Hochschule


Salamitaktik der Grausamkeiten

Kürzungen, Sparmaßnahmen, Verschärfungen - kleine Aufmerksamkeiten von Bund und Land

Der Verteilungskampf, der in öffentlichen und privaten Sektoren in Deutschland gleichermaßen entbrannt ist, trifft nun auch die Universitäten mit voller Wucht. Es geht nicht mehr - wie noch vor wenigen Jahren - darum, die Hochschulen besser auszustatten, mehr Leuten aus sozial schwachen Schichten das Studium zu ermöglichen oder alle Forschungsbereiche besser zu fördern.

Noch sind zwar Studiengebühren - 1000 Mark, jedes Semester, für alle - noch nicht beschlossen - aber ein Anfang ist mit "Immatrikulationsgebühren" und mit Strafzöllen für Langzeitstudierende bereits gemacht. Und Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Klaus von Trotha - noch vor kurzen angeblich ein Gegner von allgemeinen Studiengebühren - gab bereits zu erkennen, daß diese schon 1998 höchstwahrscheinlich anstehen. Derweil dürfen sich Studierende und der Rest der Universitäten aber vieler kleinerer Aufmerksamkeiten erfreuen, die wir für Euch an dieser Stelle einmal zusammengefaßt haben:

Bundesweit

Seit dem ersten Oktober ist die Rentenversicherungspflicht für Studierende eingeführt worden. Wer mehr als 2 Monate im Jahr über 590 DM verdient oder mehr als 15 Stunden pro Woche jobben geht , muß 9,6% des Erwerbseinkommens abführen. Den gleichen Betrag zahlt der Arbeitgeber. Ausnahme sind kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse, die maximal auf 2 Monate à 5 Tage pro Woche im Jahr beschränkt sind. Studentische Jobber sind damit für Arbeitgeber natürlich nicht mehr so attraktiv: Es wird noch schwerer, eine Anstellung als Ausgleich für das karge BAföG zu finden, die Löhne werden tendenziell sinken. Also mehr arbeiten und nicht so zügig studieren. Also Strafgebühren für Langzeitstudierende zahlen. Und damit noch länger jobben, noch länger studieren ... Übergangsweise bleiben Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1.10 96 bestanden haben, weiterhin versicherungsfrei. Begründet wird die neue Versicherungspflicht damit, daß Schul- und Studienzeiten nur noch 3 und nicht mehr wie bisher 7 Jahre auf die Rentenansprüche angerechnet werden. Zum Ausgleich muß dann eben der Nebenjob die Rentenbeiträge bringen. Ausländische Studierende, die ihre Beiträge im Alter nicht mehr einfordern werden, sind dabei natürlich die Gelackmeierten.

Gleichzeitig wird das BAföG teurer und knapper - es stirbt nach mehreren Verschlechterungen ohnehin einen langsamen Tod. Die BAföG-Sätze wurden auch Jahre nach der letzten Steigerung kaum erhöht - bei steigenden Lebenshaltungskosten also eine Minusrunde. Die Förderungshöchstdauer ist in allen Fächern so verkürzt worden, daß ein Studium in dieser Zeit gar nicht möglich ist. Danach entfällt der Zuschuß und jeder, der darüberhinaus Ausbildungs"förderung" will, muß bei der "deutschen Ausgleichsbank" Anträge stellen und vor allem marktübliche Zinsen dafür zahlen. Auslandssemester verlängern die Förderung nicht mehr, obwohl Scheine aus der Fremde an deutschen Hochschulen nur schwer anerkannt werden.Auch Krankheit oder Mitarbeit in universitären Gremien zählen auch nicht mehr.

In Baden-Württemberg

Ab Sommersemester 1997 muß jede/r Studierende eine Einschreibegebühr in Höhe von 100 DM zahlen; zusammen mit den 49 DM Sozialbeitrag und den 20 Mark für das Studi-Ticket sind das also schon 169 DM pro Semester. Die 100 DM gehen direkt in den Landeshaushalt und ist nicht an zusätzliche Leistungen für die Studierende gebunden.

