ruprecht Nr. 50 vom 3.11.1997 in einer Datei


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Das neue Tor zur Uni

Das Eignungsfeststellungsverfahren ist kein Weg aus der Krise

Die Einführung eines Eignungsfeststellungsverfahrens an drei Heidelberger Instituten hat bundesweit Aufsehen erregt. Die Ergebnisse der Versuche in Heidelberg könnten zumindest in Baden-Württemberg schon bald Modellfunktion gewinnen. Während Ex-Rektor Ulmer und nun auch sein Amtsnachfolger Siebke das Auswahlverfahren gerne ausgedehnter betrieben hätten, wettert Nordrheinwestfalens Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) gegen die Einführung eines "versteckten zweiten Abiturs".

"Unser Ziel ist es, die besten Studenten für die besten Studiengänge zu bekommen". So kommentierte Wissenschaftsminister Klaus von Trotha die Verordnung vom Juli, welche nun den Universitäten in beschränktem Umfang die Auswahl von Studierenden ermöglicht. Heidelberg hat bei der Umsetzung eine Vorreiterrolle übernommen. Betroffen waren von der neuen Regelung die Fächer Biologie (Lehramt), Psychologie (nur im Magister-Nebenfach) und Sportwissenschaften. Den Vorgaben gemäß dürfen in diesen Fächern mit lokalem NC bis zu 40 Prozent der Bewerber ausgewählt werden.

Die Kandidaten haben zunächst einige Vorleistungen zu erbringen. Neben Lebenslauf und Studienwahlbegründung zählen bestimmte Fächer des Abiturs. Zusätzlich punkten kann der Kandidat, der weitere Qualifikationen nachweisen kann. Ein Sportaspirant hat mit Trainerschein bessere Chancen, ein Psychologieanwärter rückt mit abgeschlossener Ausbildung oder Tätigkeit in einem der Psychologie verwandten Fach seinem Ziel ein Stückchen näher. Wer sich so einen Platz auf einer Rangliste erworben hat, durchläuft das Testverfahren an der Uni.

In der Psychologie gibt es einen schriftlichen Test von insgesamt 60 Minuten Dauer. Geprüft werden sollen verbale und soziale Intelligenz sowie das Vorverständnis für psychologische Fragen.

In allen drei Fächern gibt es zwei Auswahlgespräche von je 15 Minuten. Hier sollen Motivation und Qualifikation des Kandidaten festgestellt und bewertet werden. Ein teilweise standardisiertes Verfahren und eine Notenskala von eins bis zehn sollen die Prozedur vereinfachen helfen.

Ob das Heidelberger Modell Schule machen wird, bleibt abzuwarten. Kritik gibt es jedenfalls genug.

Kritik am Eignungsfeststellungsverfahren kommt aus allen Lagern: Führende SPD-Politiker fürchten die Entwertung des Abiturs, Fachschaftsvertreter halten das Losverfahren für billiger und gerechter, und die Landesrektorenkonferenz findet die Finanzierung unbefriedigend. Denn die Hochschulen sollen für den erheblichen Mehraufwand keine zusätzlichen Gelder erhalten. Schließlich auch Kritik derer, die für Auswahlverfahren sind: Ex-Rektor Ulmer bemängelt nicht nur den zu geringen Anteil von vierzig Prozent, die Stuttgarter Verordnung lasse den Hochschulen insgesamt zu wenig Spielraum.

Fragt man nach den eigentlichen Zielen, die hinter diesen Bemühungen stehen, so wird das ganze Projekt schnell fragwürdig. Die Hochschulen sollen stärker untereinander in den Wettbewerb treten und mit der Auswahl ihrer Studierenden eine der Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Arbeiten erhalten. Da aber derzeit alle Universitäten unter der Tatsache zu leiden haben, daß Haushaltslöcher mit Einsparungen in der Bildungspolitik quittiert werden, kann die Auswahl nicht weiterführen. Was nützen schon selektierte Studierende, wenn ihnen keine adäquate Ausbildung geboten werden kann? Zudem leiden die Universitäten an einem Reformstau, der nicht nur Zulassungsverfahren, sondern auch die gesamte Struktur der Universität betrifft. Was nützt ein durch die Auswahl in seiner Motivation bestätigter Student, wenn er anschließend durch lehrunwillige oder gar lehrunfähige Professoren wieder demotiviert wird? Wenn über Auswahl bei den Studierenden gesprochen wird, dann darf der andere Teil nicht weiter unberücksichtigt bleiben: Evaluation der Lehrenden.

Ein weiteres Ziel ist die Verringerung der Studiendauer durch höhere Motivation und größere Zielstrebigkeit. Dazu gehört aber auch eine Verbesserung des Angebots. Und wenn beim Eignungsfeststellungsverfahren Kriterien wie abgeschlossene Berufsausbildung in die Waagschale geworfen werden dürfen, dann wird vielleicht kürzer studiert. Jünger wird der Studierende durch vorausgehende Ausbildungen jedoch ganz sicher nicht. Zudem wäre es verheerend, wenn ein größerer Teil von Abiturienten auf den ohnehin dichten Lehrstellenmarkt drängte, um sich bessere Studienchancen zu erkämpfen.

Fragwürdig ist das Verfahren aber auch in vielen anderen Punkten. In zweimal 15 Minuten ist die Befähigung eines Menschen nicht in eine Skala von eins bis zehn zu pressen. Das sagt genauso wenig aus wie die Notenskala beim Abitur. Weiter läßt sich über eine Klausur keine zuverlässige Aussage über Fähigkeiten gewinnen, weil man sich auf solche Klausuren ebenso wie im Abitur vorbereiten kann.

Wenn Kritiker wie Frau Brunn im derzeitigen Verfahren die Einführung eines zweiten Abiturs oder die Entwertung des bestehenden sehen, dann verkennen sie die Sachlage: Das Abitur ist bereits entwertet. Ob es systemseitig je etwas über die Studienbefähigung ausgesagt hat, kann man ernsthaft bezweifeln. Wenn nun nach neuen Möglichkeiten zur Eignungsfeststellung gesucht wird, dann ist das die notwendige Folge dieser Unzulänglichkeit.

Das derzeitige Verfahren aber ist von gerechterer Verteilung der Studienplätze weit entfernt und bringt wohl kaum die besten Studenten zu den besten Studienplätzen. (papa)


Lizenz für kleine Kinder

Der NC auf das Referendariat löst die Probleme nicht

Die Einführung eines NCs auf das Referendariat kam plötzlich und allem Anschein nach schlecht vorbereitet. Wie für andere Maßnahmen auch, muß hier vordergründig die knappe Haushaltslage als Argumentierhilfe herhalten. Bei Licht betrachtet entpuppt sich das Vorhaben als Zeichen geistiger Inkontinenz der Entscheidungsträger.

Die knapp 1600 Bewerber für die diesjährigen Referendariatsplätze mußten sich einer Prüfung unterziehen, von der die meisten gar nichts wußten. Die Vergabe eines Platzes wurde erstmalig von einem NC abhängig gemacht, der für die Uni-Absolventen bei 1,5, für die der PH bei 1,3 lag. Nicht betroffen von dem NC waren diejenigen Bewerber, die sich bis zum Abschluß ihres Studiums in anderen Umständen befunden haben: Mütter und Gediente. Während die Mutterregelung erhalten bleibt, wird die bevorzugte Einstellung von Bundlern und Zivis vorläufig für ein Jahr gelten, der Gerechtigkeit wegen. Ganz schön ungerecht mögen das die 40 % Prozent gefunden haben, die auf diese Art nicht automatisch eine Stelle erhielten. Sie können sich durch Einreihen in eine Warteschleife jedes Jahr um 0,25 Notenpunkte verbessern.

Es wirkt zynisch, wenn der Staat einen Abiturienten durch ein mehrjähriges Bildungs- und Ausbildungsverfahren für einen Beruf befähigt, ihm aber dann die praktische Ausübung verweigert. Zudem hängt ein abgelehnter Bewerber bei dem derzeitigen Verfahren in der Luft: BAföG-Ansprüche bestehen nicht mehr, aber eben auch noch kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Ein unhaltbarer Zustand, der viele vom ursprünglichen Berufsziel abbringen oder auf Zeit in ein Scheinstudium treiben wird.

Die Politiker müssen daher endlich lernen, die Probleme an der Wurzel anzupacken und dürfen nicht stets auf die billigste Art und Weise abseits der eigentlichen Ursachen die Lasten auf die Studierenden abwälzen. Wenn wir tatsächlich zu viele Absolventen haben, dann muß schon zu Beginn dieses Berufsweges eine Schranke errichtet werden, nicht kurz vor Ende. Im Kultur- und Bildungsstaat Deutschland ist es aber längst kein Geheimnis mehr, daß es faktisch an Lehrern mangelt, nicht umgekehrt. Durch die Einsparungen an den Schulen werden die Klassen größer, die Probleme nicht weniger. In Zeiten wachsender sozialer Spannungen und zunehmend mangelnder Integrationskraft der Familien erhält die Schule mehr Bedeutung in der Erziehung, der sie auch nur mit dem entsprechenden Personal gewachsen sein kann. Daher weist der NC mit seinen zahlreichen Mängeln in der Durchführung schon prinzipiell in die falsche Richtung. Junge, motivierte und vor allem viele Lehrer braucht das Land, keine NC-Helden mit Paukqualitäten. (papa)


Komm!

ruprecht braucht Dich!

So, Du willst die Welt verbessern.
Aha, Du willst Rudolf Augstein und Gräfin Dönhoff beerben.
Jaja, Du willst Großes schreiben; anderen die Welt erklären.
Und warum bist Du dann immer noch nicht beim ruprecht?
Etwa, weil es bei uns kein Geld für Deine Mühe gibt?
Wir sind ein buntgewürfelter Haufen Studierender, die ihre Neurosen, in professionelles Layout verpackt, einmal monatlich an der Universität verbreiten. Bei uns kann man sich in allen Sparten austoben, kann recherchieren, transkribieren, layoutieren, fotografieren. Auch wenn viele es nicht nachvollziehen können: Uns macht die Sache großen Spaß!
Und deshalb fordern wir Dich auf, am nächsten Montag um zwanzig Uhr in die Redaktionssitzung zu kommen: Wir tagen im Haus der Fachschaften in der Lauerstr.1 und sind unter 542458 zu erreichen.(hn)


Ey!

Lieber Leser!

Vor fünfzig Jahren entstand aus den geistigen Trümmern der Deutschen Zeitungslandschaft eine neue Pressekultur, die mit dem Spiegel begann und im gleichen Jahr mit dem ruprecht die Publikation Zentraleuropas fand, die noch heute für investigativen Journalismus und neutrale Berichterstattung die Zeichen setzt. Und dabei stand die erste Ausgabe auf denkbar wackligen Beinen. Das Papier wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht zunächst nicht bewilligt. So entstand der erste ruprecht auf eingeschmuggeltem norwegischen Papier, das uns Genosse Willy B. freundlicherweise aus Berlin übersandte. Auch die ersten Druckplatten waren nicht einfach zu bekommen. Hier half uns der Nachlaßverwalter des ehemaligen Propagandaministeriums, indem er die bleigepanzerte Karosse von Göbbels auseinandernehmen ließ und uns das Blei zur Verfügung stellte. Im Schweiße unseres Angesichts trotzten wir den Beschimpfungen der Adenauergesellschaft, die damals noch nicht einmal wußte, wer Adenauer war. Standhaft verteidigten wir linke Positionen in berühmt gewordenen Interviews mit Ludwig E., als es um die Zigarrensteuer ging. Rücksichtslos deckten wir die Machenschaften des Franz Josef S. im Bundestag auf. Staatsdienlich wehrten wir uns gegen die Wiederbewaffnung mit Gustav H. Und nicht zuletzt begleiteten wir unseren alten Genossen Willy B. zum Plausch mit den russischen Genossen und Erich H.

