Feuilleton


ruprecht on the record

Musiktips und Meinungen

ZAP:
ZAP

Was kommt heraus, wenn sich vier Schweizer Profi-Jazzer die Ohrwürmer aus der Glotze nehmen, um sie gnadenlos zu verjazzen? Eine CD, die zum Platzen witzig ist, ohne albern zu sein. Mit großem musikalischen und technischen Können verwurstet hier das Quartett um Hans Feigenwinter Melodien, die man kennt, ohne es zu wissen. Ob Tatort, Derrick, Dallas, Munsters, Monty Python's Flying Circus - es gibt kein Erbarmen! Dabei gehen die Musiker so intelligent und stilvoll vor, daß man abwechselnd andächtig lauscht und sich dann wieder vor Lachen den Bauch hält. (fw)

Sepultura:
Roots

Sepultura thronen über den Wolken, die Winde lagern schwarz um ihre Stirn, und Max Cavalera ist ein Baal, der Botschaften von Wut und Zerstörung auf das Weltgebäude herab-schreit.

Ihre Musik ist zwingend einfach. Das brasilianische Trash-Metal-Quartett Sepultura traktiert seine Instrumente mit großer Präzision und erzeugt ein nur ansatzweise melodisches Unisono von stählerner Härte. Anders als auf dem drei Jahre zurückliegenden Vorgänger, Chaos A.D., den die Gruppe mit Industrial-Elementen angereichert hatte, arbeiten Sepultura auf ihrem Musikalbum Roots, das Anfang dieses Jahres erschienen ist, mit überzeugend integrierten Versatzstücken der eingeborenen Kultur ihrer südamerikanischen Heimat.

Bei aller typischen Rohheit ist es nicht die dumpfe, die dekadente Faszination faschistischer Massenaufmärsche, die von dieser Musik ausgeht: Sie ist stark, aber nicht gewaltsam. Wenn sich der Klang auf mannigfaltige Weise zu statischem Donnern fügt, wenn der Vokalist Cavalera unüberhörlich bekundet: "I'll fight to save another day" oder "Suffering life makes us rise", dann gilt, was Hölderlin sagte: Ihre Kraft ist ihre Freude. (jpb)

Labelportrait:
Nexus Records

Öfter mal was Neues, dachten sich Thomas Rudorfer und Frank Buckel und gründeten im Januar 1996 in Tauberbischofsheim das Plattenlabel NEXUS-Records, von dem bereits vier überdurchschnittliche Veröffentlichungen vorliegen. Daß die Macher dabei mehr geplant haben als die Strategie "bum, bum und Geld macht schön", zeigt die Aufteilung von NEXUS in drei Sublabels, von denen jedes eine eigene Bandbreite elektronischer Dancemusic präsentiert. So stehen die bisher zwei Releases mit dem grünen Labellogo (NEXUS/ The next chapter) für den Stil Techno/Trance, produziert wurde hier von Frank Buckel.

Das Sublabel "NEXUS/ Kingdom of house" (Farbe rot) bringt uns die, wie der Name schon sagt, House-Musik näher, wobei hier bisher eine Platte erschienen ist, "Q-Tips", produziert von DJ SebBo, ebenfalls Harthouse, Karsten Erhard und wieder vom labeleigenen Frank Buckel. Mit dieser Maxi hat NEXUS bereits einen ersten Clubhit zu verbuchen. Der Videoclip zur Platte befindet sich gerade in Arbeit und dürfte bei Redaktionsschluß wohl abgeschlossen sein.