Die zweite Maßnahme, den Boden für allgemeine Studiengebühren zu bereiten, sind die "Bildungsguthaben", die von der neuen CDU/FDP-Koalition vereinbart und im Frühjahr 1997 im Landtag verabschiedet werden sollen: Jede/r Studierende bekommt ein sog. "Bildungsguthaben” für die Dauer von 13 Semestern ( 8 Halbjahre "Regelstudienzeit” + 1 Prüfungssemester + 4 "Toleranzsemester"), mit dem er an einer Hochschule im Land studieren kann. Danach muß er für jedes weitere Semester 1000 DM Studiengebühren zahlen. Es zählen übrigens alle Semester, in denen man eingeschrieben war. Ein Zweitstudium wird also von Anfang an teuer.

Wer zahlt, hat aber auch ein Recht darauf, schärfer kontrolliert zu werden. Der neue Koalitionsvertrag sieht für alle Studierende zu jedem 2. Semester Leistungsnachweise in Form von Klausuren, Scheinen vor. Während dieser Vorschlag noch nicht in einen Gesetzesvorschlag gegossen worden ist, ist die "Hochschuleingangsprüfung" schon fast beschlossen: Die soll den Universitäten, die sich in Zukunft 40% der Immatrikulanten in beschränkten Studiengängen selbst aussuchen werden, bei der Auswahl helfen, unabhängig von Abiturnote und Wartezeit.

Hier in Heidelberg

Der Beschluß des "Landessparpakets" und die damit verbundenen Kürzungen der Gelder des Wissenschaftsministeriums wirken sich natürlich auch direkt auf den Haushalt der Uni Heidelberg aus. So rechnet das Rektorat mit Kürzungen von mehr als 20 Millionen Mark im Jahr 1997. Daraus resultierende radikale Sparmaßnahmen werden in erster Linie die universitären Gelder für studentische Hilfskräfte und Investitionen betreffen. Aller Voraussicht nach werden 1997 die Mittel in diesem Bereich um ein Viertel bis ein Drittel gekürzt. Bücheranschaffungen, Neubauten, Gerätekauf - alles wird davon betroffen sein. Studentische Hilfskräfte und die von ihnen geleistete Arbeit trifft es gleich doppelt: Es steht weniger Geld für ihre Bezahlung zur Verfügung und sie werden auch noch teurer, denn auch für die meisten von ihnen muß die Universität demnächst Sozialabgaben zahlen (siehe oben).

Außerdem führt die landesweite Stellenbesetzungssperre dazu, daß im nächsten Jahr keine der freien und freiwerdenden Stellen in Forschung und Lehre wieder besetzt werden dürfen. Die Universität hat alle Berufungslisten gestoppt. Die ohnehin schon miserable Personalsituation an der Uni Heidelberg wird sich also weiter verschlechtern.

Auch das Zentrale Sprachlabor (ZSL) der Uni ist von den Sparmaßnahmen der Landesregierung betroffen. Ende des Jahres läuft ein Sonderprogramm aus, durch das bisher vier Lehrstellen am ZSL finanziert werden konnten. Ohne diese Gelder hätte die Mehrzahl der bislang kostenlos angebotenen Sprachkurse gestrichen werden müssen. Auf Vorschlag des Rektors wurde stattdessen eine alternative Finanzierung eingeführt: seit Beginn dieses Semesters müssen Student(inn)en pro Sprachkurs und Semester ein Entgelt von 100 DM entrichten. BAfög-Empfänger(innen) und bedürftige ausländische Studierende zahlen die Hälfte. Nur wer laut Prüfungsordnung seines Faches notwendigerweise eine zweite moderne Fremdsprache beherrschen muß und diese nicht in der Oberstufe gelernt hat, kommt um die Gebühr herum. Möglich gemacht wurden diese Neuregelungen durch einen Erlaß der Landesregierung, der außerdem auch die Berechnung von Gebühren für den Besuch von Lehrveranstaltungen außerhalb des regulären Studienplans erlaubt. Ob das Rektorat auch diese Chance zum Geldeintreiben wahrnehmen wird, bleibt wohl abzuwarten. Zumindest für Zusatzqualifikationen wie Fremdsprachenkenntnisse, denen heute bei der Jobsuche bekanntlich eine Schlüsselfunktion zukommt, müssen Studierende jetzt einen nicht unwesentlichen Eigenbeitrag leisten. Dieser scheint jedoch nur wenige abzuschrecken: auch dieses Semester übersteigen die Bewerberzahlen die vorhandenen Plätze am ZSL bei weitem.

