-Formation aus Flügel, Schlagzeug, Bass und Geige. Jandl und der Mann am Klavier, Dieter Glawischnig, Leiter der NDR-Big Band, hatten bereits vor 29 Jahren angefangen, gemeinsam Jazz und Text-Projekte zu erarbeiten. Für den Auftritt in Ludwigshafen übten die beiden Künstler jedoch eigens ein aktuelles Programm ein.

Der Lyriker, dessen Gedichte längst in die Schulbücher eingezogen sind, gilt als einer der bekanntesten deutschsprachigen Gegenwartsdichter. Seine in dadaistischer Tradition stehenden Werke widmen sich dem ironischen, tausendfach gebrochenen Spiel mit der Sprache, der Verfremdung, ja Verstümmelung, bis das ursprüngliche Sprachzeichen samt Bedeutung fast völlig zerstört ist und der Poet an seine Stelle etwas vollkommen Neues setzt. Dabei veräppelt Jandl oft genug auch seine Leser und Zuhörer, indem er ihr logisches Verstehen hirnsträubenden Tests unterwirft.

Bekannt wurde Jandl durch den Gedichtband "Laut und Luise” (1966). In diesem Werk, das sich überwiegend mit der Kriegsproblematik auseinandersetzt, führt Jandl die von ihm quasi erfundene Gattung der "Sprechgedichte” erstmals einem breiteren Publikum vor. "Sprechgedichte”, wer hätte das gedacht, entfalten ihre volle Wirkung erst beim Sprechen. Daher hat Jandl sie im Buchabdruck mit streckenweise sehr konkreten Anweisungen versehen, so etwa das Gedicht

ZWEI HÄNDE

und

*)

und

**)

und

***)

schrei mit zunge

mit folgenden Erläuterungen: *) klatschen; **) auf tisch schlagen; ***) der letzten zeile vorangehende realisation der letzten Zeile

Unbestritten bester Interpretator seiner Gedichte aber ist der Meister selbst. Gerade bei dem Lyriker Jandl nehmen die öffentlichen Lesungen einen wichtigen Platz ein, sehr viel wichtiger als bei den meisten anderen Poeten. In zahlreichen Rundfunk- und Fernsehauftritten hat Jandl durch seine unverwechselbare Art der Interpretation immer wieder demonstriert, wie entscheidend der Vortrag ist.

Trotz allem sind Jandls Gedichte mehr als Sprachblödeleien und überhöhter Unsinn. Jandl schafft immer wieder neue Wörter, potentiell mögliche Buchstaben- und Lautgebilde, die sich der Einengung entziehen zu versuchen, welche die Sprache unzweifelhaft für das Denken darstellt. Damit schafft er Möglichkeiten, Dinge deutlicher zu machen, als dies konventionelle Sprache vermag; Jandl verschafft der Sprache neue Freiheit. (kw)

"Ernst Jandl and the Neighbours” treten am Dienstag, dem 30. Mai 1995, um 20.00 Uhr im Pfalzbau-Theater Ludwigshafen auf.


Zu cool für Dutschke

Über Heidelbergs Jugendparteiverbände und das politische Verhalten gestern und heute

Die Studenten der 68er sahen sich als Aufklärer, Freiheitskämpfer, Idealisten; sie glaubten an Moral, an Wahrheit und Gerechtigkeit. Sie wollten verändern und gestalten, sie waren rebellisch und bezogen zum politischen Leben Deutschlands Stellung. Gibt es auch heute noch Rebellen? ruprecht schaute sich die Jugendorganisationen der politischen Parteien in Heidelberg an.

"Studenten auf den Barrikaden" verkündete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" im April 1968, nachdem sich an den Osterfeiertagen die Protestbewegung der deutschen Studenten kraftvoll über der Republik entladen hatte.
Dutschke, Langhans, Teufel und Co. verstanden das Privileg des Studierens, ihre noch nicht abgeschlossene Integration in die Gesellschaft, zugleich als Pflicht und Aufgabe, eine oppositionsbereite Jugend zu politisieren. Sie wollten dem Muff des deutschen Kleinbürgertums, dem Establishment des gebrochenen Rückgrats, der konformistischen Gesellschaft, den Autoritäten und den Mächtigen eine außerparlamentarische Opposition entgegensetzen, um nicht zum bloßen Objekt anderer Mächte der Gesellschaft zu verkommen.
In Heidelberg revoltierten die Studenten heftiger und beharrlicher als in vielen anderen Universitätsstädten. Sie breiteten bei der 581. Jahresfeier der Universität Spruchbänder ("Rektor, Du ekelst uns an") aus, bei der Totenehrung ertönten "Ohnesorg"-Rufe, die Mozart Idomeneo-Ouvertüre ging im Lärm unter.

Heute in den 90ern werden die Jugendlichen und Studenten als Generation, die keine sein will, beschrieben, als Generation X. Am öffentlichen Leben nimmt diese Generation kaum noch teil, nur 1% engagieren sich in Parteien, 1,3% in Bürgerinitiativen. Die Wahlbeteiligung der jungen Wähler ist seit den letzten zehn Jahren unterdurchschnittlich, ihre Anzahl in den beiden großen Volksparteien um mehr als ein Drittel gesunken.

Dennoch sind die Jugendlichen nicht unpolitisch, sie informieren sich rege über die aktuellen politischen Geschehnisse. In den Vorlesungssälen sticht einem immer wieder der ein oder andere "Spiegel" lesende Student ins Auge. Galt es aber in den 68ern als erstrebenswert, die Geschichte des Gemeinwesens mitzugestalten, so scheint es heute der Generation X zu genügen, alles zu durchschauen. Vielleicht ist es "cool", durchzublicken, aber nichts zu tun, vielleicht ist es "in", nichts verändern zu wollen, an nichts zu glauben, nicht rebellisch zu sein.

Gründe für Verweigerung des "Ja und Amen" und die Wehr gegen Bevormundung gäbe es gerade im universitären Bereich genug. Ob es die geplanten Studiengebühren sind, überfüllte Hörsäle, Chaos in der Univerwaltung (ruprecht 34/95) oder die Metamorphose der Uni zur Leistungsfabrik.

"Politisches Engagement ist ja selbst dann nicht vorhanden, wenn es an den eigenen Geldbeutel geht", bedauert Andreas Badior, "der Protest der Studenten gegen Ulmers Gebührenkonzept ist kein Widerstand der Masse, vielmehr ein ohnmächtiger Partisanenkrieg gegen eine längst vom Gros der Hochschüler akzeptierte Sache."

Andreas Badior ist einer der Studenten, die sich in Heidelbergs politischen Jugendverbänden engagieren. Er ist Vorstandsmitglied der Jungsozialisten (JUSOS). Zu den weiteren politischen Jugendorganisationen zählen die Jungen Liberalen (JuLis), die Junge Union (JU) und die Grün-Alternative Jugend (GAJ), sowie die AG Junge GenossInnen (AG JG).

