Titel


Wo sind die Profs?

Studierende machen gegen Sparkurs der Bildungspolitik mobil

Langsam wird es ernst. Am 11. Dezember wird im Ländle der Vorhaushalt verabschiedet, der tiefgreifende Einschnitte in die Bildungsetats der Universitäten, die Einführung von Bildungsgutscheinen und die Erhebung einer direkt an das Land gehenden Verwaltungsgebühr von 100,- DM je Semester vorsieht. Betrachtet man die Diskussionen über weitere Einsparmaßnahmen, ist es nicht verwunderlich, daß die Zahl der protestierenden Studierenden steigt, wie auch die Demonstration am vergangenen Mittwoch zeigte.

Waren die ersten Demonstrationen und Veranstaltungen des "Zahltag-Bündnisses" gegen die angekündigten Sparmaßnahmen des Landes noch eher schwach besucht, so gelang es am letzten Mittwoch, mehr Studierende zum Protest zu bewegen, als sonst an einer durchschnittlichen Uniwahl teilnehmen. Mehrere Tausend Studierende folgten dem Aufruf "Zahlen oder Protestieren" und entschieden sich für das Demonstrieren. Es wurde die größte Demonstration seit sieben Jahren. Am Bunsenplatz fand eine Kundgebung statt, bei der kritisiert wurde, daß durch Studiengebühren soziale Selektion entstehe und der Staat sich zunehmend aus der Verantwortung, Bildung als gesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, zurückziehe. Der Slogan "Bildung für alle" war einer der beliebtesten. Desweiteren riefen die Rednerinnen und Redner zum Boykott der geplanten Einschreibegebühr auf und schlugen verschiedene Möglichkeiten dazu vor.

Ein weiterer Slogan, der die Masse anheizte: "Wo sind die Profs?!" Auf der Kundgebung hatte ein Berliner Studierendenvertreter die Bedeutung einer Zusammenarbeit aller an der Universität Tätigen betont - bei der Demonstration aber machten sich Mitglieder des Mittelbaus und Professoren jedoch noch ziemlich rar.

Nach der Kundgebung entwickelte der Demonstrationszug eine bemerkenswerte Eigendynamik, die nach der Ankunft am Universitätsplatz sogar zur vorübergehenden Besetzung der Neuen Uni führte. Nach etwa einer Stunde strömten die Demonstranten gar ins Rektorat. Hausherr Peter Ulmer selbst sah sich genötigt, mit den Studierenden zu sprechen, allerdings ging er auf die Argumente der Protestler nicht ein und verteidigte die Einschreibgebühren.

Die Einsicht, daß es um weit mehr geht als "nur" um das eigene Geld, greift zusehends um sich. Denn die Sparpolitik in Baden-Württemberg dürfte anderen Bundesländern im Falle eines Erfolges als Modell dienen und zur Nachahmung anregen. Die Pläne aus Stuttgart als sozialverträglich oder gar als Verbesserung der Lehre anzupreisen, ist nicht nachvollziehbar. Besonders das Fehlen von Sozialkomponenten wird von den Kritikern bemängelt. Das Einführen von Bildungsgutscheinen im "Wert" von 1000,- DM erscheint vielen Studierenden als Einführung von Studiengebühren. Zwar werden diese Gutscheine bis zum 13. Semester gratis vergeben, aber durch das so eingeführte System ist es der Regierung ohne weiteres möglich, die Semestergrenze herunterzusetzen, so daß allgemeine Studiengebühren schnell eingeführt sind. Die "Sozialkomponente" bei der Einführung der Bildungsgutscheine besteht darin, daß BAföG-Empfängern das Geld erlassen wird. BAföG aber wird ohnehin nur noch bis zum 9. Hochschulsemester gezahlt. Zudem ist der Anteil der BAföG-Empfänger in den letzten Jahren stetig gesunken.

Hinzu kommt, daß Studenten seit Oktober rentenversicherungspflichtig sind. Das macht den Studenten auch für den Arbeitgeber teurer und damit unattraktiver. Und das betrifft vor allem die Universitäten, die Studenten als wissenschaftliche Hilfskräfte z.B. zum Leiten von Übungsgruppen einsetzen.