Daß die Mensa und die Caféterien teurer geworden sind, haben wohl alle mitbekommen. Das Studentenwerk begründet die Preiserhöhung um etwa 10% damit, daß teurere "Komponenten" wie Pommes wesentlich größeren Absatz finden als etwa die Suppen (was ja auch verständlich ist). Aber demnächst werden auch 40 Pfennig Landeszuschüsse für die Mensen gekürzt - dann steht zwangsläufig eine neue Preisrunde in den Kantinen an. Die höheren Preise in den Caféterien, die das Studentenwerk jetzt verlangt, lassen sich - bei bisher guten Gewinnen in den Einrichtungen - noch nicht erklären. Kaffee bleibt Kaffee.

Sparmaßnahme jagt Sparmaßnahme, Gebühr folgt auf Gebühr. Daß die Leidtragenden nicht mehr nur die Studierenden, sondern mit den Mittelbeschränkungen auch andere Hochschulmitglieder sind, macht die Sache nicht erträglicher, auch wenn die Studierenden sich jetzt auch der heimlichen oder offenen Unterstützung des Rektors erfreuen können, wenn sie auf die Straßen gehen - zumindest, wenn es gegen Mittelkürzungen und nicht gegen Studiengebühren geht.

Die Salamitaktik in Bund und Land droht die Hochschulen Schritt für Schritt verkommen zu lassen und am Ende, das läßt sich heute schon absehen, werden Studiengebühren nicht die Finanzen der Universitäten retten, sondern einfach weitere Kürzungen möglich machen. (jb/mj/hn)

Demonstrationen, Diskussionen, Happenings

Aktionswoche

Die baden-württembergischen Studierendenvertretungen haben für den 28.-31. Oktober zu einer Aktionswoche gegen die Spar- und Reglementierungsmaßnahmen aufgerufen - hier sind die Veranstaltungen, die die Fachschaftskonferenz in Heidelberg durchführt:

Montag bis Donnerstag:

jeweils 11 bis 15 Uhr: "Soziales Netz" vor den Mensen im Neuenheimer Feld und am Uniplatz

Dienstag

11.30-14 Uhr: "Bildungsgutscheinbörse" vor den Mensen

15.30-17 Uhr: "SponsorInnensuche" vor der Sparkasse am Uniplatz

Mittwoch

16 Uhr: "Wischen für Wissen" an der Zoologie, INF 230

Donnerstag

19 Uhr: Podiumsdiskussion zu Studiengebühren in der Heuscheuer, Hörsaal 1; Vertreter der Parteien wurden eingeladen oder haben sich eingeladen.

Hochschultag:

8. November, 9.30-18 Uhr, Erziehungswissenschaftliches Seminar, Akademiestr. 3: Unter dem Motto "Reformieren: Ja - Reglementieren: Nein" veranstaltet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ihren diesjährigen Hochschultag. In Referaten, Arbeitsgruppen und einem Podiumsgespräch sollen sich ReferentInnen und TeilnehmerInnen mit dem Thema Studienreform und mit Möglichkeiten von deren Weiterentwicklung auseinandersetzen. Auch die neuen gesetzlichen Instrumentarien - Studiendekan, Studienkommission, Lehrbericht, Freischuß - werden unter die Lupe genommen.


Jahresfeier der Universität

Minister verteidigt sich, Rektor beschwert sich

"Die Liste der geplanten Grausamkeiten oder der planlosen Dummheiten, mit denen die Politik die Hochschulen quält und ärgert, wird lang und länger." (FAZ vom 21.10.96) Daran änderte auch die Eloquenz eines Wissenschaftsministers Klaus von Trotha nichts: Zwar hielt er sich auf der Jahresfeier der Universität am vorvergangegen Samstag zugute, das Schlimmste im Kampf mit den anderen Ressorts im Lande verhindert zu haben. Rektor Peter aber sah sich angesichts der Entwicklungen zu einem "Bericht zur Lage der Universität" genötigt. Wesentlich Neues erfuhren Eingeweihte nicht, aber wer es immer noch nicht glauben wollte, hatte es nun amtlich: die Universitäten sind im Grunde pleite. Man solle - so der Rektor - sich ein Beispiel an Bremen und Saarbrücken nehmen, dort hätten Demonstrationen zu einer teilweisen Rücknahme der Sparbeschlüsse geführt.Daß die Heidelberger ProfessorInnen nun auf die Straße gehen werden, ist dennoch unwahrscheinlich - schon die studentischen Demonstrationen der letzten Semester haben viel zu wenige Betroffene auf die Straße gelockt. Und die Studierenden werden sich schwertun, mit einem Rektor zu demonstrieren, dem sie die jetzt anstehenden Studiengebühren mit zu verdanken haben.