Wer sich nicht für hochschulpolitische Fragen interessiert, findet hier ein Forum des politischen Meinungsaustausches zu Themen aus Bund, Land und Kommune.

Die Mitglieder dieser Organisationen nutzen dies als Möglichkeit, in gewisser Distanz zu den Parteien Politik zu machen. Durch die Formulierung eigener Vorschläge zu verschiedenen Politikfeldern sehen sie hier eine Chance, die eigene Zukunft selbst zu gestalten.

In einem allmonatlichen Stammtisch findet der politische Neuling seinen Einstieg. Bei den JuLis wurde in der "Offenen Runde" zuletzt das Thema "Ökologische Marktwirtschaft" besprochen. Der Vorsitzende Karsten Markwardt erläuterte die Konzeption dieses Modells, das von den Jungen Liberalen selbst propagiert und in die Gremien der F.D.P. eingebracht wurde. Dennoch wurde über die Umsetzung und Effektivität dieses Modells durchaus kontrovers diskutiert.Daß Konsens nicht Vorschrift ist, zeigte sich im Abstimmungsversuch, bei dem die Mehrheit nicht votieren wollte: "in dubio pro libertate". Liberalismus wird großgeschrieben, zumindest größer als in der Mutterpartei, die sich nach Markwardts Geschmack zu häufig unterwirft. Gerade die Jungen Liberalen dagegen gäben der F.D.P. wirklich liberale Inhalte.

Zu den liberalen Prinzipien gehöre vor allem die Bürgergesellschaft, die auf drei großen Freiheiten gründet: der Freiheit der Person, der Freiheit im Gefüge des Staates und der Freiheit der Wirtschaft. Eine Einschränkung der Freiheit ist nach den JuLis nur dort hinzunehmen, wo es eines Mindestmaßes an sozialer Sicherheit bedarf: "Soviel Gleichheit wie nötig, soviel Freiheit wie möglich."

Auch im vierteljährlich erscheinenden "LIVE" (Liberal vor Egal) wird die politische Grundidee der Freiheit deutlich. "Liberale können mit viel, mit sehr viel Ungleichheit leben, solange die Grundchancen der Teilnahme nicht in Frage stehen."

Ganz anders sehen das die JUSOS: "Wir wollen Politik zugunsten der Schwächeren machen", erläutert Andreas Badior, "eine formale Gleichheit ist da zu wenig, wir fordern eine reale Chancengleichheit. In unserer heutigen Gesellschaft entscheidet immer noch das Kapital über Chancen und Bildung. Nur wenn durch Umverteilung und soziale Hilfestellung jedem die Chance eingeräumt wird, beispielsweise ein Gymnasium oder die Universität zu besuchen, herrscht reale Chancengleichheit."

Die JUSOS setzen sich für die Grundwerte des demokratischen Sozialismus, das heißt für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität ein. "Wir engagieren uns für ein Einwanderungsgesetz, den Ausbau des Sozialstaats, für die Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft, für Erhalt und Ausbau der Demokratie, für Frieden und Abrüstung...." erläutert uns ihr Grundsatzprogramm. Die Aktiven widmen sich zur Zeit dem Leben der Obdachlosen in Heidelberg, diese dürfen bald umsonst mit der HSB fahren.

Die JUSOS betrachten sich als linkes Korrektiv der SPD. "Die große Partei hat eher eine konservative Haltung, was sich unter anderem im Asylkompromiß zeigte", unterstreicht Badior seine linke Position. Auf kommunaler Ebene ist der Kreisverband Heidelberg seit der Kommunalwahl '94 mit einem JUSO-Stadtrat vertreten. Dort ist eine wichtige Forderung der JUSOS die schnelle Realisierung des Kulturbahnhofs sowie der Ausbau des Radwegnetzes.

Das steht im krassen Gegensatz zur Haltung der JU in diesen Fragen. Michael Parusel, Vorstandsmitglied der JU erläutert:"Wir wollen, daß der Fahrradweg am Bismarkplatz (der, der Richtung Rohrbacherstraße am Woolworth vorbeiführt) verschmälert wird, am besten ganz von der Straße getilgt wird."

Das Projekt um den Karlstorbahnhof hält die JU für Geldverschwendung, da sie glaubt, daß dieser Bahnhof in zehn Jahren wieder in seiner Bahnhofseigenschaft gebraucht würde, wenn Heidelberg in das ICE-Netz eingebunden wird. Eine Investition in ein Kulturzentrum für eine "krakeelende Minderheit" sei unbedacht und unwirtschaftlich.

Die JU ist im Gegensatz zu ihrer Mutterpartei für die doppelte Staatsbürgerschaft und fühlt sich auch den Interessen der nachfolgenden Generationen an einer intakten Umwelt stärker verpflichtet. Deshalb habe sie schon seit Mitte der 80er Jahre gefordert, den Umweltschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.

Weiterhin sind die JU-Leute der Überzeugung, daß Politik auf der Grundlage christlich-traditioneller Werte nicht altmodisch, sondern bürgerlich ist. Befragt, was denn unter bürgerlich zu verstehen sei, antwortet Parusel: "Rechts, schwarz, konservativ bis liberal" (an dieser Begriffsbestimmung sollte Parusel noch ein wenig arbeiten).

Während für Michael Parusel "Politik das gemeinsame abendländische Gefühl ist, politische Fragen zu lösen und nicht aufzuwerfen", will Charlotte Lutz, Gründerin der GAJ Heidelbergs, durch ihr politisches Engagement provozieren, um überhaupt erstmal einen Meinungsbildungsprozeß anzuregen."Es ist nicht wichtig, daß die Leute unsere Meinung vertreten, ich möchte sie nur motivieren, sich überhaupt am politischen Leben zu beteiligen." Insbesondere der Jugend solle die Möglichkeit gegeben werden, ihre eigenen Probleme zu formulieren und neue Lösungsansätze zu finden.

Zur Zielsetzung der GAJ gehört die Verwirklichung einer alternativen Gesellschaft. Sich als alternativ zu kategorisieren heißt für die GAJ Heidelberg, sich der Meinungsvielfalt zu öffnen, die Perspektive zu wechseln und neue Wege zu beschreiten. Wichtig sind für sie auch mehr Mitspracherechte der Jugend: "Wir wollen uns nicht nur von Alten regieren lassen, denn schließlich geht es ja um unsere Zukunft", ist in der Info-Broschüre der GAJ zu lesen.