In dieser besonderen Stunde gilt es auch derer zu gedenken, die von Anfang an voll und ganz hinter der Sache standen. Vor allen anderen gilt hier unser Dank Harald N., der auch heute, nach über 50 Jahren, noch in unserem Dienst steht und auch im 100. Semester noch keine Alterserscheinungen erkennen läßt.

Dank gebührt aber auch denen, die sich immer wieder für unsere Zwecke haben einspannen lassen. So beispielsweise Peter U., der nach eigenem Bekunden auch die dümmsten Witze auf der letzten Seite beinahe unbeschadet überstanden hat. Dank auch...

Was meinst Du, Gabriel? Der ruprecht wird erst zehn? Fünfzigste Ausgabe? Ach, so... (papa)


Zahl des Monats

50

Jubiläumsfete!!
19.11. Karlstorbahnhof


Hochschule


Rechtlos sicher

Neues vom Semesterticket

Während der öffentliche Nahverkehr in Deutschland ständig Anteile an das Auto verliert, steigen Studierende in großer Zahl vom Auto auf Bus und Bahn um und zeigen damit, daß die Verkehrswende möglich ist. Doch einigen Kommilitonen stieß der Pflichtbeitrag so sauer auf, daß sie sich bemüßigt sahen, die Gerichte zu bemühen. Nach einer Serie von Niederlagen konnten diese wackeren Streiter Anfang Oktober in Schleswig-Holstein erstmals einen Punktsieg verbuchen.

Gerichtlichen Anfechtungen mußten die Semester-Tickets schon in beinahe allen Bundesländern seit Jahren standhalten. Dabei wurde die Frage, ob ein verbilligtes Nahverkehrs-Ticket zu den sozialen Belangen der Studierendenschaft gehört, mit deren Wahrnehmung der AStA gemäß den Landeshochschulgesetzen beauftragt ist, durchweg positiv entschieden. In Düsseldorf hatte das Verwaltungsgericht im September geurteilt, die Fahrtkosten machten mittlerweile einen erheblichen Teil der Lebenshaltungskosten eines Studierenden aus, so daß die ASten mit der Einführung von Semester-Tickets eindeutig die sozialen Belange der Studierendenschaft wahrnähmen.

Das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig sorgt nun für Furore, weil es diesen Sachverhalt ausdrücklich anerkennt, den Vertrag des AStA Kiel mit den dortigen Verkehrsunternehmen aber dennoch als rechtswidrig einstuft. Der AStA habe nämlich seine Kompetenzen überschritten, indem er einen immerhin nützlichen, aber nicht notwendigen Vertrag über ein Semester-Ticket abschloß.

In Baden-Württemberg und Bayern liest sich dieses Urteil indessen wie eine Satire. Weil in diesen beiden Bundesländern die verfaßte Studierendenschaft vor zwanzig Jahren abgeschafft wurde, war es den ASten nicht möglich, in eigener Verantwortung Semester-Tickets einzuführen. An ihrer Stelle verhandelten und schlossen die Studentenwerke die Verträge mit den Verkehrsunternehmen. Was lange Zeit als Ausdruck der Rechtlosigkeit empfunden wurde, mutiert nun - welche Ironie - zum Schild gegen juristische Angriffe.

Semester-Ticket-Besitzer in Heidelberg können also beruhigt sein. Ihr Ticket ist aller Voraussicht nach klagesicher und wird nicht durch das Urteil von Schleswig gefährdet, das ohnehin noch keine Rechtskraft erlangt hat. Studierendenvertreter und Anhänger einer demokratischen Selbstverwaltung der Studierendenschaft müssen die Entwicklung jedoch als Rückschlag bewerten. Mit kompetenten und kooperativen Geschäftsführern lassen sich, wie in Baden-Württemberg, auch ohne formales Beschlußrecht attraktive Modelle für Semester-Tickets gestalten. Es bleibt aber ein Treppenwitz jüngerer Universitätsgeschichte, daß man als Studierendenvertreter anscheinend nur entmündigt und rechtlos vor Urteilen nach der Art des Verwaltungsgerichts in Schleswig sicher ist. (bp)


Großes Fressen

Späte Solidarität am Mensatisch

Sommer: Da konnte man auf der Marstallwiese liegen, die Nase in den blauen Himmel stecken und sich in der Septembersonne räkeln. Vorlesungs- und sorgenfrei blickten wir den Mädchen nach, leckten am Vanilleeis, verschoben die Lernvorsätze auf den nächsten Tag und dachten an nichts Böses.

Plötzlich ging ein Raunen und Zischen durch die Sonnenbadenden: Peter! Peter! tuschelte es durchs kippenübersäte Gras. Peter? - Ulmer! Magnifizenz persönlich! Da war er! Mitten im Marstall! Und ging schnurstracks auf die Mensa zu, umflattert von Hofstaat und Vertretern der regionalen Schreibzunft. 'Was will der da?' dachten sich die aus ihrer Verdauungsarbeit aufgeschreckten Studis - etwa was Gutes essen?

Nun, wer so viel Publicityexponenten im Gepäck hat, will nicht einfach nur essen - der will reden. Das hat Ulmer auch getan, und am nächsten Tag stand es in der Zeitung: Nach 1997 kürzt das Land auch 1998 die Zuschüsse an das Studentenwerk Heidelberg. Und zwar auf eine Weise, die sich am besten als konsequent bezeichnen läßt - oder als unverschämt: Waren es dieses Jahr noch 1,3 Millionen Mark weniger, werden dem Studentenwerk 1998 zusätzliche 1,8 Millionen Mark fehlen. Wen diese Zahlen allein nicht schwindeln machen, der sollte sie in Stammessen umrechnen, dabei aber berücksichtigen, das diese ab 1. Januar wegen der Kürzungen wohl jeweils dreißig Pfennige teurer werden. Das Kultusministerium hat für die Maßnahme einen wunderbaren Euphemismus gefunden: "neues Zuschußverteilungsmodell". Laut Ulmer ist dieses "sowohl ökonomisch wie auch sozialpolitisch unvertretbar, nicht zuletzt deshalb, weil es mittelfristig die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Studentenwerks gefährden würde". Sprach's, und biß so herzhaft in sein Gyros, als könnte es das letzte Mal sein.

Es gereicht Herrn Ulmer sicherlich zur Ehre, daß er angesichts der immer ungemütlicheren sozialen Situation seiner Studenten nun selbst auf die Barrikaden gegangen ist und es nicht bei der etwas trockenen Resolution, die er als Vorsitzender des Verwaltungsrats erlassen hat, geblieben ist. Zugegeben: Einem Rektor, der aus Protest gegenüber einer Landesregierung die Mensatradition des Quasi-vom-Tisch-Mampfens pressewirksam vorführt, kann man Engagement für seine Studierenden schlecht absprechen. Doch hat die Presse auch kritische Töne zu der Aktion gefunden. Das mag daran liegen, daß Peter Ulmer sein plakatives Eintreten für die soziale Lage der Studierenden gerade mal eine Woche vor der Abgabe des Rektoramtes in Angriff nahm. Zuvor war er in den Medien eher als besonders exponierter Vertreter für Studiengebühren bekannt gewesen. Auch bei dem Protest der Studierenden gegen die sogenannte "Verwaltungsgebühr" von hundert Mark, denen laut Landesrechnungshof ein Arbeitsaufwand von jeweils ein bis drei Minuten gegenübersteht, führte er nur eine kaum einfühlsam zu nennende Überlegung an: Die sich so ergebenden zwanzig Millionen wären, würden sie direkt an die Universität statt ans Land fließen, immer noch zu wenig - viel lieber hätte er die Aufregung der Studierenden für "seine" Vorstellungen von Studiengebühren ausgesessen.

Doch ist Ulmer ja inzwischen nicht mehr Rektor: Und Nachrufe sind nicht der Ort für nachträgliche Schmähungen. Um so mehr ist zu hoffen, daß nun Jürgen Siebke Ulmers würdiger Nachfolger wird: Vielleicht mit einem öffentlichen Salmonellen-Selbstversuch? Einen Monat lang in einer Zehner-WG in Leimen wohnen (ohne Dienstwagen)? Ausfüllen eines Bafög-Antrags, live in der Landesschau? Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Hoffentlich bemerkt das der neue Rektor nicht erst eine Woche vor seinem Ausscheiden. (gan)


Der mißverstandene Politiker und die Vertreterin der Entrechteten

Das Doppelportrait

Jürgen Siebke wird am 20. Juli 1936 in Hannover geboren. 1956 entschließt er sich für ein Wirtschaftsstudium in München und Bonn, wo er 1960 diplomiert und 1965 promoviert. Um seinen Horizont zu erweitern, geht er als Visiting Scholar 1968/69 nach Ohio und verpaßt deshalb die deutsche Studentenbewegung. Unversehrt kann er sich so 1971 in Bonn habilitieren und lehrt erst in Kiel, dann in Essen. 1983 endlich erfaßt ihn der Charme der Neckarstadt, an dessen Universität er seitdem Ordinarius für Volkswirtschaftslehre ist.
Erfahrung im Umgang mit Verwaltung und Politik - und Politikern - sammelte er sowohl in Kiel als auch in Heidelberg als Dekan und Senatsmitglied, im Wissenschaftsrat, dem er von 1978 bis 83 angehörte, und in der Hochschulstrukturkommission des Landes Sachsen-Anhalt von 1991 bis 92. Am 10. Februar dieses Jahres wurde er vom Großen Senat für vier Jahre zum Rektor gewählt.
Siebke ist verheiratet und hat drei Töchter. In seiner Freizeit wandert er gerne und liest bevorzugt Schriftsteller dieses Jahrhunderts.

Kirsten-Heike Pistel wird am 21. Januar 1968 in Neunkirchen an der Saar geboren. Nach dem Schulbesuch in insgesamt fünf verschiedenen Städten macht sie 1988 in Waldniel am Niederrhein Abitur. Seit dem Wintersemester 1988/89 studiert sie an der Universität Heidelberg: Mathematik, Germanistik, Philosophie und Erziehungswissenschaft. Von Beginn ihres Studiums an war sie Mitglied in diversen FSK-Referaten, Uni- und Fakultätsgremien. 1989 tritt sie in die GEW ein, seit ungefähr vier Jahren arbeitet sie aktiv in der Gewerkschaft mit. Inzwischen ist sie so mit Arbeit eingedeckt, daß sie keine Zeit mehr für Hobbies wie Turnen und Schwimmen hat. Eine andere Beschäftigung läßt sie sich jedoch von der ärgsten Zeitnot nicht verbieten: das Lesen, und zwar nicht nur Schriftsteller dieses Jahrhunderts.

"Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpf, hat schon verloren." Dieses Brecht-Zitat muß im Unterbewußtsein eines jeden eingeprägt sein, der versucht, an der Universität etwas zu bewegen. Den wahren Prototyp dazu findet man in der Lauerstr. 1: Kirsten-Heike Pistel. Mit fast zehn Jahren Arbeit in der Studierendenvertretung hat sie immerhin schon den dritten Rektor, seit diesem Semester den Volkswirt Jürgen Siebke, überlebt. Dies nahm der ruprecht zum Anlaß, die beiden Kontrahenten in einem Portrait vorzustellen.