Nach all den tristen Nachrichten entführte - zum Glück für die versammelten Gäste der Jahresfeier - der Kunsthistoriker Peter Riedl die Zuhörer noch in einem Vortrag durch die letzten Jahrhunderte der Kunstgeschichte. Danach gab es Käsestangen und den üblichen Small-talk. Nett. (khp)


Hilfe!

Angehenden LehrerInnen bekommen sie am 5.November, 19 Uhr, in der Neuen Uni, Hörsaal 9. Dort gibt es eine Informationsveranstaltung für neue Lehramtsstudierende, organisiert von der GEW-Studierendengruppe und dem Arbeitskreis Lehramt der FSK. Schlaue Leute aus Fachschaften, Oberschulamt, GEW, ZSW, EWS usw. usw. geben Tips zum Studium, den Anforderungen und den Berufsperspektiven. Wer nicht kann, holt sich den "Lehramtsreader" im Zentralen Fachschaftsbüro, Lauerstr. 1 oder im EWS, Akademiestr. 3).


Real-Idealistin

Neue Frauenbeauftragte: A. Kämmerer

Ihren Stuhl in der Brunnengasse, gleich hinter der Psychologie, hat sie kaum angewärmt. Doch der Kopf ist schon voller Pläne und einer wilden Entschlossenheit, an der Uni etwas zu bewirken. Seit genau einem Monat ist Annette Kämmerer, Akademische Rätin am Psychologischen Institut, Frauenbeauftragte der Universität Heidelberg. Am 3. September wurde sie mit klarer Mehrheit vom Senat gewählt, ebenso wie ihre Stellvertreterin Ingrid Essigmann-Capesius vom Botanischen Institut.

Wer bei der Frauenbeauftragten lila Shirt und Latzhose erwartet, wird enttäuscht. Auf den ersten Blick paßt sie eher in die Abteilung "Karrierefrau, jung, dynamisch und flexibel", Idealkandidatin für den Job mit Aufstiegschancen bei Siemens. Sportlicher Kurzhaarschnitt und lässig elegante Kleidung. Doch wenn sie spricht, kommt ganz schnell die Psychologin durch. Aber eine, die weiß, was sie will - und nicht nur davon redet.

Was für Aufgaben hat sie sich für ihre Arbeit vorgenommen, welche Ziele gesteckt? "Eines der vorrangigsten Dinge, die ich angehen will, ist es, die Frauenforschung sichtbarer zu machen", erklärt sie und führt verschiedene Stationen auf diesem Wege an, z. B. die Frauentage und das Herbstsymposium. Brav berichtet sie über die geplanten Veranstaltungen in diesem Semester, doch als die sozial-psychologische Komponente ins Gespräch kommt, kann sie ihre wahre Vorliebe nicht mehr verbergen. "In einer Institution, an deren Spitze fast nur Männer stehen, werden freiwerdende Posten meist gleich an Männer weitergegeben, da man sich ja untereinander kennt. Die Chancen für eine Frau, in diesen Kreis einzubrechen, sind gleich Null." Diesem "Old-Boys'-Network" möchte sie ein "Old-Girls'-Network" entgegenstellen. "Dazu bin ich wild entschlossen!" überzeugt sie sofort jeden Gesprächspartner von ihrer Absicht, doch sie ist wiederum zu sehr Realistin, als daß sie Wunder erwartet. "Ich hoffe auf das Gesetz der Zeit und das Gesetz der großen Zahl", lenkt sie selbst ein und schaltet einen Gang herunter. "Denn daß Frauen genauso behandelt werden wie Männer, ist in der Wissenschaft leider nicht der Fall."