In Heidelbergs GAJ sind zur Zeit überwiegend Schüler tätig. Charlotte Lutz erklärt dazu, daß die GAJ für Studenten deshalb nicht so attraktiv sei, da diese ihre alternativen Interessen bereits durch die STUDI-Liste, die seit den letzten Kommunalwahlen im Heidelberger Gemeinderat vertreten ist, abgedeckt sehen.Kommunalpolitisch setzen sie sich in Heidelberg für eine Verlängerung der Sperrstunde ein, nehmen Anstoß an den schlechten Busverbindungen, wollen mehr als eine Fahrradstraße. Zur Durchsetzung dieser Ziele sind sie bereit, zu demonstrieren und Handzettel zu verteilen, gegebenenfalls auch Straßen zu sperren.

Auch für die AG JG ist Widerstand das wichtigste Mittel der politischen Handhabe. "Widerstand, friedlich oder militant, wichtig bleibt der Widerstand" zitiert Markus Jakovac, Ansprechpartner der AG JG, das Motto der Organisation. Die "AG Junge GenossInnen Rhein-Neckar" nimmt die Funktion eines Jugendverbands der PDS wahr. Sie nennen sich "Arbeitsgemeinschaft in und bei der PDS", einen Jugendparteiverband als solchen gibt es nicht.

Die AG JG hat sich zusammengeschlossen, um die PDS auf ihrem Weg zu einer linken und radikaldemokratischen Partei, zu einer linken Gegenkraft gegen neokonservative Reformen, kritisch zu begleiten. Kritikpunkt an der PDS sei, daß sich manche Genossen zu sehr vom Machtkalkül leiten ließen. So würden sie sich an der Regierungsbildung beteiligen wollen, obwohl sie im Wahlkampf vehement den Anspruch erhoben, eine "konsequente Oppositionspartei", d.h. eine Opposition außerhalb des bestehenden Regierungssystems, zu sein. Markus Jakovac sieht für seine AG große Chancen der Einflußnahme auf die PDS, da diese noch kein "festgefahrenes Denken", kein "Schema F", zur Lösung von politischen Problemen besitze, und daher für jede Anregung zu haben sei. Die AG JG ist eher auf Bundespolitik als auf Kommunalpolitik ausgerichtet, ein kommunalpolitisches Konzept besteht nicht. Großes Ziel bleibt für die AG JG der Sozialismus als Weg zum Kommunismus, ihr jüngstes Ziel ist, den 8. Mai zum Feiertag zu erheben.

Eines haben die Verbände gemeinsam: Sie hoffen auf mehr Beteiligung in ihren Verbänden.Werden sie im neuen Semester vergebens auf neue Mitstreiter warten müssen? Oder gilt für sie Nietzsches Diktum: "Sie sind von vorgestern und von übermorgen - sie haben noch kein Heute." (lm)

Politische Meetings
GAJ: Do. 14-tägl. (18.5.), 19.00, Schwarzer Peter. Kontakt: Charlotte, 161815.
JU: 1. Mi. im Monat (8.6.), 20.00, Gastronomie HBF. Kontakt: Michael, 06224-55298.
JUSOS: jeden Do., Am Fischmarkt 3, 19.30. Kontakt: Andreas, 20996.
JULIS: 3. Mi. im Monat (17.5.), 20.00, Im Essighaus. Kontakt: Karsten, 471747.
AG JG: Do. 14-tägl. (25.5.), 20.00, Griechische Taverne. Kontakt: Markus, 782820.


Heidelberger Profile

"Ihr Mann in Bonn"

Seit einem halben Jahr in Bonn: Der CDU-Abgeordnete Dr. Karl A. Lamers

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Lamers im Bonner Büro: Zwar stapeln sich die Akten auf dem Schreibtisch. Zum eingehenden Studium, geschweige denn Nachdenken, bleibt aber kaum Zeit. Informationen und Ideen zur Politik fehlen als Grundlage für eine konstruktive Diskussion. Inhalte stören die Funktionalität.

Plenarsaal, Bonn. Unmotiviert hängt er zwischen den Stuhllehnen. Am Rednerpult steht die Umweltministerin Merkel und langweilt mit ihrer Rede zum Klimagipfel die Runde. Sein Gesichtsausdruck bleibt unbeteiligt, müde folgen seine Beifallskundgebungen der Applausordnung, und ab und zu wendet sich sein Blick in Richtung Regierungsbank. Dr. Karl A. Lamers - Parlamentarier für Heidelberg in Bonn.
Leben kommt in die Szene. Verteidigungsminister Rühe betritt den Plenarsaal und legt sich in den Stuhl neben Kohl. Lamers registriert Rühes Anwesenheit und wird in eigener Sache tätig. Er verläßt die Plenardebatte, um einen Fototermin mit dem Verteidigungsminister für die Presse aus dem Wahlkreis zu arrangieren. Dr. Karl A. Lamers - Selbstdarsteller aus Heidelberg in Bonn.

Wie ein roter Faden zieht sich ein Prinzip durch seine erstaunliche politische Karriere: Sehen und gesehen werden. Lamers plazierte sich auffällig oft auf solchen Posten, die vor allem dafür gut waren, seinen Bekanntheitsgrad zu steigern.
So war es ein wichtiger Coup für den aufstrebenden Politiker, das Persönliche Büro des Landtagspräsidenten von Baden-Württemberg zu leiten; nach Ansicht von Insidern der Parteipolitik ist dieser Job das ideale Sprungbrett nach oben. Von diesem Zentrum der Repräsentanz aus konnte Lamers seine solide Hausmacht aufbauen - und die ist für eine starke Stellung in Bonn unerläßlich.
Seit einem guten halben Jahr nun ist Lamers per Direktmandat in Bonn. Von seinem Büro im "Langen Eugen" fällt der Blick hinunter auf Bonn. "Raumschiff Bonn", kommt da in den Sinn. "Nein. Ich bin unter den Bürgern", hält der Bundestagsabgeordnete dagegen, "von Politikverdrossenheit spüre ich nichts." Er sitzt am Schreibtisch. Sein Bauch wölbt sich unter dem weißen Hemd mit blaugrünem Schlips über den Gürtel. Er fährt sich durch die schwarzen, gescheitelten Haare; seine goldene Brille hüpft nervös auf der Nase herum. "Ich gehe um 2.00 Uhr ins Bett und stehe um 6.00 Uhr wieder auf. Ich will etwas bewirken. Das ist mein persönlicher Einsatz, kein Zwang!", prahlt der Junggeselle, und: "Es ist ein tolles Gefühl, den Menschen zu helfen."

Um "zu helfen", ist der Junggeselle in seinem Wahlkreis allgegenwärtig. Kaum lassen ihn die Bonner Verpflichtungen los, tourt er im Wahlkreis Heidelberg-Schwetzingen von einem Termin zum anderen: Frühschoppen des Gesangvereins, Grußwort beim Sportverein, Jahresfeier der Polizei. Lamers zeigt sich überall, bleibt aber nirgends.
Die Gespräche können in der Kürze seiner Anwesenheit gar nicht bis zu dem Punkt gelangen, an dem er die wirklichen Bedürfnisse der Bürger erkennen könnte, geschweige denn sie hinterfragen. So endet seine Hilfe für die Bürger in populistischem Aktionismus. "Die Stadt Heidelberg braucht ein Stadtschild, auf dem `Universitätsstadt Heidelberg´ steht."

