Titel


Andersdenkende wählen?

Die diesjährigen Uni-Wahlen bieten nicht nur die übliche Kost

Es ist nicht alles wie immer. Wenn die Studierenden am 20. Juni zu den Urnen eilen, dann haben sie nicht nur die übliche Wahl zwischen der Fachschaftskonferenz, den Jusos und dem RCDS. Zu den Senatswahlen tritt diesmal auch die Liste "Freiheit der Andersdenkenden" an, der drei Studenten der deutlich national gesinnten Burschenschaft "Normannia" angehören.

Bekannt ist vor allem der Zweitplatzierte auf der Liste, der Geschichts- und Germanistikstudent Wolfgang Unold, 27, der schon zweimal versucht hat, eine Liste für die Uniwahlen aufzustellen. Er war bis Ende letzten Jahres Mitglied der "Republikaner" und kandidierte auf deren Liste im Juni '94 für den Heidelberger Gemeinderat. Unold gehörte auch dem rechten "Forum 90" an. Unter seinem Postfach fungiert der "Konservative Gesprächskreis" der rechtsintellektuellen Zeitung "Jungen Freiheit".

"Die Liste ist aber kein Projekt von Unold", betont der Erstplazierte, Christian Schaar, "und ich mag zwar wertkonservativ sein, möchte mich aber nicht ein Links-Rechts-Schema drängen lassen. Unsere Liste ist eine Alternative zu Partei-Kaderschmieden wie RCDS und Jusos; sie soll auch nicht nur Korporierte anprechen." Die Gruppe spricht sich gegen den "Mißbrauch von Hochschulgelder für linksextreme Organisationen" aus. Studiengebühren befürwortet man für sehr hohe Semester, allerdings erst nach einer Reform des Studiums.

Neben dieser Gruppe treten wie immer FSK, Jusos und RCDS zu den Wahlen an: Die FSK, um wie in den letzten sechs Jahren mit einer absoluten Mehrheit wieder den eigentlichen "AStA" abzuschaffen und durch die Konferenz der Fachschaften zu ersetzen; die Jusos,um zumindest in einer Koalition mit der FSK wieder zum Zuge in der universitären Politik zu kommen; der RCDS, um den AStA wieder zum entscheidenden Organ zu machen. Zur so entscheidenden "AStA"

Frage hat sich die "Freiheit der Andersdenkenen" nach eigenem Bekunden noch keine Gedanken gemacht.

Überhaupt zu den Wahlen zu gehen, ist allemal wichtig. Schließlich wird uns Mitbestimmung an der Uni auch immer wieder mit der Begründung vorenthalten, daß die Studierenden sich gar nicht für ein Mitwirken interessieren. Und das könnte eine Wahlbeteiligung von 9,4 % im letzten Jahr auch suggerieren. Also hin! (hn)

Gewählt wird am nächsten Dienstag von 9-18 Uhr im Psychologischen Institut (Psychol., EWS, Japanol., Sinol., IÜD, IDF, Gerontol.), in der Neuen Uni (übrige Altstadtfächer), im Theoretikum (Leute aus dem Feld) und in der Pausenhalle der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim.


Ulmers biochemischer Traum

Biochemie in Heidelberg - auf Kosten der Pharmazie?

Es passierte mal wieder alles im Dunkeln: weitgehend unbemerkt hatte das Rektorat vor einiger Zeit eine "Expertenkommission Biochemie" berufen, die im Mai zu dem Schluß kam, daß die Biochemiker der Uni Heidelberg wie Robinsons einsam in ihren Fakultäten sitzen und "den Blick vorrangig auf die eigenen Bedürfnisse lenken". Die Lösung war schnell gefunden: ein Biochemie-Zentrum muß her, das die insgesamt vier biochemischen Fakultäten zu einer Forschungsschmiede fusioniert. Ort: INF 328, steht schon fest. Damit keiner Zeit hat nachzudenken, soll das ganze Projekt schon am 12.Juli im Senat abgesegnet und in Gang gebracht werden. So schnell kanns gehen im Ländle.

Nun ist die Idee eines vermehrten interdisziplinären Austausches zwischen den Naturwissenschaften an sich nicht schlecht. Die Sache hat allerdings einen heiklen Aspekt: Es ist denkbar, daß die Vision zukünftiger Größe auf dem Rücken des schwächsten Partners in diesem Deal ausgetragen wird, der pharmazeutischen Fakultät nämlich. Das Berufungsverfahren zu einer vakanten C3-Professur in Pharmazeutischer Biochemie wurde ohne Angabe von Gründen bis 1997 ausgesetzt, obwohl die augenblicklich tätige "Vertretung" im Herbst das Institut verlassen wird. Es besteht also die Gefahr, daß die pharmazeutischen Aspekte in der biochemischen Lehre nach Einrichtung des BZH vernachlässigt werden. Doch vielleicht geht es um mehr: Da die Pharmazie mit neun Professuren den Fakultätsstatus ohnehin nur gerade so erfüllt, geht die Angst um vor einer Abwicklung des ganzen Instituts.

