Heidelberg


Parlament der Pimpfe

Gebt den Kindern das Kommando

In Baden-Württemberg gibt es bereits in 24 Gemeinden ein Jugendparlament. Als Standard haben sich ca. 20köpfige "Jugendgemeinderäte" mit Mitgliedern zwischen 14 und 18 und einer Amtszeit von zwei Jahren etabliert.

Das erste entstand 1985 in Weingarten, weitere Orte sind z.B. Filderstadt (1987) und Waldenburg (1992). Seit Herbst 1993 gibt es einen Dachverband. Zwei Typen lassen sich unterscheiden: Es gibt formale Räte mit Parlamentarisierung wie in Filderstadt, deren Ausgestaltung und Geschäftsordnung am Gemeinderat orientiert sind; initiiert wurden sie i.a. von den Parteien.

Ferner existieren pädagogisch unterstützte Räte, die von den Schulen ausgehen. Meistens hat der Magistrat den Vorsitz. Die Wahlberechtigung gilt auch für ausländische Jugendliche. Gewählt wird für zwei Jahre, nicht nach Listen, sondern nach Bewerbern, die sich dafür anmelden müssen. Die Jugendvertretungen tagen ca. 4-6 Mal jährlich. Behandelt werden Fragen zu Energie, Verkehr, Sportanlagen, Umwelt und Schule, doch auch allgemeinpolitische Themen (Rechtsextremismus) kommen vor. Rechtlich haben sie kaum, allenfalls konsultative, Kompetenzen. In Filderstadt dürfen die JGR-Mitglieder ihre Beschlüsse dem Gemeinderat vortragen. Ihr Budget (i.a. ca. 10.000 DM) können die Gremien nur zum Teil eigenverantwortlich nutzen. Dieser Mangel an Kompetenzen führt oft zu Ohnmachtserfahrungen.

Die Erfolge sind unterschiedlich. In Friedrichshafen haben sich die Heranwachsenden ohne Verordnung von oben selbst konstituiert; entsprechend groß sind Resonanz und offizielle Anerkennung. In Weingarten konnten jedoch nur bereits engagierte Jugendliche zur Mitarbeit gewonnen werden. Der Magistrat bestimmt die Tagesordnung, die politischen Nachwuchsorganisationen nützen den JGR zur Profilierung.

Vor einiger Zeit hat auch in Heidelberg die Diskussion über dieses Thema zwischen SPD und GAL begonnen. Auslöser bei der SPD war der Weltkindertag, bei der GAL eine Veranstaltung des Stadtjugendrings, auf der Anschi Scholbeck und Gerhard Pitz beschlossen, auch in Heidelberg einen JGR einzurichten.

Beide Parteien unterstützen bereits jugendpolitische Projekte wie z.B.den Kulturbahnhof. Die GAL fördert ferner ein Mädchenhaus.Sie propagiert ein Gremium, in das alle Jugendlichen über eine Liste gewählt werden können. Die SPD und und ihre Nachwuchsorganisation, die Jungsozialisten, treten hingegen für ein Jugendforum ein, das nicht gewählt wird, in dem aber alle Interessierten zw. 14 und 18 mitarbeiten und Beschlüsse fassen können, nicht nur eine kleine Abordnung. Die GAL kritisiert eine solche Einrichtung als unverbindlich und machtlos.

Der entscheidende Punkt ist laut SPD-Fraktionschef Lothar Binding die geltende Gemeindeordnung, die die von der GAL geforderten Rechte nicht deckt. Sie kann nur vom Land geändert werden. Dies befürworten SPD wie GAL, doch bis dahin hätte der JGR keinen Deut mehr Kompetenzen als das JF - der Name würde nur Einfluß suggerieren. Binding befürchtet zudem,daß das reglementierte Wahlverfahren den Jugendgemeinderat zu einer Spielwiese für die bereits aktiven Nachwuchsorganisationen machen wird, da nur sie über die Möglichkeiten zu einem Wahlkampf verfügen. Politikunerfahrene Jugendliche, die gerade die Zielgruppe des Projekts sind, kämen nicht zum Zug.