Gerade dieser letzte Punkt macht deutlich, daß die gesamte Universität durch die Sparmaßnahmen in Bedrängnis gerät: Wissenschaftliche Hilfskräfte, wichtiger Bestandteil der universitären Ausbildung, werden teurer. Es ist klar, daß hier der erste Ansatzpunkt für Einsparungen sein wird. Insgesamt sollen die Universitäten Baden-Württembergs 280 Mio. DM sparen. Diese Vorgabe wäre z.B. erreicht, wenn man die Universität Heidelberg schließen und die Universität Konstanz auf ¼ zusammenschrumpfen ließe. Alleine in Heidelberg sollen 22 Mio. DM eingespart werden. Folgen sind gravierende Einsparungen bei der Anschaffung wichtiger Lehrbücher und HiWi-Mitteln, z.B. kann die Fakultät für Physik und Astronomie dann nur noch halb so viele HiWi-Kräfte wie zur Zeit finanzieren, Übungsgruppen mit 40 und mehr Teilnehmern wären dann an der Tagesordnung, wobei schon vorausgesetzt ist, daß die Tutoren doppelt so viel wie vorher zum selben Lohn korrigieren. So ist es kein Wunder, daß auch Professoren zu der Überzeugung gelangen, daß sich die Sparvorgaben der Regierung nicht in die Realität umsetzen lassen. Es scheint sich abzuzeichnen, daß dies dazu führen könnte, daß Studenten und Dozenten sich gemeinsam gegen die Einsparungen zur Wehr setzen. Einige vielversprechende Ansätze für eine derartige Kooperation gibt es schon. So wurden z.B. in der Psychologie gemeinsam mit dem Dekanat alle Studierenden dieses Faches angeschrieben und auf die Situation aufmerksam gemacht, in der Geographie gab es eine Vollversammlung, an der auch Dozenten teilnahmen (studentische Vollversammlungen fanden ohnehin in einigen Fachbereichen statt) und die FSK plant eine Informationsveranstaltung für Dozenten. Denn auch für diese erweist sich das Sparpaket als nachteilig. So sollen in zwei Fünfjahresplänen 10% der Professorenstellen eingespart und insgesamt ein Äquivalent von 50 Ordinarien gestrichen werden. Dies würde bedeuten, freiwerdende Stellen nicht neu zu besetzen, was gerade für kleinere Institute und Fakultäten das Aus bedeuten könnte. Es erscheint also offensichtlich, daß nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Forschung immense Qualitätsverluste zu befürchten sind.

Daß die Stuttgarter Sparpolitik auch bundesweit ein wichtiges Thema ist, zeigt sich unter anderem daran, daß das ZDF am 5.12. um 22.15 Uhr ein ZDF-Spezial zu diesem Thema mit Trotha als Gast ausstrahlt. Auch Vertreter der FSK sind hierzu eingeladen worden, allerdings werden diese wahrscheinlich nur im Publikum sitzen und Fragen stellen können, denn Trotha wird sich wohl kaum wieder auf eine Fernsehdiskussion mit Studenten zu diesem Thema einlassen...

Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, was wir als Studenten gegen die Erhebung der Verwaltungsgebühr tun können. Dazu wurden von der FSK und vom "Zahltag" einige Möglichkeiten in Betracht gezogen. Es läuft bereits eine Unterschriftenaktion, außerdem eine bundesweite Briefaktion an Minister Trotha. Am 7. Dezember gibt es eine Demonstration der baden-württembergischen Universitäten in Stuttgart. Zudem wird geprüft, ob eine Klage gegen die Einführung von Studiengebühren aufgrund der Ungerechtigkeit bei verschieden langen Regelstudienzeiten Aussicht auf Erfolg hat. Allerdings stellt sich die Frage, wie man eine derartige Klage finanzieren kann.

Von der Fachschaft MathPhys kommt die Idee, die Überweisungen selbst zum Ausdruck des Protests zu machen: So könnte man seinen Betrag nur zweckgebunden überweisen oder geringfügig zuviel einzahlen (dann wird zurückerstattet). Man könnte zu wenig überweisen, in kleinen Raten zahlen, persönlich an der Unikasse erscheinen oder die Überweisung falsch ausfüllen. Allerdings könnte ein solcherart erhöhter Verwaltungsaufwand der Uni dem Land erst recht einen Vorwand für die Erhebung von Verwaltungsgebühren liefern - ein Schuß, der nach hinten losginge!

