ruprecht Nr. 44 in kleinen Häppchen


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Nicht jeder kann wegschauen

Behinderte an der Uni wollen nicht länger übersehen werden

Die Hand greift ins Leere. Suchend tastet Michael die Theke nach dem Kaffee ab, den er bestellt hat. Er stößt auf ein Hindernis, doch es ist ein Saftglas. Als er sich weiter nach links tastet und seinen Kaffe schließlich gefunden hat, merkt er, wie die Person neben ihm das Glas wegnimmt und mit schnellen Schritten verschwindet. "Dies ärgert mich dann doch: wenn die Leute denken, ich sehe sie ja eh nicht und dann einfach weglaufen oder daneben stehen, statt mir zu helfen."

Michael ist blind. Mit 12 Jahren begann seine Sehkraft nachzulassen, bis er mit 17 schließlich völlig erblindet war. Jetzt studiert er an der Uni Heidelberg Soziologie und Psychologie. "Aber eigentlich habe ich mit meinen Kommilitonen keine Probleme. Ich fühle mich voll angenommen, was zu einen großen Teil sicherlich daran liegt, daß ich auf andere zugehe und auch keine Scheu habe, um Hilfe zu bitten." Und seine Fächerkombination scheint ein Übriges dazu zu tun: Wer Psychologie studiert, befaßt sich professionell mit den Problemen anderer Menschen und erlernt, sich in die Lage anderer zu versetzen und zu helfen. Auch die Soziologen scheinen sozialer zu sein als beispielsweise die Übersetzer oder Juristen. "Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Wer zurückhaltender ist, hat als Blinder noch wesentlich mehr Probleme, Kontakte zu knüpfen, als Sehende; und an anderen Instituten soll die Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft auch nicht so groß sein..."

Liane studiert im dritten Semester Jura. Die anfangs ungewohnte Umgebung und von der Familie getrennt zu sein, war für sie kein so großes Problem, da sie schon während der Schulzeit auf einem Internat für Blinde war. "Schwieriger für mich war die Umstellung, daß hier eben nicht alles auf meine Bedürfnisse zugeschnitten war und viel unüberschaubarer ist. Im Hörsaal saßen 200 Leute, und ich war die einzige, die nicht sehen konnte." Doch andererseits lerne man so, Eigeninitiative zu entwickeln; sagt sie, und geht in die Küche, um für sich und ihre Gäste einen Tee zu kochen. "Man kann ja nicht sein Leben lang auf der Blindenschule bleiben." Im ersten Semester herrschte auch noch eine große Solidarität untereinander: alle waren neu und mußten sich an die Uni gewöhnen.

Alle Behinderten können für die ersten drei Monate an der Uni außerdem einen Tutor - zumeist einen HiWi -bekommen, der bei alltäglichen Dingen zur Hand geht und die Eingewöhnung erleichtern soll. Daß man im ersten Semester nicht aus dem Tritt kommt und somit gleich entmutigt wird, ist ganz wichtig. Wenn das Studium dann schließlich doch etwas länger dauert, ist das nicht so tragisch. Nach nun drei Semestern spricht Liane jedoch kaum noch einer von denen an, mit denen sie früher mal einen Kaffe trinken ging. Warum das so ist, kann sie sich auch nicht recht erklären. "Vielleicht war ich für einige einfach interessant, und andere fürchten, sich mit mir Arbeit aufzuhalsen. Eine Blinde kann man halt gut übersehen..."

Damit Studierende wie Michael und Liane nicht mehr so häufig übersehen werden, hat Michael zusammen mit sechs KommillitonInnen im Juli dieses Jahres eine Interessengemeinschaft blinder und sehbehinderter Studierender (IBSS) gegründet. Sie hoffen, gemeinsam besser auf ihre Probleme aufmerksam machen und an der Uni mehr durchsetzen zu können als einzeln. "Ich habe immer gehofft, daß die Behinderten sich mal zusammentun", erzählt Eckard Behrens, Behindertenbeauftragter der Uni Heidelberg, voller Enthusiasmus. "Zusammen kann man einfach mehr bewirken. Wenn ich zur Verwaltung gehe und sage: 'Da ist ein Rollstuhlfahrer, der würde gerne eine Rampe am Institut haben,' dann klingt das wenig eindrucksvoll. Wenn aber eine ganze Gruppe dahinter steht, sind die Chancen viel größer, daß da wirklich was passiert." Vor drei Jahren taten sich die Hörbebinderten zusammen und erreichten, daß einige Hörsäle mit Spezialmikrophonen und Infrarotempfängern ausgestattet wurden, die ihnen das problemlose Folgen einer Vorlesung ermöglichen. "Und wenn es jetzt einen alten Professor mal wieder in den Hörsaal zieht, dann profitiert er auch davon. Die haben sich damals stark dafür eingesetzt..."

222 behinderte Studierende hat Behrens in seinen Unterlagen derzeit registriert. "Doch nur ein Teil der Betroffenen gibt bei der Immatrikulation die Behinderung an; besonders, wenn sie erst vor kurzem aufgetreten ist, haben viele damit Probleme." Und tatsächlich: Geht man von 3,7 % aus, die laut Sozialerhebung des DSW behindert sind, kommt man auf die stattliche Zahl von 1084. Zählt man noch die chronisch Kranken hinzu, die auch in Behrens' Aufgabenbereich fallen, springt die Zahl auf 5301. Möglichst frühzeitig beim Beauftragten melden, rät er. In der Regel tun das die Betroffenen auch, doch es kam schon vor, daß ein Dozent bei ihm anruft und verzweifelt fragt: "Wir schreiben gerade eine Klausur, und ich habe hier einen Blinden. Was mache ich mit dem?" Doch ansonsten gibt es kaum Probleme mit Prüfungen. Wenn Michael eine Klausur schreibt, sitzt er mit seinem Laptop in einem Nebenzimmer und bekommt die Fragen vorgelesen. Fast jeder Blinde hat heute zu Hause eine Braille-Zeile, eine Art Keyboard, das die Schrift auf dem Bildschirm in Blindenschrift übersetzt. Könnte man die schriftlichen Klausuren nicht einfach zu mündlichen machen? "Nein, ich finde es besser, wenn ich die Klausur unter möglichst normalen Bedingungen schreiben kann. Sonst heißt es dann womöglich: Ja, Du hattest es ja auch viel einfacher!"

Ein wunder Punkt bei vielen Behinderten. Sie wollen keine Vergünstigungen, die schnell als Mitleid ausgelegt werden. Daß die Beziehung zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten oft problematisch ist, liegt zum einen an der Unsicherheit Nicht-Behinderter, die den Umgang mit Behinderten nicht gewöhnt sind. "Statt jedoch einfach wegzusehen, sollen sie ruhig dumm fragen, ob sie helfen können." Ein Gespräch aufzubauen, eine Brücke zu schlagen, ist wichtig. Doch die Initiative muß vom Behinderten ausgehen, betont auch Behrens. "Er allein weiß, wann und wie ihm geholfen werden kann. Er muß den aktiven Part in der Beziehung übernehmen."

Margarita, ohne Beine geboren und seit ihrer Kindheit Rollstuhlfahrerin, hat damit überhaupt keine Probleme. Wenn sie vor einer Treppe steht, spricht sie einfach ein paar Passanten an und sagt ihnen, wo sie anpacken müssen. Und schätzt sie jemanden als zu schwach ein, verbietet sie ihm geradeheraus, sie die Treppe hochzutragen. Doch nicht jeder hat diese ungezwungene Art und besitzt soviel Selbstvertrauen wie sie. Was macht sie denn so in ihrer Freizeit? "Ich sammle Freunde." Ein Problem allerdings, gegen das sie ständig ankämpft, ist, daß sie oft nur über ihre Behinderung und nicht als Mensch wahrgenommen wird. Auf Fotos möchte sie deshalb nur ab dem Oberkörper abgebildet werden. "Und wenn ich mal traurig bin, denken alle, das liegt daran, daß ich keine Beine habe und verstehen nicht, daß ich genauso Kummer haben kann wie jeder andere auch."

Mit ihren Mitbewohnern in der WG im Neuenheimer Feld kommt sie gut zurecht. Schade findet sie nur, daß sie als Rollstuhlfahrerin den Hintereingang benutzen muß, weil das Erdgeschoß nicht ebenerdig ist und der Haupteingang über Treppen führt. Deshalb hat sie kaum Möglichkeiten, an der Tür Kommilitonen zu treffen; und wenn sie mit Freunden kommt, muß sie als einzige durch die Hintertür. "Verschiedene Eingänge können Menschen stärker trennen als fehlende Beine."

Warum ist der Rollstuhleingang denn nicht vorne? Renate Homfeld-Gutenkunst, Leiterin der Wohnraumverwaltung des Studentenwerks, erklärt: "Das Haus wurde in den 80er Jahren erbaut, und da achtete man noch nicht so sehr auf diese Dinge. Die heutigen Wohnheime sind alle rollstuhlgerecht." Zehn behindertengerechte Wohnheimplätze gibt es in Heidelberg. Wenn irgendwo renoviert wird, werden Rampen eingebaut und Blindenschrift angebracht. Für einen Umbau des Wohnheims INF 523 reicht allerdings das Geld nicht. "Bisher haben wir aber noch jeden unterbringen können", betont Homfeld-Gutenkunst. Das Geld fehlt überall: Im Studihaus gab es zwar von Anfang an einen Schacht für einen Aufzug, doch es dauerte fünf Jahre, bis der endlich eingebaut wurde; DM 60.000 sind nicht so schnell aufzubringen.

Nicht nur am Geld, sondern auch an der Bürokratie scheitern so einige gute Vorsätze. Im URZ steht seit mehreren Jahren eine Braille-Zeile, deren Anschaffung damals immerhin DM 70.000 verschlungen hat. Da Blinde jedoch schwer mikroskopieren oder chemische Versuche durchführen können, studiert niemand von ihnen im Neuenheimer Feld. So steht das Gerät dort ungenutzt als Staubfänger herum. "Ich habe schon länger versucht, die Braille-Zeile in die Altstadt zu holen", bestätigt Behrens deren Nutzlosigkeit im URZ. "Aber es gab immer Probleme mit der Zuständigkeit; und inzwischen überlegen wir, ob wir nicht ein neues Gerät für die UB kaufen." Liane ist froh, daß sie einen Wohnheimplatz in der Altstadt gefunden hat und die Wege zur Uni zu Fuß bewältigen kann. Nur in der Friedrich-Ebert-Anlage fehlt eine Blindenampel, sodaß sie ohne "ihren" Zivi nicht alleine zum Juristischen Seminar kommt. Er hilft ihr auch beim Tippen von Hausarbeiten und geht mir ihr in die Mensa. Doch in ihren Möglichkeiten begrenzt fühlt sie sich überhaupt nicht. "Ich wäre gern für ein Jahr nach England gegangen...", sagt sie ein wenig wehmütig; auf ihrem Nachttisch steht ein handsignierte Foto von Margret Thatcher, die sie bewundert. Wegen der neuen BAföG-Regelung, nach der jedes Auslandssemester auf die Förderungshöchstdauer angerechnet wird, kann sie sich dies jedoch nicht mehr leisten. Denn daß sie ein bißchen länger brauchen wird als der Durchschnitt, ist bei dem enormen Zeitaufwand wegen ihrer Behinderung schon fast vorherzusagen. Wie sieht sie die Zukunft ihres Studiums? "Ich schaffe das!" (khp/gz)


MiB - Tod auf Raten?

"Magister in den Beruf" blickt in eine unsichere Zukunft

Die Einschränkungen an der Uni nehmen kein Ende, der Rektor rechnet mit 20 Millionen DM, die 1997 eingespart werden müssen. Zieht man feste Kosten wie Mieten, Gehälter etc. vom Gesamtbudget der Uni ab, so macht dies fast die Hälfte der zur Verfügung stehenden manövrierfähigen Geldmenge aus. Der Rotstift bedroht nun auch die Existenz eines erfolgreichen Projektes: MiB wird das Ende des Jahres vielleicht nicht überleben.

Die Initiative "Magister in den Beruf" wurde 1992 gegründet und wendet sich an alle Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften. Ziel ist es, Geisteswissenschaftlern den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Praktikumsvermittlung, Ausbildungsprogramm und Seminare sollen zu einer breiteren Qualifikation führen und so der oft beklagten Theorielastigkeit der Studierenden begegnen. Es ist zweifelsfrei ein großer Verdienst der Initiative, Berührungsängste und Fehleinschätzungen von seiten der Wirtschaft als auch der Studierendenschaft abgebaut zu haben.

Der Zulauf, den MiB erfährt, gibt dem Anliegen der Initiative recht. Rund 280 Praktikumsplätze konnten im Laufe der Jahre persönlich vermittelt werden, doch ist die tatsächliche Zahl wohl weit höher, da sich etliche Studis mit Unterstützung von MiB auf Firmenbörsen oder durch eigene Bewerbungen selbst vermitteln konnten. Für die Mitarbeiter von MiB ist es daher umso schmerzlicher, daß die Zukunft der Initiative äußerst schwarz aussieht. Das gesamte Programm muß im kommenden Jahr radikal gekürzt, wenn nicht sogar völlig gekappt werden.

Ursprünglich wurden die zwei Stellen der Initiative als ABM-Stellen zu gleichen Teilen von Uni und Land bezahlt, ab 1993 wurden beide Stellen von der Uni übernommen. Seit September 1996 arbeiten die Mitarbeiter von MiB bereits unter erschwerten Bedingungen, da die freigewordene zweite Stelle nicht wieder besetzt wurde und sich so Frau Maurer und Frau Oswald eine Stelle teilen müssen. Doch die Finanznot der Uni wächst und die Uni kann die 200.000 Mark, die MiB jährlich etwa kostet, nicht mehr aufbringen. Geldanfragen beim Ministerium wurden abgelehnt. In zwei Verwaltungssitzungen soll bis Ende des Jahres über das Schicksal von MiB entschieden werden.

Die Uni, die an der Weiterführung des Projektes interessiert ist, plant eine Art Notprogramm: die Initiative soll ausschließlich durch studentische Hiwis (oder aber durch eine halbtags-ABM-Stelle und Hiwis ) fortgesetzt werden, das Arbeitsamt, mit dem bereits eng kooperiert wird, soll das Semesterprogramm übernehmen, einzelne Aktionen eingeschränkt werden und die Praktikumsvermittlung über ein reine Computer-Vermittlung ablaufen.

Politische Kurzsichtigkeit aber und falsche Prioritäten führen dazu, daß Universitäten in ganz Deutschland auf unerträgliche Weise finanziell ausbluten. Eine Initiative wie "Magister in den Beruf", die Wirtschaft und Universität verbindet, hätte gerade in Zeiten schlechter Arbeitsmarktlage ihre Berechtigung. (lk)


Endlich da: die Grausamkeiten

Ein paar wehren sich noch dagegen

Die Zeiten werden härter, auch und vor allem für die Universitäten und ihre Insassen. Zogen die studentischen Massen noch vor zwei Jahren durch die Straßen, um mehr Geld für die Hochschulen zu fordern, eine bessere Ausstattung zu erzwingen, so geht es mittlerweile fast nur noch darum, den kärglichen Status quo zu erhalten.

Die Demonstrationen, Happenings, Podiumsdiskussionen und Flugblattfluten, die in diesen Wochen die Hochschulen in Baden-Württemberg erschüttern sollen, werden also der Abwehr von Schlimmerem, kaum noch der Forderung nach Verbesserung dienen. Und verschlimmern wird sich einiges, für Studierenden und auch für den Rest der Universitäten. Die ersten Habenichtse werden in diesem Semester Zinsen für ihr BAföG zahlen, wenn sie die - nach vielen Studienplänen gar nicht zu schaffende - neuen Regelstudienzeiten nicht einhalten; ab dem Sommer werden wohl die ersten baden-württembergischen "Langszeitstudierenden" mit 1000 Mark Strafgebühren belegt, und jeder zahlt - wie schon in Berlin - 100 Mark zusätzliche sogenannte "Immatrikulationsgebühren". Sprachkurse in Heidelberg kosten künftig 100 Mark. Selbst die Mensa verteuert sich - unter anderem wegen sinkender Landeszuschüsse - stärker als in früheren Jahren. Dafür müssen Studierende künftig auch Sozial- und Rentenabgaben für ihre Nebenjobs zahlen. Kürzungen von zig Millionen im Etat der Universitäten werden Wirklichkeit. Die Studierendenvertretungen haben für diese Woche landesweit zu Protesten aufgerufen; auch in Heidelberg wollen sich die Studierenden bemerkbar machen.