Prolog mit Schreibtischen

Der Schreibtisch ist penibel aufgeräumt, die Ordner mit der Arbeit für den Tag sind sauber übereinandergestapelt, und vor der nächsten Sitzung bleibt noch ein wenig Zeit. Mit einem kurzen Blick auf die Uhr lehnt Jürgen Siebke sich in den Sessel zurück und beginnt zu plaudern. Zügig, aber ohne Hast erzählt er über seine Arbeit, ab und zu hat er sogar noch Zeit für eine kleine Anekdote. Aber stets ist auch dem Gegenüber bewußt, daß es noch Wichtigeres gibt. Und so verabschiedet Siebke sich schließlich mit einem netten, unverfänglichen Lächeln von seinem Besuch.

Damit sie vor lauter Arbeit nicht nochmal den eigenen Namen vergißt, hat ihn jemand über ihren Schreibtisch im 2. Stock des Zentralen Fachschaftsbüros aufgehängt: KIRSTEN - sieben kleine Holzbuchstaben, hübsch angemalt und mit kleinen Clowns und Blumen verziert, schweben über dem Tohuwabohu aus Büchern, Notizen, Kopien und Mitteilungen, das die Tischplatte längst unter sich begraben hat. Auf der Fensterbank macht sich ein Dschungel aus Topfblumen daran, demnächst den Rest des Gebäudes zu erobern; die Regale ringsum sind übersät mit Notizzetteln, Cartoons, Zeitungsausschnitten, Sprüchen frecher Junger und weiser Alter, Termin-Memos, Comics. Das ist das Reich von Kirsten-Heike Pistel. In blauen Wohlfühl-Trainingshosen, weißen Tennissocken und bunten Birkenstocks an den Füßen, die braunen Haare energisch zusammengezopft, hinter der Brille die Augen beweglich und ein bißchen nervös, wippt sie, die Beine zu einem halben Schneidersitz gekreuzt, beinahe unmerklich doch stetig auf ihrem Stuhl vor und zurück.

Alltag

"Freundlich" und "konziliant" sind die beiden Wörter, die am häufigsten fallen, wenn man mit Siebkes Kollegen über ihn spricht. Rudolf Gobauer, Diplom-Ökonom am Alfred-Weber-Institut, findet nur lobende Worte für ihn: "Seine Vorlesungen sind bei den Studenten sehr beliebt", erzählt der Assistent, der meist die Übung zu Siebkes Vorlesungen leitete. "Er ist halt der konziliantere und freundlichere Mensch als ich. Wenn die Studenten ihn bitten, etwas noch einmal zu erklären, tut er dies ohne Widerspruch." Zweimal war Siebke schon Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, und mit deren Management habe er nie Schwierigkeiten gehabt, bescheinigen ihm die Ökonomen.

So etwa zehn Stunden jeden Tag verbringt sie in der Lauerstraße 1 wie in einem Zweitwohnsitz. Nur im Nebenberuf ist Kirsten Studentin, ihr Hauptberuf aber spielt sich hier ab, wo die FSK (Fachschaftskonferenz) residiert, um die Geschicke der Studis zum Guten zu wenden. Offiziell ist Kirsten "Referentin für Hochschulpolitik" der FSK, faktisch ist sie unverzichtbare Wissensquelle für fast alle Uni-Angelegenheiten, Mädchen für alles, Mutter der Kompanie.

Begegnung

10. Februar 1997, INF 684. Die Aula im Neuenheimer Feld hatte lange, sehr lange nicht solch eine Atmosphäre erlebt. Sprechchöre schallen von der Gästetribüne herunter, Transparente verkünden "Wir zahlen nicht" und die Redner am Pult sind kaum mehr wahrzunehmen. Hilfesuchende Blicke schweifen durch den Raum, als Reihen von Studierenden aus Protest um die Tische der völlig irritierten Senatsmitglieder tanzen, welche nur ihrer Pflicht nachkommen wollen: der Wahl des neuen Rektors, Jürgen Siebke.

Dessen erklärende Worte zur Hochschulpolitik werden von der Masse lärmend reflektiert. Seine dünne Fistelstimme, die seinem Auftreten kaum gerecht wird, erschwert es ihm, sich gegen das selbsternannte Volk durchzusetzen. Doch den Mangel an Lautstärke versucht er mit der Schärfe der Aussagen wettzumachen: "Sie können beruhigt sein, ich habe schon andere Zeiten erlebt."

Und so geht der neugewählte Rektor schließlich als Sieger, wenn auch als geschlagener, aus der Senatssitzung.

Gut vorbereitet wie immer stellt Kirsten dem angehenden Rektor als erste eine Frage : Wie er sich die angesprochene Straffung des Studiums denn genau vorstelle? Und schon hat sie eine Ungereimtheit in seinen Ausführungen entdeckt und stellt ihn mit flinken Worten zur Rede. Von der Tribüne wird sie mit Sprechchören angefeuert, während ihr Kontrahent Buh-Rufe erntet. Nach fast drei Stunden verläßt sie als gefeierte Verliererin die Sitzung.

Wunsch und Wirklichkeit

Wenn Siebke Besuch empfängt und über sein neues Amt plaudert, lösen sich Studiengebühren zu einer selbstverständlichen Nebensache der Welt auf, das sich mit einem einfachen, wirtschaftlichen Modell leicht erklären läßt, "strukturgerechte Umsetzung unvermeidlichen Ressourcenabbaus" wird zur Hausaufgabe für einen Rektor, der sich dazu schon die Ärmel hochgekrempelt hat, und studentischer Protest erscheint als eine ganz natürliche, wenn auch ungewollte Nebenwirkung der Hochschulpolitik. Einfach hat er es wahrlich nicht, denn er muß jetzt auslöffeln, was die Politik ihm eingebrockt hat. Das wenige, das ihm das Ministerium aufgetischt hat, soll er an seine hungrigen Kinder in der Universität austeilen, einigen sogar etwas wegnehmen; da bleibt ein unzufriedenes Knurren nicht aus, denn satt wird niemand werden. Doch Siebke ist zuversichtlich, seinen Schützling über die harte Zeit bringen zu können.

Die FSK, so Kirstens kokette Selbstbeschreibung, "macht das, was gesetzlich eigentlich gar nicht vorgesehen ist", nämlich die Vertretung der Studierenden in den Gremien in- und außerhalb der Uni. Die FSK sammelt Informationen zur Studiensituation und dient den einzelnen Fachschaften als Koordinierungsstelle. Zwar sitzt Kirsten selbst in einigen Gremien (z.B. Fakultätsrat, Senatsausschuß für die Lehre), doch ihr Job als Informationsbeschafferin ist wesentlich wichtiger: "Wenn sie sich zurückzieht, kommt für die FSK erstmal ein riesengroßes Loch", weiß ein FSKler. Das Schlimmste für Kirsten ist der nervige Kleinkram, der immer an dem hängenbleibt, der sich dafür verantwortlich fühlt: Reden verfassen, Mülleimer leeren, Schreiben eintüten und adressieren. "Kirsten kann sich nicht einfach zurücklehnen und die Dinge mal schleifen lassen, sie muß immer was tun", beschreibt ihr Freund Harald das typische Workaholic-Problem. Manchmal, so berichten WG-Mitbewohner, beginnt Kirsten mitten in der Nacht, ihre Pflanzen umzutopfen. Überhaupt sind ihr Pflanzen unheimlich wichtig, neben dem Lesen natürlich: viel über Linguistik, Philosophie, aber auch schöne Literatur und Lyrik von Albanien bis Zaire. "Mein Zimmer ist vollgestopft mit Büchern: all denen, die nicht mehr in ihr Zimmer passen", lacht Harald.

Alles begann vor zehn Jahren , als Kirsten sich in der Romanistik-Fachschaft engagierte, weil es keine Einführungen für Erstsemester gab. Über verschiedene Fachschaften kam sie schließlich zur FSK: "Wenn Du mal anfängst, zieht es Dich rein, weil Du die ganzen Hämmer live mitkriegst. Du bist einfach hin- und hergerissen zwischen Pflichtgefühl und Verzweiflung", erklärt Kirsten ihre Hingabe an die studentische Hochschulpolitik. Natürlicher - weil ranghöchster - Feind im Gremienkampf ist da der Rektor der Universität; mit Jürgen Siebke erlebt Kirsten jetzt schon den dritten nach Volker Sellin und Peter Ulmer.

Urteile und Vorurteile

Ein Ökonom, so sollte man meinen, ist genau derjenige, der in der jetzigen Situation als Rektor gebraucht wird. Die Meinung der Kollegen geht darüber eher auseinander. Während Wirtschafter, wie Gobauer, ihr Fach erwartungsgemäß hochhalten und der Ansicht sind, daß ein Ökonom weniger Fehler als andere machen werde, erachten die Prorektoren diesen Faktor als nebensächlich. Für den Mediziner Hartmut Kirchheim ist der Einsatz wichtiger, der Physiker Heinz Horner sieht einen Vorteil darin, daß Siebke im Wissenschaftsrat schon den Umgang mit Politikern geübt hat, und der Historiker Heinz-Dietrich Löwe schätzt mehr die Standfestigkeit sowie die Konzilianz Siebkes. Einig sind sich die drei auch in bezug auf die Atmosphäre im neuen Rektorat: "Kollegial" laufe es dort ab, gleich zu Beginn habe Siebke erklärt, daß er das Rektorat als "Arbeitsteam" verstanden wissen will. Zwar lasse sich nach einem Monat noch keine große Bilanz ziehen, und besonders gut kenne man sich untereinander auch noch nicht, aber alle sind "optimistisch", was ihre Zusammenarbeit angeht. "Mehr Kollege als Rektor" sei ihr neuer Chef, das bezeugen alle drei, wenn auch Löwe einschränkend hinzufügt, "klar ist schon, daß einer der Rektor ist". Auch Horner möchte nicht ausschließen, daß es mal zu einer Situation kommen kann, in der der Rektor, z.B. aus Zeitnot, alleine entscheiden muß. Auch eventuell auftretende Meinungsverschiedenheiten werden kein Problem sein, da er "offen für andere Meinungen ist". "Herr Siebke ist ein leiser Mensch, kein lauter", wägt er ab, und deswegen kann er sich zwar vorstellen, daß Siebke mal "bestimmt" werden kann, "aber nicht unfreundlich".

Siebkes Studenten sehen ihren Professor sehr viel kritischer. "In Fakultätsratssitzungen fährt er einem schon mal über den Mund", erzählt ein Fachschafter. Aber das größere Problem scheint für sie Siebkes Nichtbeachtung zu sein. So gehen die Einschätzungen von studentischer Seite und der der Kollegen auch sehr weit auseinander. "Man hat immer das Gefühl, daß er nicht gerne mit einem spricht, die Sprechstunde möglichst schnell beenden will", beklagt sich eine Studentin, ein anderer sagt, Siebke grüße nicht und habe sogar Angst vor ihnen. Solche Aussagen stoßen bei Kollegen aus dem Institut auf völliges Unverständnis: "Seine Sprechstunden sind immer voll; ich verstehe nicht, wie man zu solch einer Einschätzung kommt", schüttelt die Assistentin Switgard Feuerstein den Kopf. Als "Fehleinschätzung" interpretieren sowohl Gobauer wie auch Horner unabhängig voneinander diesen Eindruck: Es sei halt seine "norddeutsche, zurückhaltende" Art, die auf den ersten Blick als Ablehnung ausgelegt werden könne. "Ich kann gut verstehen, daß sein Auftreten falsch aufgefaßt werden kann", räumt Horner ein, auch wenn er meint, dies gebe sich nach dem ersten Kontakt. Gobauer vermutet indes bei den Studierenden noch ein anderes Interesse. "Einige kommen wohl nur zum Antichambrieren in seine Sprechstunde, um ihre Note aufzubessern", versucht er, auf wagemutige Art seinen ehemaligen Chef zu verteidigen. Siebke selber greift nicht so hoch wie seine beiden Verteidiger und wendet ein, er wünsche sich, daß mehr Studenten in seine Sprechstunde kämen. Daß er traurig und allein dort auf sie wartet, erfordert jedoch schon ein wenig Phantasie, und auch sonst macht er auf seinen Gesprächspartner nicht den Eindruck, als ob ihm nur noch Kaffee und Kuchen zu dem netten Schwätzchen fehlten. Schließlich ist Zeit gleich Geld, muß besonders ein ökonomisch geschultes Hirn denken.