Ein Modell, von dem sich die Organisatoren des Protests mehr versprechen, kommt aus England. Man eröffnet ein Boykottkonto, auf das die Studierenden die Verwaltungsgebühr einzahlen, statt sie an die Universität zu geben. Da das Konto zur Zahlung der Verwaltungsgebühr geführt wird, hat man mit keinen rechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Die einzige Möglichkeit der Universität, gegen dieses Treiben anzugehen, wäre es, die Studenten, die auf das Treuhandkonto einzahlen, zu exmatrikulieren. Dies würde aber bei ausreichender Beteiligung nicht passieren, denn welche Universität kann es sich schon leisten, 20% oder mehr ihrer Studenten herauszuschmeißen, zumal diese ja die Bemessungsgrundlage für öffentliche Zuwendungen sind? Weitere Pluspunkte eines solchen Kontos sind die große Pressewirksamkeit und die Möglichkeit festzustellen, wieviele Studenten bereit sind, sich zu solidarisieren. Das Konzept für das Treuhandkonto muß allerdings bis zum Jahresende stehen, damit die rechtlichen Fragen abgeklärt werden können.

Nicht zuletzt deshalb werden noch Leute gesucht, die weitere Ideen einbringen und mithelfen. Wer Lust hat, meldet sich bei der FSK (542456) oder seiner Fachschaft oder kommt dienstags ab 19.00 Uhr bzw. freitags ab 15.00 Uhr in die Lauerstraße 1. (hpc, gan)


Noch eine, diesmal landesweite,

Demo

gegen Gebühren und Sparwahn:

Samstag, der 7. 12., 14 Uhr

in Stuttgart, Uni (Keplerstraße).

Treffpunkt für Bus- und Wochenend-Ticket-Benutzer aus Heidelberg: 11:45 Uhr, Hauptbahnhof


Seitenweise Diebstähle

Juristen lernen das Strafgesetz am praktischen Beispiel

"Da ist es aus mit dem guten Ruf der Juristen," erfahre ich in der Ausleihe, "vielleicht ist es ja nur einer, aber schaden tut es allen." "Es", das ist die Entwendung einzelner Seiten aus Werken in der Bibliothek. Die Täter: Studierende der Rechtswissenschaft. Die Opfer: Studierende der Rechtswissenschaft.

Ein Verbrechen am eigenen Leibe also, versteht man "die Juristen" als solidarisches Kollektiv. Doch um den Gemein- und Gerechtigkeitssinn unter angehenden Anwälten und Richterinnen scheint es nicht gut bestellt zu sein. Eher lautet die Devise: Ich beginne jetzt und um jeden Preis mit meiner Karriere! Ich will diese Seite haben, ganz allein für mich, damit ich auch ganz allein eine gute Hausarbeit abliefern kann! Natürlich handelt es sich bei den geklauten Seiten meistens um besonders wichtiges Material. Ist der betreffende Band nicht doppelt oder zumindest in der Universitätsbibliothek vorhanden, müssen die gelackmeierten Mitstudierenden einen Ausflug in eine andere Stadt einplanen. Oder sie schreiben eben ab. Aber das Thema "Hausarbeitsklau" ist ein anderes Kapitel.

Jeder im Seminar fühlt sich als Opfer. Einige empören sich, werden moralisch. Doch die meisten schauen betreten zur Seite: "Asoziale gibt es doch überall!" Täter ist oder kennt natürlich niemand. Deshalb weiß auch keiner, warum "die" das machen. Einer vermutet als Beweggrund Bequemlichkeit. Doch so ganz überzeugt scheint er davon selbst nicht zu sein. Vielleicht liegt es auch einfach daran, daß zum Scheinerwerb in Jura alle denselben Fall bearbeiten. Was wäre wohl, wenn 300 PhilosophiestudentInnen eine Hausarbeit zum selben Thema verfassen müßten?