(hn/jb/mj) Siehe auch: Salamitaktik der Grausamkeiten


Grüner Trend

Messe in der Stadthalle

Das Geld für den Sommerurlaub reichte nur bis zum St. Leoner Baggersee? Wer immer noch voller Neid auf Tante Claras Shanghai-Dias schielt, der sollte am Wochenende das exotische Flair bei einer Rikschafahrt durch die Heidelberger Altstadt nachholen. Bei der "Messe für Umwelt, Gesundheit und Zukunft" vom 1. bis 3. 11. in der Stadthalle wird jedoch mehr als Rikschafahren geboten.
Auf der "Trend", wie ihre Veranstalter Heuer und Wolf die Messe genannt haben, kann man sich nicht nur über umweltverträgliche Produkte informieren, sondern sie auch kaufen. Von Schuhen über Naturkost bis zum Einfamilienhaus bekommt man alles, was man heut' so braucht. 110 Aussteller, davon 20 nicht-gewerbliche, wie Initiativen und Verbände, stellen ihre Produkte oder Ideen vor.

Eine der Hauptattraktionen der Ausstellung dürfte das Vortrags- und Tagungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem BUND sein, bei dem ruhig mitdiskutiert werden darf. An den drei Tagen wird schwerpunktmäßig über neue Methoden im Agrar- und Bauwesen und die Zukunft Heidelbergs debattiert, daneben gibt der BUND einen Rückblick über seine 20jährige Arbeit in der Region. Wer sich weniger für kostengünstige Niedrigenergiehaus-Bauweise interessiert und auch bei ökologischen und sozialverträglichen Geldanlagen vorerst noch abwinken muß, kommt vielleicht bei der Natur-Modenschau auf seine Kosten: dreimal täglich führen Balettanzschüler und -schülerinnen eine choreographisch ausgeklügelte Show in Wolle, Hanf und Leinen vor, die jegliche Assoziationen an Jute-Taschen im Keim erstickt. Auch die eher bodenständigen Charaktere dürften mit gesunder Kost, die die Öko-Äpfel in der Mensa erblassen läßt, zufriedengestellt sein, und wenn zum Abschluß noch ein insektizidfreier, aber trotzdem vegetarischer edler Tropfen zur Weinprobe lädt, haben sich die DM 6,50 ermäßigter Eintritt allerspätestens bezahlt gemacht.

"Im Gegensatz zu manch anderer 'Öko'-Messe, auf der man schon mal Asbest-Hersteller antrifft, lassen wir nur wirklich umweltfreundliche Aussteller zu," betont Annette Heuer, Organisatorin der "Trend". Wenn die Ausstellung, die die erste dieser Art überhaupt in Heidelberg ist, genügend Besucher und Besucherinnen anzieht - 10.000 Personen sind anvisiert -, dann soll sie zukünftig jährlich stattfinden. red.


Ey!

Jetzt ist es also raus: 86% sind dagegen. Aber mal ehrlich, wir Deutschen sind nicht negativ, nur ein kleines bißchen konservativ. Die Rechtschreibung zu ändern, das wäre ebenso fatal wie die Einführung von 0,4l als einer Halben. Schließlich haben wir ein Recht auf unsere Schreibung. Schon Enzensberger nannte Rechtschreibbürokraten Sesselfurzer. Und der schlimmste war zweifellos Konrad Duden. Der wollte nämlich schon vor gut 100 Jahren das Vieh zum Fi machen, nach der jetztigen Reform würde man sagen, daß das schwer behindert ist. Doch zur Sache: Ein Lendenschurz gebührt der Regelung für Adjektive, ansonsten erbricht man sich vor Scham über die neuen Genitalien der Rechtschreibung: das Goldene Zeitalter ist fürderhin nur noch golden, während unser Schäferhund nicht nur seiner Körpermaße wegen weiterhin ein Deutscher Schäferhund sein wird. Die Sesselfurzer werden jetzt meckern, das seien völlig willkürlich herausgepickte Auffälligkeiten. Ich aber meine, daß der Fehler schon viel weiter zurückliegt, als allgemein angenommen. Das Urgestein deutscher Politik, das auch noch regieren wird, wenn es in Deutschland gar keine Hochschulen mehr geben wird, wurde nämlich nicht nach seiner Richtlinien gebenden, kompetenten Meinung gefragt. Wie anders ist es zu erklären, daß Geschichte nicht endlich so geschrieben wird, wie ER es spricht: Gechichte, da wäre dann auch das griechische chi inklusive, und die ganzen intellektuellen Meckerkröten hätten ihren Bildungsluxus. Oder die verflixte Großschreibung, das wird doch auch nicht übersichtlicher. Warum also künftig außer Gott und dem Kohl und dem Heiligen Geist nicht alles klein? wegen mir könnte man den Satzanfang noch mit großbuchstaben schreiben, aber auch da könnte mätre Kohl noch vorbild sein, also am satzanfang ein N. Ndas sähe gut aus, und es entspräche der modernen forderung nach einheitlichkeit.

Letztlich werden wir uns wohl mit dem neuen bild der sprache abfinden müssen. Und wie bei so vielem kommt es doch nur auf die richtige werbung an. Was man braucht sind griffige beispiele. Zum beispiel bei der ss- und ß- regelung, wie wär's denn mit: die scheiße bleibt, der stuss kommt! Oder ist dieser satz verräterisch programmatisch? (papa)


Meinung


ruprecht-Interview

"In der SPD wurde ich nicht akzeptiert"

PDS-Vize Angela Marquardt über ihr Leben, Gesellschaft und Politik

Angela Marquardt wurde am 3.9.1971 in Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern) geboren, durchlief eine "typische DDR-Kindheit - Kindergarten, Schule, Junge Pioniere, FDJ” und trat 1988 einer evangelischen StudentInnengruppe bei, nicht aus religiöser Überzeugung, sondern der politischen Diskussion wegen. Organisierte 1989 Demos mit dem Neuen Forum in Greifswald und war quasi Gründungsmitglied der Ost-SPD Vorläuferin SDP, zog sich bald dort wieder zurück und war in der Antifa sowie Jugendpolitik und Hausbesetzer-Szene aktiv. 1991 kam sie schließlich zur PDS, wurde ein Jahr später in Berlin beim PDS-Bundesvorstand eingestellt und 1995 zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Nebenher studiert sie im 4. Semester Politologie.

ruprecht: Läßt sich dein Studium eigentlich mit Deinem Arbeitspensum als PDS-Vize vereinbaren?

Marquardt: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es geht. Aber ich würde auch lügen wenn ich sagen würde, es geht nicht. Ein richtig disziplinierter Mensch, der früh und brav um sieben Uhr aufsteht und zur Uni geht, wird das sicher toll miteinander vereinbaren können. Da ich aber in solchen Fragen recht disziplinlos bin, ist es schon schwierig. Wenn man so ein Amt hat, muß man dieses und jenes noch machen.

Im Moment studiere ich zwei Tage pro Woche, dies ganz konkret in den Seminaren. Bei anderen Veranstaltungen wird das schon schwieriger, da mache ich viel mit anderen Leuten zusammen, die davon Ahnung haben. Eigentlich würde ich es eher als Teilzeitstudium betrachten, auch wenn es als Vollstudium gilt.

ruprecht: Hast du noch Zukunftspläne oder Träume, die du verwirklichen möchtest?

Marquardt: Rein beruflich hoffe ich, daß ich irgendwann mein Studium schaffe. Politisch wünsche ich mir, daß die Dinge, für die ich mich einsetze, sich irgendwann erfüllen. Seien es auch nur kleine Schritte. Ich hoffe, daß der Sozialismus irgendwann Einzug nimmt, hofft natürlich jeder. Andererseits bin ich mir auch der Probleme bewußt, daß es heute nicht mehr zu machen ist, in Deutschland Sozialismus zu haben und um uns herum nur Kapitalismus.

ruprecht: Hast du eigentlich Probleme mit deiner Popularität, seitdem du in den Medien auftauchst?

Marquardt: Also anfänglich ist man natürlich schon stolz. Andererseits führt es natürlich auch zu Problemen, wenn man privat unterwegs ist und angesprochen wird, was denn die PDS macht, und manchmal hochtheoretische Fragen gestellt bekommt, die man z. B. beim Spaziergang im Tierpark gar nicht beantworten möchte. Manchmal werde ich auch angepöbelt, weshalb ich mich oft schon nicht mehr alleine draußen bewege. Wenn doch, nur mit meiner Baseball-Mütze, damit mich keiner erkennt. Man hat durch Popularität die Möglichkeit, auf Dinge aufmerksam zu machen. Andererseits hat es den Nachteil, was die Entprivatisierung des persönlichen Lebens betrifft. Aber ich habe mir zum Motto gemacht, daß bestimmte Dinge mir gehören. In der BRAVO wird es keinen Fortsetzungsroman 'Meine heimliche Liebe' von mir geben.

ruprecht: Du bist in der Wendezeit früh zur PDS gekommen. Was hat Dich dazu bewegt? Was hat die PDS, was SPD oder Grüne nicht haben?

Marquardt: Man muß dazu sagen, daß die Situation im Osten noch anders ist als im Westen. Die Strukturen der SPD und der Grünen gibt es so nicht wie in Westdeutschland. CDU kam für mich nie in Frage, aus der Bürgerbewegung komme ich selber, und mein Problem in der SDP war, daß ich dort überhaupt nicht akzeptiert wurde wegen meines Alters, und wenn ich anfing, Fragen zu stellen, hieß es immer, wir machen erst einmal die deutsche Einheit und dann können wir immer noch über Probleme reden. Das war der Punkt, wo ich mich aus der SDP bzw. SPD und der Parteipolitik zurückzog, weil ich merkte, wie 'ernst' man mit jungen Leuten da umging. Bei der PDS hat man Leute unterstützt, z.B. bei der Schaffung eines Jugendhauses. Die sind damals einfach in das besetzte Haus mit einem Kasten Bier gekommen und haben gesagt, laßt uns noch mal darüber reden. Man muß sicher nicht mit einem Kasten Bier kommen, aber es war Gesprächsbereitschaft da. Die habe ich bei der PDS angetroffen. Man kann bei ihr Aktionismus und theoretische Debatten vereinbaren. Das hat mich letztlich dazu geführt, daß ich mir sagte, wenn ich schon so viel mit der PDS zu tun habe, kann ich auch konsequent sein und eintreten, um zu zeigen, daß da auch junge Leute sind, die für sie eintreten.

ruprecht: Beim 4. Parteitag im letzten Jahr hast du gesagt, "bei einer Regierungsbeteiligung der PDS ist das Projekt linke Sammlungsbewegung gestorben". Heißt das in der Konsequenz, daß du die Partei dann verlassen würdest?

Marquardt: In dieser Absolutheit kann ich das natürlich nicht sagen, weil ich nicht in die Zukunft sehen kann. Es kommt darauf an, unter welchen Bedingungen die PDS in eine Regierungsbeteiligung geht. Aber unter den jetzigen Bedingungen finde ich schon, daß die PDS ihren Projektcharakter verlieren würde, weil sie sich in eine Situation hineinbegeben würde, die nicht durch gesellschaftliche Mehrheiten gesichert ist. Damit meine ich die außerparlamentarischen Bewegungen, die im Moment nicht gerade in großer Vielzahl herumlaufen; und Parlamente sind für mich Ausdruck der gesellschaftlichen Situation, und die ist für meine Begriffe nicht so, daß die PDS so viele Mehrheiten hinter sich hat, um bestimmte Dinge in einer Regierung durchzusetzen. Ob ich nun austreten würde, kann ich nicht sagen, weil ich nicht weiß, ob und wann eine Regierungsbeteiligung kommt, vielleicht kommt sie erst in 10 Jahren, und ob ich dann noch austreten muß, weiß ich nicht.

ruprecht: Wäre eine Tolerierung wie in Sachsen-Anhalt eine Alternative?

Marquardt: In der jetzigen Situation ist sie eine Alternative. Die PDS hat dort zwei wichtige Dinge erreicht, wie ich finde: Zum einen der Abbau des Verfassungsschutzes und zum anderen die Erhöhung der Finanzen innerhalb der Kommunen.

ruprecht: Woran könnte es liegen, daß die PDS im Osten eine Volkspartei mit 20 bis 30 % in den Umfragen ist und in den Altbundesländern bisher nur kleine Gruppen bestehen?

Marquardt: Erst einmal liegt es daran, daß sie aus dem Osten und aus der staatstragenden Partei SED kommt. Die Strukturen und die Verankerung sind trotz der Vergangenheit ganz anders als in den Westländern, in denen sie eine Basispartei ist, die erst einmal ihre Strukturen aufbauen muß. Es liegt natürlich auch daran, daß die Vorurteile im Westen ganz andere sind als im Osten. Im Westen hassen alle die Kommunisten, während im Osten eher die SED-Vergangenheit diskutiert wird. Außerdem darf man nicht vergessen, man kann über die Grünen denken, was man will, aber sie sind im Westen noch ein Mobilisierungspotential für alternative Kräfte, was die PDS im Westen noch nicht darstellt.

ruprecht: Kritiker sagen, die PDS habe sich nicht genügend von ihrer SED-Vergangenheit gelöst. Wie stehst Du dazu?

Marquardt: Die PDS steht auf jeden Fall in der Verantwortung, über ihre Vergangenheit, die Vergangenheit ihrer Mitglieder und über Sozialismus zu reden. Ich denke jedoch nicht, daß die PDS ausschließlicher Adressat für Geschichtsdiskussionen sein sollte. Es gibt viele andere Leute, die heute nicht in der PDS sind, die Funktionen in der DDR hatten und genausoviel beitragen mußten wie die PDS. Ich denke, wenn heute eine Partei über Geschichte diskutiert, dann ist es die PDS. Ich habe trotzdem auch meine Kritik, denn Vergangenheit macht sich nicht nur an der Diskussion über Vergangenheit fest. Auch der Politikstil, der in der SED gepflegt wurde, macht sich heute ganz konkret am Politikstil der PDS fest. Also: inwieweit ist jemand bereit, über ein gläsernes Rathaus zu reden oder Demokratie und Basisdiskussion zuzulassen. An ihrem heutigen Politikstil ist die PDS auch letztlich zu messen.

ruprecht: Denkst du, die PDS hat da noch einiges nachzuholen?

Marquardt: Nachholen und überwinden kann man nicht einfach so aufwiegen. In der SED wäre es sicher nicht möglich gewesen, daß die Jungen GenossInnen so in ihren Strukturen verankert gewesen wären, wie sie es jetzt sind. In der SED gab es eine eindeutige Zuteilung, wo junge Leute hingehören und wo nicht. Das ist zum Beispiel etwas, woran sich Erneuerung festmacht. Wenn ich andererseits manche PDS-Bürgermeister sehe, die Floskeln wie 'wir sind für das Volk da' verwenden - das erinnert natürlich ganz fatal an den Politikstil von früher.

Deswegen kann man nur sagen, es gibt Fortschritte, die sich am Programm, am Statut und einfach an der Politik der PDS festmachen; und es gibt auch Dinge, die an die Vergangenheit erinnern, die man nicht wegdiskutieren sollte.

ruprecht: In Berlin existiert eine Einschreibegebühr von 100 DM für Studis, in Baden-Württemberg soll sie im kommenden Sommersemester auch eingeführt werden. Viele Studis in Berlin boykottierten sie und wehrten sich gegen die Sparbeschlüsse der großen Koalition. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Marquardt: Es gab ein großes Sozialbündnis, das sich dagegen gewehrt hat. Die Klage von Studi-Vertretern, die gegen die Gebühren eingereicht wurde, ist leider nicht durchgegangen. Ich glaube, es waren immerhin 22.000 Menschen, die sich den Studiengebühren verweigert haben. Ich kann nur dazu aufrufen, sich mehr zu beteiligen, es fehlt ja nicht an Initiativen, sondern letztlich an der Beteiligung. Viele bezahlen lieber die 100 Mark, als aus dem Studienprozess herauszufallen. Dem Druck, der da ausgeübt wird, kann man am ehesten durch Masse etwas entgegensetzten. Ich vermisse generell bei vielen Studierenden die Bereitschaft, etwas zu tun. Solange eine Basis fehlt, wird sich nichts ändern. Es lohnt sich immer, etwas zu tun. Zumindest der Versuch sollte nicht im Keim durch Pessimismus erstickt werden.

ruprecht: Im neuen Vefassungsschutzbericht von Baden-Württemberg heißt es, der AG Junge GenossInnen mangele es an "Distanz gegenüber politisch motivierter Gewalt". Ist da was dran, oder ist es ein Vorurteil?