Dennoch, die Menschen haben ihn gewählt und mögen ihn, zumindest die Seinen. Seine ehrlich gemeinte offenherzige und herzliche Art machen den Kontakt einfach. Aus dem Bundestagsabgeordneten Dr. Lamers wird schnell der "Karl", der einen in den Arm nimmt und ein nettes Wort übrig hat. Im Umgang mit Menschen ist Lamers ein Naturtalent, auch wenn er für politisch Andersdenkende oft "überhaupt kein Verständis" hat.
Seine Omnipräsenz weiß er zu nutzen. Journalisten wissen ein Lied davon zu singen, daß Lamers nicht vom Bild runterzukriegen ist. Auf jedem Foto plaziert er sich geschickt in der Bildmitte, so daß er nicht aus dem Zeitungsbild herausgeschnitten werden kann. Punktsiege erzielt er auch durch sein taktisches Gespür für politisch profitable Situationen. Diese vermag er aus dem Stehgreif für sich zu nutzen.

Als Scharping in einer verteidigungspolitschen Besprechung sich in eine sensible Position hineinargumentierte, kontert der promovierte Jurist mit einem scharfen und überspitzten Argument: "Wenn Sie, Herr Scharping, dieses rüstungspolitische Projekt nicht unterstützen, gehen zahlreiche Arbeitsplätze verloren." Bei den anwesenden Gewerkschaftern der DASA machte das Eindruck. Daß Rüstungspolitik nichts mit Arbeitsplätzen zu tun haben darf, kommt dem Taktiker Lamers dabei nicht in den Sinn.
Die Erinnerung an die Begebenheit läßt ihn in Fahrt kommen. "Da habe ich", freut er sich, "dem Scharping voll eine reingegeben!" Zwar war sein Statement zur Rüstungspolitik so knapp wie kurzsichtig. Aber es erfüllt seinen Zweck: Der Bonner Neuling hat sich profiliert. Das unsinnige Stammtisch-Statement wird bald vergessen sein - sein Name aber bleibt hängen.

Doch die Allgegenwart des Abgeordneten fordert ihren Tribut. Kenner der Bonner Szene warnen vor dem Verlust an inhaltlich-politischem Niveau. "Hier hat keiner mehr Zeit zum Nachdenken", so ein langjähriger Mitarbeiter im Bundestagsbetrieb.
Es gehört zum Regelfall, daß sich an einem Tag 7 Termine ansam-meln. Da bleibt keine Zeit für gründliche Vorbereitung und politische Reflexion. So kommt es, daß Lamers sich bei einem bildungspolitischen Essen, an dem er, wegen anderer Termine, ohnehin nur zur Hälfte teilnehmen kann, bei den Vertretern aus dem Bildungssektor erkundigt, "Wieviel Geld brauchen Sie?" Die Frage entlarvte das fehlende Aktenstudium.
Aber der Politiker Lamers hatte sich zu Wort gemeldet, sein Name war gefallen. Anschließend konnte er getrost die Besprechung verlassen. Den Menschen im Wahlkreis kann er die nichtssagende Zusammenkunft später als "anregendes Gespräch" verkaufen.

Die Selbstdarstellung gelingt, die Inhalte aber verlieren sich. Der im Wahlkampf gegen Lamers unterlegene Lothar Binding von der SPD fügt hinzu, daß "mit Lamers eine Diskussion gar nicht möglich war. Ihm fehlten die Hintergrundinformationen und Visionen." Und das, obwohl Raban von der Malsburg, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der CDU im Heidelberger Stadtrat, dem Außenpolitiker Lamers "Interesse an den großen Linien" attestiert, also an dem, was viel Reflexion verlangt.
Politisches Profil sucht der am Max-Planck-Insitut für ausländisches öffentliches Recht in Heidelberg promovierte Jurist vornehmlich in der Bildungs- und Außenpolitik. Seit drei Jahren ist er Landesvorsitzender des Landesfachausschusses Außen-, Europa- und Entwicklungspolitik der CDU Baden-Württemberg. Seine außenpolitischen Studien führen ihn zu Aussagen, wie: "Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns gegen die Scud-Raketen schützen. Die größte Herausforderung, die sich uns derzeit stellt ist der unsere Kultur bedrohende islamische Fundamentalismus", oder: "Es ist peinlich, wenn wir uns von den Russen Flugzeuge mieten müssen." Der Marktwert dieser Aussagen ist unzweifelhaft hoch, doch zur Problemlösung sind sie schlicht ungeeignet.
In dieser Rolle als "außenpolitischer Experte" gelang dem 44-Jährigen sein bislang herausragendster Karrieresprung. Er ist auf Anhieb Vollmitglied im "Zukunftsausschuß" und im Verteidigungsausschuß geworden und zudem Vorsitzender der Berichterstattergruppe für die zukünftige Luftverteidigung. Andere Abgeordnete warten Jahre vergeblich auf diese Posten. "Lamers war Rühe und anderen in Bonn bekannt", geben Mitarbeiter aus dem Bonner Büro als Grund für die steile Karriere an.
Die Rechnung geht auf. Bekannt sein ist wichtiger, als durchdachte Inhalte zu liefern. "Als Stadtrat hat Lamers in den 6 Jahren, die ich ihm gegenüber sitze, ganze 5 Wortbeiträge abgegeben", so Binding - aber den Heidelbergern kann Lamers sich als bürgernaher Stadtrat verkaufen.

Sitzungssaal, Bonn. Er sitzt am Kopfende des Tisches und leitet eine Sitzung in seiner Funktion als Ausschußmitglied. Unbeteiligter Gesichtsausdruck, und doch herrscht Unruhe in seinen Gesichtszügen. Die Augenlider zucken, seine Lippen bewegen sich. Innerlich ist er ständig am agieren.
Die Sitzung bietet ihm Profilierungsmöglichkeiten. Er ergreift das Wort. Sein standardisiertes Statement bewegt sich auf dem Schlagzeilen-Niveau einer bescheidenen Wahlkampfbroschüre.
Seine Art zu denken und zu reden, paßt genau in ein System, das nirgends weitergehende Gedanken fordert. Je banaler ein Gedanke, umso "erfolgreicher" wird er. Dr. Karl A. Lamers: eine Politikkarriere, die vor allem eines zeigt - die Banalität der Politik. (h.b.)


Tod in der Plöck

Eine Farce in zehn Wegweisern

Prolog.