Frustrierender Start

Doch sind für Kirsten nicht die Rektoren das Problem, sondern das gernzitierte "System". Die Rektoren kommen und gehen, doch an der Geringschätzung der Gremien für die Studierendenvertreter habe sich bis heute nur wenig verändert: "Da stehe ich dann als Frau vor vierzig bornierten C4-Professoren und werde abschätzig gemustert." Als ob die Fachschaften eine Rotte Langhaariger seien, die sich hinstellen und 'Ho Tschi Minh!' rufen. Niederschmetternd sei das gewesen, frustrierend bis hin zu Magenkrämpfen. Für einen Computer mußte man damals Go-Ins im Rektorat veranstalten, das für die Forderung keinerlei Verständnis hatte: "Wie Computer?? Sie haben doch eine Schreibmaschine!"

Ihr Vorteil dabei: "Ich habe selten große Erfolge erwartet." Wenn sie so über Hochschulpolitik redet, glaubt man ihr das sofort: Ein düsteres Bild entsteht da, bevölkert von engstirnigen Professoren, machtversessenen Karrieristen und kriechenden Bücklingen - Kirsten klingt felsenfest überzeugt von der Schlechtigkeit der Welt. Doch schimmert auch immer wieder ein wahnsinniger Glaube an die Möglichkeit der Veränderung durch. Ungerechtigkeiten bringen sie auch nach zehn Jahren Kampf im Gremiendschungel noch in Rage: "Ich glaube nicht, daß Kirsten heute weniger idealistisch ist als früher", meint Harald. Und schließlich kann man bei der FSK ja auch schon mit berechtigtem Stolz auf einige Erfolge verweisen, die zwar meist wenig spektakulär, dafür aber umso greifbarer sind: Hier mal ein Übersetzungskurs mehr, dort eine etwas studierendenfreundlichere Prüfungsordnung - mühsam nährt sich das Eichhörnchen. In den Gremien sucht Kirsten (und die FSK) bewußt einen pragmatischeren Weg als die Studentenbewegung der 68er. Ihr Credo: Durch die sachorientierte Kärrnerarbeit an der Basis geht zwar viel von der ideologischen Schärfe verloren, aber anders erreicht man gar nichts.

Programm und Protest

Leise Töne, große Forderungen. "Allgemeine Studiengebühren", sagt Siebke, "stehen zwar noch nicht vor der Tür", aber umso vehementer tritt er dafür ein. Auf dessen Höhe legt er sich noch nicht genau fest, denn die könne sich auch nach dem Studiengang richten, aber wichtig ist ihm, daß ein Finanzierungssystem daran gekoppelt ist: Stipendien und Darlehen, auch durch Bürgschaften abgesichert, sollen soziale Härten abfedern. Mit Ausnahme von Löwe, der "das Mittel von Studiengebühren nur ungern anwenden" und sich noch nicht festlegen möchte, schwimmen die Prorektoren im selben Fahrwasser wie ihr Chef, auch wenn sie noch strenger auf eine soziale Abfederung als Bedingung pochen.

In einem anderen Punkt hat Siebke die volle Unterstützung seiner Prorektoren: Mehr Autonomie für die Hochschulen, sowohl im finanziellen als auch im strukturellen Bereich, z.B. bei der Auswahl von Studienbewerbern, fordern alle im Einklang. Eine Straffung des Studiums sehen bis auf den Mediziner Kirchheim alle als notwendig, auch wenn die Wege dazu auseinandergehen. Während Siebke wenig vom Credit-Point-System hält und das jetzige deutsche System der abschließenden punktuellen Prüfung vorzieht, sind die Prorektoren gespalten. "Jeder Student ist unterschiedlich gelagert und zieht verschiedene Systeme vor", argumentiert Löwe, während Kirchheim für eine studienbegleitende Leistungsbewertung eintritt.

Beim Thema Studiengebühren kann sich Kirsten schon erhitzen. "Das Land will doch einfach seine Kasse füllen. Wenn hinter Siebkes Modell ein Konzept stünde, würde er es nicht gerade jetzt fordern", überschlägt sich ihre Stimme. Ihr Argument: Durch Studiengebühren wird der Zugang zu einem gesellschaftlich wichtigen Bereich beschränkt. Die alte Weisheit 'Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser' lodert in ihrem Unterbewußtsein auf, wenn sie sich mehr Freiheit für die Universitäten vorstellt. "Dadurch würde die studentische Mitwirkung ganz wegfallen. Jetzt kontrolliert wenigstens das Parlament", läßt sie nicht gerade Optimismus aus sich sprechen. Wenigstens in bezug auf das Credit-Point-System, das sie allerdings nur unter einigen Bedingung befürwortet, hat sie einen Verbündeten in ihrer Gegnerschaft, den Mediziner Kirchheim.

Opposition und Kooperation

"Natürlich besteht die Gefahr, Teil des Systems zu werden, sich mit kleinen Zugeständnissen kaufen zu lassen, während sich im Großen nichts ändert", befürchtet Kirsten. Deshalb hat sie viel über die Taktik in der Gremienarbeit gelernt, auch, daß vieles vor oder nach den eigentlichen Sitzungen besprochen wird - es fällt das Wort "Mauschelei", an der man schon mal teilnehmen müsse, wenn man etwas erreichen wolle.

Das fällt jemandem wie ihr, einer zierlichen, doch energischen Person voller Kampfgeist und hundertfünzigprozentig von ihrer Sache überzeugt, natürlich besonders schwer zu akzeptieren. Wie ein schallgedämpftes Maschinengewehr feuert sie jetzt Satz für Satz ab, redet so schnell, daß sie sich oft verhaspelt; man merkt, wie wichtig ihr das jetzt ist: "Das Ärgerlichste ist die Diskrepanz zwischenöffentlichem und privatem Auftreten vieler Professoren. Im privaten Gespräch relativieren viele ihre Meinung, die sie in Gremien vertreten."

Ein Kompliment, welches die Gegenseite gerne zurückgibt. Prof. Dr. Norbert Greiner, bis zum letzten Semester einer der Prorektoren, der selbst unter anderem im Senatsausschuß für die Lehre sitzt und seit vier Jahren mit Kirsten-Heike Pistel zu tun hat, beklagt: Während Kirsten im Privattalk eine "sehr angenehme Gesprächspartnerin" sei, könne man bei ihren Auftritten in den Gremien "eine gewisse Verbissenheit nicht wegreden." Dort sei sie oft "extrem ideologisch und glaubt, eine bestimmte Rolle spielen zu müssen".

Lob vom Gegner

Überraschenderweise ist dies jedoch auch schon der einzige Kritikpunkt, der Greiner zu Kirsten einfällt. Ansonsten ist der Mann von der "Gegenseite" des Lobes voll, attestiert ihr "sehr große Bildung, sowohl in der Tiefe als auch in der Breite" und außerordentliche Informiertheit - "oftmals besser als alle übrigen Sitzungsteilnehmer." Vor allem aber hält Greiner Kirsten für "eine der ganz, ganz wenigen wirklich engagierten Studenten. Sie paßt überhaupt nicht in das gängige Vorurteil, Studenten seien entweder nur an einem lässigen Leben oder an einer schnellen Karriere interessiert. Das hat mir bei ihr immer sehr imponiert."

Und Greiner ist durchaus nicht der einzige von Kirstens Gegenspielern in den Gremien, der voller Achtung und Respekt von ihr spricht: "Ich schätze sie sehr. Sie ist engagiert und intelligent und stellt in den Gremien wichtige Fragen, die sonst keiner stellen würde", meint Prof. Dr. W. Kühlmann, Dekan der Neuphilologischen Fakultät. Achtung und Anerkennung also auch von den institutionellen "Gegnern" - in der Sache streiten, im Persönlichen fair bleiben - genau das möchte auch Kirsten: "Viele Professoren akzeptieren auch andere Meinungen. Das Problem allerdings sind die ohne Meinung, die nur gucken, was der Chef sagt."

Als Langzeitstudentin müßte Kirsten ab dem nächsten Wintersemester tausend Mark Studiengebühren zahlen, doch demnächst will sie eh ihr Studium abgeschlossen haben. Was dann? Eine Antwort darauf könnte die GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) sein: Seit fast vier Jahren arbeitet Kirsten dort mit, sitzt inzwischen im Landesausschuß für die Studierenden - also eine fast geradlinige Weiterführung der FSK-Aktivität. Es gibt also doch ein Leben nach der FSK!

Epilog mit Händeschütteln

Die Veranstaltung ist vorbei, die Teilnehmer zerstreuen sich langsam. Da wird sie plötzlich von hinten angesprochen - der Rektor hat Kirsten erspäht und wechselt schnell noch ein paar Worte mit ihr.
Das tut er ganz locker und unverkrampft; ganz so, wie der Präsident es sich von uns allen wünscht. Vom vorherigen Rektor Peter Ulmer ist sie dies weniger gewöhnt, doch das Händeschütteln und die kurze Plauderei mit dem "Chef" mal so nebenbei wird auch ihr noch vertraut werden. Immerhin ist dies erst der Beginn einer neuen Beziehung. (gz, kw)


Bei Anruf Trost

Studis helfen Studis in der NIGHTLINE Heidelberg

Schwermütig murmelt das Plakat: "Nachts, wenn Dir die Decke auf den Kopf fällt...", und ein paar winzige Sternchen torkeln verloren im unendlichen Dunkel des Alls herum. Eine bedrückende Situation für einen kleinen Stern, aber genauso fühlt man sich vielleicht, wenn der Klausurenstreß mal wieder gnadenlos zuschlägt oder der Partner nichts mehr von einem wissen möchte oder man einfach nur mal wieder das Gefühl hat, das völlig Falsche zu studieren.

Hilfe verspricht in solchen und vielen anderen Situationen die Nummer auf dem Sternenplakat: Heidelberg 184708 - die NIGHTLINE. Als "Sorgentelefon" für schlaflose Nächte und "Punchingball", um aufgestauten Frust abzureagieren, verstehen sich die studentischen Macher der fernmündlichen Lebenshilfe. Knapp 30 StudentInnen arbeiten ehrenamtlich für NIGHTLINE; zu Beginn jedes Semesters organisiert die Einrichtung eine Schulung durch einen Psychologen, wo die Nightliner auf ihren Einsatz am Hörer vorbereitet werden.

In diesem Sommer feierte NIGHTLINE zweijährigen Geburtstag. Damals brachten Heidelberger Studenten die Idee für das Sorgentelefon aus Oxford mit, wo man schon mehrere Jahre lang gute Erfahrungen damit gemacht hatte. 1996 wurde die Heidelberger NIGHTLINE mit dem Preis des Vereins der Freunde und Förderer der Universität Heidelberg ausgezeichnet; Folgeprojekte starteten in Stuttgart und Tübingen.