Marquardt: Irgend jemand hat mir mal gesagt, daß man stolz sein soll, wenn man im Verfassungsschutzbericht steht. Also wenn man sich die Papiere der Jungen GenossInnen ansieht, so entbehrt gerade der Vorwurf der Gewaltverherrlichung jeder Grundlage. Natürlich haben die J. G. auch über Militanz diskutiert. Ich denke, daß man dies auch niemanden verwehren kann. Der Verfassungsschutz sollte im Prinzip froh sein, daß die J. G. offen darüber diskutieren. Wir haben einen Kongreß dazu gemacht mit Beteiligung der Medien und darüber auch mit Abgeordneten der PDS diskutiert. Wir beteiligen uns an Aktionen wie Zugblockade und Antifa-Demos, dazu stehen wir auch. Aber es gibt seitens der Jungen GenossInnen keine Aufforderung zur Gewalt. Und so etwas wird es in den Papieren der J. G. auch in Zukunft nicht geben.

ruprecht: In der Diskussion ist ein Verbot des Rauchens. Wie stehst du persönlich dazu, und was fordert die PDS allgemein zum Thema Drogen?

Marquardt: Ich selber rauche nur abends und in Streßsituationen und denke schon, daß von Seiten der Raucher/innen Rücksicht gegenüber Nichtrauchenden genommen werden sollte, in Kneipen finde ich ein Rauchverbot allerdings blöd, und ich halte die Diskussion für sinnlos. Was das Thema Drogen allgemein betrifft, ist die PDS in einem ziemlichen Diskussionsprozess, weil Drogen in der DDR eine ganz andere Rolle gespielt haben als in der BRD. Konsens in der PDS ist erst einmal die Legalisierung von weichen Drogen, aber Grundlage für die Legalisierung ist erst einmal die ausreichende Schaffung von bedarfsorientierten Therapieplätzen. Es muß zudem zu einer Entkriminalisierung aller Drogen kommen. Das ist der Stand in der Diskussion.

Bei den harten Drogen gibt es die Leute, die für die Legalisierung aller Drogen sind und diejenigen, die nur die weichen legalisieren wollen. Dieses Thema wird die PDS noch eine Weile beschäftigen.

ruprecht: Hat sich die "Westtour" gelohnt? Würdest Du das wieder machen?

Marquardt: Ich glaube schon, daß sich das gelohnt hat. Gerade um die PDS im Westen besser kennenzulernen. Es wäre eine Grundlage für jeden, mal so eine Westtour zu machen, um überhaupt über PDS im Westen zu diskutieren. Ich halte es für wichtig, und es macht Spaß. Ich würde es wieder machen. (mj)


Hochschule


Salamitaktik der Grausamkeiten

Kürzungen, Sparmaßnahmen, Verschärfungen - kleine Aufmerksamkeiten von Bund und Land

Der Verteilungskampf, der in öffentlichen und privaten Sektoren in Deutschland gleichermaßen entbrannt ist, trifft nun auch die Universitäten mit voller Wucht. Es geht nicht mehr - wie noch vor wenigen Jahren - darum, die Hochschulen besser auszustatten, mehr Leuten aus sozial schwachen Schichten das Studium zu ermöglichen oder alle Forschungsbereiche besser zu fördern.

Noch sind zwar Studiengebühren - 1000 Mark, jedes Semester, für alle - noch nicht beschlossen - aber ein Anfang ist mit "Immatrikulationsgebühren" und mit Strafzöllen für Langzeitstudierende bereits gemacht. Und Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Klaus von Trotha - noch vor kurzen angeblich ein Gegner von allgemeinen Studiengebühren - gab bereits zu erkennen, daß diese schon 1998 höchstwahrscheinlich anstehen. Derweil dürfen sich Studierende und der Rest der Universitäten aber vieler kleinerer Aufmerksamkeiten erfreuen, die wir für Euch an dieser Stelle einmal zusammengefaßt haben:

Bundesweit

Seit dem ersten Oktober ist die Rentenversicherungspflicht für Studierende eingeführt worden. Wer mehr als 2 Monate im Jahr über 590 DM verdient oder mehr als 15 Stunden pro Woche jobben geht , muß 9,6% des Erwerbseinkommens abführen. Den gleichen Betrag zahlt der Arbeitgeber. Ausnahme sind kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse, die maximal auf 2 Monate à 5 Tage pro Woche im Jahr beschränkt sind. Studentische Jobber sind damit für Arbeitgeber natürlich nicht mehr so attraktiv: Es wird noch schwerer, eine Anstellung als Ausgleich für das karge BAföG zu finden, die Löhne werden tendenziell sinken. Also mehr arbeiten und nicht so zügig studieren. Also Strafgebühren für Langzeitstudierende zahlen. Und damit noch länger jobben, noch länger studieren ... Übergangsweise bleiben Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1.10 96 bestanden haben, weiterhin versicherungsfrei. Begründet wird die neue Versicherungspflicht damit, daß Schul- und Studienzeiten nur noch 3 und nicht mehr wie bisher 7 Jahre auf die Rentenansprüche angerechnet werden. Zum Ausgleich muß dann eben der Nebenjob die Rentenbeiträge bringen. Ausländische Studierende, die ihre Beiträge im Alter nicht mehr einfordern werden, sind dabei natürlich die Gelackmeierten.

Gleichzeitig wird das BAföG teurer und knapper - es stirbt nach mehreren Verschlechterungen ohnehin einen langsamen Tod. Die BAföG-Sätze wurden auch Jahre nach der letzten Steigerung kaum erhöht - bei steigenden Lebenshaltungskosten also eine Minusrunde. Die Förderungshöchstdauer ist in allen Fächern so verkürzt worden, daß ein Studium in dieser Zeit gar nicht möglich ist. Danach entfällt der Zuschuß und jeder, der darüberhinaus Ausbildungs"förderung" will, muß bei der "deutschen Ausgleichsbank" Anträge stellen und vor allem marktübliche Zinsen dafür zahlen. Auslandssemester verlängern die Förderung nicht mehr, obwohl Scheine aus der Fremde an deutschen Hochschulen nur schwer anerkannt werden.Auch Krankheit oder Mitarbeit in universitären Gremien zählen auch nicht mehr.

In Baden-Württemberg

Ab Sommersemester 1997 muß jede/r Studierende eine Einschreibegebühr in Höhe von 100 DM zahlen; zusammen mit den 49 DM Sozialbeitrag und den 20 Mark für das Studi-Ticket sind das also schon 169 DM pro Semester. Die 100 DM gehen direkt in den Landeshaushalt und ist nicht an zusätzliche Leistungen für die Studierende gebunden.

Die zweite Maßnahme, den Boden für allgemeine Studiengebühren zu bereiten, sind die "Bildungsguthaben", die von der neuen CDU/FDP-Koalition vereinbart und im Frühjahr 1997 im Landtag verabschiedet werden sollen: Jede/r Studierende bekommt ein sog. "Bildungsguthaben” für die Dauer von 13 Semestern ( 8 Halbjahre "Regelstudienzeit” + 1 Prüfungssemester + 4 "Toleranzsemester"), mit dem er an einer Hochschule im Land studieren kann. Danach muß er für jedes weitere Semester 1000 DM Studiengebühren zahlen. Es zählen übrigens alle Semester, in denen man eingeschrieben war. Ein Zweitstudium wird also von Anfang an teuer.

Wer zahlt, hat aber auch ein Recht darauf, schärfer kontrolliert zu werden. Der neue Koalitionsvertrag sieht für alle Studierende zu jedem 2. Semester Leistungsnachweise in Form von Klausuren, Scheinen vor. Während dieser Vorschlag noch nicht in einen Gesetzesvorschlag gegossen worden ist, ist die "Hochschuleingangsprüfung" schon fast beschlossen: Die soll den Universitäten, die sich in Zukunft 40% der Immatrikulanten in beschränkten Studiengängen selbst aussuchen werden, bei der Auswahl helfen, unabhängig von Abiturnote und Wartezeit.

Hier in Heidelberg

Der Beschluß des "Landessparpakets" und die damit verbundenen Kürzungen der Gelder des Wissenschaftsministeriums wirken sich natürlich auch direkt auf den Haushalt der Uni Heidelberg aus. So rechnet das Rektorat mit Kürzungen von mehr als 20 Millionen Mark im Jahr 1997. Daraus resultierende radikale Sparmaßnahmen werden in erster Linie die universitären Gelder für studentische Hilfskräfte und Investitionen betreffen. Aller Voraussicht nach werden 1997 die Mittel in diesem Bereich um ein Viertel bis ein Drittel gekürzt. Bücheranschaffungen, Neubauten, Gerätekauf - alles wird davon betroffen sein. Studentische Hilfskräfte und die von ihnen geleistete Arbeit trifft es gleich doppelt: Es steht weniger Geld für ihre Bezahlung zur Verfügung und sie werden auch noch teurer, denn auch für die meisten von ihnen muß die Universität demnächst Sozialabgaben zahlen (siehe oben).

Außerdem führt die landesweite Stellenbesetzungssperre dazu, daß im nächsten Jahr keine der freien und freiwerdenden Stellen in Forschung und Lehre wieder besetzt werden dürfen. Die Universität hat alle Berufungslisten gestoppt. Die ohnehin schon miserable Personalsituation an der Uni Heidelberg wird sich also weiter verschlechtern.

Auch das Zentrale Sprachlabor (ZSL) der Uni ist von den Sparmaßnahmen der Landesregierung betroffen. Ende des Jahres läuft ein Sonderprogramm aus, durch das bisher vier Lehrstellen am ZSL finanziert werden konnten. Ohne diese Gelder hätte die Mehrzahl der bislang kostenlos angebotenen Sprachkurse gestrichen werden müssen. Auf Vorschlag des Rektors wurde stattdessen eine alternative Finanzierung eingeführt: seit Beginn dieses Semesters müssen Student(inn)en pro Sprachkurs und Semester ein Entgelt von 100 DM entrichten. BAfög-Empfänger(innen) und bedürftige ausländische Studierende zahlen die Hälfte. Nur wer laut Prüfungsordnung seines Faches notwendigerweise eine zweite moderne Fremdsprache beherrschen muß und diese nicht in der Oberstufe gelernt hat, kommt um die Gebühr herum. Möglich gemacht wurden diese Neuregelungen durch einen Erlaß der Landesregierung, der außerdem auch die Berechnung von Gebühren für den Besuch von Lehrveranstaltungen außerhalb des regulären Studienplans erlaubt. Ob das Rektorat auch diese Chance zum Geldeintreiben wahrnehmen wird, bleibt wohl abzuwarten. Zumindest für Zusatzqualifikationen wie Fremdsprachenkenntnisse, denen heute bei der Jobsuche bekanntlich eine Schlüsselfunktion zukommt, müssen Studierende jetzt einen nicht unwesentlichen Eigenbeitrag leisten. Dieser scheint jedoch nur wenige abzuschrecken: auch dieses Semester übersteigen die Bewerberzahlen die vorhandenen Plätze am ZSL bei weitem.

Daß die Mensa und die Caféterien teurer geworden sind, haben wohl alle mitbekommen. Das Studentenwerk begründet die Preiserhöhung um etwa 10% damit, daß teurere "Komponenten" wie Pommes wesentlich größeren Absatz finden als etwa die Suppen (was ja auch verständlich ist). Aber demnächst werden auch 40 Pfennig Landeszuschüsse für die Mensen gekürzt - dann steht zwangsläufig eine neue Preisrunde in den Kantinen an. Die höheren Preise in den Caféterien, die das Studentenwerk jetzt verlangt, lassen sich - bei bisher guten Gewinnen in den Einrichtungen - noch nicht erklären. Kaffee bleibt Kaffee.

Sparmaßnahme jagt Sparmaßnahme, Gebühr folgt auf Gebühr. Daß die Leidtragenden nicht mehr nur die Studierenden, sondern mit den Mittelbeschränkungen auch andere Hochschulmitglieder sind, macht die Sache nicht erträglicher, auch wenn die Studierenden sich jetzt auch der heimlichen oder offenen Unterstützung des Rektors erfreuen können, wenn sie auf die Straßen gehen - zumindest, wenn es gegen Mittelkürzungen und nicht gegen Studiengebühren geht.

Die Salamitaktik in Bund und Land droht die Hochschulen Schritt für Schritt verkommen zu lassen und am Ende, das läßt sich heute schon absehen, werden Studiengebühren nicht die Finanzen der Universitäten retten, sondern einfach weitere Kürzungen möglich machen. (jb/mj/hn)

Demonstrationen, Diskussionen, Happenings

Aktionswoche

Die baden-württembergischen Studierendenvertretungen haben für den 28.-31. Oktober zu einer Aktionswoche gegen die Spar- und Reglementierungsmaßnahmen aufgerufen - hier sind die Veranstaltungen, die die Fachschaftskonferenz in Heidelberg durchführt:

Montag bis Donnerstag:

jeweils 11 bis 15 Uhr: "Soziales Netz" vor den Mensen im Neuenheimer Feld und am Uniplatz

Dienstag

11.30-14 Uhr: "Bildungsgutscheinbörse" vor den Mensen

15.30-17 Uhr: "SponsorInnensuche" vor der Sparkasse am Uniplatz

Mittwoch

16 Uhr: "Wischen für Wissen" an der Zoologie, INF 230

Donnerstag

19 Uhr: Podiumsdiskussion zu Studiengebühren in der Heuscheuer, Hörsaal 1; Vertreter der Parteien wurden eingeladen oder haben sich eingeladen.

Hochschultag:

8. November, 9.30-18 Uhr, Erziehungswissenschaftliches Seminar, Akademiestr. 3: Unter dem Motto "Reformieren: Ja - Reglementieren: Nein" veranstaltet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ihren diesjährigen Hochschultag. In Referaten, Arbeitsgruppen und einem Podiumsgespräch sollen sich ReferentInnen und TeilnehmerInnen mit dem Thema Studienreform und mit Möglichkeiten von deren Weiterentwicklung auseinandersetzen. Auch die neuen gesetzlichen Instrumentarien - Studiendekan, Studienkommission, Lehrbericht, Freischuß - werden unter die Lupe genommen.


Jahresfeier der Universität

Minister verteidigt sich, Rektor beschwert sich

"Die Liste der geplanten Grausamkeiten oder der planlosen Dummheiten, mit denen die Politik die Hochschulen quält und ärgert, wird lang und länger." (FAZ vom 21.10.96) Daran änderte auch die Eloquenz eines Wissenschaftsministers Klaus von Trotha nichts: Zwar hielt er sich auf der Jahresfeier der Universität am vorvergangegen Samstag zugute, das Schlimmste im Kampf mit den anderen Ressorts im Lande verhindert zu haben. Rektor Peter aber sah sich angesichts der Entwicklungen zu einem "Bericht zur Lage der Universität" genötigt. Wesentlich Neues erfuhren Eingeweihte nicht, aber wer es immer noch nicht glauben wollte, hatte es nun amtlich: die Universitäten sind im Grunde pleite. Man solle - so der Rektor - sich ein Beispiel an Bremen und Saarbrücken nehmen, dort hätten Demonstrationen zu einer teilweisen Rücknahme der Sparbeschlüsse geführt.Daß die Heidelberger ProfessorInnen nun auf die Straße gehen werden, ist dennoch unwahrscheinlich - schon die studentischen Demonstrationen der letzten Semester haben viel zu wenige Betroffene auf die Straße gelockt. Und die Studierenden werden sich schwertun, mit einem Rektor zu demonstrieren, dem sie die jetzt anstehenden Studiengebühren mit zu verdanken haben.

Nach all den tristen Nachrichten entführte - zum Glück für die versammelten Gäste der Jahresfeier - der Kunsthistoriker Peter Riedl die Zuhörer noch in einem Vortrag durch die letzten Jahrhunderte der Kunstgeschichte. Danach gab es Käsestangen und den üblichen Small-talk. Nett. (khp)


Hilfe!

Angehenden LehrerInnen bekommen sie am 5.November, 19 Uhr, in der Neuen Uni, Hörsaal 9. Dort gibt es eine Informationsveranstaltung für neue Lehramtsstudierende, organisiert von der GEW-Studierendengruppe und dem Arbeitskreis Lehramt der FSK. Schlaue Leute aus Fachschaften, Oberschulamt, GEW, ZSW, EWS usw. usw. geben Tips zum Studium, den Anforderungen und den Berufsperspektiven. Wer nicht kann, holt sich den "Lehramtsreader" im Zentralen Fachschaftsbüro, Lauerstr. 1 oder im EWS, Akademiestr. 3).