Aber auch die experimentelle Musik kommt bei NEXUS nicht zu kurz, auf dem gelben Sublabel "Experimetal" releaste Andy Jay Powl alias "Outerspace Boy" eine abgefahrene Elektroscheibe im Old-School-Stil. Der erste Schritt in die Labelwelt ist erfolgreich abgeschlossen, der nächste ist für Thomas, der sich als langjähriger DJ und Produzent (u.a. Les Bertas/ Nekropolis) im Geschäft auskennt, NEXUS-Records zu etablieren, wobei die bisherigen Veröffentlichungen im gutsortierten Fachhandel bundesweit erhältlich sind, aber auch schon in England erste Achtungserfolge erzielen konnten Das Interesse steigt, und die nächste Releaseserie erscheint Mitte Juni, die erste Label-Compilation ist als Doppel-CD für Ende des Sommers geplant, worauf mit Spannung gewartet werden darf. Einem dauerhaften Erfolg von NEXUS-Records dürfte beim Qualitätsstandard der bisherigen Platten eigentlich nichts im Wege stehen. Go on! (mk)

Fancy:
Colours of live

An Hits wie "Cheynese Eyes", "Bolero", "Latin Fire" und "Flames of love" aus den 80ern werden sich wohl nur die Bummel-Semester unter Euch entweder mit Entzücken oder Erschaudern erinnern. Jedenfalls, so finde ich, hat Fancy mal wieder ein schönes Album zum Abspannen und Schweben im "deep blue sky", so der Titel der aktuellen Maxi-CD, in die Läden (zumindest einige wenige davon) gebracht. Ebenso wie bei seinem 95er Album "Blue Planet Zikastar" verwendet er wieder herrliche Synthie-Sphärenklänge gemischt mit Disko-Rythmen und Schlagermelodien. Addiert ergibt das schöne Popsongs, die bessere Verkaufszahlen verdient hätten, als es zur Zeit der Fall ist. Aber das kann sich ja ändern.... Reinziehen sollte man sich unbedingt Titel wie "Road to Avalon", "Peace and harmony" und "Way of freedom". Störend wirken allerdings die Rap-Passagen bei "Money", trotzdem solltet ihr Euch den Genuß ausnahmsweise gönnen. (mj)

Various artists:
Dope on plastic

Bereits seit einiger Zeit kursiert in den Kreisen entspannter Menschen eine Serie dreier Doppel-LPs, die von John Stapelton für das Label React zusammengestellt wurden. React, bekannt für gelungene und gut sortierte Stil-Compilations, fahren hier die derzeit sehr beliebte Trip-Hop- und Low-Jazz-Schiene, langweilen aber durch hervorragende Trackauswahl nie. So finden sich neben einigen Hits auch diverse Klassiker aus dem hip-hop-orientierten, jungle-beeinflußten und bisweilen sehr jazzigen Stadl britischer Musikanten auf den drei Alben.

Sehr nett ist außerdem auch das Design der Serie, bei dem neben Bongs, Old-School-Sneakers und Elvissen mit Ziegenbärten eigentlich nichts aus der gutgestylten Kultur des Hang-Outs fehlt. Und das ganze gibt es auch noch in wirklich kultigem pink Vinyl. Jus' a lil' dope, man.

(mk)


Singender Brei

Bill Wattersons letztes Calvin & Hobbes-Album

Millionen Comicfans in der ganzen Welt trauern: Bill Watterson beendete Anfang des Jahres seine äußerst erfolgreiche Serie um einen vorlauten Jungen und dessen lebendigen Stofftiger: Calvin & Hobbes, der erfolgreichste Comicsstrip, erschien weltweit in über 2000 Tageszeitungen und erfreute nicht nur durch Calvins enervierende Art oder Hobbes subtilen Humor, sondern auch durch die philosophischen Diskussionen während waghalsiger Schlittenfahrten. Das nun endgültig letzte teilkolorierte Album - dies prophezeite Watterson - "There is treasure everywhere", rechnet ab mit Dinosauriern, Miss Wormwood und sonstigen Problemen des Lebens.