Es ist tags. Mon- oder Diens- wahrscheinlich. Donners- könnte es auch sein, und das würde es eher noch schlimmer machen. Vor allem zwischen acht und neun. Es ist sonnig. 'Hooka hey' sagen die Indianer. Ein schöner Tag zu sterben. Doch zu Beginn der Anfang.

.Erste Station. Adenauerplatz.

Schon am Gaisbergtunnel weiß ich, daß es heute schlimm werden wird. Ich bin einer von vielen. Und ich bin gewappnet. Alle sitzen angespannt auf ihren Rädern. An das Schlimmste wagt keiner zu denken. Die Autoampel wird rot. Die ersten fahren an. Die Fußgängerampel wird grün. Alle fahren an. Zähne fletschen. Messer klirren. Jetzt beschleunigen. Erste Schrammen. Mein Schienbeinschoner juckt. Drei Spuren stinkende Autos und fünfzig Fahrräder rasen in Richtung Bismarckplatz. Arm raus. Rüber. Treten. Sieben Radler pro Quadratmeter Straße. Alle miteinander und doch alle gegeneinander. Noch fünfzig Meter. Zwanzig. Zehn. Bremsen. Alle bremsen. Rechtskurve. Plöck. Rein. Drin. Die Schlacht beginnt.

Zweite Station. PappeLaPapp.

Mensch, denk ich, da hat's die Barbourjacke mit den blonden Dauerwellen aber ganz schön verrissen. Gleich am Anfang. Zu dumm. Was mußte die Oma mit dem Einkaufswägele auch gerade hier über die Straße gehen. Studentengedanken. Ich schäme mich. In zehn Minuten ist hoffentlich alles vorbei. Das erste Blut aber ist geflossen. So früh wie selten. Mir wird übel. Ein Griff in die Lenkertasche beruhigt mich. Für eine Sekunde dachte ich schon, ich hätte die Handgranaten vergessen.

Dritte Station. Kaufhof.

Treten. Treten. Siebenundzwanzig Autos wollen ins Parkhaus. Gleichzeitig. Gibt wohl kein anderes. Fünfzig Fahrräder, Entschuldigung, nur noch neunundvierzig, wollen an den siebenundzwanzig Autos vorbei. Und dann noch das Müllauto. Und der Möbeltransporter. Und der Lieferant für Körner-Sport. Arschlöcher. Und das ausgerechnet heute, wo ich fast an der Spitze liege. Ein Blick nach vorne läßt mich erstarren: Es ist Markt am Ebertplatz.

Vierte Station. Ebertplatz.

Zehn der Radler biegen nach links ab. Entweder Loser oder Psychologen oder Japanologen. Aber wer kann das schon auseinanderhalten. Rechts von mir ein Typ. Style-geil. Stilecht. Lange Haare, Oakley-Frogskins, Quiksilver-T-Shirt, Shorts, Chucks. Dürfen Surfer radfahren? Können Surfer radfahren? Es geht gegen den Wind. Zu dumm, daß die Marktfrauen heute mit Zucchini werfen. Die Tomaten letzte Woche waren angenehmer. Die Zucchini tun wirklich weh. Auch Karotten sind dabei. Hier und da trifft mich ein frischer Wirsing. So schlimm war's lange nicht mehr. Sieben bleiben auf der Strecke. Surfer-Schatzi ist auch dabei.

Fünfte Station. Ex Libris.

Bei Daniel Streiff gibt's immer live: Dreißig Hobbyliteraten brüllen uns sirenenhaft ihre selbstgeschriebenen Gedichte entgegen. Das hat mir bisher noch nie was ausgemacht. Wären nicht ein paar Metamorphosen darunter gewesen, wir hätten es wohl alle geschafft. So durchradeln nurmehr neunundzwanzig wackere Studis den Slalom aus Bauschuttcontainer, Mülltonnen und Bäckereikunden. Drei biegen beim Wochenkurier in die Märzgasse. Feige Schweine. Während ich meinen Polypropylen-Brustpanzer zurechtrücke, wird mir klar, daß ich meine Taktik ändern muß. Ich darf mich nicht nur verteidigen, ich muß angreifen.

Sechste Station. Hölderlin.

Neben mir radelt eine holde Maid im Sommerkleid. Frauen sind zäh. Mein alter Hollandbock ächzt und krächzt. Ihr verschimmeltes Rennrad auch. Dieser Teil der Plöck ist Fußgängerbereich und Einbahnstraße. Das kratzt keinen. Auch nicht einen Taxi-fahrer, der gerade keinen genormten Fußgänger (sieben km/h schnell) als Orientierung zur Hand hat und deswegen fünfzig fährt. Wohl auch nur, weil kein Fahrgast drinsitzt. Am Hölderlin empfängt uns eine Horde kiffender Oberstufenschüler in Hippie-Revival-Klamotten. Augen zu und durch. Schreie. H2O-Bomben. Der Satz des Pythagoras. Noch mehr Blut. Die Maid schreit. 'Die Maid schreit? So'n Blödsinn' denke ich und Augen zu und Hirn aus und durch. Noch siebzehn von uns sind übrig. Gymnasiasten sind hart im nehmen. Ein paar hab ich erwischt. Jetzt einige Meter Verschnaufpause. Der Puls muß runter auf hundertsechzig. Sonst kann man nicht so gut zielen. Und schon gar nicht treffen.

Siebte Station. Sprachlabor.

Es sind fast nur noch Hollandräder und Citybikes unter uns. Bald kommt der Endspurt. Vorher versuchen uns diverse Spanisch-Brückenkursler mit ihren 'inlingua'-Textcassetten auszulöschen. Hätten sie nicht die Unterstützung der Anglisten und einiger frankophiler Jeanne-d'Arc-Verschnitte, dies Scharmützel wäre ein leichtes Spiel für uns geworden. Neben mir erwischt es einen Philosophiestudenten. Tja, da hat ihm seine Bazooka auch nicht geholfen. Ich schaffe es, ein paar Granaten loszuwerden. Rücksicht ist hier nicht gefragt. Mein Gewissen beruhigt sich schnell wieder. Schließlich ist der Radler der König der Plöck: 'Bow down, niggaz!' Völlig unerwartet trifft mich ein hinterhältiger 'to go - went - gone'-Konjugations-Choral und kostet mich den linken Arm. Klingeln kann ich jetzt nicht mehr.

Achte Station. Essighaus.