Real-Idealistin

Neue Frauenbeauftragte: A. Kämmerer

Ihren Stuhl in der Brunnengasse, gleich hinter der Psychologie, hat sie kaum angewärmt. Doch der Kopf ist schon voller Pläne und einer wilden Entschlossenheit, an der Uni etwas zu bewirken. Seit genau einem Monat ist Annette Kämmerer, Akademische Rätin am Psychologischen Institut, Frauenbeauftragte der Universität Heidelberg. Am 3. September wurde sie mit klarer Mehrheit vom Senat gewählt, ebenso wie ihre Stellvertreterin Ingrid Essigmann-Capesius vom Botanischen Institut.

Wer bei der Frauenbeauftragten lila Shirt und Latzhose erwartet, wird enttäuscht. Auf den ersten Blick paßt sie eher in die Abteilung "Karrierefrau, jung, dynamisch und flexibel", Idealkandidatin für den Job mit Aufstiegschancen bei Siemens. Sportlicher Kurzhaarschnitt und lässig elegante Kleidung. Doch wenn sie spricht, kommt ganz schnell die Psychologin durch. Aber eine, die weiß, was sie will - und nicht nur davon redet.

Was für Aufgaben hat sie sich für ihre Arbeit vorgenommen, welche Ziele gesteckt? "Eines der vorrangigsten Dinge, die ich angehen will, ist es, die Frauenforschung sichtbarer zu machen", erklärt sie und führt verschiedene Stationen auf diesem Wege an, z. B. die Frauentage und das Herbstsymposium. Brav berichtet sie über die geplanten Veranstaltungen in diesem Semester, doch als die sozial-psychologische Komponente ins Gespräch kommt, kann sie ihre wahre Vorliebe nicht mehr verbergen. "In einer Institution, an deren Spitze fast nur Männer stehen, werden freiwerdende Posten meist gleich an Männer weitergegeben, da man sich ja untereinander kennt. Die Chancen für eine Frau, in diesen Kreis einzubrechen, sind gleich Null." Diesem "Old-Boys'-Network" möchte sie ein "Old-Girls'-Network" entgegenstellen. "Dazu bin ich wild entschlossen!" überzeugt sie sofort jeden Gesprächspartner von ihrer Absicht, doch sie ist wiederum zu sehr Realistin, als daß sie Wunder erwartet. "Ich hoffe auf das Gesetz der Zeit und das Gesetz der großen Zahl", lenkt sie selbst ein und schaltet einen Gang herunter. "Denn daß Frauen genauso behandelt werden wie Männer, ist in der Wissenschaft leider nicht der Fall."

Auch wenn sie erzählt, daß sie von dem - nicht vorhandenen - Engagement der Studentinnen enttäuscht ist, klingt das doch eher wie ein Kampfaufruf und keinesfalls nach Resignation. Zu der von ihr einberufenen Fakultäts-Frauenvollversammlung im letzten Wintersemester kamen von 1786 Studentinnen ganze 13. "Ich glaube, viele Frauen müssen erst einmal aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt werden. Solange die alten Geschlechterrollen noch bestehen, können wir hier Frauenförderung bis zum Tag X machen." Mit konkreten Vorhaben ist sie deshalb auch zurückhaltend, weil dies "unheimlich viel Idealismus verlangt".

Der fehlende Idealismus scheint aber weniger ihr Problem zu sein als das fehlende Geld. Da der im Mai schließlich durchgesetzte Frauenförderplan die Einschränkung enthält, daß die Personalmittel für die geplanten Habilitandinnen-Stellen zur Verfügung gestellt werden, soweit keine drastischen Haushaltskürzungen vorgenommen werden - was aber genau jetzt eingetreten ist -, sind damit auch die Stellen weg. "Jetzt fängt man natürlich schon an nachzudenken, ob die kostenneutrale Poollösung nicht doch die bessere gewesen wäre. Aber hinterher ist man immer schlauer." Dem Rektorat kann sie den Geldmangel jedoch nicht anlasten: "Mir werden die Mittel genauso verweigert wie sie der gesamten Universität verweigert werden."

Sie ist zwar nicht mit dem Ziel angetreten, "die Welt zu verbessern" - was sie sich damals noch von ihrem Psychologiestudium erhoffte -, doch die Uni zu verbessern, wäre ja auch schon was. Daß dies nicht so leicht ist, ist ihr zwar vollkommen bewußt; doch, versuchen kann man es ja mal, oder? (gz)


Die Aussichten: Heiter bis wolkig

Den Traumjob zu erhalten, ist schwierig geworden - aber nicht unmöglich

Was sagt ein arbeitsloser Akademiker zu seinem ehemaligen Studienkollegen, der Arbeit bekommen hat? "Einen Big Mäc, bitte!"- dieser Witz existiert wohl für so ziemlich jeden Studiengang außer für die Philosophen, die ja bekanntlich lieber Taxi fahren. Aber Scherz beiseite - die Berufsaussichten sind nicht gerade rosig für den akademischen Nachwuchs. Sie allerdings als aussichtslos zu bezeichnen, wäre übertrieben. Mit möglichst genauen Zukunftsvorstellungen und Bereitschaft zur Eigeninitiative hat man schon mal den größten Teil der Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt im Griff. ruprecht erklärt, wieso.

Daß die Berufsaussichten für Akademiker so schlecht sind, liegt an der unstetigen Entwicklung der Studienanfängerzahlen Mitte der 80er/Anfang der 90er Jahre. Als Nachwirkung ist das heute an ausgeprägten Spitzen in den Absolventenzahlen zu bemerken, das Schlagwort "Akademikerschwemme" ist streng genommen also falsch. Richtiger wäre es, von mehreren "Akademikerwellen" zu sprechen.

Man darf allerdings nicht unterschlagen, daß bei allem Unmut über die Arbeitsmarktsituation für Nachwuchsakademiker die Situation auf dem Gesamtarbeitsmarkt sehr viel ernster ist. Zum Vergleich: 1993 lag die Gesamtarbeitslosenquote in der BRD bei 8,1% während sie bei Universitätsabsolventen bei 3,9, bei FH-Absolventen sogar nur bei 3,6% lag.

Wenn man dann noch die Tatsache hinzuzieht, daß z.B. das durchschnittliche Einkommen eines Akademikers (4200DM) mehr als doppelt so hoch als das eines Erwerbstätigen ohne Abschluß (1960 DM) und auch deutlich höher als das einer Fachkraft (2284 DM) lag, dann braucht man sich gar nicht darüber wundern, daß die Entscheidung Ausbildung oder Studium immer öfter zugunsten des Studiums fällt. So stieg der Akademisierungsgrad aller Erwerbstätigen zwischen 1976 und 1993 von 7% auf 12%, die Zahl der Erwerbstätigen mit abgeschlossener Universitäts- oder Fachhochschulausbildung verdoppelte sich im gleichen Zeitraum. Mit solchen Wachstumszahlen wird der Arbeitsmarkt auf Dauer aber kaum Schritt halten können, auch wenn man neue Studiengänge und Arbeitsplätze in neuen Technologien und Fachbereichen mit in die Rechnung einbezieht, denn im Gegensatz zu den etablierten Studiengängen ist die demographische Entwicklung hier äußerst ungünstig, die Stellen sind von jungen Arbeitnehmern besetzt und durch Doktorarbeiten und ähnliches befinden sich zusätzliche Bewerber "in der Warteschleife".

Es ist also Eigeninitiative gefragt, will man im Rennen um einen guten Arbeitsplatz nicht den Anschluß verlieren. Dabei sind wichtige Punkte zu beachten:

Eine kurze Studiendauer und ein guter Abschluß haben wohl schon so manchem Berufswunsch den Weg geebnet. Abgesehen davon, daß ersteres für viele immer schwieriger wird angesichts der Bonner Hochschulpolitik, ist dies aber nicht das wichtigste Kriterium.

Die wichtigste Beobachtung ergibt sich unter anderem aus einer Untersuchung des Instituts für deutsche Wirtschaft. 86% der befragten Unternehmen bemängelten bei Universitätsabsolventen den fehlenden Praxisbezug. Das paßt soweit ins Klischee von der realitätsfernen Universitätsausbildung. Andererseits bemängeln aber 61% der selben Unternehmen bei Fachhochschulabsolventen Defizite im theoretisch-analytischen Bereich. Da haben wir den wunden Punkt getroffen: ein idealer Bewerber ist ein theoretisch orientierter Fachhochschulabsolvent oder ein praxisorientierter Universitätsabsolvent. Tatsächlich ist laut Aussage von Unternehmen noch nicht mal jeder zehnte Bewerber sofort einsatzfähig für den Beruf, ein schwerer Nachteil in der heutigen Arbeitsmarktsituation, in der große Betriebe Stellen abbauen, während der Mittelstand, der noch Arbeitsplätze zu schaffen in der Lage ist, weder Zeit noch Geld für aufwendige Trainees und Seminare für Berufseinsteiger hat. Um möglichst bald nach dem Abschluß einen Arbeitsplatz zu erhalten, der sich mit den eigenen Berufswünschen deckt, ist es also wichtig, sein Studium so auszurichten, daß man in dem entsprechenden Beruf sofort einsatzfähig ist. Will man nicht auf alternative und oftmals kostspielige Ausbildungsalternativen wie Berufsakademien oder Privatunis zurückgreifen, so stellt sich die Frage, was man selbst tun kann, um sich diesem Ideal zumindest anzunähern.

Zunächst einmal muß man sich sicher in seinen Berufswünschen sein. Das mag selbstverständlich sein, aber Tatsache ist, daß nur ein ganz kleiner Bruchteil der Studenten schon kurz nach der Zwischenprüfung oder dem Vordiplom konkrete Vorstellungen von seinem späteren Beruf hat. Und gerade das sollte man haben: Um die notwendigen theoretischen Grundlagen erwerben zu können, ist eine berufsgerechte, frühzeitige Spezialisierung unerläßlich.

Dazu nur scheinbar im Gegensatz steht die Notwendigkeit zum Erwerb von Zusatzqualifikationen. Gerade in Studiengängen, in denen die Absolventen mit Abgängern anderer Studiengänge in direkter Konkurrenz stehen, ist eine Zusatzqualifikation oft das ausschlaggebende Argument. Ein besonders markantes Beispiel geben dabei die Informatiker- vielen von ihnen werden bei Einstellungen z.B. Wirtschaftswissenschaftler vorgezogen, die sich die EDV-Grundlagen zusätzlich angeeignet haben. Informatik-Absolventen, die eine Anstellung in der freien Wirtschaft suchen, müssen sich also frühzeitig umfassende Kenntnisse in den Bereichen aneignen, in denen sie später tätig sein werden. Der Vorsitzende der Gesellschaft für Informatik, Hermann Rampacher, drückt dies sogar noch krasser aus: "Zusatzqualifikationen dürfen für Informatiker kein Notrad darstellen, sondern müssen wie ein zweites Standbein ausgebildet werden!". Es dürfte selbstverständlich sein, daß diese Aussage auch für Nichtinformatiker eine zentrale Bedeutung hat besonders für Absolventen wie Politologen oder Soziologen, für die es auf dem Arbeitsmarkt kein eng umrissenes Tätigkeitsfeld gibt.

Eine wichtige Konsequenz aus der Notwendigkeit von Zusatzqualifikationen ist die richtige Auswahl des Studienplatzes. Ist dies aufgrund von Verteilungsverfahren Zulassungsbeschränkungen und dergleichen im Laufe des Grundstudiums noch nicht möglich, so sollte man sich aber zum nächstmöglichen Zeitpunkt entsprechend seinen Berufswünschen an anderen Universitäten bzw. Fachhochschulen erkundigen, ob dort die Lehrveranstaltungen nicht eher das nötige theoretisch-analytische Handwerkszeug sowie bessere Möglichkeiten für eine breite Bildung vermitteln können. Als allgemeiner Entscheidungsgrundsatz in Bezug auf den späteren Beruf sollte dabei immer gelten: "So tief wie nötig, so breit wie möglich".

Gerade Universitätsabsolventen in spe sollten beachten, daß zusätzliche Fremdsprachen, am besten durch einen Auslandsaufenthalt vertieft, EDV-Kenntnisse und insbesondere Praktika im späteren Berufsfeld den Praxis-Vorsprung der Fachhochschulabsolventen dahinschmelzen lassen können und zudem bei der Entscheidung für den richtigen Beruf von unüberschätzbarer Bedeutung sind.

Leider werden diese wichtigen Aspekte einer praxisgerechten und dennoch wissenschaftlichen Hochschulausbildung von offizieller Seite sträflich vernachlässigt, und so bleibt dem einzelnen nichts anderes übrig, als sich selbst möglichst umfassend zu informieren, um für sich selbst ein Optimum an Ausbildung zu erreichen. Und auch angesichts der für Studenten eher schwierigen politischen Situation darf man vor allem eins nicht- sich den Spaß am Studium (mit allem, was dazugehört!) verderben lassen, denn diese Zusatzqualifikation kann man in keinem Seminar erwerben! (hpc)

Internet-Seiten zum Thema:

Projekt Studium und Beruf:
http://www.schwaben.de/home/gew

Berufsberatung für Hochschüler:
http://www.uni-jena.de/fsu/aa.html

Fachvermittlung, Jobs, Praktika:
http://www.uni-kl.de/KIT/job/job.html

Praktikantenbörse:
http://www.et.fh-osnabrueck.de/fbe/studihelp.html

Jobvermittlung:
http://www.134.34.53.185/arbeitsamt/

Berufseinstieg:
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~db9/Latex2htm/arbeitsa.htm

DV-Stellenbörse:
http://www.dv-job.de (mit Praktika und Ferienjobs)

Auslandsstudium:
http://www.daad.org/home2a.htm

Berufsakademie Ravensburg:
http://www.ba-ravensburg.de


Ihr Kinderlein kommet

Das Hochschulteam des Arbeitsamtes berät

Die Beratungsstelle des Arbeitsamtes für HochschülerInnen hat sich gemausert. Als vor ungefähr zwei Jahren ein Hochschulbeauftragter in die Seminarstraße einzog - damals noch im Rahmen eines Modellversuches -, war unklar, wie die Zukunft dieses Projektes aussehen würde. Doch Hans-Joachim Böhler blieb nicht lange arbeitslos: Besonders Endsemester, deren Betreuung seine vorrangige Aufgabe war, nahmen das Beratungsangebot an. Nach dem Umzug im letzten Winter ins BIZ, das nur als Zwischenstation dienen sollte, konnte zum 1.10. endlich das Arbeitsamt als endgültiges Quartier bezogen werden. Aus dem Hochschulbeauftragten wurde ein fünfköpfiges Team, das nun täglich in seiner Sprechstunde jedem Ratsuchenden zur Verfügung steht. Wurden früher vor allem Studierende, die kurz vor dem Examen und somit vor dem Einstieg ins Berufsleben standen, angesprochen, so finden heute alle Semester - so auch Studienabbrecher - Hilfe. red.


Heidelberg


Heidelberger Profile

"Ich bin Spätentwickler"

Michael Buselmeier: Querkopf, Lyriker und Autor aus Heidelberg

Michael Buselmeier, bekannt für seine literarischen Stadtführungen, hat vor kurzem einen neuen Band veröffentlicht: "Ich rühm dich Heidelberg - ein Poem in sechs Gesängen". Mit uns hat er über Alt-Achtundsechziger, große und kleine Geschichte und sein Verhältnis zu Heidelberg gesprochen.

Das Haus Michael Buselmeiers liegt sehr ruhig im grünsten Teil Rohrbachs, von dem Fenster des Arbeitszimmers blickt man auf den Garten, ein hübsches Fleckchen Heidelberg. Die Schränke sind voller Bücher, einige Papierstapel sind auf dem Boden plaziert: der Arbeitsplatz eines Schriftstellers. Doch Buselmeier ist noch mehr als Führer durch die Literatur- und Stadtgeschichte Heidelbergs bekannt geworden. "Da ist eine Entwicklung passiert, auf die ich keinen Einfluß mehr hatte", meint Buselmeier zu dem Beginn der Führungen 1988. Ursprünglich hatte er ein Heidelberg-Lesebuch herausgegeben, und daraus war dann die Idee geworden, auch die Plätze des Geschehens selbst zu zeigen. Die Leute sollten sich nicht nur auf der Wohnzimmercouch in der Geschichte ergehen, sondern sich die Geschichte selbst ergehen. Eine Idee, die Zuspruch fand: jedes Jahr kamen mehr Leute, das Publikum wurde jünger, und Buselmeier, der zu Anfang über Literatur hinaus zur Geschichte Heidelbergs "so gut wie nichts wußte", war plötzlich Stadtführer, wenn auch ein frecher, unangepaßter. "Ich bin ein Spätentwickler", sagt er lachend.