Hervorgehoben seien aber auch eine ausgezeichnete Hamletinterpretation von Calvins Frühstücksbrei und als besondere Gäste: zahlreiche Schneemänner, natürlich keine normalen, sondern wahre Geschöpfe des Irrsinns. Als einzigen Kritikpunkt muß man aber das völlige Fehlen von "stupendous man" erwähnen. (jr)


Unbekannter Ossi

Poetik-Dozentur der Stadt Heidelberg 1996: Volker Braun

Die Heidelberger Poetik-Dozentur ist inzwischen zu einem festen Begriff geworden. Die Einrichtung, geschaffen, um einem breiteren Publikum die Möglichkeit zu geben, eine(n) Autor(in) und dessen Werk so hautnah wie möglich zu erleben, geht bereits in ihr viertes Jahr. Die Dozentur wird von zwei Studierenden des Germanistischen Seminars vorbereitet und organisiert, in diesem Jahr sind dies Uta Becker und Ralf Bentz. Nach Martin Walser, Ulla Hahn und Dieter Kühn ist diesmal der in Sachsen geborene und lebende Autor Volker Braun für drei Wochen Gast in Heidelberg.

Braun, 1939 in Dresden geboren, ist Lyriker, Dramatiker und Prosaautor zugleich. Da er nach dem Abitur in der DDR zunächst keinen Studienplatz bekam, jobbte er von 1957 bis 1960 als Druckereiarbeiter, Tiefbauarbeiter und Maschinist für Tagebaugroßgeräte. 1960 begann er dann schließlich, in Leipzig Philosophie zu studieren (Diplom 1965). In den Jahren 1965/66 war Braun Dramaturg am Berliner Ensemble und ab 1983 Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Braun lebt heute als freier Schriftsteller in Berlin. Er erhielt unter anderem den Heinrich-Heine-Preis (1971), den Heinrich-Mann-Preis (1980), den Literaturpreis der freien Hansestadt Bremen (1986) und den Schiller-Gedächtnis-Preis (1992). Obwohl im Vergleich zu Autoren wie Heiner Müller oder Christa Wolf im Westen eher unbekannt, gilt Volker Braun doch als einer der bedeutendsten ostdeutschen Schriftsteller.

Seine Karriere begann der als umgänglicher und ruhiger Mensch geltende Autor mit Lyrik. Inzwischen konzentriert sich Braun vor allem auf seine Arbeit als Dramatiker, schreibt aber immer wieder auch Prosatexte. Braun gilt, anders als etwa Heiner Müller, der über seine Arrangements mit der Stasi stets nonchalant hinwegging, als überaus integer; außer als Objekt des MfS hatte er nie Kontakte mit der Mielke-Truppe, obwohl er immer Kritik an den Zuständen in der DDR übte, die seit den 80er Jahren immer schärfer wurde. In Brauns Verhältnis zum Sozialismus nach DDR-Manier lassen sich drei Phasen ausmachen: In den 60er Jahren herrschte in seinen Werken der Glaube an den Sozialismus vor. Erste Zweifel kamen dem Autor in den 70er Jahren, kritische Töne tauchten in seinen Texten auf, doch bleibt die Hoffnung auf Veränderung und Reformen. In den 80er Jahren schließlich erfolgte der Bruch des Schriftstellers mit der DDR; Braun wandte sich von nun an einer Art Geschichtsfatalismus zu. Die ideologische Desillusionierung schlug sich auch in den ästhetischen Formen nieder, die mehr ins Experimentelle gingen. Während der Wendezeit gehörte Braun (wie auch Christa Wolf) zu den Intellektuellen, die für einen "Dritten Weg" zwischen Sozialismus und Kapitalismus, für den Aufbau des "wahren Sozialismus" plädierten. Er unterschrieb 1989 den Aufruf "Für unser Land", in welchem eine Reform der DDR anstatt ihres Anschlusses an die Bundesrepublik gefordert wurde. Aus dieser Haltung resultiert Brauns seit 1990 zunehmende Kritik am Kapitalismus, die besonders die Problematik der Umweltzerstörung thematisiert.