Trotzdem ist ein Hauptproblem der NIGHTLINE ihr niedriger Bekanntheitsgrad, obwohl die Einrichtung seit ihrem Bestehen mit Handzetteln und Plakaten auf sich aufmerksam gemacht hat.

Der große Vorteil des Konzepts NIGHTLINE ist, daß beide Gesprächspartner - Ratsuchender und Ratgebender - Studenten sind, sich also auf derselben Ebene befinden. Der NIGHTLINE-Mitarbeiter kennt die Probleme des Anrufers, war vielleicht schonmal in der gleichen Situation. Beide bleiben selbstverständlich anonym; es ist, so ein beliebter Vergleich der NIGHTLINE-Betreuer, als ob man während einer Zugfahrt mit einem Unbekannten ins Gespräch kommt, mit ihm Ängste und Freuden teilt - bis er schließlich aussteigt und man bemerkt, daß man noch nicht einmal seinen Namen weiß.

Bei NIGHTLINE (06221/184708) anrufen kann man Mo, Mi und Fr von 21.00 bis 2.00 Uhr. Neue Mitarbeiter sind herzlich willkommen. (kw)


Meinung


Nicht gegen und nicht ohne uns!

Die Hochschulreform braucht auch studentische Mehrheiten

Die Hochschulpolitik in Deutschland ist in Zugzwang geraten. Veränderungen sind notwendig, weil die Hochschulen in ihrer derzeitigen Form nicht mehr den Erfordernissen der Zeit gerecht werden. Finanzierungsprobleme, die Kluft zwischen Forschung und Lehre und die daran anknüpfenden Probleme sind nicht wegzudiskutieren. Um nicht weiter auf der Stelle zu treten, muß endlich ein konstruktiver Dialog zwischen allen Beteiligten einsetzen.

Professoren beklagen die mangelnde Studierfähigkeit der Studierenden, Politiker bemängeln die zu geringe Effizienz der Hochschulen und die Studierenden die im internationalen Vergleich katastrophalen Lehr- und Lernbedingungen.

Die eingeleiteten "Reformmaßnahmen" wie Einschreibgebühr, Eignungsfeststellungsverfahren, oder zuletzt der NC auf das Referendariat sind daher nicht nur sachlich zu kritisieren, sie greifen insgesamt zu kurz. Die Probleme werden nicht gelöst, sie werden verlagert. Die Folgen haben zunächst die Studierenden zu tragen, unsere durch Bildungsqualifikation getragene Gesellschaft wird die Folgen entsprechend später zu spüren bekommen. Es ist daher dringend geboten, die Studierenden an jeder Form von universitärer Reform zu beteiligen. Gegen den Willen der Studierenden läßt sich vieles beschließen. Ohne eine allgemeine Zustimmung der Studierenden jedoch führt kein Weg konstruktiv in die Zukunft.

Alle müssen sich jetzt bewegen, wenn die deutschen Hochschulen nicht in der einen oder anderen Weise verkommen sollen. Die Studierenden werden dabei ebenso Unerfüllbares fordern wie die Politiker.

Die Studierenden werden weiterhin an einer Hochschule ohne Studiengebühren festhalten, während ein wachsender Teil von Politikern diese einfordert. Politiker werden weiterhin ökonomische Kriterien an die Studienfächer anlegen wollen, während die Studierenden an Humboldts zweckfreiem Forschen gerade auch in den Geisteswissenschaften festhalten werden.

In anderen Punkten könnte man sich eher einig werden. Wenn die Politiker die Studierenden stärker prüfen und auswählen wollen, sollten sie im Gegenzug die Evaluierung der Professoren zulassen. Nachhaltig, versteht sich. Also muß zeitgleich der unzeitgemäße Beamtenstatus der Professoren auf den Prüfstand. Wenn die Politiker die Studierenden schneller durch die Uni schleusen wollen, werden sie unter den Studierenden durchaus Beifall finden. Aber nur dann, wenn die Studienbedingungen nicht mehr so absurd sind, daß die Regelstudienzeit eher einen schlechten Witz denn eine realistische Zeitvorgabe darstellt. Und nur dann, wenn genügend Spielraum für begründeten Studienfachwechsel besteht und soziale Kriterien in ausreichendem Maße Berücksichtigung finden, bevor der Finanzhammer das Studieren unfreiwillig beendet. Leistung gegen Leistung, nicht nur fordern sondern auch fördern.

Bei diesen und anderen Fragen kann und darf es nicht sein, daß die am stärksten Betroffenen vom Entscheidungsprozeß ausgeschlossen bleiben. Vernünftige und für alle Beteiligten akzeptable Kompromisse können und müssen gefunden werden. Die Konsequenz wäre das verfassungsrechtlich verankertes Mitspracherecht der Studierenden,

In Anbetracht der Eile der gebotenen Veränderungen vorläufig noch besser und konstruktiver wäre es, wenn sich die Verantwortlichen endlich ernsthaft mit den Belangen und Forderungen der Studierenden auseinandersetzten. An deren Gesprächsbereitschaft mangelt es jedenfalls nicht. (papa)


Jenseits der inneren Stille

Musik als Naturgewalt: die Welt des Giora Feidman

Musikbegeisterten ist der Name Giora Feidman schon lange ein Begriff. Sein Mitwirken an den Filmen "Schindlers Liste" und "Jenseits der Stille" öffneten seine Musik einem noch breiteren Publikum. So gelang es Feidman, bei seinem diesjährigen Auftritt in Heidelberg gleich zweimal die Stadthalle zu füllen. Auf seinem Programm stand weniger der traditionelle Klezmer; stattdessen rückten modernere Werke und argentinische Einflüsse in den Vordergrund.
Feidman wurde 1936 als Sohn jüdischer Emigranten in Argentinien geboren. Bereits mit zwanzig Jahren wurde er als Solo-Klarinettist an das Israel Philharmonic Orchestra berufen und erhielt eine Professur an der Tel Aviv University.
Heute wird er als einer der wichtigsten Vertreter des Klezmer angesehen. ruprecht sprach mit Giora Feidman eine Stunde vor seinem ersten Konzert in Heidelberg.

ruprecht: Herr Feidman, wie haben Sie begonnen, Klarinette zu spielen?

Feidman: Ich komme aus der vierten Generation einer Klezmer-Musikerfamilie. Aber niemand "spielt" ein Instrument. Das Instrument ist ein Mikrophon der Seele; es ist das Medium, nicht der Zweck. Sowohl Sänger als auch Tänzer haben eine stille innere Stimme, die ständig im Herzen singt. Man sieht, wie ich die Klarinette an meinen Mund führe, doch in Wirklichkeit verbinde ich die Klarinette mit meiner inneren Stimme. Wenn ich Klarinette spiele, dann erwecke und teile ich etwas, das in uns allen steckt.

Musik ist nicht etwas, das uns gelehrt wurde, ebenso wie niemand es uns lehrte, die Muttermilch zu trinken. Sie ist kein Privileg, kein Talent, sondern ein Bedürfnis der menschlichen Existenz.

ruprecht: Als Sie mit dem Klarinettenspiel begannen, begannen Sie da gleich mit Klezmer-Musik?

Feidman: Klezmer-Musik ist der falsche Begriff. "Klezmer" ist eigentlich aus zwei hebräischen Wörtern zusammengesetzt: "Kli" und "Semer", "Instrument" und "Lied", und wird auf den Körper als das Instrument des Liedes bezogen. Instrumente können die Musik nicht in sich aufnehmen - wir Menschen sind die Empfänger; auch ich selbst bin es.

Das zeigt sich beispielsweise im Judentum. Der Jude kann sein Gebet nur singen. Er tanzt das Gebet. Steht auf und zeigt die jüdische Art zu beten. Warum singt man die Torah und liest sie nicht? Wenn man singt, dringt man in die Tiefe der Bibel ein. Nicht beim Lesen. Die verschiedensten Kulturen und Religionen nutzen die Ebene der Musik, um sich mit den höheren Mächten zu verbinden.

ruprecht: Wenn Sie musizieren, ist das also wie ein gemeinsames Gebet mit dem Publikum?

Feidman: Genau das ist es. Es ist wie ein Werkzeug, um in die Tiefe der menschlichen Stille zu gelangen. Es ist ein gewaltiges Gebet. Gebet ist nicht nur "Lieber Gott, hilf mir, ich bin nicht glücklich!", es ist vor allem ein Ausdruck der Dankbarkeit. Dankbarkeit hat aber nicht unbedingt etwas mit Religion zu tun. Sie ist eine natürliche Eigenschaft der menschlichen Existenz. Wir sollten uns mehr auf unsere natürlichen Kräfte besinnen. Gewöhnlich sind wir durch unsere Erziehung und durch die Gesellschaft verwirrt. Unsere Sinne werden mißbraucht: Man will uns Produkte verkaufen. Die Augen sehen etwas - und man denkt sofort "ich will es". Unsere Augen werden so zu unserem eigenen Feind gemacht. Denn eigentlich wissen wir, daß wir nicht wollen. Ich sage meinen Schülern immer: Mein Name ist Mensch, mein Alter ist jetzt, und ich fordere nichts, denn ich habe alles.

ruprecht: Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre vielen neuen Konzerte?

Feidman: Ich habe keine Konzerte, sondern Zusammenkünfte mit Menschen. Es ist eine Feier der Seelen. In einer Stunde werden wir zusammensein, zusammen atmen, mehr nicht - das ist uns genug. Natürlich muß man etwas davor tun, eine Karte kaufen. Das wiederum machen nur die Leute, die den Künstler mögen - niemand geht in ein Konzert, um zu leiden. Zuerst aber müssen die Menschen ihre stille innere Stimme anrühren.

Gefühle und Bewußtsein muß man dabei auseinanderhalten. Man läßt sich nicht durch Gedanken, sondern durch Gefühle steuern. Deshalb sind wir hier. Und ich bin hier nicht wegen meines Talents, sondern weil ich ein Mensch bin, dessen Leben eine Aufgabe hat, so wie das Leben eines jeden anderen auch. Mir ist klar, daß ich unterrichtet wurde, doch ich bin froh mit dem, was ich tue und was ich gelehrt wurde. Ich wurde unterrichtet, weil mich Musik interessierte.

ruprecht: Wer gab Ihnen diese Art, das Leben so zu sehen?

Feidman: Das Leben selbst. Es ist ein guter Lehrer.

ruprecht: Vermutlich spielten auch Ihre Eltern eine große Rolle?

Feidman: Besonders mein Vater. Er ist mein Lehrer und wird es immer sein. Und jetzt, da er nicht mehr physisch unter uns ist, läßt sich seine Lehre durch die Verbindung mit seiner Seele fortführen. Das Problem ist, daß wir im Westen so oberflächlich sind. Was man nicht sieht, das glaubt man auch nicht. Es gibt nur zwei unsichtbare Dinge, die anerkannt sind: die Musik und die Welt der Gerüche.

ruprecht: Sie sagten: Sie geben keine Konzerte, sie treffen sich mit Ihrem Publikum...

Feidman: Ja, es ist ein Fest...

ruprecht: Was ist mit Ihren Filmen? Sie spielten in den vergangenen Jahren in mehreren Filmen mit, so zuletzt in "Jenseits der Stille"...

Feidman: Ja, mit den zwei Mädchen... es war wunderbar....

ruprecht: Aber der Film ist ein sehr artifizielles Medium...