Wir sind nur noch elf. Doch ich weiß, am Zuckerladen kommen nur wenige vorbei. Vier halten und kaufen rosa Riesenherzen für Mami zum Muttertag. Auf den rosa Riesenherzen steht 'Für Mami zum Muttertag'. In der oberen Plöck sind wieder mehr Autos unterwegs. Ein Wäscheservicetransporter, ein Schreiner und ein Bierlaster. Was hat eigentlich dieser Kadett-Wichser mit Rendsburger Kennzeichen hier verloren? Die Plöck ist doch nur für Anwohner, Anlieger, Anlieferer und Anfahrer gedacht. Apropos anfahren. Der Rendsburger zermalmt zwei von uns. Vor dem Anstieg zur Unibibliothek habe ich also nur noch vier Gegner. Doch halt. Die blonde Barbourjacke aus der Rechtskurve zu Beginn hat anscheinend die Oma verdaut und aufgeholt. 'Blöde Juraziege' kann ein unvorsichtiger Kommilitone neben mir noch rufen, bevor sie ihn mit ihrem Seidenschal erwürgt. Diese Dinger können schon verdammt praktisch sein. Gerade bei Halsweh. Der letzte Anstieg. Der letzte Zebrastreifen. Die letzten unachtsamen Fußgänger. Der Endspurt beginnt. Hatte Darwin eigentlich ein Fahrrad? 'Survival of the bikest'? Ich lade nochmal durch.

Neunte Station. Unibibliothek.

Ich hatte es geahnt. Die finale Hürde schien genommen, das Rennen entschieden, der Sieg geteilt, das Überleben - einmal mehr - Anlaß zu unbändiger Freude einerseits und Gelegenheit zum Vorlesungsbesuch andererseits. Doch als wir verbliebenen fünf gerade den Schweiß von der Stirn, das Blut vom Karohemd und den Schlamm vom Fahrrad wischen wollten, rennt Raban von der Malsburg in Windeseile die Seminarstraße hinauf, ruft 'Landtag ahoi' und streckt uns in einem einzigen Handstreich mit einem wohlgezielten Studienratschlag nieder. 'Eli, Eli, lema sabachtani' skandieren wir im letzten Atemzug bevor wir niedersinken, während von der Schädelhöhe demütig der kalte Wind des Vergessens über unsere Leiber hinweg die Schicksalsstraße Plöck hinabweht...

Zehnte Station. Himmelreich.

Es ist vorbei und zuerst dachte ich 'gut so'. Auch daß ich im Himmel weiterhin radfahren muß, stört mich eigentlich wenig. Doch während wir fünfzig Plöck-Helden so ein wenig im Himmel herumradeln, erscheint uns plötzlich Beate Weber in Gestalt eines Seraphim. Und unterstützt von einem durch zwangssterilisierte Burschenschaftler im Falsett vorgetragenen Cherubim-Choral zelebriert sie vor unseren offenen Augen und Ohren eine Inauguralrede: 'Amen. Amen und Willkommen. Ich aber sage Euch, dies ist ein neuartiges Verkehrskonzept mit beispielhafter Ausgestaltung der Orientierung am individuellen Verkehrsteilnehmer. Vor einem ökologischen Hintergrund ersonnen und entwickelt, ebenso einzigartig wie führend in Deutschland, kinderfreundlich, rentnerfreundlich und behindertenfreundlich. Voll der Rücksichtnahme gegenüber den Anwohnern, schadstoffreduzierend, ausgereift, empirisch außerordentlich erfolgreich, sehr hohe Akzeptanz, ..." et cetera ad infinitum.

Epilog.

Der Tod in der Plöck ist kein einsamer Tod. Wir waren viele. Dort, wo wir fielen, haben sie Kreuze aufgestellt als Mahnmal unserer Heldentaten und unseres alltäglichen, immerwährenden Kampfes. Es ist unser bleibender Trost, daß die Vielzahl an Autoreifen und Stickoxiden auf lange Sicht verhindern wird, daß Gras über diese Geschehnisse wachsen kann. Wer die Plöck schafft, schafft das Leben. (jk)


Brittas Butterstulle

Meditationen aus der wackeren Weststadt

Widmen wir diese Kolumne den Unwissenden. Zuerst jenen Unwissenden, die noch nichts mit Brittas Butterstulle anfangen können. Ihnen kann geholfen werden. Diese Kolumne beschäftigt sich mit den Gescheh- und Erlebnissen in und um eine 5-Mann-und-3-Frau-WG in Heidelbergs wackerer Weststadt.

Wir kommen zu den zweiten Unwissenden: Nämlich denen, die touristischerweise ins schöne Heidelberg kommen und nicht wissen, was sie hier tun sollen. Auch ihnen kann geholfen werden: Dank der Zeitschrift "Heidelberg diese Woche", "this week" und "cette semaine" (Trotz multilingualer Untertitelung ab hier schlicht "HdW"). Selbiger Ausbund informativ-heidelbergerschen Journalismusses erscheint wöchentlich und dies bereits im 47. Jahrgang. Doch schaun wir mal hinein: Unter der Rubrik "Hab' Zeit für Heidelberg" findet der Sightseeing-Junkie diverse Programmvorschläge für unterschiedliche Aufenthaltsdauer. Der Kolumnist formuliert p(t): Programmvorschlag p in Abhängigkeit der Zeit t. Ist t=1, so folgt p(t)= "Haben Sie es wirklich so eilig?" Natürlich wird der ebenso erwartungsvolle wie ahnungsloseLeser deutschsprachiger Stadtpamphlete genau dorthin geschickt, wo gar kein Platz mehr für ihn/sie ist. Denn Heidelbergs schönster Steinhaufen ist ja bereits kolonialisiert von einer Masse quirlig-quäkender Japaner und den Staatsangehörigen diverser anderer "Europe-in-10-days"-Nationen. Diese sind schon in den frühen Morgenstunden am Neckarmünzplatz aus dem Bus herausgequollen, haben sich dann durch die "Leyelgasse” in Richtung Bergbahn gequält (Velzeihung, wil velgaßen den "Sepp'l”), um letztendlich die Schloßterasse unter einem Blitzlichtgewitter erzittern zu lassen.

An dieser Stelle möchte der Autor bemerken, daß die leicht volulteilsbehaftete Darstellung kleinwüchsiger Devisen-ins-Land-Bringer in unmäßiger Anmaßung gegen alle Touristen gerichtet ist, die durch ihre Anwesenheit in der Haupstraße während der Sommermonate jeden Heidelberger nicht nur an seiner Muttersprache zweifeln lassen, sondern auch an der Tatsache, in dieser Stadt möglicherweise irgendjemand zu kennen. Da sich der Kolumnist dieses ernüchterten Gefühls der Hilflosigkeit und Fremdartigkeit in der eigenen Stadt allgegenwärtig bewußt ist, konnte er sich kürzlich ein Lächeln nicht verkneifen, als einer jener ehrenwerten japanischen Besucher in der Hauptstraße von einem Schwall Wasser aus dem 2. Stock erfaßt und benäßt wurde (Wir alle hoffen es für den so Betroffen- und Begossenen, daß es tatsächlich nur Wasser war). Diese Szene spielte sich vor jenem Laden ab, der sich - wie wir befürchten - als explizit extraterritoriales Gebiet nicht mehr unter deutschnationaler Hoheit befindet, in den sich jener Herr folglich sofort und erbost stürzte und der in HdW folgendermaßen aufschlußreich inseriert:

Doch jetzt zum Nationalitätenpreisrätsel: Welche Touri-Spezies wagt es regelmäßig, mit einem "Hofbräuhaus München"-T-Shirt durch Heidelberg zu latschen? Zuschriften unter Kennwort "Njuwschwornstain" an die Redaktion. Der Autor bittet auch diejenigen zu schreiben, die Interesse daran hätten, sich im August mit Lederhose respektive Dirndl auf den Uniplatz zu stellen und für je 5 Mark ein Photo mit "a real german student” feilzubieten.