Noch vor der "großen" Geschichte der Stadt und des Mythos kommt für Michael Buselmeier die "kleine", die eigene Geschichte, die er in seinen Büchern aufschreibt. Autobiographisches, wie der Roman "Der Untergang Heidelbergs" von 1981 - inzwischen leider vergriffen - oder die Erzählungen in der neueren "Spruchkammer", beschreibt Heidelberg, wie der Autor es seit seiner Kindheit erlebt hat, und wie sich das Leben verändert hat: die Nazizeit, die reaktionäre Stimmung der Adenauerära, dann die sechziger Jahre mit dem immer stärkeren Willen zur Reform und schließlich zur Revolte. Besonders wichtig in Buselmeiers Werk ist die Epoche der linken Szene der siebziger Jahre und der Bruch durch die Resignation über das Scheitern der Revolution, und schließlich die ideologieverlorene Zeit der Achtziger und Neunziger. So findet Buselmeier über die eigene Geschichte den Zugang zur Geschichte unserer Gesellschaft.

Die endet bekanntlich nicht an den Toren Heidelbergs. So gehen die Themen in den Büchern Michael Buselmeiers auch weit über diese hinaus. "Wenn man Journalist werden wollte, mußte man aus Heidelberg 'raus. In Heidelberg kann man leben, aber nichts werden" - zumindest, wenn man eine unangepaßte Natur wie Buselmeier ist. Deshalb schreibt er auch bis heute viel für Radio und Presse außerhalb Heidelbergs, und deshalb läßt er sich heute auch in keiner politischen Gruppierung organisieren. Dabei war er in den letzten Jahren der Heidelberger Studentenbewegung, zwischen 1976 und 1979, als Sprecher der Linken Szene bekannt. "Früher war es so angenehm, der Böse zu sein. Es war eine schöne Rolle." Also nur Spaß an klaren Fronten, Gefallen an einer dankbaren Rolle? "Es war eine produktive Zeit. Sicher, es war lächerlich, was wir gemacht haben, zum Teil sogar hochgradig lächerlich, aber die Bullen sind gelaufen, die Professoren sind gelaufen. Das gesehen zu haben, trägt einen durchs ganze Leben." Der Einstieg in die Politik, ein Parteibeitritt, zu den Grünen, erschien ihm danach nicht konsequent: der Gang durch die Instanzen war nicht sein Weg. Er blieb bei seiner eigenen Politik, der Schriftstellerei: Die Emanzipation von der Emanzipation - ein Schritt vorwärts. Ein Spätentwickler?

Die Szene sieht darin allerdings eine Entwicklung in die falsche Richtung. Das Interesse für Stadtgeschichte - eigentlich ein eher bürgerliches Unterfangen - wird Michael Buselmeier nachgetragen, der "Trystero" sieht ihn als Verräter der Linken. Sich aber in die Gruppe "angeblich linker" Söhne von Achtundsechzig einzureihen, wie in den Kreis um den sozialdemokratisch engagierten Künstler Klaus Staeck, ist ihm genausowenig möglich, wie ihm eine Anpassung an die konservative Atmosphäre der 50er und frühen 60er war. "Man kann nicht sein Leben lang auf unserer 68er Position bestehen, daß die Kapitalistenklasse an allem schuld und man selber gut ist" - für die damalige Situation sei diese Einstellung wichtig gewesen, aber als Dauerideologie, die ihre Anhänger grundsätzlich auf die Seite der Guten verbannt, führe sie zum geistigen Stillstand - gefangen in der Falle der politischen Moral.

Warum schreibt einer, der sich so gerne mit allen Lagern anlegt, ausgerechnet ein buchdickes Poem mit dem Titel "Ich rühm dich Heidelberg"? Zur Beruhigung vorab: wer blumige Panegyrik befürchtet, wird beim Lesen angenehm enttäuscht. Gerade im ersten der insgesamt sechs Gesänge, der die politische Seite betrifft, sind Zeilen zu lesen wie "ein Nichts von 800 Jahren". Die anderen fünf Teile, deren Grundthemen die Weststadt, der Neckar, die Alte Brücke, die Universität und schließlich Rohrbach sind, gehen auf die eigene, "kleine" Geschichte Michael Buselmeiers zurück. Anteilmäßig nimmt das Autobiographische auch hier wieder den meisten Raum ein. Doch insgesamt versucht das Poem, beide Seiten des Autors zu verbinden, muß es sogar: "So ein langes Gedicht kann man nur schreiben, wenn man einen langen Atem hat. Den garantiert aber nicht die eigene Geschichte, selbst wenn sie für die Poesie die wichtigere ist." Deshalb hat Buselmeier die Stadtgeschichte im ganzen Poem zur Schiene gemacht, an dem die eigene vorübergleiten kann. So hat der Heidelberger Stadtführer und Schriftsteller beide Gebiete seines Wirkungsfeldes zusammenfließen lassen. Kein Spätentwickler. Jemand, der sich auch spät noch entwickelt. (gan)

Michael Buselmeier: Ich rühm dich Heidelberg. Ein Poem in sechs Gesängen, Wunderhorn Verlag Heidelberg. Das "Poem" wird der Autor voraussichtlich in nächster Zeit in der Buchhandlung Weiss vollständig lesen.


Kultur


Die Kunst, literarischen Bebop zu übersetzen

Carl Weissner im Interview

Eigentlich wollte er Jazzpianist oder amerikanischer Schriftsteller werden. Doch zum Jazzpianisten fehlte ihm "der nötige Fanatismus", und irgendwie kam alles anders: Heute gilt Carl Weissner als Spezialist für amerikanische Underground-Literatur. Vor allem seine Bukowski und Burroughs- Übersetzungen haben ihn im deutschsprachigen Raum berühmt gemacht. Die Liste seiner gesamten Übersetzungen würde eine ruprecht-Sonderausgabe füllen. Dort wären neben Fachbüchern über Atomphysik und Kernwaffen die kompletten Songtexte von Bob Dylan und Frank Zappa zu finden. Ungefähr 120 Bücher ("den genauen Überblick hab' ich verloren") hat er ins Deutsche übertragen. Als Literaturagent und Kenner der amerikanischen Underground-Szene hat er zahlreiche Zeitschriften und Sammelbände heraugegeben, teilweise auch mit seinem Freund Bukowski. ruprecht besuchte ihn in Mannheim.

ruprecht: Sie haben ja schon Anfang der sechziger Jahre, als sie in Bonn und Heidelberg Anglistik studierten, eine Zeitschrift herausgegeben...

Weissner: Ja, und ich habe wie wild herumkorrespondiert, um auch noch an Texte der indischen "Hungry Generation" heranzukommen. Der Underground interessierte mich viel mehr als die 'Konkrete Poesie', die damals die einzige andere internationale Sache war.

ruprecht: Wie ging's weiter ?

Weissner: Ich bekam ein Fulbright-Stipendium und bin ein Jahr in New York und danach noch ein halbes Jahr in San Francisco gewesen. Dort habe ich dann Ginsberg, Bukowski und die ganzen Leute, mit denen ich schon eine Weile intensiv korrespondiert hatte, sozusagen "live" kennengelernt.

ruprecht: Wie kamen sie dann zum Übersetzen?

Weissner: Als ich 1968 in San Fransisco war, arbeitete Rolf-Dieter Brinkmann an seiner riesigen ACID-Anthologie und hatte zwei sehr verzwickte Texte, für die er keinen Übersetzer fand. Also hat er sie mir gegeben.

Als ich dann zurückkam, waren in Los Angeles gerade Bukowskis "Notes of an Dirty Old Man" erschienen. Damit bin ich zu einem befreundeten Verleger gegangen, und der wollte das Buch sofort übersetzt haben. So kam eins zum anderen.

Die ersten Eindeutschungen amerikanischer Undergroundliteratur waren weit unter dem Niveau, das Anfang der sechziger Jahre schon möglich gewesen wäre. Das hat mich schon während des Studiums gestört Aber Anglistik studiert man ja nicht mit der Absicht, Übersetzer zu werden.

ruprecht: Im Vorwort zu Bukowskis Gedichten "Aus dem 8. Stock" beschreiben Sie Ihre erste Begegnung mit Bukowski. Wie ging's weiter, nachdem Sie das Bier getrunken hatten?

Weissner: Ich hatte nicht viel Zeit. Bukowski und ich waren sowieso darauf eingestellt, daß sich unsere Beziehung vor allem auf dem Briefweg abspielen würde. Wenn mir jemand einen zehn Seiten langen Brief mit einfachem Zeilenabstand schreibt, dann gibt's danach ziemlich wenig, was ich ihn noch fragen muß. Außerdem war ich kein geeigneter Saufpartner für ihn: Während er ein komplettes six-pack weggeputzt hat, war ich noch beim ersten Bier! Er mußte mich da ständig tadeln (lacht).

ruprecht: Inwiefern entspricht das Image, das von Bukowski transportiert wird, denn der Wirklichkeit?

Weissner: Es stimmt bis ungefähr zu seinem 40. Lebensjahr. Danach? Naja, das kann sich jeder ausrechnen: Wenn einer Nachtschichten im Postdienst abreißt, ein paar Stunden schläft, auf die Rennbahn fährt und vor der nächsten Schicht noch ein paar Gedichte schreibt, hat er keine Zeit mehr, um sich in Kneipen rumzuprügeln.

ruprecht: Können Sie sich denn Bukowskis Beliebtheit quer durch alle Schichten erklären?

Weissner: Nein, das habe ich auch nie so richtig verstanden. Aber in dem Film meines Freundes Thomas Schmitt über die Hamburger Lesung wurde ja deutlich, daß er wirklich eine riesige Streuung hatte. Taxifahrer, Industriellen-Witwen, Ex-Knackis, Oberstudienräte, wahllos auf der Straße befragt, kamen im Vorspann zu Wort, und allen war Bukowski ein Begriff.

ruprecht: Hat Bukowski sich denn für diese Resonanz interessiert?

Weissner: Nein. Das Einzige, was er witzig fand, war eine Überschrift (ausgerechnet aus der "Welt"!): "Er schreibt, wie Charlie Parker Jazz spielt". Das hat ihm gefallen. Charlie Parker hat er immer gemocht.

ruprecht: Haben sie denn Übersetzungen mit den Autoren durchgesprochen?

Weissner: Es kommt selten vor, daß Autoren wie Günter Grass ihre Übersetzer einfliegen lassen, und dann Satz für Satz mit ihnen durchkauen. Nee, Bukowski wäre sowieso nicht der Typ dafür gewesen. Er hat sich den Luxus geleistet, fast ausschließlich Erstfassungen bei den Verlagen abzuliefern.

Bei Burroughs und Zappa gab's natürlich Sachen, die man nicht wissen konnte - in diesem Fall fragt man eben kurz nach. Ansonsten hat diese Sorte Autoren natürlich keine große Lust, viel Zeit mit Übersetzern zu verschwenden. Sie verlassen sich darauf, daß ich das schon richtig mache.

ruprecht: Burroughs haben sie ja ebenfalls sehr gut gekannt...

Weissner: Ja, er wohnte lange Zeit in London, da haben wir uns natürlich öfter gesehen. Die erste Begegnung mit ihm war sogar hier in Heidelberg im Sommer '66. Er war gerade in Paris gewesen, bei Nachaufnahmen zu dem psychodelischen Spielfilm "Chappaqua", in dem er eine kurze Rolle als "Opium-Jones" hatte (lacht). Ein toller Film, der in Venedig sogar den silbernen Löwen bekam - zum Erstaunen vieler Zeitgenossen (lacht).

ruprecht: Wie weit ging das politische Interesse der Underground-Szene Ende der sechziger Jahre denn?

Weissner: Naja, Bukowski hatte seine Kolumne in der "L.A. Free Press" und hat dort über einiges geschrieben, was praktisch vor seiner Haustür passierte: das Attentat auf Robert Kennedy, die Unruhen in den Schwarzenvierteln...

Burroughs hat die ganze Sache immer aus satirischer Sicht gesehen. Aber die ganze Underground- Szene war natürlich vom Gedanken der Subversion infiziert. Ein Freund von Burroughs und mir hatte im Turm der Saint-Mark's Church einen illegalen UKW-Sender. Der produzierte auch Propaganda-Sendungen für den Vietcong, die von Radio Hanoi auf die G.I.s in Vietnam ausgestrahlt wurden.

An der Lower East Side war die Hatz auf Junkies und Hippies in vollem Gange. Die Hysterie war allgemein. Auch wenn das politische Engagement verschieden groß war - an der politischen Wirklichkeit konnte niemand vorbeischauen. Alle waren natürlich darüber empört, wie die Verfolgung der Black Panthers ablief.

Ich hatte Kontakt zur Spaß-Guerilla der Lower East Side, die Ed Sanders von den "Fugs" mit einigen Freunden aus der Taufe gehoben hatte. Die agierten als Medien-Guerilla und haben auch mal versucht, Atom-U-Boote zu besetzen.

Durch Freunde bekam ich auch etwas vom wirklich militanten Flügel mit, den sogenannten "Motherfuckers", so einer Art Vorform der "Weathermen", die in der West Eleventh Street eine Bombenfabrik im Keller hatten. Ist dann irgendwann mit drei von den Jungs in die Luft geflogen. Selbst coole Typen wie Ginsberg haben damals allen Ernstes geglaubt, daß die USA eine Militärdiktatur werden.

Für mich waren manche Kontakte etwas heikel, weil ich nur eine beschränkte Aufenthaltsgenehmigung hatte, die sie mir jederzeit gestrichen hätten, wenn ich aufgefallen wäre.

ruprecht: Ich nehme an, Drogen waren allgegenwärtig ?

Weissner: Ja. Ray Bremser, der "Jazz-Poet" der Beat-Generation, stand schon zweimal die Woche bei mir auf der Matte und brauchte mal eben 5 Dollar. Die altgedienten Junkies konnten ja damit umgehen. Viel schlimmer war, daß in der Hippie Szene schlechtes LSD die Runde machte. Da sind sie reihenweise ausgeklinkt.

ruprecht: Und die Untergrundpoeten saßen praktisch aufeinander?

Weissner: Viele Literaten wohnten auf der Lower East Side, weil man dort für 37 Dollar ein Vier-Zimmer-Appartment mieten konnte - natürlich total verwanzt, aber was soll's? Wir hatten andere Dinge im Kopf. Deshalb war das die richtige Gegend für mich. Jeder war innerhalb von fünf Minuten zu erreichen.

Die Vielfalt damals war wirklich faszinierend. Die Leute konnten ihre Sachen auch problemlos veröffentlichen. Heute würde man sich die Hacken ablaufen und wahrscheinlich nicht einmal einen Kleinstverlag finden, der das Risiko eingeht und das Zeug druckt.

ruprecht: Wie haben sie die Rückkehr nach Deutschland erlebt ?

Weissner: Ich kam mir vor wie in der DDR. Schon allein die Abfertigung am Frankfurter Flughafen war penetrant. Dazu kam, daß ich anderthalb Jahre kein Deutsch gesprochen hatte. Der deutsche Polit-Jargon im Club Voltaire klang wie etwas von einem anderen Stern.

ruprecht: Für "Zweitausendeins" haben sie ja dann die Bob-Dylan-Texte übersetzt.

Weissner: Die haben allerhand Leute gefragt, und alle haben sich gedrückt, weil sie Angst hatten, sich die Finger zu verbrennen. Ich hab' dann ein paar Probe-Übersetzungen geliefert und die Sache war gebongt.

ruprecht: Dylan verlangte, daß sie "nach Möglichkeit" auch die Reime wiedergeben...

Weissner: Ja. Das hat den Spielraum, der bei einer zweisprachigen Ausgabe ohnehin nicht groß ist, noch weiter eingeschränkt. Bedingungslose Dylan Fans haben dann gegen mich gestänkert, weil sie nicht das wiederfanden, was sie auf den Platten zu hören glaubten. Aber auch bei Dylan ist eben nicht alles Gold, was glänzt.

ruprecht: Mitte der Siebziger kamen die ersten Zappa-Übersetzungen raus...

Weissner: Das war ziemlich anstrengend, weil vieles nicht getippt vorlag, und ich erstmal die Texte von den Platten runterhören mußte. Deswegen dann die "Corrected Copy" mit Zappas handschriftlichen Korrekturen. Zappa war teilweise schon amüsiert über das, was ich da rausgehört hatte (lacht). Aber viele Fehler waren's Gott sei Dank nicht.

ruprecht: Jetzt sind gerade zwei von ihnen übersetzte Robert Lowry- Romane erschienen.