Feidman: Es ist einfach, wenn man sich seiner selbst bewußt ist. Es ist einfach in den Dingen, die mit Kunst in Verbindung stehen. Es gibt Leute, die eine Aufnahme machen und dann tatsächlich tausende von Platten verkaufen. Sie haben Erfolg mit dem, was sie unbedingt wollen. Denn Gott gibt dir einen freien Willen. Aber die Frage ist, ob du die richtige Sache machst. Ob du dich an die Konsumgläubigkeit der Gesellschaft verkaufst oder nicht. Zum Beispiel die Leute, die die Fast-food-Verkaufsketten aufgebaut haben. Sie machen so viel Geld mit den Hamburgern, daß sie davon Krankenhäuser bauen können zur Behandlung der hamburgeressenden Menschen. Da ist etwas falsch dran, nicht wahr?

Bei meinen Auftritten habe ich den Eindruck, daß das Publikum fühlt, daß wir alle eine Familie sind.

ruprecht: Spüren Sie einen Unterschied zwischen dem deutschen Publikum und dem anderer Länder?

Feidman: Nein. Alle sind Menschen.

ruprecht: Wann kamen Sie zum ersten Mal nach Deutschland?

Feidman: Nach 1967, mit dem Israel Philharmonic Orchestra. Ich war darin über 18 Jahre Solist. 1985 kam ich nach Deutschland mit einem Trio für jüdische Musik. Und schon 1984 war ich für eine große Theaterproduktion in Berlin, "Ghetto" unter Peter Zadek. Das war der Beginn dessen, was Ihr heute abend hier seht.

ruprecht: War das Publikum 1967 anders als das heutige?

Feidman: Wenn Ihr mir die Beobachtung gestattet: Ich bin derselbe jetzt wie 1967. Das ist wichtiger. Jedoch 1967 war ich zornig und aufgewühlt. Es war schwierig, in Deutschland zu sein. Heute bin ich hier zuhause. Ich denke, das ist eine gewaltige Entwicklung, die jeder von uns zu durchlaufen hat. Aber zuerst müssen wir die Gegenwart lehren - den jungen Menschen in Jugoslawien, in Israel, in Irland, in Pakistan, der ganzen Gesellschaft.

Denn was geschieht, wenn man nur die Vergangenheit lehrt? All die jungen Kinder in diesem Land wissen nicht, was ein Jude ist. Das erste Mal, daß sie einen Juden sehen, ist bei der "Kristallnacht" im Fernsehen, hinter dem Zaun eines Konzentrationslagers. Alle von euch wissen das. Aber was passiert da? Es wird ein Trauma geschaffen.

Denn in der Schule wird wie in jedem anderen Land Nationalbewußtsein weitergegeben: Du bist ein Deutscher, dies ist dein Land, dies ist deine Literatur, die großartig ist. Und eines Tages zeigt man den Kindern Bilder der Reichskristallnacht, und sie fragen: Wer hat das gemacht? Die Vorväter...

Es gibt viele Möglichkeiten, das durch Begegnungen zwischen den Menschen zu ändern. 1992 brachte ich eine junge deutsche Klezmergruppe nach Israel ins Fernsehen. Und ich sagte zu ihnen: "Danke, daß Ihr gekommen seid. Ihr seid hier zuhause." Man wollte mich umbringen. Meine Freunde und die Medien. "Du sagst zu den Deutschen: Dies ist Euer Zuhause!" Beim zweiten Mal brachte ich die Gruppe zu einem großen Klezmer-Festival nach Galiläa. Meine Freunde sagten: Sch.... , sie spielen unsere Musik gut, diese Gruppe. Aber es ist schwierig, ihnen zuzuhören! Ich sagte: Schon besser! Beim dritten Mal wurden sie bereits von den Israelis eingeladen. Und jetzt gehen sie oft dort hin, spielen in den Straßen und verdienen sich das Geld für die Flugtickets. Und seht Ihr, beim ersten Mal sagten die Leute: Wir wollen sie nicht hier haben. Und wie konnte eine Verbindung hergestellt werden? Über die Musik!

Kommt auch Ihr nach Israel! Dort wird sich Eure Vorstellung von Deutschland und von Juden ändern. Ihr werdet sehen, das sind normale Menschen, ein normales Land. Und ihr werdet ohne Probleme akzeptiert werden. Jeder Deutsche sollte einmal nach Israel gehen, und jeder Jude sollte einmal hierher nach Deutschland kommen. Es gibt immer noch eine Menge Juden, die nicht hierherkommen wollen. Ich verstehe und respektiere das. Das ist die Vergangenheit. Aber viel wichtiger ist die Gegenwart, das ist die Realität. Sollte ich Euch etwa nicht akzeptieren, weil ich ein Jude bin? Nein, die Musik hat den Heilungsprozeß zwischen Deutschen und Juden vorangetrieben. Wir können hier zusammensein und sprechen.

ruprecht: In welchem Land fühlen Sie sich zuhause?

Feidman: Überall. Zuhause ist überall, die Welt...

Trotzdem hat es für mich eine besondere Bedeutung, in Israel zu leben. Ich habe mit meinem Alter und meiner Generation das Privileg, das zu erleben, worauf wir 2000 Jahre gewartet haben. Ich möchte das nicht missen. Ich lebe nun schon über vierzig Jahre dort, habe Frau, Kinder und Enkelkinder.

ruprecht: Es gab einmal eine Geschichte über Yehudi Menuhin: Er sagte, er stehe jeden Morgen fünf Minuten auf dem Kopf, um in guter Verfassung für den Tag zu sein. Haben Sie irgendwelche Spezialrezepte?

Feidman: Ich bin ein Trinker. Ein Wassertrinker. Ich habe gelernt, aus Wasser Energie zu schöpfen. Manchmal ist das erste, was ich morgens tue, zwei Liter Wasser zu trinken. Uuuh, aber man muß p...

ruprecht: Haben Sie irgendwelche neuen Filmprojekte?

Feidman: Nun, es wird ein Film über die Comedian Harmonists mit mir herauskommen. Die Hauptfigur ist ein Klarinettenspieler, und ich spiele für ihn. Außerdem habe ich mit dem NDR in Hamburg Fernsehprojekte gemacht, und etwas in Israel für die Fünfzig-Jahr-Feier.

ruprecht: Spielen Sie noch irgendwo Klassik mit Orchestern?

Feidman: Ja, als Solist, überall. Ich war gerade in Leipzig, mit dem NDR. Ich setze mich in ein Taxi und spiele überall, wo man mich hinbringt.

ruprecht: Welche Bedeutung haben Ihre Musiker für Sie?

Feidman: Ich kann auf der Bühne nicht ohne sie sein. Alles beruht auf gegenseitiger Hilfe.

ruprecht: Wie lange spielen Sie schon mit ihnen?

Feidman: Mit Tony neun, mit Joe drei bis vier Jahre, mit Brad vielleicht ein Jahr. Das Problem meines Trios ist: Wenn die Musiker heiraten, hören sie auf, weil ihre Frauen sie nicht mehr für das viele Reisen gehenlassen. Und ich akzeptiere das. Ich bin auch verheiratet, aber das Reisen ist für mich eben ein unvermeidbares Opfer.

ruprecht: Und Ihre Frau läßt sie gehen?

Feidman: Ja. Sie ist eine wunderbare Frau. Wir sind in Tel Aviv zusammen, und sie kommt auch manchmal mit auf die Reise. Das Problem sind meine Enkelkinder. Als sie kleiner waren, konnte ich sagen: Nächste Woche komme ich. Sie wußten nicht genau, was eine Woche ist. Jetzt werden ihre Forderungen etwas nachdrücklicher. "Wann kommst Du endlich? Nimm Dir frei für mein Schulfest!", wenn ich sage: Es tut mir leid, ich werde im Ausland sein.

Der Großvater ist wichtig, er ist eine Institution. Gott sei Dank bin ich gesund und kann mit ihnen spielen. Und sie brauchen das. Ich habe ihnen versprochen, zur Bat Mizwa mit ihnen ins Disney Land zu gehen. Jetzt sagte meine Enkelin zu mir: Sag mir, Großvater, muß ich wirklich warten, bis ich zwölf bin?

ruprecht: Sind Sie optimistisch, was die politische Situation in Israel betrifft?

Feidman: Ja. Seht Ihr, es gibt tausende von Israelis und Palästinensern, die nebeneinander leben. Wir haben unsere Kinder nicht dazu erzogen, uns gegenseitig umzubringen. Wir haben nur verschiedene Vorstellungen. Aber wir können uns doch an einen Tisch zusammensetzen. Natürlich, es geht auch um Terrorismus. Aber das ist nur eine kleine Minderheit auf beiden Seiten. Sie machen Probleme. Aber sagt mir nicht, daß es eine Lösung gibt, einen Mann zu überzeugen, der sich ein paar Bomben um den Bauch schnürt, und dem man sagt: Wenn Du Dich in die Luft sprengst, kommst Du ins Paradies und erhältst 47 Frauen.

ruprecht: Sie haben uns sehr viel über die Kraft der Kindheit erzählt. Könnten Sie sich vorstellen, Kinderlieder zu interpretieren?

Feidman: Ja, absolut. Aber wollt Ihr sagen, Beethoven ist alt? Bach ist alt? Nein. Musik hat kein Alter.

ruprecht: Auch Popmusik nicht?

Feidman: Nein. Die einzigen Vorbehalte bei Musik habe ich gegen Lärm, nicht gegen die Musik. Wir wurden nicht erzogen, auf unsere innere Stimme zu hören. Aber sie ist ursprünglich leise, nicht laut. Zum Beispiel der Lärm einer Boeing ist ein Produkt dieses Jahrhunderts. Früher gab es nur das Wiehern der Pferde. Die Umweltverschmutzung durch Lärm ist heute so groß. Musik dagegen ist geistige Nahrung. Musik ist Musik, ohne Grenzen.

ruprecht: Vielen Dank für das Interview!

Feidman: God bless you.

(vb,gan)

Das Interview wurde aus dem Englischen übertragen.


Nostalgie


Wenn Großmutter erzählt ...

Zum 10. Geburtstag: ruprecht-Altredakteure geben Anekdoten zum Besten

Nicht nur stolze fünfzig Ausgaben, auch chaotische zehn Jahre hat der ruprecht hinter sich gebracht. 1987 nahm ein Häuflein Idealisten Schreibmaschine, Schere und Kleber zur Hand und montierte das "Schlagloch", die seit Jahrzehnten erste unabhängige studentische Zeitung in Heidelberg. Mit der 18. Ausgabe nannte man sich 1991 "ruprecht". Inzwischen haben wir tolle Computer, edle Anzeigenprospekte, Intranet und Internet, und geben uns fürchterlich professionell. In Wirklichkeit aber kommen uns die Geschichten, die unsere AltredakteurInnen über das Treiben in der Redaktion zu erzählen haben, nur allzu bekannt vor.

Als "man" noch "pc" war

Oh ja, Großmutter erinnert sich noch daran, daß es in den grauen Anfangszeiten einiges gab, das wir zwar für durchaus programmatisch, aber dennoch für ziemlich uninspiriert hielten - es war nun mal das einzige, auf was man sich einigen konnte ...

Apropos "man": In der Blütezeit der feministischen Linguistik nahm die Frage der möglichst gerechten geschlechtsneutralen oder eben nicht neutralen Sprachgestaltung bei uns breiten Raum ein. Der Kompromiß zwischen den Hardlinern beider Seiten war schließlich die "Innen-Form" im Titel und in allem "Übergreifenden" sowie das Zugeständnis, daß ansonsten in ihren/seinen Artikeln sowie jedeR alles so machen könne, wie sie/er es wolle. (Schon geht das Gewurstel los!)