Zurück zum Thema: Was also tun mit p=1? HdW schlägt zusätzlich den Philosophenweg vor, oh Wunder, und wir geben wieder: "Zur Rechten, unter Ihnen, liegt die romantische Stadt, fast unverändert wie auf dem mittelalterlichen Stich von Merian." Bis auf die Müllverbrennungstürme. Danach heißt's Spazierengehen vorbei an "Deutschlands ältestem Mensurlokal" (Aha!) und "bummeln" zum "pulsierenden Bismarckplatz" (was dieser wohl nur tut, wenn die omnipräsente Polizeistreife ihr Autoradio zu laut aufdreht). Und p=2 bietet noch mehr Highlights: so findet man z.B. im Kurpfälzischen Museum "einen Abguß des 'homo heidelbergensis', des ältesten Unterkiefers der Menschheitsgeschichte." Für p=3 oder p=4 geht's dann ("wenn Sie einigermaßen gut zu Fuß sind") hinauf nach Dilsberg und zur Thingstätte. Wir bewundern poetischst "den durch das Tal sich schlängelnden Fluß".

Ein p>4 schließlich gibt's in HdW nicht. Der Durchschnittstourist will oder kann oder darf eben nicht länger bleiben. Basta. Ist ja auch gut so. Wir schließen, daß Japaner vermutlich nicht nur die besseren Liebhaber, sondern auch noch die besseren Touristen sind. Und warum? Weil sie immer wieder kommen. (jk)


Vom Hörensagen ...

Erhalten ...

bleibt Hunderten von verzweifelten Ratsuchenden der Leiter der Zentralen Studienberatung, Dr. Raban von der Malsburg. Nachdem er im Duell mit Werner Pfisterer um die CDU-Direktkandidatur für die Landtagswahlen einen respektablen zweiten Platz belegte, ist die Gefahr seines Abschiedes von der Universität gebannt. Zudem hat er aufgrund seines Rücktrittes vom Amt des Vorsitzenden der CDU-Gemeinderatsfraktion jetzt noch mehr Zeit, sich um orientierungslose Erstsemester zu kümmern.

Unsichere Zeiten ...

drohen den Ordinarien an der Neuphilologischen Fakultät. Einen Vorschlag der "Kommission zur Rückführung der Vorgänge am Anglistischen Seminar auf ihre sachlichen Grundlagen" aufgreifend, soll der Lehrstuhl für Englische Philologie, Sprachwissenschaft, von Frau Stein aus dem Anglistischen Seminar ausgegliedert werden. Konflikte zwischen Lehrstuhl, Seminar und Dekanat beschäftigen das Anglistische Seminar seit Jahren und füllen inzwischen meterweise Ordner in Dekanat, Rechtsabteilung und Seminar. In Zukunft soll der Lehrstuhl direkt der Neuphilologischen Fakulät zugeordnet sein. Ob die erhoffte Friedensdividende (freiwerdende Arbeitszeit und Wegfall der Anwaltskosten bei den Betroffenen) nicht durch eine Verlagerung der "Vorgänge" aufgezehrt wird, muß sich allerdings noch klären.

Denn Gerüchten zufolge überlegt man sich jetzt im betroffenen Lehrstuhl, alternativ die Ausgliederung des Lehrstuhles für Englische Philologie von Herrn Zimmermann zu beantragen.

Sachdienliche Hinweise ...

für die Ergreifung von inkompetenten Fachstudienberatern nimmt das Rektorat, Tel. 542315/-16, entgegen. In einem Gespräch mit der Fachschaftskonferenz bat man um Namen von Beratern, die z.B. keine aktuelle Prüfungsordnung haben, nicht wissen, wo man sich fürs Staatsexamen anmeldet, oder sonstige falsche Angaben machen. Einer Intensivierung der Beraterberatung wurde weniger Bedeutung beigemessen.


Zugehört! (Termine)


Ihr schriebt an uns... (Leserbriefe)

Zu: "Nazis in Couleur" in ruprecht 34

Sehr geehrte Damen und Herren,
1. Unwahr ist, daß ich ein Nazi in Couleur bin. Wahr ist, daß ich in Couleur von der Antifa im Auto eines Bundesbruders fotographiert wurde, das die autonome Antifa am 16.12.1994 mittels eines Brandanschlages vernichtete.
2. Unwahr und unlogisch ist, eine Verbindung wegen der Mitgliedschaft eines ihrer Mitglieder in einem "rechtslastigen" Verein als "rechts" zu diffamieren. Wahr ist, daß die Verbindungen oft das Problem haben, daß auf Seiten der "Fortschrittlichen" Ausgrenzung von Korporierten betrieben wird, wie z. B. in der Partei "Die Grünen" der Landtagsabgeordnete Rezzo Schlauch zum Austritt aus seiner Burschenschaft bewegt wurde.
3. Tatsache ist, daß das Zitat in Anführungszeichen kein Ergebnis eines authorisierten Interviews ist, sondern die Wiedergabe eines kurzen Telefonates, in dem ich ein Interview verweigerte.
4. Unwahr ist, daß das Forum 90 jemals eine Partei war. Das Forum 90 war ein eingetragener Verein, der versuchte, nach der Lageveränderung durch die Wiedervereinigung von 1989 eine Jugendbewegung gegen den Parteienstaat zu starten.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Unold