Volker Braun wird sich insgesamt drei Wochen in Heidelberg aufhalten (20.-26. Mai; 3.-9. Juni; 17.-23. Juni). Den thematischen Schwerpunkt in dieser Zeit bildet das Hauptseminar über DDR-Literatur, das derzeit schon als Vorbereitungskurs stattfindet. Der Großteil der darin behandelten Texte ist von Volker Braun selbst oder von Heiner Müller. Das Seminar wird sich schwerpunktmäßig mit den Fragen nach der Antikenrezeption, der Bewertung der Aufklärung und der Moderne in der Literatur der DDR befassen.

Zum Auftakt der Poetik-Dozentur wird Volker Braun sich und sein Werk in einem Vortrag vorstellen (21. Mai, 19.30, NUni, HS 14). Am 23. Mai wird im Theater am Karlstorbahnhof Brauns Theaterstück "Böhmen am Meer" von Studierenden des Germanistischen Seminars aufgeführt. Das Stück erzählt von einem Tschechen, der einen Amerikaner und einen Russen zu sich einlädt, um ihre unterschiedlichen Ideologien aufeinanderprallen zu lassen. Einen weiteren Höhepunkt der Poetik-Dozentur bildet die Podiumsdiskussion Brauns mit Friedrich Dieckmann, Thomas Hettche und Brigitte Burmeister in der Stadtbücherei, die sehr kontrovers zu werden verspricht (5. Juni, 19.30; Moderation: Manon Andreas-Grisebach): Titel: "Schreiben nach der Wende". Lesungen in Buchhandlungen, Diskussionen mit Volkshochschulkursteilnehmern und SchülerInnen ergänzen das Programm. Am 20. Juni wird Braun einen Abschlußvortrag halten mit dem Titel "Das Ende der Unvollendeten Geschichte" (19.30, NUni, HS 14). Das Werk mit dem gleichnamigen Titel wurde 1977 von Braun veröffentlicht und erzählt von der (authentischen) Liebe eines jungen Mädchens zu einem Außenseiter der DDR-Gesellschaft. Braun schrieb seine Geschichte damals nach Interviews mit dem Mädchen, das in der Erzählung als Opfer der DDR-Gesellschaft gezeigt wird. Doch die Einsicht in Stasi-Akten habe, so Braun, inzwischen ganz neue Aspekte geschaffen, was auf einen spannenden Vortrag hoffen läßt. Zu der Erzählung gibt es auch einen Fernsehfilm ("Der Verdacht", 1994), zu dem Ulrich Plenzdorf das Drehbuch geschrieben hat.

Das komplette Programm der Poetik-Dozentur 1996 ist am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg erhältlich (Hauptstraße 207-209), oder auch bei städtischen Stellen. Weitere Informationen erteilen Ralf Bentz und Uta Becker unter 06221/543205. (kw)


Peinlicher Zwischenfall

Tschechows "Möwe" am Heidelberger Stadttheater

Eine "Komödie" in vier Akten untertitelte Tschechow seine im Jahre 1896 uraufgeführte "Möwe". Ganze Theatergenerationen haben sich mit der Interpretation dieser programmatisch anmutenden Anweisung abgemüht. Schließlich löst sich die Handlung der "Möwe" nicht in Wohlgefallen auf, sondern endet mit dem Selbstmord des jungen Schriftstellers Treplew. Seit dem 6. April 1996 wird die Geschichte des lustigen Suizids am Heidelberger Stadttheater gespielt.

Thomas Brasch, der 1945 in Yorkshire geborene Theaterautor, hat Tschechows Theaterwerk vor nunmehr rund zehn Jahren ins Deutsche übersetzt. Dabei hat er das Werk in nicht unwesentlichen Punkten bearbeitet. Wenn auch Braschs Übersetzung in der Regel für ihren rüden Wortschatz - typisch z. B. die Übertragung von "Kulak" als "Bauernbonzen" - kritisiert wird, so offenbart die Heidelberger Inszenierung von Guido Huonder die tieferen Schwächen dieser deutschen Bearbeitung.