Die Gleichberechtigungsthematik war wichtig, und auch mit dem damals noch gar nicht bekannten Begriff "Political Correctness" gab sich ein guter Teil der Redaktion - mich eingeschlossen - redlich Mühe. Das beste Beispiel dafür ist ein Gedicht, das ein damaliger Mitarbeiter in der Zeitung veröffentlichen wollte. "Ihre Brüste" - so der Anfang - "Sie war mir so nah" (oder "fern"? Oder "fremd"?). An diesem doch eher harmlosen Ausdruck erotischer Phantasien erhitzen sich die Gemüter. Kommt das Gedicht in die Zeitung oder nicht? Wenn nein, warum nicht? Weil es schlecht oder weil es sexistisch ist? Wenn ja, dann verschämt, versteckt, oder provozierend exponiert? Ohne oder mit distanzierendem Kommentar? Wenn ich mich recht erinnere, kam das Gedicht rein, auf eine der hinteren Seiten.

Unsere Arbeit war ungetrübt von jeglicher Professionalität, die viele auch gar nicht in dem Maße anstrebten, wie das beim heutigen ruprecht der Fall ist. Und das zeigte sich auch im Laufe der Zeit: Diejenigen, die eigentlich nur hin und wieder mal einen Artikel schreiben wollten, gingen nach und nach. Andere, mit dem größeren "jounalistischen Potential", blieben. Neue Leute kamen hinzu. Es hat der Zeitung gut getan!

(Ute Nikolaus, dabei ab Nr. 1)

Liebe LeserInnen!

Eben ruft Bertram an, der sich 800 Zeilen wünscht, auch, bis morgen mittag. Vorsichtshalber lege ich eine Reminiszenz-Cassette ein, "Köln-Concert", Prince. Aber was schreiben, was ist typisch?

Ha, echte Fundis, die die linke Gesinnung und Rechtschreibfehler einfordern! Der journalistische Mainstream wird gebrandmarkt, Unrecht gegen afrikanische Frauen verurteilt. Wir teilen den Layout-Raum mit dem Nicaragua-AK. Die Wortendung "-Innen" ist mehr als nur Handwerkszeug. Und als schließlich Computer und Layout-Richtlinien kommen, ist dies hart umkämpft und ein inhaltlicher Eingriff ins teure Konzept.

Bleiben wir bei Inhalten. Ich könnte beginnen, den Erwartungen entsprechen, und eine Kladde liefern, die darlegt, warum der botanische Garten nun nicht verlegt wird, der Bau der durch den alten Garten geplanten Straße aber nicht mehr zu verhindern ist. Nun, das bleibt unvollständig, wenn es nicht mindestens anderthalb Seiten füllt. Außerdem ist es zu politisch.

Daher mutmaße ich einfach - wahrscheinlich stehen die Grundfeste noch, die Artikel, ja die ganze Zeitung entsteht in Nachtarbeit, aber Chaotik wirkt Sympathie. Was singen die da, die FANTA-4? "Die Musik ist aus, man ist immer noch da." Oder so ähnlich.

Ivo Tews, dabei ab Nr. 2

Die Gerüche des ruprecht

ruprecht, das ist für mich nicht zuletzt die Geschichte der Gerüche. Den ersten ruprecht-Geruch nahm ich wahr, als Christoph Ecken, damals unermüdlicher Anwerber für "Schlagloch", sich nach dem Seminar eine Zigarette drehte. Der leicht süßlicher Duft seines "Javansee Jongens" stieg mir in die Nase, während er mir die Zeitung im Café Villa erklärte. Nebendran saß Frank Schirrmacher, damals noch "nur" Redakteur und Gastdozent in Heidelberg, und lobte die Aufmachung. So kam ich zur Zeitung.

Der zweite ruprecht-Geruch ist an die vorweihnachtlichen Umstände des "Studihauses" gebunden. Dort oben im ersten Stock wurde nämlich, während wir über die Umbenennung der Zeitung "Schlagloch" debattierten, Glühwein aufgekocht. Sicher brachte uns dieser Duft dazu, unser Blatt erst einmal "Nikolaus" und dann "ruprecht" zu nennen.

Der dritte Geruch in der Reihe enthält alle Segnungen eines erfüllten Zeitungsmachers in der Lauerstraße im zweiten Stock an einem Montag Morgen gegen fünf Uhr früh. Es ist eine Mischung aus morgendlicher Dämmerungsluft, den Ausdünstungen eines 56-Stunden Non-Stop-Layout-Wochenendes, einer brennenden Zigarette und einer gerade durchlaufenden Kanne frischen Kaffees - und eine Prise "Eternity", die sich eine Mitarbeiterin gerade aufgesprüht hat.

Nummer Vier ist der Duft der fertiggeklebten und handzugeschnittenen Layoutvorlage auf dem Interregio-Bistrotisch: Das fertige Produkt auf dem Weg zur Druckerei, eine Mischung aus Pattex, Fotoentwicklungssäure und Bleistiftgraphitstaub. Wenn Erleichterung, Stolz und Vorfreude riechen könnten, dann so.

Fünf galt Pythagoras als die Zahl der Hochzeit. Hoch, denn die neue Ausgabe ist fertig. Der Geruch ist eine Mixtur aus Plastik, Druckerschwärze und Mensagarküche. Der Moment der Verteilung der Zeitung, und der Gedanke an die Gesinnungsgenossen, die mit "Erwachet!" am Heidelberger Hauptbahnhof stehen.

Salz und Moisturizer. Können Tränen duften? Dann sind sie Nummer Sechs, denn irgendwann ist für jeden Mitarbeiter einmal der Abschied gekommen. Der Abschied von einer Zeitung, in der so wunderbare Dinge möglich waren wie jene Ästhetik-Reihe, die ich zusammen mit Alexander Paquet schrieb, um den studentischen Tag phänomenologisch zu verschönern. Was bleibt? Ein noch zu erfindendes ruprecht-Parfum. Ich würde es "Norwegian Wood" nennen.

(Eckard H. Nickel, dabei ab Nr. 8)

Vier Männer und ein Baby

Um es gleich vorweg zu sagen, das Baby war ich. Und die Männer? So ganz genau ist mir bis heute nicht klar, was sich hinter den Fassaden des lederbejackten Schnauzbartträgers Christoph Ecken - nach meiner Auffassung der Prototyp des Journalisten -, des scheinbar immer Fröhlichen, Bertram Eisenhauer, des Dandys, Eckart Nickel, und des Mannes zwischen James Joyce und Kampfstern Galaktika, Alexander Paquet, verbarg. Doch diese vier sollten zu einem unvergeßlichen Teil meiner Heidelberger Studentenzeit werden: Verwirrende Gespräche über den Sinn des Lebens im Kulturaustausch (B.E.), die Aufgaben und Ziele des studentischen Journalismus (C.E.), die Barbourjacke im Heidelberger Stadtbild (E.N.) und den schmalen Grad zwischen Ollenhauer, Höllerer und Ollenschläger (A.-P.).

Mein Job war zumeist der eines Maskottchens, das schlau zu gucken, schlauer zu reden und am schlauesten zu schweigen hatte. Da ich letzteres so gut wie nie tat, ist klar, daß die vier keine Machos waren, sondern sich ehrlich Mühe gaben, meine journalistische Unerfahrenheit und intellektuelle Naivität zu ertragen und "entzückend" zu finden. So schrieb ich kleine Artikel über Gesellschaftsspiele, versuchte mich an der Rubrik "Horoskop", verbreitete nach Kräften gute Laune und himmelte meine Männer an. Lieber ruprecht, nun bist zumindest Du kein Baby mehr - herzlichen Glückwunsch!

Isabelle K. Baum, dabei ab Nr. 16

Der Morgen danach

Die Mitarbeit am ruprecht hat mir durch das Schleppen der schweren Hochleistungsrechner in den zweiten Stock des FSK-Büros kräftige Oberarme gebracht. Während der berüchtigten Layout-Wochenenden gelangte ich zu der Erkenntnis, daß man vier Sachen gleichzeitig machen kann: mit jemandem telefonieren, der einen Betroffenheitsartikel loswerden will, dabei mit dem Cursor Blödsinn anrichten, Harald wegen des Anrufs genervt zuzwinkern, und Bertrams Lieblingscassette an diesem Abend zum drittenmal hören. Neben der Einsicht, daß kaum etwas soviel Spaß macht, wie zusammen kreativ zu sein, steht die bittere Erfahrung, daß man die genialen Sätze, die einem morgens um drei einfallen, am Morgen danach keinem, der nicht dabei war, so richtig nahebringen kann. Ich wünsche mir für die nächste Ausgabe einen Artikel, der dieses Phänomen anhand von zahlreichen Beispielen einmal ernsthaft-intellektuell aufrollt.

Frank Barsch, dabei ab Nr. 20

The Comeback Kid

Spätestens seit der ruprecht nicht mehr SCHLAGLOCH heißt, ist die Versuchung übergroß, sich ihn als lebendiges Wesen vorzustellen, als Kind, das nun schon ganz schön kräftig geworden ist: THE COMEBACK KID, das Stehaufmännchen - so nannte sich der in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf der Niederlage sehr, sehr nahe gekommene Bill Clinton gerne. Solche FIGHTER-Qualitäten hatte auch der ruprecht immer: Wenn es dumm lief, konnte er zu seiner besten Form auflaufen: Irgendwann, es war wohl bei Ausgabe 22, fuhren Harald und ich nach dem - wie üblich, gegen Ende hin wie in Trance erlebten - Layoutwochenende die fertigen Vorlagen zur Druckerei nach Frankfurt. Völlig übermüdet standen wir vor unserem persönlichen, immer verständnisvollen Sachbearbeiter, und legten ihm unser Werk vor; natürlich einen Tag später als angekündigt. Wieviele Seiten wir denn hätten, wollte er wissen. Vierzehn, sagten wir. Da blickte er auf und erläuterte sehr ruhig, ein Druckbogen habe immer, immer vier Seiten, weshalb überhaupt nur Vielfache von vier... Wir schauten uns, dann ihn an, was aber wenig half. Also fuhrenwir zurück nach Heidelberg und zwängten uns in Haralds winziges Zimmer in der Floringasse, um zwei weitere Seiten zu produzieren. Eine Seite füllten wir mit einem langen Essay, den wir vorher für zu... naja, imaginativ gehalten hatten. Daneben fingen wir an, bei Redakteuren herumzutelefonieren: Welchen Film sie denn in letzter Zeit gesehen hätten... Als wir mit den Kurzkritiken eine Seite voll hatten, nannten wir die Sammlung ruprecht goes to the movies - heute eine der beliebtesten Rubriken der Zeitung. Was beweist: Auch ein Stehaufmännchen braucht gelegentlich eine Hand, die ihm hochhilft.

Bertram Eisenhauer, dabei ab Nr. 2

(red: hn, dabei ab Nr. 16)


Heidelberg


Ein deutsches Schicksal

Die Abschiebung der 16jährigen Neshe

9. Juli 1997, Sandhausen: Früh morgens klingelt es an der Tür von Kyaseddin Özmer und seiner Familie. Draußen stehen zwei Polizeibeamte - sie wollen Kyaseddins Schwester Neshe mitnehmen, sie soll heute in die Türkei abgeschoben werden. Neshe wird zum Frankfurter Flughafen gebracht, doch der Pilot weigert sich, das weinende Mädchen mitzunehmen. Am nächsten Morgen trifft sie schließlich mit dem Nachtflug aus Köln in Ankara ein - in einem Land, aus dem sie vor drei Jahren fliehen mußte, weil ihre Familie nicht mehr für sie sorgen mochte.

Die Dinge wiederholen sich: schon zu Neujahr sollte das Autonome Zentrum geräumt werden - und damals wie heute wurde der Räumungstermin verschoben. Der Unterschied: wurde Ende Dezember bei dem Anwaltsvergleich zwischen dem AZ und der Stadt der Räumungstermin bis zum 31. Oktober nur verschoben, steht nun eine Alternative in Aussicht.