Weissner: Lowry ist natürlich ein ziemlich tragischer Fall, weil er schon 1952 von seiner zweiten Ehefrau zwangseingewiesen wurde. Trotzdem sollte man seine späteren Sachen nicht unter dem Aspekt "Ein Profi ist nicht tot zu kriegen" lesen. Er hat ja seine ganzen Bücher in zehn Jahren rausgewuchtet, trotz der manischen Schübe, die ihn immer wieder hingestreckt haben.

ruprecht: Wie kam es denn zur Wiederentdeckung von Robert Lowry?

Weissner: Lowrys Wiederentdeckung ist Michael Montfort zu verdanken, einem Freiburger Photographen, der seit langem in L.A. arbeitet. Er war von einem befreundeten Antiquar in Toronto, der eine riesige Lowry-Sammlung hat, auf ihn hingewiesen worden. Michael hat mir davon erzählt, ich hab' die Sachen gelesen, war begeistert, bin damit zu einem Verlag - fertig. Ich mag das, wenn man nicht viel reden muß, und die Sache flutscht.

So, brauchen wir noch was ?

ruprecht: Ich glaub' nicht.

Weissner: Also, machen wir Feierabend.

ruprecht: Danke für das Gespräch.

(fw)


Sanfter Schnee, harte Männer

Robert Lowry: zum ersten Mal von C. Weissner auf Deutsch

Robert Lowry gehört zu den Schriftstellern, denen schon immer klar war, daß sie Schriftsteller werden wollten. Wollten? Mußten! "Man wird Schriftsteller, weil man keine andere Wahl hat.", kommentierte er seine Berufswahl.

Als er gerade zehn Jahre alt ist, erscheinen seine ersten Kurzgeschichten in Lokalzeitungen, mit fünfzehn verlegt er sein erstes Buch, liest und schreibt wie ein Besessener. Doch seine anfangs steile Karriere als Herausgeber, Kritiker und vor allem als Erzähler (Hemingway bezeichnet ihn als "das größte aller Talente") bricht plötzlich ab. Aus scheinbar heiterem Himmel reißt ihn eine Schizophrenie völlig aus der Bahn: er wird in eine Heilanstalt eingeliefert, mit Elektroschocks, Medikamenten und Therapiegesprächen behandelt. Und von der literarischen Szene schnell vergessen, stirbt er 1994 in einer psychiatrischen Klinik in Cincinnati.

Ähnlich kompromißlos wie Lowrys Lebensweg sind auch seine Texte: hier wird nichts verschwiegen, nichts beschönigt. Die Erzählung "Die falsche Sanftmut des Schnees" handelt von einem G.I. namens Hammond, der am Ende des Zweiten Weltkriegs in Italien stationiert ist. Plötzlich einsetzender Schneefall blockiert die Kriegsmaschinerie, alles gerät ins Stocken, die Geschäftigkeit versperrt nicht mehr die Sicht auf die Tatsachen. Auch Hammonds Zeltgenossen geht die Situation an die Substanz: sein Kamerad Conkle liegt auf dem Feldbett und starrt an das Zeltdach, als ihm zum ersten Mal bewußt wird, "daß die Jahre, die er hier zubrachte, nicht etwas waren, das mit seinem Leben nichts zu tun hatte. Sie waren sein Leben. Und alles war ein Schlamassel." So quält sich auch Lowrys Hauptfigur durch eine Welt sinnloser Geschäftigkeit, Heuchelei, Gewalttätigkeit und Sauferei, bis er schließlich im Vollrausch in einen Kastenwagen stolpert. "Er merkte nur, daß sich ringsum alles drehte und er nirgends mehr Halt fand. [...] Der Fahrer riß den Lenker herum, konnte aber nicht mehr ausweichen. [...] Blut lief aus der Masse von zerquetschtem Hirn und zermalmten Knochen, die einmal sein Kopf gewesen war."

Ähnlich ungeschönt erzählt er in "Tag, Fremder" die Liebesgeschichte zwischen einem schwarzen Boxer und einer gescheiterten weißen Malerin. Von der Stärke und Eleganz des Boxers fasziniert, verführt die Malerin Laine Brendan den Boxer namens "Baby" und beginnt damit eine Beziehung, die sie schließlich ins Verderben stürzt. Das ungleiche Paar taumelt durch eine seltsame Affäre, die von den rassistischen Ressentiments der Gesellschaft zusätzlich verkompliziert wird. Schließlich kehren sich die Rollen um: Sie weiß nicht mehr, was sie an ihm mochte, und er sehnt sich nach ihrer Zuneigung.

Einen besonderen Reiz gewinnt "Tag, Fremder" durch die zwischen den beiden Hauptpersonen geteilte Perspektive, die dem Leser die Geschichte mal aus der Sicht des Boxers, mal aus der Sicht der Frau beschreibt. Auf die nächsten beiden Lowry-Bücher (ein Band Erzählungen und ein später Roman) darf man bereits gespannt sein. (fw)

Die falsche Sanftmut des Schnees, 131 S., 22 DM; Tag, Fremder, 244 S., 27 DM.


Der "Fall Mircea Eliade"

"Die Geschichte der religiösen Ideen" - Ein Standardwerk und sein Autor

Wer Geisteswissenschaften studiert, kommt um ein Phänomen nicht herum: Religion. Sie durchzieht alles, womit sich ein Geisteswissenschaftler überhaupt beschäftigen kann: Literatur, Geschichte, Kunst, Musik, Politik... Ein Standardwerk zur Religion gilt dabei berechtigterweise als Anlaufstelle: "Die Geschichte der religiösen Ideen" steht fast in jeder geisteswissenschaftlichen Seminarbibliothek. Die braune Vergangenheit des Autors ist jedoch erst in jüngster Zeit zum Gegenstand kontroverser Diskussionen geworden.

Der Rumäne Mircea Eliade hat sich sein ganzes Leben lang mit Hierophanien, den Erscheinungen des Heiligen, beschäftigt. Er gilt als einer der wichtigsten Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts. 1907 geboren, studierte er zunächst Philosophie. Nachdem er sein Diplom gemacht hatte, ging er nach Indien, studierte dort Sanskrit und Yoga, und promovierte 1933 nach seiner Rückkehr nach Bukarest über "Yoga-Unsterblichkeit und Freiheit". Während des Krieges war er rumänischer Botschafter in Lissabon. Nach dem Krieg emigrierte er zunächst nach Frankreich, später in die USA, wo er bis zu seinem Tod in Chicago Religionswissenschaften lehrte. Als er 1986 starb, hinterließ er ein riesiges Werk, daß ihn nicht nur als Religionswissenschaftler, sondern auch als Roman-, Essay- und Theaterautor berühmt gemacht hat.

Die großen Themen in seinen Veröffentlichungen waren das "kosmische Gefühl", das er in Indien kennenlernte, die Initationen und Initationsriten und der Gegensatz zwischen "Heiligem und Profanen".

Schon in den dreißiger Jahren war er ein vielbeachteter Publizist und Intellektueller in Bukarest. In diese Zeit fällt sein publizistisches Engagement für die rumänischen Faschisten der "Eisernen Garde"", für die er, wie sein bewunderter Lehrer Nae Ionescu, in mehreren Veröffentlichungen Partei ergriff. Dieser Abschnitt seines Lebens ist in letzter Zeit wieder Gegenstand heftiger Diskussionen geworden, besonders im postkommunistischen Rumänien.

Den umfassendsten Versuch, die Trübungen um Eliades geistige und politische Vergangenheit zu lichten, hat sein Schüler Mac Linscott Ricketts unternommen. Aber da sich Eliade selbst nie bemüht hat, Klarheit zu schaffen, sondern sich nach dem Krieg entschloß, "eine Art diskreten Stillschweigens über das, was ich persönlich glaube [...] zu bewahren", wird sich Eliades geistige Entwicklung wohl kaum jemals zu einem konsistenten Gebäude rekonstruieren lassen. Daß kulturelle Bildung nicht vor politischer Verblendung schützt, zeigt nicht erst der "Fall Eliade". Dennoch bleibt es schwer begreiflich, daß ein so einfühlsamer Schriftsteller und weitgereister Forscher Sätze wie den folgenden verfassen konnte: "Wenn Rumänien ein starker, nationaler, bewaffneter, seiner Kraft und seinem Schicksal bewußter Staat wird, indem es die Demokratie überwindet, wird die Geschichte diese Tat rechtfertigen." Eliade war in den späten dreißiger Jahren, und daran kann kein Zweifel bestehen, ein chauvinistischer Nationalist. So nennt er in einem Artikel von 1936 beispielsweise die Ungarn das, "nach den Bulgaren schwachsinnigste Volk, das die Geschichte kennt."

Auch mit antisemitischer Hetze hat sich Eliade in diesen Jahren nicht zurückgehalten. 1937 stellte er in einem Artikel mit dem Titel "Warum ich an die Legionärsbewegung glaube" folgende Frage: "Soll das Volk der Rumänen sein Leben in der traurigsten Zersetzung aufgeben, die die Geschichte kennt; ausgezehrt von Misere und Syphilis , überfallen von Juden, von Fremden zerfetzt, verraten, verschachert ?"

Gegen Demokratie scheint er sein Leben lang mißtrauisch geblieben zu sein. Die wohl wichtigste Leistung der Aufklärung, die Entsakralisierung der Macht und der Mächtigen, die die totalitären Systeme rückgängig zu machen versuchten, war ihm ein Dorn im Auge. Entsakralisierung war für ihn immer "zu einfach".

Dennoch bleibt seine "Geschichte der religiösen Ideen" ein Steinbruch, eine Fundgrube, die in keinem Bücherregal eines Geisteswissenschaftlers fehlen sollte. Hier wird ein konkurrenzloser Überblick über die Religionsgeschichte der Menschheit geliefert. Auch die Kapitel über die jüdische Religion sind mit Sachkenntnis und großem Einfühlungsvermögen geschrieben. Besonders wenn man Eliades religionsphänomenologische Texte - beispielsweise "Das Heilige und das Profane" oder "Die Religionen und das Heilige"- quasi als Vorworte benutzt, wird dieses Werk zum Leseabenteuer.

Es bleibt also ein äußerst zwiespältiges Bild eines zweifelsohne großen Forschers, der an der Aufgabe scheiterte, sich seiner Vergangenheit zu stellen. (fw)

Die Geschichte der religiösen Ideen, 5 Bände, Herder Verlag, 2175 S., 178 DM.


Polygamie

noch'n Buchtip

Früher mal, als Quotenfrauen bei der CDU bestenfalls ein schlechter Witz gewesen wären, hatte man es als Don Juan noch leicht: triebgesteuert taumelte man durchs Leben der Frauen, die es noch nicht einmal übelnahmen, wenn man zur nächsten weiterzog auf dem langen Weg hin zur Läuterung oder Impotenz - schließlich ist mann Don Juan. Und dann erfand frau das große"I" mitten im Wort und lila Unterwäsche: es konnte nicht immer so schön bleiben.

Ein wahrer Don Juan im Zeitalter der Emanzipation ist der Vater Charlottes in Milena Mosers Roman "Mein Vater und andere Betrüger". Wer ist mit den anderen gemeint? Ein elfjähriges Punkgirl und ihre literaturschaffende Mutter, alternative Emanzenkränzchen - die Figuren bei Moser sind so schillernd wie lebendig.

Charlottes Vater wird von ihr als polygamer Möchtegernmärchenprinz enttarnt, der seine verschiedenen Existenzen nur noch per Computer überblickt. Charlotte beginnt, für sich selbst zu denken, hat damit viel Erfolg und der Leser seinen Spaß.

Schwächen? Das Verhalten von Charlotte und dem Punkmädchen Jane scheint ihrem Alter manchmal um Jahre voraus. Aber darüber liest sich leicht hinweg. Denn die beiden Teenieheldinnen sehen die Menschen aus der Froschperspektive, werden nicht ernstgenommen, aber nehmen selbst gnadenlos ernst: das Ergebnis ist eine wunderbare Satire auf Emanzenszene und Machowelt.

Insgesamt ein Buch, das eine sympathische Atmosphäre ausströmt: Denn hier wird mit niemandem abgerechnet, höchstens wird einer der Lächerlichkeit preisgegeben. Was bleibt? Boys will be boys, aber Frauen sind auch nicht besser. (gan)

Milena Moser, Mein Vater und andere Betrüger, Rowohlt Verlag, 251 S. DM 36.-


ruprecht on the record

Musiktips

Joshua Redman:
Freedom in the Groove

In den letzten fünf Jahren hat Redman mit einigen der ganz Großen des Jazz gespielt, darunter Pat Metheny und Herbie Hancock. Während seine ersten Studioalben von Namen und Kunst der großen Meister profitierten, ist Freedom in the Groove mit weitgehend unbekannten Musikern aufgenommen worden. Redmans Saxophonspiel ist enorm abwechslungsreich, mal melodiös, beinahe kitschig, dann wieder virtuos und spritzig. Auch im Ton ist er extrem vielseitig, er erinnert manchmal an Grover Washington Jr., am Sopransaxophon stellenweise auch an Branford Marsalis. Alle 10 Tracks sind Eigenkompositionen, beeinflußt vom Souljazz der 60er Jahre. Redman ist dabei aber keineswegs festgelegt, er vermischt brillant mit Bebop, Blues und Swing. Genau festlegen lassen sich die Songs letztlich nie, das ist Teil ihres Charmes. Allen Stücken gemeinsam ist die Dominanz des Saxophons, doch kommen auch Redmans Mitspieler ausreichend zur Geltung. In dieser Hinsicht besonders erfreulich ist die Erweiterung vom Quartett zum Quintett, die neu hinzugekommene Gitarre paßt gut zum Stil der Musik. Joshua Redman hat eine außergewöhnliche CD geschaffen, die den vier vorangegangenen in nichts nachsteht. (papa)

OMD:
Universal

Das seit 18 Jahren bestehende und inzwischen auf einen Mann geschrumpfte Orchester hat nach drei Jahren wieder ein neues Album als LP, MC, CD und MD auf den Markt gebracht. Der Titel läßt richtig vermuten: McCluskey hat fast jeden Stil des bisherigen OMD-Universums zusammengepackt: romantisch-schöne Streicherorgien von "Architecture and Morality" neben rockig angehauchten Melodien wie"Crush". Die aktuelle Single "Walking on the milky way" stellt den Crossover dar: Man nehme etwas Britpop und tausche die Gitarren gegen Violinen aus. Unterstützt wurde McCluskey, neben Steward Kershaw, der schon Songs seit "Sugar Tax" mitkomponiert, diesmal auch von Ex-Kraftwerk-Mitglied Karl Bartos, der bei "The moon and the sun" mitwirkt, sowie von Ex-OMD-Partner Paul Humphreys, der erstmals wieder seit seiner Trennung von OMD und Gründung von "The Listening Pool" an zwei Songs als Co-Autor mitwirkt. Statt von der Liebe handeln die Texte diesmal verstärkt von der Midlife-Crisis, der schönen aber verlorenen Jugend und den Sünden der Vergangenheit.

Höhepunkte der LP sind das Titelstück "Universal" und "Very close to far away". Ich neige mehr zu "The black see", dem an Pulp erinnerndem "The boy from the chemist", "Too late" und "If you're still...". Das Experiment "The gospel of St. Jude" ist leider schiefgegangen, was dem 12-Track-Album als ganzem jedoch keinen Abbruch tut. (mj)

R.E.M.:
New adventures in Hi-Fi

Nach dem klampfenlastigen und balladesken Album Automatic For The People wollten R.E.M. dem Rest der Welt beweisen, daß sie auch noch richtigen Rock spielen können und warfen deshalb auf dem Nachfolger Monster verbissen mit lauten, verzerrten Gitarrenriffs um sich.

Auf dem neuen Werk geht es wesentlich unverkrampfter zu. Gradlinige Rocknummern wie "The Wake-Up Bomb" oder "Departure" wechseln sich ab mit wunderschönen Balladen wie "E-Bow The Letter" oder "New Test Leper" und Mid-Tempo-Songs wie "Bittersweet Me". Dank ausgereifter Kompositionen, häufiger Tempo- und Rhythmuswechsel kommt keine Monotonie auf. Das Ganze klingt erfrischend abwechslungsreich, melodischer und einfallsreicher als der Vorgänger. Und während man die Platte anhört, ist es einem plötzlich völlig gleichgültig, ob R.E.M. mit ihrem 80 Millionen-Dollar-Vertrag ihren Ruf als politisch korrekte College-Combo auf's Spiel setzen oder nicht... (ah)

Paul Hindemith: Das Klavierwerk Vol. 4 (Ludustonalis)

Bisweilen wird Hindemiths Ludus tonalis als dritter Band des wohltemperierten Klaviers bezeichnet. Und in der Tat kann man dieses Werk, das 1942 erschien (also fünf Jahre nach Hindemiths theoretischem Hauptwerk, der Unterweisung im Tonsatz), als Apotheose Hindemitscher Klangstrukturierung bezeichnen. So entspricht beispielsweise das Postludium genau der Umkehrung des Präludiums. Hier finden sich Strukturen bis an die Grenzen des Machbaren. Das Erstaunliche ist, daß diese, doch zunächst mit dem Kopf geschaffene Musik, nicht herzlos oder kalt klingt. Sie ist abstrakt, aber nicht inhaltsleer.