Als Grund für die besondere Skrupellosigkeit seiner Kommilitonen nennt ein Jurastudent "den ausgeprägten Egoismus und das Karrieredenken der meisten." Heidelberg sei dabei als Hochburg der Jura studierenden "Rechtsanwaltstöchter und Ärztesöhne" besonders stark von berechnender Selbstsucht geprägt. Schließlich weisen die Professoren schon in den Einführungsvorlesungen darauf hin, daß "Sie ihren linken und rechten Nachbarn im Examen nicht mehr sehen werden." Klar, daß man da anfängt zu kämpfen. Mit allen Mitteln. Die Freiheit richtig radikaler Individualisten endet eben nicht da, wo das Recht auf Bildung der anderen beginnt. Und in der Bibliothek des juristischen Seminars fahren bei jedem noch so leisen Zerreißgeräusch ein Dutzend Köpfe herum, und der vermeintliche Täter, der vielleicht nur einen Notizzettel zu kleineren Lesezeichen verarbeiten wollte, wird mit bösen Blicken bestraft. (jb)


WWW ade

Homepages vor dem Aus

Die Freiheit auf den Rechnern der Universität ist bald vorbei: WWW-Seiten, die Studierende in Heidelberg betreiben, sollen künftig nur noch Informationen zur Person und zum eigenen Studium enthalten dürfen. Das jedenfalls kann sich der Rechtsderzernent der Uni Heidelberg, Klaus Schafheutle, vorstellen. Er ist damit beauftragt, Richtlinien für die Erstellung solcher persönlicher "Homepages" zu erstellen. Der Regierungsdirektor betont, daß dies seine persönliche Meinung ist und daß die endgültige Entscheidung beim Rektorat liegt. Seine Empfehlungen aber haben Gewicht. Im Rechenzentrum müssen die Mitarbeiter schon seit November mit Angaben zur Person und zu Beruflichem begnügen. Ob solche Einschränkungen auch für Studierende wütende Proteste und E-Mail-Bomben wie in anderen Unistädten zur Folgen haben werden, wird sich bald zeigen. (hn)


Ey!

Am Ende war das Wort, und das Wort war beim Studentenwerk. Dereinst vermietete ein sympathischer junger Student an malaysische Stipendiaten seine Wohnheimsbude, kehrte zurück, und siehe da: Es ward ein großer Tumult, und es war ein großes Wehklagen über den Schmutz in der Wohnung. Und wahrlich ich sage euch, es müssen metaphysische Kräfte am Werk gewesen sein. Denn mit Physik kann dieses Wachstum von Schimmel im Kühlschrank nicht erklärt werden. Erste Zweifel werden in unserem jungen Freund wach: sollte der Malaysier die Aufschrift aufgrund eines defekten Wörterbuches falsch verstanden haben? "Kühlschrank: Heizung, vor Gebrauch mit leicht verrottbarem Biomaterial aufzufüllen."

In seiner Verzweiflung wendet sich unser Freund ans Studentenwerk. Die sind um Antworten nicht verlegen: "Sehr geehrter Herr Würg (Name gerändelt), wie uns [...] mitgeteilt worden war, wurde Ihnen - wie allen anderen von der Ferienvermietung an malaysische Stipendiaten betroffenen Mietern - angeboten, das Appartement von einer Fachfirma reinigen zu lassen." Das erledigt er selber, was ihm das Studentenwerk mit 55,75 DM vergütet. Und dann der Hinweis, der mir endlich tiefgründig klar macht, warum ich schon wieder nicht weiß, wo mein Referat für nächste Woche liegt, bloß weil der Abwasch der letzten zwei Wochen im Zimmer verteilt ist und die Wäsche von Wochen den Fußboden so angenehm polstert: "Ein ausschließlich von Studenten bewohntes Appartement im Studentenwohnheim ist nicht mit einem gut geführten deutschen Hausfrauenhaushalt vergleichbar, die Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit sind sehr verschieden und hängen zum großen Teil davon ab, ob und wie stark die Studierenden bereits in ihren jeweiligen Elternhäusern an Reinigungsarbeiten beteiligt wurden, auch kulturelle Unterschiede spielen eine große Rolle." Was will uns das Studentenwerk damit sagen? 1. Herr Würg ist eine Hausfrau. 2. Malaysische Stipendiaten sind kulturell von uns verschieden, auch sind sie keine Hausfrauen.

Was mich und mein Referat betrifft, so werde ich jetzt gleich einen Brief an meine Eltern schreiben und mich erkundigen, warum sie mich so selten an Reinigungsarbeiten beteiligt haben. Und Dir Herr Würg, kann ich bei Deinen wahrhaft übertriebenen Hygieneansprüchen nur eines raten: Werde das, was das Studentenwerk Dir als eigentliche Bestimmung für Dein Leben offenbart hat: Hausfrau. (papa)


Zahlen des Monats

Teilnehmer der Demo am vergangenen Mittwoch

(nach verschiedenen Quelllen)


*Zur ruprecht-Titelseite