Heidelberg


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Der neue Theaterintendant Clauß steht für solides Handwerk

Nicht aus der Deckung kommen, Hände vor's Gesicht, tänzeln, ausweichen, keine Angriffsfläche bieten. Volkmar Clauß, 53 Jahre, hat keine leichte Aufgabe übernommen als Nachfolger des erfolgreichen Peter Stoltzenberg, der das Theater zweiundzwanzig Jahre lang führte; und es sieht so aus, als wolle der Neue noch vorsichtig agieren, sich nicht festlegen, um später keine Einbrüche zu erleiden. Ein wenig angestrengt freut er sich, "intakte Strukturen" von seinem Vorgänger übernehmen zu können, aber natürlich ist ihm bewußt, daß genau hier das Problem liegt: Wo alles gut läuft, was soll man da verändern?

Der große programmatische Paukenschlag jedenfalls klingt den Heidelbergern noch nicht in den Ohren, vollmundige Ankündigungen sind nicht die Sache des aus 110 Bewerbern ausgewählten Volkmar Clauß, auch nicht die Antwort auf die Frage, was denn nun eigentlich anders werden soll unter seiner Führung. Ein bißchen Gebrummel kommt da, ein unwilliges Kopfschütteln. "Zeitgenössisches soll stärker gewichtet werden, nicht immer die ollen Kamellen", ringt sich der Intendant schließlich ein Sätzchen ab, "und wichtiger als die Frage 'Welche Stücke?' ist die Frage 'Wie bringe ich sie?'" Da stellt sich Clauß "eine bestimmte Bandbreite" vor, nicht zu abgehoben, nicht zu seicht, von allem etwas. Die Inszenierungen sollen "aktuell und originell" sein, wie der "Figaro", eine der drei von der Lokalpresse als "Kraftakt" bejubelten Premieren innerhalb von fünf Tagen. Hier symbolisierte eine "Titanic" als Bühnenbild die Schieflage der gesamten Geschichte.

Wie die drei schnell aufeinanderfolgenden Premieren zeigen, ist Volkmar Clauß ein Mann der Tat. Er macht nicht viele Worte, wirkt ungeduldig im Gespräch, ist aber locker und freundlich im Ton. Lässig in Jeans und rotes Cordhemd gewandet, die Haare kurzgeschoren und meistens eine Zigarette in der Hand, wirkt er sehr dynamisch und chefig. Ein Macher, kein Grübler. Auf die Frage nach Freizeitbeschäftigungen kommt ein verächtliches Lachen: Bei 12-14 Stunden Arbeit pro Tag und selten freien Wochenenden fällt ihm dazu wirklich nichts ein. Der Mann stellt eine interessante Mischung aus detailverrücktem Workaholic und selbstbewußtem Könner dar. Volkmar Clauß, der auf Gruppenfotos immer eine Kopflänge über die anderen hinausragt, sieht man es an, daß er es gewohnt ist, daß seine Anordnungen befolgt werden. Ein wichtiges Telefonat? "Kann warten, ich geh' mir jetzt erst mal 'ne Wurst holen."

Der neue oberste Theatermensch hat Erfahrung. Er hat Literatur- und Theaterwissenschaft sowie Publizistik studiert, war Intendant in Ulm und Kiel und zuletzt Leiter des Berliner Schiller-Theaters. Auch Heidelberg ist ihm nicht unbekannt: In den Jahren 1973-1975 hatte er hier eine Stelle als Chefdramaturg. "Ein kleines Theater wie hier", sinniert er, "ist viel offener für neue künstlerische Entwicklungen, nicht so schwerfällig wie die großen. Man ist viel näher dran an den Menschen." Deshalb will er auch nicht mit großen "Galaabenden" protzen, sondern interessante Aufführungen machen mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen. Zudem ist Clauß ein Fan des klassischen Dreisparten-Theaters (Ballett, Oper, Schauspiel). Deshalb sollen möglichst alle drei Sparten erhalten bleiben.Überhaupt wird vieles erhalten: die Schloßfestspiele, der Stückemarkt ( auf Gegenwartsdramatik fokussiert), und auch vom alten Spielplan werden drei Stücke übernommen.

Aber im Stillen, ohne Riesenrummel, hat sich auch einiges geändert: Es gibt jetzt eine Öffentlichkeitsarbeiterin, das "Jugendtheater" soll mehr Autonomie erhalten, fast die Hälfte des Ensembles wird ausgewechselt, und es gibt weder einen festangestellten Regisseur noch einen Oberspielleiter. Mindestens fünf Regisseure treten in den ersten Produktionen zueinander in Konkurrenz. Diese tastende Unentschlossenheit, das Ausloten der Dinge hat Methode: Clauß will die "Handschriften" der Regisseure ausprobieren und dann über ein Konzept entscheiden. Der neue Spielplan jedenfalls weckt hohe Erwartungen: "Der Fliegende Holländer", "Warten auf Godot", "Baal" und vieles mehr. Mit einer Reihe etwas anderer Darbietungen, so einer Rimbaud-Nacht mit Rockband-Untermalung, sollen auch verstärkt jugendlich-frische Akzente gesetzt werden.

"Theater darf nicht altmodisch sein, es soll die Leute aufrütteln", lautet einer der Glaubenssätze des Mannes mit dem Walroßbart. Aber es klingt ein wenig leiernd, wie eine Pflichtübung. Politische Provokationen, ästhetische Revolution? "Neinnein, so auch wieder nicht", schreckt Clauß zurück, "ein gemischtes Programm auf hohem Niveau muß alle ansprechen - nicht nur Bildungsbürger oder Arbeiter oder Studenten." Das klingt nach Kontinuität, nicht nach Bruch. Doch es ist noch vorsichtig formuliert, Volkmar Clauß läßt noch Versuchsballons steigen. Die eigentliche Schlacht, soviel ist jetzt schon klar, wird nicht um künstlerische Akzente geschlagen, sondern um finanzielle. Die Verpflichtung durch die Stadt, jährlich 3% einzusparen, mit ein Grund für Stoltzenbergs Abgang, findet auch Clauß unrealistisch. Aber davon muß der Neue die Stadt erst mal überzeugen. (kw)


Mietspiegel für HD gefordert

Wie schon in vielen anderen Städten soll nun auch in Heidelberg ein Mietspiegel, also eine statistische Erhebung der durchschnittlichen Mieten in Abhängigkeit von Lage, Größe, Ausstattung etc., erstellt werden. Ein Mietspiegel dient einerseits als Beweismittel in Prozessen um Mietüberhöhungen (ab 20%) und Mietwucher (ab 50%), andererseits auch als Orientierungshilfe bei der Zimmersuche. Außerdem erhofft man sich einen drastischen Rückgang entsprechender Rechstreitigkeiten, weil Konflikte im Vorfeld anhand des Mietspiegels gelöst werden können. Für diese Erhebung liegen beim Studentenwerk bereits 10.000 DM bereit, die ein Gastronom, der Wuchermieten von Studenten verlangt hatte, als Bußgeld zahlen mußte.

Fraglich ist nun, ob der Gemeinderat ausreichend Geld zuschießen wird, um eine umfangreiche Erhebung, die ungefähr 350.000 DM (und jährlich ca. 150.000 zur Aktualisierung) kosten würde, zu ermöglichen. Die Entscheidung darüber soll am 4.12.1995 fallen. Über den Mieterverein läuft bereits eine Unterschriftensammlungen zur Unterstützung des Vorhabens. Vorgedruckte Postkarten und nähere Informationen gibt's auch in den FSK-Büros in der Lauerstr.1. (fw,lk)


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