Siegfried Mauser, der nicht "nur" Musikwissenschaften und Klavier studiert hat, sondern auch Philosophie und Kunstgeschichte, und über "Das expressionistische Musiktheater der Wiener Moderne" seine Dissertation schrieb, lehrt heute an der Hochschule für Musik in Salzburg, wo er auch das Forschungsinstitut für musikalische Hermeneutik gründete.

Ihm ist bei diesen Aufnahmen anzuhören, daß er über allen technischen Schwierigkeiten steht und sich ganz der Herausarbeitung des Ausdrucks widmen kann. Dies macht seine Einspielungen zu einem ästhetischen Erlebnis. (fw)


ruprecht goes to the movies

Filmtips - und vor allem Meinungen

(in Klammern die Anzahl der ruprechte)

ruprechts Notenskala:
- nicht empfehlenswert
* mäßig
** ordentlich
*** empfehlenswert
**** begeisternd

Indepence Day (1)

Als das weiße Haus pulverisiert wurde, gab's so ein genüßliches Kribbeln im Magen. Gute Spezialeffekte hat der Film in Masse zu bieten. Doch gemessen an dem lauten Tamtam der Werbekampagne bringt "ID4" nicht viel Neues. Weltraummonster überfallen die friedliche Erde, vor allem die USA. Gegen ihre militärische Übermacht kommt nicht einmal der sauberste Staatenlenker seit Michael Douglas in "Hello Mr President" an, und nur menschlicher Erfindungsgeist und ein Nationenbündnis - es lebe die Völkerverständigung - führt kurz vor knapp zur Vernichtung der riesigen freischwebenden Vollkornbrötchen.

So einen Film gab's schon vorher: Die Kinoverfilmung von H. G. Wells' "War of the worlds". Trotz ähnlicher Handlung ist dessen Botschaft eine ganz andere als in "ID4": Die grünen Männchen sind zwar auch hier miesgelaunte, vernichtungsgeile Wesen, es wird aber klar, daß in ihren Facettenaugen die Menschen auch nicht viel schöner erscheinen. Die Invasion scheitert schließlich an einer biologischen Virusepedemie, die Inszenierung der sterbenden Aliens ist auf Mitleid beim Zuschauer angelegt. Immerhin beachtlich, da "War of the Worlds" ein Klassiker aus dem Kalten Krieg ist, und die Aliens als Übertragung der Bedrohung durch den Kommunismus zu verstehen sind.

Da stößt einem das Popcorn schon sauer auf, wenn man bedenkt, daß die Werbekampagne "ID4" als Film der Völkerverständigung vorstellt. Was der Film eigentlich zeigt, ist das Feind-Bild vom häßlichen Fremden, der neben den absurd politisch korrekten Helden noch häßlicher wird. Die einzig konsequente Behandlung eines solchen Feindes kann nur seine totale, mitleidslose Vernichtung sein, und das ist auch das Happy End des Films: Wir sind wieder unter uns.

Breaking the waves (4)

In einer Welt des starren schottischen Katholizismus heiratet die Tochter einer kleinen Gemeinde einen Mann von der Bohrinsel. Für einige Tage sind Bess und Jan glücklich. Dann kommt der Abschied, Jan muß zurück auf die Bohrinsel. Bess verzehrt sich in Liebe zu ihm, betet, er möge schnell zurückkommen. Das tut er, doch er kommt als Krüppel: ein Arbeitsunfall hat ihn von Kopf bis Fuß gelähmt. Sie gibt sich dafür die Schuld, ihrer selbstsüchtigen Bitte wegen. Als keine Heilung mehr zu erwarten ist, bittet Jan sie, mit anderen Männern zu schlafen, und ihm anschließend davon zu erzählen. Wenn er sich nicht mehr daran erinnere , wie es war, mit ihr zu schlafen, würde er sterben. Indem sie seinem Wunsch folgt, verstößt sie gegen das Gebot Gottes und gegen die Regeln der Gemeinde. Bess, die noch nie besonders stabil war, zerbricht unter der erdrückenden Last ihrer eigenen Liebe. Sie schläft mit anderen, empfindet aber dabei eine Verbindung zu Jan. Schließlich opfert sie sich für ihn in der Hoffnung auf seine Heilung.

Multiplicity - Vier lieben Dich (3)

Woran denken wir bei dem Wort Klon? - Gentechnologie? Gewissenskonflikt zwischen Wissenschaft und Ethik? Alles falsch, die Anwort lautet demnächst schlicht und einfach: Komödie.

Michael Keaton als gestreßter Ehemann, dem seine Pflichten in Haus und Heim über den Kopf wachsen, und Andy McDowell in der Rolle seiner Angetrauten geben dem im grunde einfach gestrickten Film seine Persönlichkeit.

Die Handlung ist schnell erzählt: Ein völlig überlasteter Familienvater sucht Rat bei einem - angeblichen - Psychologen. Dessen Behandlungsweise ist jedoch ganz anders als erwartet, und ehe sich sein Patient versieht, geht sein Klon, Nr.2, für ihn zur Arbeit, so daß er selbst endlich mehr Zeit für die Familie hat. Daß das Chaos jetzt erst beginnt, ist klar - und überdies sehr unterhaltsam.


Gewinnen!

Star Trek-Nacht im Lux

30 Jahre Star Trek - unzählige Fernsehfilme, sieben Spielfilme und kein Ende. Bevor im Dezember das achte Leinwandspektakel startet, hat jeder Unwissende nun Gelegenheit, seine Lücken zu füllen: Die UFA präsentiert am 9. November die ultimative Star Trek-Nacht im Lux. Gezeigt werden alle sieben Filme in Folge. Wer nach dem Begrüßungsdrink um 18 Uhr bereits die erste Müdigkeit verspürt, kann sich die nächsten 14 Stunden mit Kaffee versorgen lassen. Wer sich den Schlaf kostenlos rauben lassen möchte, hat bei uns beste Chancen: Wir verlosen 5 Eintrittskarten für das Trekie-Ereignis des Jahres. Wer gewinnen möchte, sollte uns folgende Frage beantworten: Was hat Patrick Stewart, der Captain der Next Generation, vor seinen Auftritten in der Kultserie für einen Beruf ausgeübt? Kleiner Tip: Er teilt diese Vorgeschichte mit dem Ex-Bond Timothy Dalton.

a. Klempner
b. Stuntman
c. Shakespearedarsteller

Schickt uns die Lösung unter Angebe eurer Anschrift und Telefonnummer per Post an: ruprecht, Lauerstr. 1, 69117 Heidelberg. Einsendeschluß ist der 4. November 1996. (papa)


Reportage


Von godman und den fieldworkern

Entwicklungshilfe in Indien - Eigenverantwortlichkeit statt Fremdbestimmung

Sangeeta kennen sie alle in Rama. Jeden Morgen steigt sie mit einer großen Tasche und einer Waage unter dem Arm aus dem Jeep, um von Hütte zu Hütte zu gehen und nach dem rechten zu schauen. Heute beginnt sie ihren Rundgang bei Ritu und ihren Kindern. Mit großen Augen schauen die Kleinen auf die Schautafeln (flash-cards), die Sangeeta aus ihrer Tasche holt. Schon vieles haben sie von ihr über die Krätze oder Diarrhoe gelernt und können die Geschichten zu den Bildern bald selbst erzählen. Fast jede Frage beantworten sie jetzt schon voller Stolz und wissen somit, wie wichtig tägliches Waschen und richtiges Zähneputzen ist. Zum Schluß dürfen sich dann alle noch auf die Waage stellen. Man kann sich kaum vorstellen, welch Freude dies bei den kleinen Inderinnen und Indern auslöst. Im nächsten Blockhaus wartet eine Mutter mit ihrer unterernährten, zwei Monate alten Tochter auf dem Arm. Auch für sie hat die hübsche Krankenschwester etwas dabei. Meist reichen in solchen Fällen schon einfache Vitaminpräparate aus, um das Baby wieder aufzupäppeln. Noch einige weitere Kranken- und Aufklärungsbesuche in diesem 500-Einwohner-Dorf stehen heute noch auf Sangeetas Arbeitsplan, bevor sie Mahesh weiter in die nächste Siedlung fährt, wo sie auch schon erwartet wird.

Doch das war nicht immer so. Am Anfang ergriffen einige Bewohner sogar die Flucht, als die Mitarbeiter des Ecumenical Sangam mit dem großen Jeep im Dorf ankamen. Aus Angst vor Zwangssterilisationen, wie sie zu Zeiten Indira Gandhis zumindest einmal im Gespräch waren und an manchen Orten sogar durchgeführt wurden. Aber mittlerweile haben sie erkannt, daß diese Menschen ihnen nur helfen wollen. Und viele sind zur Mitarbeit bereit. Allen voran die Frauen. Dr. Mukerjee, der ehrenamtliche Leiter des Projektes, bestätigt, daß zuallererst die Frauen bereit sind, sich zu engagieren. Nicht nur deswegen wird grundsätzlich ein Mädchen zur Dorfkrankenschwester ausgebildet. Vielmehr ist es das Ziel, einerseits die Stellung der Frau aufzuwerten, die im gesellschaftlichen Leben eine untergeordnete Rolle spielt, und andererseits Vorkehrungen zu treffen, daß sich die Bewohner des Dorfes demnächst autark versorgen können.

Und dazu wird in Kursen und durch praktische Einsätze in jedem Dorf eine junge Frau zur Dorfkrankenschwester (sog. village health volunteer) ausgebildet, die sich dann um die alltäglichen Probleme der Bevölkerung kümmert. Sie braucht aber noch lange Zeit starke Unterstützung, denn im godman (eine Art Medizinmann) hat sie einen mächtigen Widersacher, der seine Macht nicht gerne abgeben will. Doch mit Geduld auf der einen und medizinischen Erfolgen auf der anderen Seite sind die meisten Einwohner bald zu überzeugen.

Zu diesem Zweck findet einmal im Monat ein sogenanntes "diagnostic camp" statt, bei dem das Basiszentrum in Bamhani, 40 km südlich von Nagpur, dem geographischen Mittelpunkt Indiens, zu einer Art Arztpraxis umgebaut wird. Zuerst wird im Sprechzimmer jeder der Patienten registriert, dann auf Herz und Nieren untersucht, und zuletzt, falls nötig, noch mit der passenden Medizin versorgt, für die sie allerdings zumindest einen Teil selber zahlen müssen. Denn die Erfahrung lehrt, daß die Arznei wesentlich zuverlässiger eingenommen wird, wenn man sie nicht geschenkt bekommt.

Der Ecumenical Sangam ist ein Entwicklungshilfeprojekt, das in dieser Form erst seit drei Jahren besteht, dessen Vorgänger aber bereits Anfang der siebziger Jahre vom Frankfurter Pfarrer Dohrmann, seiner in der Sozialarbeit tätigen indischen Frau und deren Bruder, Dr. Mukerjee, der als Arzt für die medizinischen Fragen zuständig ist, ins Leben gerufen wurde. Jetzt fungiert letzterer als eine Art Chef, der die Fäden in der Hand hält und den Einsatz der ca. 15 Mitarbeiter, allesamt Inderinnen und Inder, koordiniert. Der deutsche und englische Einfluß, der zu Beginn doch sehr stark war, damit das Projekt erst einmal vernünftig gestartet werden konnte, ist mittlerweile bis auf die finanzielle Unterstützung zusammengeschmolzen. Damit ist bereits nach zwanzig Jahren ein großes Ziel jeglicher Entwicklungshilfe erreicht, nämlich die Eigenverantwortlichkeit der Ortsbevölkerung. Allerdings hängt fast alles an den Spenden, die zu 90% aus Deutschland kommen. Damit auch diese Hilfe in Zukunft nicht mehr nötig ist, hat der Sangam bereits ein Gelände in Nagpur gekauft, um dort ein Hotel mit Tagungsräumen zu bauen, welches dann eine gewisse regelmäßige Absicherung garantieren wird. Auch die "westlichen" Methoden kennt Dr. Mukerjee sehr gut. Mehrmals im Monat verkehrt er in Clubs der Reichen, auch um neue Financiers zu finden. Man kann den Einsatz dieses Arztes gar nicht hoch genug bewerten, wenn man bedenkt, daß er wesentlich mehr verdienen könnte, wenn er nicht ständig in Sachen Sangam unterwegs wäre. Zudem ist er auch für die gute Stimmung im Team mitverantwortlich. Man hat den Eindruck, daß die 15 Männer und Frauen nicht nur Kollegen, sondern richtige Freunde sind, was um so beeindruckender ist, wenn man weiß, daß neben Hindus auch Protestanten, Katholiken, Muslime und Buddhisten unter ihnen sind. Zum Beispiel werden alle Mitarbeiter im Winter einen mehrtägigen Ausflug nach Delhi und zum Taj Mahal machen. Für die meisten die größte Reise, die sie je unternommen haben. Lediglich die treuesten Mitarbeiterinnen haben auf Einladung schon deutsche Luft schnuppern können.

Um die deutsch-indischen Kontakte zu fördern, fährt jedes Jahr einmal eine Gruppe junger deutscher Erwachsener, zumeist Studierende, unter der Leitung von Jona Dohrmann, dem Sohn des Gründerehepaares, nach Nagpur, um dort das Projekt Menschen und Kultur kennenzulernen und dort zu arbeiten. Am eigenen Leib können sie dort die schweißtreibenden Arbeitsbedingungen spüren und einen Einblick in die Schwierigkeiten beim Versuch zu helfen bekommen. Schon lange wollten die Einwohner Dhudas eine Straße durch ihr Dorf haben. Deswegen besorgte der Sangam die entsprechenden Materialien. Zusammen mit der deutschen Gruppe sollte diese dann gebaut werden. Doch am zweiten Tag war dann noch lediglich ein alter Mann zur Hilfe bereit, während sich der Rest der Bevölkerung irgendwo in den Hütten verkroch. Wahrscheinlich war man der Meinung, daß die "whiteskins" das auch alleine machen. Nach einer kurzen Krisensitzung zogen sich diese zurück. Nach langen Gesprächen zwischen den Einwohnern und den "fieldworkern" des Projektes, die aufgrund der fehlenden Kooperation schon langsam verzweifelten, aber die Hoffnung nie aufgaben, konnten die tonangebenden Männer überzeugt werden, und nach zwei Tagen hatten sie die Straße alleine, ohne fremde Hilfe, gebaut.

An diesem Beispiel erkennt man deutlich, wieviel Wert man auf Eigenverantwortlichkeit und Engagement legt. Deswegen gehört dem Sangam auch eine Nählehrerin an, die den Frauen in den Dörfern das Nähen beibringt, damit sich diese auch ein wenig Geld verdienen können. Ebenso soll es demnächst Kurse zum Erwerb von elektronischen Kenntnissen und handwerklichen Fähigkeiten geben, damit die Dorfbevölkerung eine reelle Chance hat, bessere Arbeitsangebote zu bekommen. Denn die 75% der Einwohnerschaft Indiens, die in Dörfern wohnen, leben fast ausschließlich von der Landwirtschaft, in kleinen übervölkerten Hütten und in Armut. Einen Monatslohn von umgerechnet fünfzig Mark erhalten nur die allerwenigsten. Da wundert es auch nicht, daß die Alkoholikerquote unter den Männern bei über 30% liegt, denn die Freizeitmöglichkeiten in solch einem Dorf sind sehr beschränkt. Bedenkt man, daß viele nicht richtig lesen können, bleibt eigentlich keine der Aktivitäten übrig, die ein deutscher Jugendlicher normalerweise ausüben kann. Um dem entgegenzuwirken, regen die Sozialarbeiter des Sangams Vereinsgründungen und die Bildung von "youth groups" an. Doch solange die Aufklärungsarbeit noch nicht weit genug fortgeschritten ist, z.B. kleine Kinder auf dem Feld arbeiten müssen, anstatt in die Schule gehen zu können, wird sich auch an der hohen Analphabetenquote von über 40% nichts ändern. Aber durch solch vorbildliche Projekte wie dem Sangam kann in absehbarer Zeit ein großes Stück zur Verbesserung der Lebensumstände, aber noch viel wichtiger der hygienischen Verhältnisse beigetragen werden. Eine weitere Stärke des Projektes in Nagpur ist seine Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen. Viele Gelder und Hilfsmittel der üblichen Organisationen versickern im Sumpf der indischen Korruption, die Ausmaße annimmt, die sich ein Westeuropäer schlichtweg nicht vorstellen kann. Doch dadurch lassen sich Sangeeta und ihre Freundinnen und Freunde nicht abschrecken, im Bemühen den "primitiven" Dorfbewohnern, die Wichtigkeit von Körperpflege und Vorsorge klarzumachen. Ein Indiz für eine erfolgreiche Arbeit ist die Tatsache, daß in Indien inzwischen über 95% der Kinder gegen Polio geimpft sind, und somit eine weit verbreitete Krankheit bald verschwunden sein wird. (te)

Für nähere Informationen über das Projekt und Möglichkeiten zur Teilnahme an Workcamps in Entwicklungsländern einfach bei der Redaktion nachfragen.