Tschechow wählte als Handlungsschauplatz den Hof des russischen Gutsbesitzers Sorin. Seine schauspielernde Schwester, Arkadina, verbringt mit ihrem schriftstellernden Liebhaber Trigorin die Sommer auf Sorins Anwesen. Der Sohn der Arkadina, Treplew, versucht sich mit neuer Theaterkunst, um später seinen Weg als Schriftsteller zu suchen. Die junge Nina, die von Treplew geliebt und von Trigorin als Anschauungsobjekt in Sachen Liebe genutzt wird, zieht es ebenfalls zur Schauspielkunst.

Diese Konstellation verleitet dazu, das ganze Stück als Allegorie auf das Theater oder das schöpferische Schreiben allgemein zu verstehen. Diese Konzeption der "Möwe" scheint auch Huonder vor Augen zu haben. Die Selbstthematisierung des Theaters: Auf dem Vorhang zum Zuschauerraum ist ein zweiter aufgemalt. Die ersten zwei Sitzreihen sind mit Laken drapiert, vor Vorstellungsbeginn und in der Pause sitzt dort ein das Publikum repräsentierender Zuschauer.

Auf der Bühne eine zweite Bühne. Im ersten Akt hat sie Treplew auf dem Landsitz für sein lächerlich-tragisches Theaterstück aufbauen lassen. Diese Bühne bleibt nun entgegen Tschechows Regieanweisungen auch in den folgenden Akten zentral für das Bühnenbild (Gerd Herr). Der benachbarte See, an dem Treplews Stück gespielt wird, wird mit wenig subtilem Gestus als Zuschauerraum gedeutet. Trigorin wird wenig später darin nach Zuschauererfolgen angeln.

Alle Charaktere werden auf einen Kern reduziert, die Arkadina (Christine Häussler) auf die herzlose Mutter, Trigorin (Roland S. Blezinger) auf den schwatzenden Lüstling, der Landarzt Dorn (Hannsjörg Schuster) auf den ungehemmten Zyniker. Schauspielerei auf der Bühne im Bühnenbild, eingerahmt vom Theater im Theater.

Das alles wäre schön und gut, wenn es sich nur durchhalten ließe. Nicht nur macht jedoch das unsichere Ensemble den Eindruck, die Vorgaben der Regie nicht ganz verinnerlicht zu haben. Auch Huonder selbst scheint seinen allegorischen Einsichten in den Tschechow-Text nicht ganz getraut zu haben.

Die ersten drei Akte sind von Bühne und See geprägt, im vierten Akt lösen schwere Vorhänge den Eindruck der Weite ab. Der Schlußdialog zwischen Nina und Treplew läßt so zum ersten Mal auch die psychologische Enge Tschechowscher Charaktere spüren. Das seelenlose Nebeneinander der Figuren aus den vorherigen Akten kann er jedoch nicht vergessen machen.

Der Selbstmord Treplews, der im Original eine bedrückende Leere hinterläßt, wird von Brasch mit einer Ergänzung versehen: "Was ist denn jetzt los... Das Problem ist doch längst geklärt. Weder Komödie noch Tragödie, ein Zwischenfall." Diesen Wortlaut sucht man in der russischen Originalversion vergeblich. Die Möwe, einst von Treplew (aus Liebe!) für Nina geschossen und inzwischen ausgestopft in den Wohnzimmerschrank gewandert, kann sich über eine solch perfide Deutung nur wundern.

Die Reduktion des Stückes auf Selbstreflexion des Theaters um jeden Preis bekommt dem vielschichtigen Dramatiker Tschechow schlecht. Die Schauspieler wirken ziellos zwischen der menschlichen Verlorenheit der Tschechowschen Charaktere und den theoretischen Exkursen der Inszenierung. Schade um die Bühne, die Möwe, den See. Ein herber Mißerfolg für das Stadttheater, den das Publikum auf der Premiere mit peinlich kurzem Beifall quittierte. (tb)


Showbiz-Voyeur?