Die Uni wird ein Biochemie-Zentrum gründen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Apotheker. (gvg)


Alles ruprecht oder was?

Frei gedacht, frei finanziert, umsonst zu haben

"Was Ulmer denkt, interessiert mich nicht", "Ich zahle doch keinen Semesterbeitrag für Papiermüll!". Die mittäglichen Mensagänger machen ihrem Unmut Luft und verschwinden durch die grüne Drehtür zur Frühlingsrolle. Da stehen wir nun, mit Stapeln der neuesten ruprecht-Ausgabe beladen und mißverstanden wie Pennäler nach der ersten großen Liebe. "Habe ich schon, ich weiß eh´alles", der nächste Nichtleser hat noch originellere Sprüche parat. Weiß er wirklich alles? Weiß er zum Beispiel, daß wir keineswegs Ulmers Hauspostille sind? Daß ruprecht die einzige unabhängige Studierenden-Zeitung an der Heidelberger Uni ist? Daß die verlegen grinsenden jungen Leute, die vor den Mensen mit Druckerzeugnissen durch die Luft wedeln, für wochenlange Recherchen und drei Nächte Layout nur eine Menge Ärger mit ihren FreundInnen, sonst aber keine müde Mark kassieren? Daß kein Pfennig Semesterbeitrag in Altpapier investiert wird, sondern sich ruprecht ausschließlich aus Anzeigen selbst finanziert? Weiß er, daß er kein Werbeblättchen des RCDS, der "Andersdenkenden", der Jusos oder der FSK in die Hand gedrückt bekommen hätte, sondern statt dessen 12-16 Seiten Zeitung, deren Artikel Meinungen widerspiegeln, die so unterschiedlich sind wie die jeweils dafür verantwortlichen Verfasser? Nein, das weiß er vermutlich nicht, unser Mensagänger, und wir werden ihm auch nicht helfen können, wenn er sich weiterhin im Stillen aufregt, über Papierverschwendung und sein Vormittagsseminar. Wer jeweils montags, 20.00 Uhr, in die Lauerstr. 1, dritter Stock, zur Redaktionssitzung kommt, der ist nicht nur herzlich willkommen, sondern dem kann auch verholfen werden. Zu einem bißchen mehr Öffentlichkeit für seine freie Meinung. (step)


Ey!

Was haben meine Bekannte Sabi-ne, diese Glosse und der Rechenschaftsbericht des Uni-Rektors gemeinsam? Bei allen werden vage Antworten auf Fragen gege-ben, die nie jemand gestellt hat. Während der Schreiber dieser Zeilen sich noch mit den Mysterien von Studifeten herumschlägt ("Was bedeuten die vielen Nudel-salate?"), fragt sich Berichtsautor "Prof.Dr.Dr.h.c. Ulmer", warum das Image der Universitäten in der Öffentlichkeit so schlecht ist. Wahrscheinlich ist die Öffentlichkeit schuld, vermuten wir, aber damit haben wir die Gedankengänge unseres Rektors -wieder einmal- nur halb erraten: Das schon auch, lautet die Antwort, vor allem aber liegt´s an uns: "Die Hochschulmitglieder sind keine Gemeinschaft mehr und identifizieren sich nicht mit unserer alma mater." Welch schö-ner Gemeinplatz, denkt man, und: Vielleicht könnten auf eben die-sem alle endlich zusammenkommen? Aber schon überkommt einen wieder eine unnütze Frage: Was bitte verbindet uns etwa mit Dr. Rüffer, der jüngst für seine Dissertation über Fazies, Kontrollfaktoren und Sequenzstratigraphie in der Mitteltrias der west-lichen Nördlichen Kalkalpen einen Preis erhielt? Die einzige aufrichtige Antwort im Zeitalter der Wissensspezialisierung heißt wohl: Das Mensaessen! (Zur För-derung des Gemeinschaftsgefühls müßte also nicht die Qualität der Lehre sondern die des Essens verbessert werden, Anm. d. Verf.).

Was nun die Frage nach der Identifikation betrifft, so könnten sich die Studierenden genausogut über den Elferrat des Kölner Karnevals definieren. Da hat zwar neunzig Prozent des Saales auch kein Mitspracherecht, aber es ist wenigstens lustig. Bevor also das Rektorat Ruprecht-Karls-Buttons und -Sweat-Shirts in Auftrag gibt, sei ihm gesagt: Irgendwo wirklich zugehörig fühlt sich nur, wem dort auch wirklich zugehört wird. Die letzte Frage aber, warum nie zugehört wird, kann nur meine Bekannte Sabine beantworten: "Es gibt zuviele Männer." Warum aber gibt es Männer überhaupt? "Zum Schleppen von Getränkekisten. Das sind die Momente, in denen ich meinen Ex-Freund am meisten vermisse." Womit zum ersten Mal in dieser Glosse eine wirklich weltbewegende Frage beantwortet wäre. Ohne den Rektor. (step)


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