Auch wenn sie erzählt, daß sie von dem - nicht vorhandenen - Engagement der Studentinnen enttäuscht ist, klingt das doch eher wie ein Kampfaufruf und keinesfalls nach Resignation. Zu der von ihr einberufenen Fakultäts-Frauenvollversammlung im letzten Wintersemester kamen von 1786 Studentinnen ganze 13. "Ich glaube, viele Frauen müssen erst einmal aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt werden. Solange die alten Geschlechterrollen noch bestehen, können wir hier Frauenförderung bis zum Tag X machen." Mit konkreten Vorhaben ist sie deshalb auch zurückhaltend, weil dies "unheimlich viel Idealismus verlangt".

Der fehlende Idealismus scheint aber weniger ihr Problem zu sein als das fehlende Geld. Da der im Mai schließlich durchgesetzte Frauenförderplan die Einschränkung enthält, daß die Personalmittel für die geplanten Habilitandinnen-Stellen zur Verfügung gestellt werden, soweit keine drastischen Haushaltskürzungen vorgenommen werden - was aber genau jetzt eingetreten ist -, sind damit auch die Stellen weg. "Jetzt fängt man natürlich schon an nachzudenken, ob die kostenneutrale Poollösung nicht doch die bessere gewesen wäre. Aber hinterher ist man immer schlauer." Dem Rektorat kann sie den Geldmangel jedoch nicht anlasten: "Mir werden die Mittel genauso verweigert wie sie der gesamten Universität verweigert werden."

Sie ist zwar nicht mit dem Ziel angetreten, "die Welt zu verbessern" - was sie sich damals noch von ihrem Psychologiestudium erhoffte -, doch die Uni zu verbessern, wäre ja auch schon was. Daß dies nicht so leicht ist, ist ihr zwar vollkommen bewußt; doch, versuchen kann man es ja mal, oder? (gz)


Die Aussichten: Heiter bis wolkig

Den Traumjob zu erhalten, ist schwierig geworden - aber nicht unmöglich

Was sagt ein arbeitsloser Akademiker zu seinem ehemaligen Studienkollegen, der Arbeit bekommen hat? "Einen Big Mäc, bitte!"- dieser Witz existiert wohl für so ziemlich jeden Studiengang außer für die Philosophen, die ja bekanntlich lieber Taxi fahren. Aber Scherz beiseite - die Berufsaussichten sind nicht gerade rosig für den akademischen Nachwuchs. Sie allerdings als aussichtslos zu bezeichnen, wäre übertrieben. Mit möglichst genauen Zukunftsvorstellungen und Bereitschaft zur Eigeninitiative hat man schon mal den größten Teil der Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt im Griff. ruprecht erklärt, wieso.

Daß die Berufsaussichten für Akademiker so schlecht sind, liegt an der unstetigen Entwicklung der Studienanfängerzahlen Mitte der 80er/Anfang der 90er Jahre. Als Nachwirkung ist das heute an ausgeprägten Spitzen in den Absolventenzahlen zu bemerken, das Schlagwort "Akademikerschwemme" ist streng genommen also falsch. Richtiger wäre es, von mehreren "Akademikerwellen" zu sprechen.

Man darf allerdings nicht unterschlagen, daß bei allem Unmut über die Arbeitsmarktsituation für Nachwuchsakademiker die Situation auf dem Gesamtarbeitsmarkt sehr viel ernster ist. Zum Vergleich: 1993 lag die Gesamtarbeitslosenquote in der BRD bei 8,1% während sie bei Universitätsabsolventen bei 3,9, bei FH-Absolventen sogar nur bei 3,6% lag.

Wenn man dann noch die Tatsache hinzuzieht, daß z.B. das durchschnittliche Einkommen eines Akademikers (4200DM) mehr als doppelt so hoch als das eines Erwerbstätigen ohne Abschluß (1960 DM) und auch deutlich höher als das einer Fachkraft (2284 DM) lag, dann braucht man sich gar nicht darüber wundern, daß die Entscheidung Ausbildung oder Studium immer öfter zugunsten des Studiums fällt. So stieg der Akademisierungsgrad aller Erwerbstätigen zwischen 1976 und 1993 von 7% auf 12%, die Zahl der Erwerbstätigen mit abgeschlossener Universitäts- oder Fachhochschulausbildung verdoppelte sich im gleichen Zeitraum. Mit solchen Wachstumszahlen wird der Arbeitsmarkt auf Dauer aber kaum Schritt halten können, auch wenn man neue Studiengänge und Arbeitsplätze in neuen Technologien und Fachbereichen mit in die Rechnung einbezieht, denn im Gegensatz zu den etablierten Studiengängen ist die demographische Entwicklung hier äußerst ungünstig, die Stellen sind von jungen Arbeitnehmern besetzt und durch Doktorarbeiten und ähnliches befinden sich zusätzliche Bewerber "in der Warteschleife".