Christian McLaughlins Roman Soap

Wer einen Fernseher besitzt, stolpert täglich über amerikanische Soap-Operas mit Leben und Intrigen ihrer Helden. Gerade diese Kulturgattung fand in der Prosa bisher kaum Beachtung. Doch zu Monatsbeginn erschien Soap, das Debütwerk des Amerikaners Christian McLaughlin (Knaur-Verlag). Er erzählt darin die Geschichte des jungen, gutaussehenden Texaners Alexander Young, der durch die Hollywood-Seifenoper "Hearts Crossing" zum Schwarm aller Frauen aufsteigt, nach einem unfreiwilligen Outing als Homosexueller an Popularität verliert, von Schwulenverbänden wie von konservativen Kreisen angegriffen wird und schließlich von der Produktionsfirma der Serie fallengelassen wird.

Dem potentiellen Käufer wird das Buch auf der Rückseite als "bissiger Roman über das Hollywood hinter den glitzy (!) Kulissen" angepriesen - McLaughlin kennt sich als Drehbuchautor in der "Szene" schließlich aus -, doch die Erwartungen, die der Verlag beim Leser weckt, werden insgesamt enttäuscht. Beim Lesen gewinnt man den Eindruck, daß ihm die schwule Liebesgeschichte zwischen Alex und seinem Angebeteten wichtiger war (auffällig dabei McLaughlins "Liebe" zum Detail, z.B. "Alex... darf ich dich bitte in den Mund ficken?") als die Einblicke ins Hollywood-Treiben, die oberflächlich bleiben und jedem bereits bekannt sind. Zudem bietet der Roman kaum Spannung. Daß Alex seine Serienrolle verlieren wird, ist jedem schon zig Seite vorher klar, und auch das Liebes-Happy End à la Hollywood ist vorprogrammiert. (mab)


ruprecht goes to the movies

Filmtips - und vor allem Meinungen

(in Klammern die Anzahl der ruprechte)

ruprechts Notenskala:
- nicht empfehlenswert
* mäßig
** ordentlich
*** empfehlenswert
**** begeisternd

Dead Man Walking (4)

Man kann nur miteinstimmen in den allgemeinen Jubel: Dead Man Walking ist einer der besten Filme, der in letzter Zeit ins Kino kam.
Nicht nur Susan Sarandon spielt ihre Rolle als Nonne unwahrscheinlich überzeugend (wofür sie den Oscar erhielt); auch Sean Penn schafft es, den schwierigen Charakter des Schwerverbrechers meisterhaft dar-zustellen: sein pervertiertes Verständ-nis von Gerechtigkeit, seine triste Jugend, sein grauenvolles Verbrechen, doch auch seine Menschlichkeit. Und damit zeigt der Film die Spannbreite des Problems der Todesstrafe: Daß die Würde des Menschen größer ist als jedes seiner Verbrechen - oder auch nicht.

Der dritte Frühling (-)

Eine Horrorvision des Alters.
Eigentlich sollte es ja eine Komödie sein, aber wer das witzig findet, muß mindestens Alzheimer haben: Zwei alte Männer streiten sich und angeln, eine Italienerin ist rassig und zeigt Busen, eine Ehefrau ist eifersüchtig und gießt Blumen, ein Greis verliebt sich, und eine Blondine wird heiraten; selten so gelacht. Wirklich romantisch hingegen der Sternen-himmel mit Vollmond überm See und einer Unmenge Kometen; er träumt und sie träumt. Ja, ja, auch unsere Alten haben Gefühle und können sich noch küssen - trotz dritter Ehe und Zähne.