Zu: "Quelle Surprise!" in ruprecht 34

Natürlich wird er wiedergewählt, der Rektor. Es traut sich ja niemand anders. Die "Rektorfindungskommission" findet nicht, sie proklamiert den Ausgeklüngelten.Und in Heidelberg ist es ist gute Tradition seit 20 Jahren, einen Einheitskandidaten für die Wahl des Oberordinarius zu präsentieren.
Vor 20 Jahren aber wäre diese erneute Inthronisation, das lammfromme Kopfnicken und Kuschen der Senatoren, einer Studentenzeitung mehr wert gewesen als eine andeutungsweise ironische Meldung. Warum habt Ihr es nicht geschrieben, wie es ist? Daß Rektoren an dieser Universität ausgeschachert werden, noch nicht mal von den Professoren, sondern von einigen ganz wenigen Eliteordinarien! Daß die meisten Profs und Assis im Senat weder Lust noch Traute haben, ihren Leithammeln zu widersprechen (und schon gar nicht, den vereinzelten Studenten zuzuhören, die in den großen Gremien noch den Mund aufmachen).
Über die Angepaßtheit und Apathie heutiger Studenten kann man ja ausgiebig jammern; richtig traurig ums Herz wird einem aber, wenn man sieht, daß selbst die Studentenpresse Schlafmittel geschluckt hat.
Der Rektor hat in den Jahren, die ihm noch bleiben, sicherlich noch Großes vor. Den Gerüchten, daß er sich noch vor Ablauf seiner vier Jahre verabschiedet hat, glauben wohl nur die, die auch schon vor Jahren seine Ambitionen unterschätzt haben.
Studenten werden sich ihm nicht in den Weg stellen. Da kann er beruhigt sein.
Jens Tewe (war auch mal ein Student)

Zu: "Beim Sex nichts Neues" in ruprecht 34

Hallo ruprecht-Redaktion, hallo Klaus Werle,
nicht nur aus diplomatischen Gründen zuerst ein großes Lob für Eure wirklich gute Zeitung - bei weitem das Beste, was vor der Mensa verteilt wird. (Wenn Ihr es genau wissen wollt, sind es die interessanten Einblicke in etwas entlegenere Bereiche des Studiums, die mir gefallen; dabei seid Ihr selten oberflächlich und noch seltener ideologisch festgefahren.) Einer Erscheinung des Zeitgeistes scheint Ihr aber weniger gewappnet gegenüber zu stehen: Der Lust, ständig und nahezu alles mit Ironie und/oder Polemik abzuqualifizieren. Über Geschmack will ich nicht mit Euch diskutieren, bisweilen finde ich es erfrischend, aber manchmal kann man Eure Kritik als Windei entlarven, und darunter leidet in der Folge Eure Glaubwürdigkeit. Ein Beispiel dafür ist Klaus Werles Kommentar zu einer Aufführung von Eugen Ruges "Mir nichts, Dir nichts" (der mir zufälligerweise erst gestern unter die Augen geraten ist). Meines Erachtens genügt es nicht, sich eine Theaterkritik zu basteln, indem man ins Theater geht und dann einfach mal seinen Eindrücken Luft verschafft. Zwar erkennt Klaus gewisse Eigenarten des Stückes, doch gelingt es ihm nicht, diese sinnvoll einzuordnen. Deshalb von einem "Potpourri einschlägiger Klischees" zu sprechen, ist nicht angemessen. Ich kenne leider Ruges Drama nicht, doch aus Klaus´ Darstellung wird deutlich, daß es sich sowohl formal als auch thematisch um eine Gegenüberstellung zum "Reigen" von Arthur Schnitzler handelt. Auf diesem Hintergrund erklärt sich dann ganz leicht, warum gerade jene Wahl des Personals, jene Folge gleich konstruierter Szenen mit den jeweils vergeblichen Versuchen der Paare und die "Gaghunts" sein mußten.
Tschüß Matthias

Anmerkung: Die Redaktion behält sich orthographische Serviceleistungen und Kürzungen von Leserbriefen vor.


Personals

Andrea: Nun lese! - H.

Julius Gaius: Wieder die Blumen zum Muttertag vergessen. - G.

Dietmar: Aufpassen! Die PKT´s vernichten Unsere Ideale! - H.

Frank: Bertram lernt schnell. - H.

Red.: Gibt's hier ein System? - jr

Römer: Danke fürs Zeitungholen! Hoffentlich hat es sich gelohnt. - G.

Cornell/LSU: Here we come. - H./B.

Harald, wie geht's? - G. (Der Computer ist jetzt meiner!)

Harald: Oder meiner. - B.

Michael: Tut mir leid, daß ich in die Küche muß. - B.

Tom: ... die nächsten zwei, drei oder diversen Tage. - L.

G., J., E.: Fuck you; check the centerfold spread. - B.

Prof. von Waldenfels: Was steckt in Ihrer Gürteltasche? - Kirk.

Britta: Ein Zug fährt nach Florenz, und läßt mich ganz allein, das Leben -in Essenz-, muß wohl Taubenscheiße sein. - Der Balkong-cleaner.

Herr Schirrmacher: Grüßen Sie Genosse Eisenhower! - red.

Kleiner: Ich komme nächsten Mittwoch! - Tantchen

Herr Glatzel: Das war wirklich nicht nett von Ihnen! Schämen Sie sich! - Ihre Nachbarn

Ingi: Leider konnten wir nicht kommen. Wir hoffen aber, Dich bald bei uns begrüßen zu dürfen. Gruß an die Schwester. - B./H.

Conny: Schön, daß Du Hausverwalterversammlung hast. - G.

Kate: Kurz nach fünf, weißt Du noch? - rot

Sabine: Have a heart. - The crew

Volker: Hast Du auch letzten Sonntag das Geschirr gespült? - G.


Impressum

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht die Zeitung als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurInnen sind jederzeit willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr in der Lauerstr. 1, 3. Stock (neben Heuscheuer). Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die Autor(in) die Verantwortung.

V.i.S.d.P.: Bertram Eisenhauer (bpe), Kaiserstraße 57, 69115 Heidelberg.

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Druck: Caro-Druck, Frankfurt a.M.

Auflage: 11.000.

Die Redaktion: Henning Banthien (h.b.), Hedwig Ebinger (hee), Wolfram Eilenberger (eile), bpe, Christoph v. Friedeburg (kirk), Philipp Grätzel v. Grätz (gvg), Andreas Hüske (ah), Jochen Kluve (jk), Loreena Melchert (lm), Harald Nikolaus (hn), Martina Parge (mp), Alfred Schmit (alf), Anja Steinbuch (asb), Stephan Stuchlik (step), Robert Thielicke (rot), Klaus Werle (kw), Bernd Wilhelm (bw), Gundula Zilm (gz).

Freie Mitarbeiter(innen): Jens Blinne (jpb), Markus Collalti (mc), Stephan Fichtner (sf), Jan Kopp (koben), Mark Liesching (ml), Sabine Muscat (sm), Kirsten Heike Pistel (khp), Jannis Radeleff (jr), Stefan Witascheck (sw)

Gastautoren: Anschi Scholbeck, Werner Pfisterer

Redaktionsschluß für Nr. 36: 10.6. 1995

ISSN: 0947-9570

Internet.: Von der WWW-Seite der Uni-Heidelberg über "Studentische Informationsseiten-Studentische Presse" oder direkt unter http://ix.urz.uni-heidelberg.de/~ed6

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