Regen in der Seele

Ein anderer Alltag: 250 Heidelberger, die nirgendwo hingehören

Dieter wartet. Wartet, bis das junge Mädchen weggegangen ist, das sich dort auf die Bank gesetzt hat, dort wo Dieter gesessen hat, bevor er auf die Toilette mußte. Wartet, weil der sich da nicht hinsetzten möchte, neben das Mädchen, daß dann wohl aufstehen würde. Angst vor einem angewiderten Blick, einem entsetzten Gesicht. Weil er weiß, daß er stinkt. Für andere stinkt, für die Leute da draußen, die nicht mehr zu seiner Welt gehören, schon lange nicht mehr. Also wartet er. Nicht nur, bis das Mädchen weg ist. Das ist nur ein kleines Zwischenspiel. Dieter wartet: auf den Tod. Der Alkohol hat ihn ausgesaugt, innen entleert. Sinnentleert. Nicht alle stehen so nahe am Abgrund, dort, wo der Boden schon bröckelt. Peter sitzt neben ihm: "Schlimmer kann es nicht mehr werden. Bin ja schon ganz unten, also nur noch besser." Hoffnung.

Peter war Oberleutnant der NVA, Ausbilder für Dienst- und Gebrauchshunde. Als er dann nicht der SED beitreten wollte, entließ man ihn, er arbeitete als Kellner in der DDR und Ungarn. ´89 dann gleich in den Westen, Auffanglager Braunschweig, wieder Kellner, bis er eine Frau kennenlernt und nach Heidelberg zieht, hier im Bahnhofsbistro arbeitet. Bis zum Jahreswechsel ´95/´96. Streit hatten sie vorher schon öfters, aber schließlich verläßt seine Freundin ihn, will Weihnachten, Sylvester und Geburtstag nicht mit ihm feiern. Also feiert er alleine. Kauft sich zwei Flaschen Schnaps, gegen die Eifersucht, gegen die Wut im Bauch, die Trauer. Zweimal kommt er angetrunken zur Arbeit, dann wird ihm gekündigt, er verliert seine Dienstwohnung über dem Bistro. Kündigung durch eigenes Verschulden, drei Monate bekommt er deshalb kein Arbeitslosengeld. Danach hat er nicht mehr den Mut gehabt, zum Arbeitsamt zu gehen. 17,60 DM ist alles, was er hat am Tag, den Sozialhilfesatz. Er holt seine Kreditkarte hervor, seinen ADAC-Clubausweis. Relikte eines anderen Lebens.

Geschichten, so normal, so gewöhnlich. Arbeitslosigkeit, Probleme mit der Miete, Kampf um Zahlungsaufschub. Dann die Kündigung. Kein Ort um unterzukommen, keine Verwandtschaft.

Eine junge Frau erzählt: Fünf Tage hat sie bei einer Freundin gewohnt. Bis diese ihr den Rat gab, auf den Strich zu gehen. Schock. Schmerz auch, wenn mit einem Mal alle Freundschaften zerplatzen, wie eine Seifenblase. "Dann sitzt Du wirklich am Bahnhof. Das war wie ein Knall", sagt sie. Immer in Anspannung sei sie gewesen, um das Leben auf der Straße zu organisieren. Toilette suchen, Essen besorgen, einen Schlafplatz einrichten, seinen Besitz bewachen. Kampf, um nicht unterzugehen. Besonders als Frau.

Schätzungsweise 24 wohnungslose Frauen gibt es in Heidelberg gegenüber offiziell 192 Männern. Die Dunkelziffer dürfte ein gutes Stück darüber liegen, da viele Frauen von Mann zu Mann ziehen. Jürgen ist Streetworker der katholischen Sozialstation, schätzt die Dunkelziffer auf insgesamt 250. 250, die nirgendwo hingehören. "Berber" nennen sie sich am liebsten. Platte, das ist ihre Schlafstelle, manchmal ihr Wohnzimmer, am gleichen Ort oder immer wo anders. Wo genau, das verrät keiner, das ist Geheimnis. Angst vor Dieben. Angst, verjagt zu werden. Irgendwie immer auf der Flucht. Jeder Schluck Alkohol Flucht aus der Realität von verletztem Stolz, kaputten Träumen und dem Gefühl von Wertlosigkeit. Flucht vor den Träumen, weil sie immer zerplatzt sind. Und dann weiß man auf einmal, was es so unendlich schwer macht, wieder herauszukommen aus der Mutlosigkeit. Was so viel Kraft braucht. Mehr als viele haben. Es ist dieser Schleier der Zeitlosigkeit im Kopf. Ein Schleier, der die Welt nicht mehr ordnet in Gestern, Heute oder Morgen. Der nur noch das Jetzt übrig läßt. Ein dumpfes, apathisches Jetzt. Es ist auch die Angst vor einer ganz anderen Welt. Eine Welt, die einen verändern wird. Das Gefühl, bei so viel Neuem die eigene Identität zu verlieren. Die Angst, sich selber aufgeben zu müssen. Jürgen versucht, die Wohnungslosen an Resozialisierungsprogramme heranzuführen, um ihnen diese Angst zu nehmen. Um ihnen ihr Selbstbewußtsein zurückzugeben. Ihre Träume. Der Traum von einem Dach über dem Kopf, einer Treppe zurück in die Anerkennung. Nie kommen alle unter, "bei der momentanen Arbeitsmarktsituation schaffen es gerade mal 10%. Früher hatten wir zu 30-40% Erfolg." Frust schwingt ein bißchen mit, wenn Gerhard Emig, Sozialarbeiter im Wichernheim, das sagt. Viele bleiben auf der Straße. Gewalt, weil viele nur die Härte kennengelernt haben, den Kampf. Gewalttätige Elternhäuser, Heimkarrieren. Niemand zeigte ihnen die andere Seite. Und jeder kennt einen, der dabei draufgegangen ist. Trotzdem gibt es so etwas wie Gemeinschaft. Peter hat heute eine Isomatte von Thomas geschenkt bekommen. Heinz gab einem Freund eine gefütterte Jeansjacke. Wütend war er nur, als dieser sich damit stockbesoffen in Hundescheiße legte.

Thomas schläft irgendwo in Leimen. Steht um fünf Uhr auf, damit niemand seine Schlafstelle sieht und ihn vertreibt. Läuft jeden Tag von Leimen nach Ladenburg, manchmal sogar bis nach Weinheim. Wandern gegen die Langeweile, gegen Lethargie. Er gehört zu den Nichtseßhaften, im offiziellen Sprachgebrauch, im Unterschied zu den Obdachlosen, jenen, die in Sozialunterkünften leben, weil sie auf dem freien Wohnungsmarkt chancenlos wären. Von Zeit zu Zeit macht er dabei "Schmale", kassiert an guten Tagen zwischen 50 und 150 DM. Betteln ist harte Arbeit. Das Geld ist schnell weg, viel zu schnell. Alkohol für ihn und ein paar Freunde. Ein bißchen Essen, mehr als zwei Tage reicht es nie. Zu seinem Bettellohn bekommt er Sozialhilfe, Kleidergeld und ist krankenversichert. Obdachlosen zahlt das Sozialamt noch eine Wohnung. Somit ungefähr 200 DM für jeden. Zusätzlich können sie noch 80 Stunden monatlich für 3,50 DM die Stunde arbeiten. Seit 10 Jahren erlaubt das Bundessozialhilfegesetz dabei eine Kürzung der Hilfe zum Lebensunterhalt bei Arbeitsverweigerung. Jährlich stehen der Stadt Heidelberg 780 000 DM für derartige Sozialleistungen zur Verfügung; hinzu kommen noch ungefähr 1,8-2 Mio. für Resozialisierungsprogramme. Zahlen. Es geht um mehr als Geld. Es geht um Würde. Um Respekt, den sie manchmal nicht einmal mehr von den anderen verlangen, weil sie ihn vor sich selbst schon längst verloren haben. Die Anerkennung, irgendwie dazuzugehören. Wenigstens irgendwo. Ohne Adresse fragt keiner nach einem. Kein Ort, wo man hingehen kann, wo man hingehört. Verlorenheit.

Heinz immerhin hat so einen Ort, ein Zimmer in Neuenheim.Klein, stickig, laut. "Ein bißchen wie eine gut geschützte Platte", sagt er selber dazu. Als Stukkateur, Installateur und Fliesenleger hat er gearbeitet, früher. Heiraten wollte er auch. Zweimal. Und dann erwischte er beide Freundinnen kurz vor der Hochzeit mit fremden Männern. Seitdem ist Zukunft für ihn nur noch ein leeres Wort. Im Gefängnis war er einmal wegen versuchten, das andere Mal wegen tatsächlichen Totschlags. Eine Ohrfeige hatte er ihm gegeben, unglücklich hingefallen ist derjenige dann. Und nie wieder aufgestanden. Gefängnis die Geschichte von 11 Jahren seines Lebens. Die restlichen dreieinhalb: unter einer Brücke am Neckar hat er geschlafen, bei den Half- und Quarterpipes. "Habe es sauber gehalten, aufgepaßt, daß Ordnung herrscht", erzählt er. Dann bekam er über die betreuten Wohngruppen sein Zimmer. Geändert hat sich seitdem nur die Nacht. Tagsüber sitzt er immer noch am Bismarckplatz, achtet immer noch darauf, daß Ordnung herrscht. "Sonst ham´ die uns gleich am Arsch. Und wir wollen doch einfach nur hier sitzen. Wir tun doch keinem was." Heinz braucht seine 3-4 Promille Alkohol als Spiegeltrinker. Zahlreiche Entgiftungen und Therapien hat er schon hinter sich. Trockenentzug oder Dystrol, synthetischer Alkohol, dessen Dosis allmählich reduziert wird. Alles umsonst. Er traut Entziehungskuren nicht mehr. "Das hab´ ich im Griff." Er glaubt daran. In seinem Zimmer zwei Bücher: "Jesus unser Schicksal" und "Hoffnung für alle". Hoffnung in den Büchern. Nur in den Büchern.

Der Torwart. In der 1. und 2. Mannschaft hat er gespielt, irgendwo im Saarland. Dort ist er auch unter Tage gefahren, neun Jahre lang, ab seinem 16. Lebensjahr. Eine Schlagwetterexplosion vernichtete seine Arbeitsstelle, er ließ sich zum Glashüttenarbeiter umschulen, wanderte von Glashütte zu Glashütte. Ziesel, Aachen, Bad Wurzenried. Auf Walze ist er immer noch, sagt er. Bloß bei den Glashütten, da ist er schon lange nicht mehr gewesen. Ein Zimmer hat er in Heidelberg, steht morgens auf, ißt im Wichernheim für 5 DM zu Mittag, setzt sich mit einer Flasche Schnaps an den Neckar. Erzählt, daß er "eigentlich schon an jeder Ecke in Heidelberg auf der Schnauze gelegen hat", weil er so besoffen war. Langsam erzählt er, wiederholt die Worte. Immer wieder. Wer nur den Moment erlebt, kennt keine Eile. Immer das gleiche zu sagen ist besser, als die Stille zu spüren, die Stille, die im Hintergrund droht. Die Stille, die Verlorensein heißt. Erzählt, bis Fußball im Fernsehen kommt. Schaut sich das Spiel an, geht danach zurück in seine Wohnung, legt sich schlafen. Rhythmus eines Lebens. Wie das andere, "normale" Leben ist, sein kann, hat er lange vergessen. Er hat es sich nicht ausgesucht. "Viele Obdachlose", sagt Gerhard Emig, "kommen mit der Bürokratie nicht zurecht, beantragen kein Arbeitslosengeld oder können nicht mit Geld umgehen." Und dann stehen sie dort, wo der Boden kalt und das Dach der Himmel ist.

"Manchmal, nachts auf der Platte, denkt man schon: Wie wäre das, morgen einfach nicht mehr aufzuwachen. Und die Angst davor ist irgendwie weg." Verlorengegangen in den vielen Nächten der Einsamkeit. Der Wille zerplatzt auf dem harten Beton der Straße. Weggewaschen, wenn der Regen nachts auf der Platte den Schlafsack durchdringt. Die Kälte, die er mitbringt, sich im Körper einnistet. Regen ist schlimmer als jeder Tritt, jeder verächtliche Blick. Regen kann man nicht hassen, nicht so hassen wie Menschen. Weil Regen ganz tief hineingeht, die Seele verwässert. Den Willen fortwäscht. (rot)


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König von Deutschland

Endlich ist es soweit: Am Monatsende wird Kohl Adenauer an Amtsjahren überrundet haben! Wir feiern in aufrichtigem Patriotismus mit. Helmut, wir sind stolz auf Dich! Aber mal ehrlich: Auf der Liste der am längsten amtierenden Staatsmänner der Welt stehst Du erst an 45. Stelle. Du machst Dich zwar dicke in der Top 50 unter all den Diktatoren und Monarchen, aber die sind fast alle adlig! Denk mal an Bhumibol Adulyadej, König von Thailand seit 50 Jahren! Trotzdem, Helmut: nicht weinen. Für die nächsten 36 Jahre wünschen wir Dir alles Gute. Damit Du Dich noch besser in diesem erlauchten Kreis behaupten kannst, haben wir schon mal bei Konsul Weyher einen albanischen Adelstitel für Dich besorgt. War nicht ganz billig, aber Rektor Ulmer hat finanzielle Unterstützung zugesagt, wenn die Einschreibegebühr erst mal da ist. For he's a jolly good fellow... and you're the biggest of all!


Machos in den Äther

Nach dem nun einjährigen erfolgreichen Bestehen des Frauen-TV- Senders TM 3 startet zum 31. 12. 1996 die Fallus-Gruppe den Spartenkanal Macho1Television- M1. Programmdirektor Billy Boymann kündigte auf einer Pressekonferenz bereites einige Highlights des im Kabel auf Sonderkanal 24 empfangbaren Programms an. So wird als Pendant zu RTL's "Explosiv" täglich das Infotainment- Magazin Praline-TV um 19.30 Uhr ausgestrahlt. Nach dem Spielfilm, darunter Leckerbissen wie "Rambo" und "Schulmädchenreport" 1 bis Teil 23, gibt es vollgepackte Kultur mit dem Magazin "Titten, Thesen, Temperamente", sowie als Bettschmankerl neue Folgen von "Al Bundy". Durch das Abendprogramm führt Dolly Buster. Als weitere Höhepunkte wären noch die Nachmittagsshow "Frauenküche" mit Verona Feldbusch- Bohlen sowie die Exklusivrechte an der Fußball- Landesliga Thüringens zu nennen. Wir freuen uns schon auf das Eröffnungsspiel Schmalkladen gegen Waltershausen.

Vertraulichen Informationen zu Folge soll hinter der Fallus -Gruppe unter anderem die Bundeswehr und der ehem. Bundestagsabgeordnete Alfred E. Dregger sowie Franz Schönhuber stehen. Sinn des Projektes sei es, der verweichlichten deutschen Jugend wieder männliche Gefühle zu vermitteln. Sobald das Programm etabliert sei, wolle man auch das Format "Bundeswehr- TV" starten. Daneben sei auch eine Reihe mit Wikingerfilmen und desweiteren über das Ariertum geplant. Auf unsere Anfrage hin bestätigte Programmdirektor Boymann, daß die Zielgruppe im "Bravo"- Alter liege. Alle weiteren Behauptungen wurden als Spekulation zurückgewiesen. (mj)


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Telekom [siehe Die Letzte]
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