Als Übergangslösung bietet die SPD an, Beschlüsse des JF als Anträge in den Gemeinderat einzubringen. Sowohl sie und die JUSOS als auch die GAL und ihre Nachwuchsgruppe, die GAJ, werden in den nächsten Wochen zu einem Treffen der Jugendgruppen einladen, um mit ihnen ihr jeweiliges Projekt anzustoßen. (kirk)

(siehe "point/counterpoint" auf S. 2: "Gemeinderat für Kids?")


Die Bahn

vibriert durchs Feld

Das Feld... Unendliche Weiten... Dies sind die Abenteuer der Straßenbahn, die seit vier Jahren geplant ist, um neue Gebäude zu erschließen, unbekannte Institute und neue Studentenzivilisationen. Logbuch Architekt Müller, Universitätsbauamt.

Feldzeit 1991. Die HSB beginnt mit Planungen für eine "große Schleife": Eine Straßenbahn biegt auf Höhe der Blumenthalstraße in das Neuenheimer Feld ein, passiert Institute und Wohnheime, biegt südwärts in die Tiergartenstraße ein, fährt am Zoo vorbei, zwischen Botanik und Kinderklinik hindurch, um zwischen DKFZ und chirurgischer Klinik wieder auf die Berliner zu stoßen.Doch Ende 1993 geben Mineralogisch-Petrographisches und Physikalisch-Chemisches Institut Alarm: Vibrationen und Elektrosmog würden genaues Arbeiten mit empfindlichem Gerät behindern.Das HSB-Kommando bestellt zwei Gutachten.

Feldzeit 23.3.1995. Das Urteil der Universität: Der Kurs muß mindestens 100 m von den Instituten entfernt verlaufen. Mögliches Ausweichmanöver: Die Bahn könnte im Norden bereits in den Klausenpfad einbiegen und erst vor den Wohnheimen auf die ursprüngliche Route stoßen.
Laut HSB können frühestens im Sommer erste Planungen dafür vorliegen. Doch weitere Hindernisse sind in Sensorreichweite: Im Süden muß ein Teil des Zoos sowie ein Streifen der botanischen Gärten der Strecke geopfert werden. Diese Punkte müssen erst geklärt werden. Noch heikler ist eine Schwesternschule,die abgerissen werden müßte.

Im schlimmsten Fall muß der Kurs abermals geändert werden. Und vielleicht heißt es zum Schluß: Kilometer von den Gebäuden entfernt dringt die Straßenbahn in Gebiete ein, die nie ein Mensch zuvor erreichen wollte...

(kirk)


Neue Serie

Heidelberger Ecken

Wer kennt sie nicht, diese wuselnden und fotografierenden "Haufen", die täglich in Heidelberg umherhetzen. Bleibt da noch Platz für verträumten Flecken der Ruhe und Besinnung? Der ruprecht wird von nun an regelmäßig weniger bekannt Winkel der Stadt vorstellen.

Da ist z.B. das alte Blockhaus mit der Rhododendron-Anlage, hoch gelegen auf der Gaisberg-Scholle, kaum bekannt oder eher verkannt.
Schon 1622 wird an dieser Stelle ein Blockhaus erwähnt, das jedoch in den Wirren der Zeit untergeht, mag sein, daß eine hier lagernde Abteilung des Tilly'schen Lagers ein wenig nachhalf.
Zum 500jährigen Universitätsjubiläum 1886 stand das heutige "Blockhaus" im Schloßhof und wurde nach den Festlichkeiten an seinen jetzigen Standort gebracht. Es lohnt, sich einmal die Zeit zu nehmen und über Wolfshöhlenweg (Juristisches Seminar) und Waldlehrpfad die knapp 200 m zu ersteigen, zumal der Anblick der in den nächsten Tagen blühenden Rhododendren-Büsche - ein Exemplar mißt jeweils 5 auf 10m! - für die Mühe belohnen. Imposanter mag noch das nahe Arboretum mit den über 40m hohen "Mammut"-Bäumen wirken. Unter der Woche begegnet man höchstens noch Joggern oder Radfahrern.
Auf einer Bank liegend, die Beine baumelnd, das Rauschen der Bäume und zucken der Sonne genießend, sieht die Welt schon ganz anders aus.

(bw)


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