Es ist also Eigeninitiative gefragt, will man im Rennen um einen guten Arbeitsplatz nicht den Anschluß verlieren. Dabei sind wichtige Punkte zu beachten:

Eine kurze Studiendauer und ein guter Abschluß haben wohl schon so manchem Berufswunsch den Weg geebnet. Abgesehen davon, daß ersteres für viele immer schwieriger wird angesichts der Bonner Hochschulpolitik, ist dies aber nicht das wichtigste Kriterium.

Die wichtigste Beobachtung ergibt sich unter anderem aus einer Untersuchung des Instituts für deutsche Wirtschaft. 86% der befragten Unternehmen bemängelten bei Universitätsabsolventen den fehlenden Praxisbezug. Das paßt soweit ins Klischee von der realitätsfernen Universitätsausbildung. Andererseits bemängeln aber 61% der selben Unternehmen bei Fachhochschulabsolventen Defizite im theoretisch-analytischen Bereich. Da haben wir den wunden Punkt getroffen: ein idealer Bewerber ist ein theoretisch orientierter Fachhochschulabsolvent oder ein praxisorientierter Universitätsabsolvent. Tatsächlich ist laut Aussage von Unternehmen noch nicht mal jeder zehnte Bewerber sofort einsatzfähig für den Beruf, ein schwerer Nachteil in der heutigen Arbeitsmarktsituation, in der große Betriebe Stellen abbauen, während der Mittelstand, der noch Arbeitsplätze zu schaffen in der Lage ist, weder Zeit noch Geld für aufwendige Trainees und Seminare für Berufseinsteiger hat. Um möglichst bald nach dem Abschluß einen Arbeitsplatz zu erhalten, der sich mit den eigenen Berufswünschen deckt, ist es also wichtig, sein Studium so auszurichten, daß man in dem entsprechenden Beruf sofort einsatzfähig ist. Will man nicht auf alternative und oftmals kostspielige Ausbildungsalternativen wie Berufsakademien oder Privatunis zurückgreifen, so stellt sich die Frage, was man selbst tun kann, um sich diesem Ideal zumindest anzunähern.

Zunächst einmal muß man sich sicher in seinen Berufswünschen sein. Das mag selbstverständlich sein, aber Tatsache ist, daß nur ein ganz kleiner Bruchteil der Studenten schon kurz nach der Zwischenprüfung oder dem Vordiplom konkrete Vorstellungen von seinem späteren Beruf hat. Und gerade das sollte man haben: Um die notwendigen theoretischen Grundlagen erwerben zu können, ist eine berufsgerechte, frühzeitige Spezialisierung unerläßlich.

Dazu nur scheinbar im Gegensatz steht die Notwendigkeit zum Erwerb von Zusatzqualifikationen. Gerade in Studiengängen, in denen die Absolventen mit Abgängern anderer Studiengänge in direkter Konkurrenz stehen, ist eine Zusatzqualifikation oft das ausschlaggebende Argument. Ein besonders markantes Beispiel geben dabei die Informatiker- vielen von ihnen werden bei Einstellungen z.B. Wirtschaftswissenschaftler vorgezogen, die sich die EDV-Grundlagen zusätzlich angeeignet haben. Informatik-Absolventen, die eine Anstellung in der freien Wirtschaft suchen, müssen sich also frühzeitig umfassende Kenntnisse in den Bereichen aneignen, in denen sie später tätig sein werden. Der Vorsitzende der Gesellschaft für Informatik, Hermann Rampacher, drückt dies sogar noch krasser aus: "Zusatzqualifikationen dürfen für Informatiker kein Notrad darstellen, sondern müssen wie ein zweites Standbein ausgebildet werden!". Es dürfte selbstverständlich sein, daß diese Aussage auch für Nichtinformatiker eine zentrale Bedeutung hat besonders für Absolventen wie Politologen oder Soziologen, für die es auf dem Arbeitsmarkt kein eng umrissenes Tätigkeitsfeld gibt.