Teufel in blau (3)

Der Film erzählt die Geschichte des schwarzen Maschinisten Easy Rawlins, der auf der verzweifelten Suche nach einem Job in einen handfesten Politikskandal hineinstolpert. Ein komplizierter Handlungsstrang führt den unfreiwilligen Privatdetektiv auf der Suche nach der untergetauchten Verlobten eines Politikers quer durch das rassistische L.A. der späten 40er Jahre.
Dabei schwankt der Film zwischen harter Realität, eiskaltem Humor und stereotypen Klischees: Mörder werden durch verlorene Zigarettenschachteln entlarvt, schwache Frauen von starken Männern gerettet. Man bekommt den Eindruck, daß sich Produzent und Regiesseur nicht so recht einig waren, was sie eigentlich wollten: eine Satire auf die knallharte Männerwelt der Privatdedektive, den ersten schwarzen Phillip Marlow, oder ernstgemeinte Kritik am alltäglichen Rassismus? So bleibt der Film zwar immer unterhaltsam, hinterläßt aber viele Fragezeichen..

Die Piratenbraut (3)

Jaja, die lieben Verwandten... Nicht genug damit, daß die Morgans mit ihren Piratenzügen die friedliebenden Engländer daran hindern, ihre karibischen Kolonien in Ruhe auszuplündern, nein, sie müssen sich auch noch gegenseitig die Köpfe einschlagen. Dabei geht es, unentbehrliches Piratenfilmattribut, um einen GOLDSCHATZ, welchem die drei Gebrüder Harry, Mordechai und Doc auf ihren für Piratenschiffe erstaunlich adretten Wasserfahrzeugen hinterhersegeln. Harry und Mordechai fallen leider schon sehr früh einer List Docs zum Opfer und damit für den Rest des Films aus. Aber die Nichte Harrys (Geena Davis) spielt rachsüchtiges kleines Mädchen und macht Doc als "Piratenbraut" das Leben schwer. Dabei hilft ihr ein fließend Latein parlierender Glücksritter (Matthew Modine), den sie als Dreingabe zum Schatz am Ende auch noch behalten darf.

Renny Harlins "Abenteuer-Märchen" (weil "Piratenfilm" so nach verfaultem Schießpulver riecht, gell?) befriedigt sicher alle Fans der Sparte Piratenfilm, auch wenn das Drehbuch streckenweise etwas durchhängt und manche Gags so flach sind wie ein Korallenriff in der Karibik. Dafür gibt's Schätze, Degen, Pistolen, Augenklappen, Totenkopfflaggen und traumhafte Meer-Felsen-Brandungs-Aufnahmen en masse, sogar eine klasse Seeschlacht mit Kanonen und Entermanöver. Bestimmt keine epochemachende Produktion, aber prunkvoll und sogar recht authentisch ausgestattet. Ich jedenfalls l i e b e Piraten!


...und wir geh'n ins Uni-Kino

Programm von "Kino im Feld" und "Movie"

Ihr wolltet gerade ins Kino, habt aber soeben das riesige Finanzloch in Eurem Portemonnaie entdeckt; gerade noch läppische drei Mark fünfzig. Da es mit dem Handeln an den ufa-Kino-Kassen ziemlich schlecht bestellt ist, bleibt Euch nichts anderes, als zu Hause mit Thomas Gottschalk zu verschimmeln? Falsch! Es gibt ja das Uni-Kino, das auf finanzschwache Studikonten zugeschnitten ist.

Kino im Feld (INF 684)

9.5. (20 h) - Manhattan + Stardust Memory -
16.5. - Leolo
23.5. - Wer die Nachtigall stört
30.5. - Die Brücke
5.6. - Kleine Haie
13.6. - Daheim sterben die Leut'
20.6. - Yasemin
27.6. - Apollo 13
4.7. - Sister Act
11.7. - Asterix erobert Rom + Wallace and Grommit

"Movie" (in der Altstadt, Neue Uni, Hörsaal 13)

17.4. - Der erste Ritter
24.4. - Ed Wood
30.4. (Die.) -Stumme Zeugin
8.5. - Das Netz
15.5. - Stadtgespräch
22.5. - Mrs. Doubtfire
29.5. - Philadelphia
5.6. - Pulp Fiction
12.6. - Nine Months
18.+19.6. - Cannes Rolle 95
26.6. - Sieben
3.7. - Keiner liebt mich
10.7. - Rocky Horror Picture Show


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