Eine wichtige Konsequenz aus der Notwendigkeit von Zusatzqualifikationen ist die richtige Auswahl des Studienplatzes. Ist dies aufgrund von Verteilungsverfahren Zulassungsbeschränkungen und dergleichen im Laufe des Grundstudiums noch nicht möglich, so sollte man sich aber zum nächstmöglichen Zeitpunkt entsprechend seinen Berufswünschen an anderen Universitäten bzw. Fachhochschulen erkundigen, ob dort die Lehrveranstaltungen nicht eher das nötige theoretisch-analytische Handwerkszeug sowie bessere Möglichkeiten für eine breite Bildung vermitteln können. Als allgemeiner Entscheidungsgrundsatz in Bezug auf den späteren Beruf sollte dabei immer gelten: "So tief wie nötig, so breit wie möglich".

Gerade Universitätsabsolventen in spe sollten beachten, daß zusätzliche Fremdsprachen, am besten durch einen Auslandsaufenthalt vertieft, EDV-Kenntnisse und insbesondere Praktika im späteren Berufsfeld den Praxis-Vorsprung der Fachhochschulabsolventen dahinschmelzen lassen können und zudem bei der Entscheidung für den richtigen Beruf von unüberschätzbarer Bedeutung sind.

Leider werden diese wichtigen Aspekte einer praxisgerechten und dennoch wissenschaftlichen Hochschulausbildung von offizieller Seite sträflich vernachlässigt, und so bleibt dem einzelnen nichts anderes übrig, als sich selbst möglichst umfassend zu informieren, um für sich selbst ein Optimum an Ausbildung zu erreichen. Und auch angesichts der für Studenten eher schwierigen politischen Situation darf man vor allem eins nicht- sich den Spaß am Studium (mit allem, was dazugehört!) verderben lassen, denn diese Zusatzqualifikation kann man in keinem Seminar erwerben! (hpc)

Internet-Seiten zum Thema:

Projekt Studium und Beruf:
http://www.schwaben.de/home/gew

Berufsberatung für Hochschüler:
http://www.uni-jena.de/fsu/aa.html

Fachvermittlung, Jobs, Praktika:
http://www.uni-kl.de/KIT/job/job.html

Praktikantenbörse:
http://www.et.fh-osnabrueck.de/fbe/studihelp.html

Jobvermittlung:
http://www.134.34.53.185/arbeitsamt/

Berufseinstieg:
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~db9/Latex2htm/arbeitsa.htm

DV-Stellenbörse:
http://www.dv-job.de (mit Praktika und Ferienjobs)

Auslandsstudium:
http://www.daad.org/home2a.htm

Berufsakademie Ravensburg:
http://www.ba-ravensburg.de


Ihr Kinderlein kommet

Das Hochschulteam des Arbeitsamtes berät

Die Beratungsstelle des Arbeitsamtes für HochschülerInnen hat sich gemausert. Als vor ungefähr zwei Jahren ein Hochschulbeauftragter in die Seminarstraße einzog - damals noch im Rahmen eines Modellversuches -, war unklar, wie die Zukunft dieses Projektes aussehen würde. Doch Hans-Joachim Böhler blieb nicht lange arbeitslos: Besonders Endsemester, deren Betreuung seine vorrangige Aufgabe war, nahmen das Beratungsangebot an. Nach dem Umzug im letzten Winter ins BIZ, das nur als Zwischenstation dienen sollte, konnte zum 1.10. endlich das Arbeitsamt als endgültiges Quartier bezogen werden. Aus dem Hochschulbeauftragten wurde ein fünfköpfiges Team, das nun täglich in seiner Sprechstunde jedem Ratsuchenden zur Verfügung steht. Wurden früher vor allem Studierende, die kurz vor dem Examen und somit vor dem Einstieg ins Berufsleben standen, angesprochen, so finden heute alle Semester - so auch Studienabbrecher - Hilfe. red.


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