Bei dem Gebäude, das die Stadt dem Autonomen Zentrum zur Verfügung stellen will, handelt es sich um den Bahnhof in Schlierbach. "Schlierbach ist weit weg. Das Raumangebot wäre dort akzeptabel, doch Quadratmeter sind nicht alles", meinte dazu Michael, ein Vertreter des AZ. Die Autonomen fordern die Weiterführung des bisherigen Betriebes - vor allem bezüglich der Werkstätten und des täglich geöffneten Cafés. Die Stadtrandlage des Schlierbacher Bahnhofs würde eine Verschlechterung bedeuten. Außerdem habe das AZ noch keine rechtsverbindliche Zusage von seiten der Stadt, die einen Ersatz garantiere - bislang existiert lediglich eine Erklärung der Oberbürgermeisterin, in der ein Aufschub der Räumung bis zu einer für das AZ annehmbaren Lösung versprochen wurde.

Daß dem AZ dies nicht ausreicht, trifft im Rathaus auf Unverständnis. So sagte der persönliche Referent der Oberbürgermeisterin, Herr Braun, dem ruprecht: "Wir hoffen, daß sich weder Hausbesetzungen noch Schmierereien in der nächsten Zeit wiederholen, denn all das sind Punkte, bei denen wir uns fragen, warum man nicht darauf vertraut, daß die Oberbürgermeisterin zu ihrem Wort steht." Sonst wird im Rathaus ein eher versöhnlicher Ton angeschlagen. "Frau Weber hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß das AZ für Jugendliche notwendig und sehr wichtig ist." Doch es könnte außer dem Gebot der Toleranz noch einen weiteren Grund für das starke Interesse der SPD-Stadtregierung an einem friedlichen Ablauf des AZ-Umzugs geben. Nächstes Jahr ist Wahljahr in Heidelberg: Weder ein endloser Gerichtsprozeß noch ein Hausbesetzerkampf würden Weber Bürgersympathien einbringen - und die Opposition wäre der lachende Dritte. Ein Autonomes Zentrum an der Peripherie dagegen würde sich gemäß dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn" in das Konzept der neuerdings auch bei der SPD modischen Sicherheitsdebatte einfügen.

Trifft diese Annahme zu, haben die Vertreter vom Verein "Gegendruck", der das AZ gegenüber der Stadtverwaltung vertritt, eine vergleichsweise günstige Ausgangssituation - zumindest, solange der Bogen nicht überspannt wird. Denn seit letztem Samstag kann das AZ theoretisch geräumt werden. Doch das sieht man im Autonomen Zentrum nicht als Grund zur Hektik: Zunächst soll jetzt in einer Vollversammlung das Angebot der Stadtverwaltung diskutiert werden. Nicht auszuschließen ist, daß das Angebot in Schlierbach abgelehnt wird. Daß die Toleranz der Stadtverwaltung irgendwann an ihre Grenzen stoßen könnte, wird kaum befürchtet. AZ-Sprecher Michael. "Eigentlich sind wir ganz optimistisch. Jetzt ist erstmal die Zeit für Verhandlungen." (gan)


Wechsel

... in der Studi-Liste

Nachdem sie drei Jahre lang die Studi-Liste im Gemeinderat vertreten hat, beschloß Jutta Göttert nun, ihr Studium abzuschließen und ins normale Leben einzukehren. Am 23.10. rückte Christian Weiss für sie in den Heidelberger Gemeinderat nach. Die Schwerpunkte der letzten Jahre (Semesterticket, Radwegeplanungen, Förderung und Ausbau des ÖPNV) sollen auf diese Weise weiterhin im Zentrum der Studi-Liste Aktivitäten stehen. Zur Unterstützung der Gemeinderatsarbeit sucht Christian Weiss eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter für 10 bis 15 Wochenstunden (auf der Basis 15 DM pro Stunde). Kommunalpolitisch Interessierte mit organisatorischen Talenten können sich melden bei: C. Weiss, Tel.: 06221/393011.


Das AZ bleibt! - unentschlossen

Trotz eines Angebots der Stadt ist der Umzug noch unsicher

Für die einen ist es wichtiger Bestandteil der Heidelberger Alternativkultur, für andere, wie für den CDU-Stadtbezirksvorsitzenden Ahlhaus, eine "Brutstätte von Konflikten". Nun sollen die Räume des Autonomen Zentrums (AZ) in der Alten Bergheimer Straße, seit 1991 von der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt, einem Komplex mit Läden, Büros und Wohnungen weichen. Mit einer Demonstration und der symbolischen Besetzung eines Hauses in der Plöck hat das AZ in den letzten Wochen auf seine bedrängte Lage aufmerksam gemacht.

Geboren ist Neshe 1981 in Cizre, einem Dorf im türkischen Teil von Kurdistan. Kurz vor ihrer Geburt wird das Dorf von türkischem Militär geschleift. Neshes Vater kommt dabei um, ihre Mutter wird mißhandelt, ist seitdem querschnittsgelähmt und kann nicht sprechen. Neshe ist allen Symbol der Zerstörung: Sie bekommt den Namen Fena (übersetzt bedeutet das "übel" oder "schlecht"), der Bruder ihrer Mutter nimmt sie auf, isoliert sie aber in seiner Familie. 1994 schickt man sie schließlich nach Deutschland, wo ihr acht Jahre älterer Bruder Asyl gefunden hat - er war in türkischen Gefängnissen wegen seiner politischen Aktivitäten gefoltert worden.

In Heidelberg beginnt für Neshe ein neues Leben: In der Türkei hat sie nicht einmal lesen und schreiben gelernt, nun macht sie an der Internationalen Gesamtschule innerhalb von drei Jahren ihren Hauptschulabschluß. Bald ruft man die beliebte Mitschülerin Neshe, "die Fröhliche". Anders als die meisten ihrer Klassenkameraden hat sie sogar schon eine Lehrstelle sicher.

Doch bereits im Oktober 1994 lehnt das Bundesamt für die Anerkennung Ausländischer Flüchtlinge in Rastatt ihren Antrag auf Asyl ab. Daraufhin klagt sie beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe, auch dies ohne Erfolg. Über Neshes erneuten Asylantrag wird zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung noch verhandelt.

Kurz nach der Abschiebung macht die "Initiativgruppe Neshe", gegründet von Neshes Mitschülern und Lehrern, beim badenwürttembergischen Petitionsausschuß eine Eingabe, die allerdings am 1. Oktober mit den Stimmen von CDU und Republikanern abgelehnt wird - schließlich sei das Gremium "weder ein Gnadenausschuß noch ein Ausschuß zur Aushebelung rechtsstaatlich einwandfrei gefällter Entscheidungen", so Heidelbergs CDU-Landtagsabgeordneter Werner Pfisterer. Für Wirbel sorgt außerdem ein Fax, das Baden-Württembergs Innenminister Thomas Schäuble (CDU) im Juli von der deutschen Botschaft in Ankara erhalten, aber nicht an den Petitionsausschuß weitergereicht hat. Darin heißt es, daß man "aufgrund Neshes familiärer Verhältnisse in der Türkei die Abschiebung ernsthaft überdenken sollte." Da ohne dieses Fax der Ausschuß auf falscher Grundlage entschieden habe, konnte die Initiativgruppe eine erneute Abstimmung am kommenden Mittwoch durchsetzen. Doch selbst bei einem positivem Votum liegt die endgültige Entscheidung bei Innenminister Schäuble, dem obersten Dienstherrn der Landes-Asylbehörden - er lehnt Neshes Einreise kategorisch ab.

Neshe ist in Ankara einstweilen bei einem Menschenrechtsverein untergekommen, doch dessen Mitglieder stehen selbst unter massivem politischen Druck und sind deshalb durch ihr Engagement für die Abgeschobene zusätzlich gefährdet. In ihrem Heimatdorf möchte weder die Familie des Onkels noch die behinderte Mutter Neshe aufnehmen. Außerdem ist über das Gebiet der Ausnahmezustand verhängt, nicht einmal Presseteams wagen sich noch dorthin. Zu befürchten ist weiterhin, daß man Neshe über die politischen Aktivitäten ihres Bruders verhören wird - und was ein "Verhör" in der Türkei bedeuten kann, ist bekannt. War sie vor einigen Wochen noch zuversichtlich, so sei sie nun in einem "desolaten Zustand", berichtet ihr Anwalt Berthold Münch, der sie letzte Woche in Ankara besucht hat.

Für Heidelberg hat die Asylproblematik mit Neshe ein Gesicht bekommen - die restriktive Praxis der Asylbehörden läuft unterdessen täglich weiter. Nach streng juristischer Lesart ist "asylwürdig" nur, wer politisch verfolgt wurde; humanitäre Erwägungen wie drohende Verfolgung oder ethnische Benachteiligung werden ausgeblendet. Neshe ist nur eine von 6000 Kurden, die jährlich aus der BRD abgeschoben werden. "Der öffentliche Druck aus Deutschland ist im Moment Neshes einziger Schutz", resümiert ihr Lehrer Gerd Jünger, "aber wir werden weiter kämpfen, bis sie wieder hier ist - notfalls bis zur letzten Instanz, dem Europäischen Gerichtshof." (kebi)


Zwischen Ästhetik und Ekel

Die Körperwelten eines Heidelberger Anatomieprofessors

Pietätlos? Ekelhaft? Makaber? Bereits im Vorfeld gab es emotionsgeladene Diskussionen um die am vergangenen Donnerstag eröffnete Ausstellung "Körperwelten". Kaum ein Fernsehsender, der das Ereignis im Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit nicht ausgeschlachtet hätte. Der Heidelberger Anatom Prof. Dr. Gunther von Hagens steht in der Schußlinie: Er sei ein zweiter Frankenstein, der mit seinem Horrorkabinett die Menschenwürde verletze, so die Vorwürfe.

Bereits vor zwanzig Jahren erfand von Hagens die Plastination, eine Methode zur trockenen, geruchsfreien Konservierung von Leichen. Die toten Körper oder Teile davon werden in Scheiben geschnitten oder vollständig belassen, wobei dann wahlweise Knochen, Muskulatur oder Nervensystem zu sehen sind. Für Studierende, Ärzte und Wissenschaftler können gerade die dreidimensionalen Präparate äußerst lehrreich sein. Nun wenden sich von Hagens und seine Frau Dr. Andrea Whalley als Veranstalterin an Laien. Der angestrebten Aufklärung steht Befremden gegenüber. Dem Meister selbst ist die "hohe emotionale Ambivalenz" bewußt: "Ich habe den Präparaten eine Ästhetik gegeben, und deshalb kann sich der Laie, vom Ekel befreit, ohne Abscheu in die Anatomie vertiefen." Von Hagens wird in den Medien als "Besessener" bezeichnet. "Wenn eine Hand nicht so gut wird, dann ärgert mich das", und daß die Augen noch nicht perfekt gelingen, wurmt ihn sichtlich. Doch bleibt er stets geduldig und freundlich, und wenn die Fotografen es wünschen, stellt er sich auch mal zwischen die beiden Teile eines längs geteilten Körpers. Scherzend deutet er auf einen präparierten Magen:"Das hier war ein Vielfraß".

Rund zweihundert Exponate erwarten die Besucher der Ausstellung, die in Tokio bereits eine Million Menschen gesehen haben. Lungen mit und ohne Teer, Geschlechtsorgane, Blutgefäße und Ganzkörperpräparate. Fingernägel, Wimpern und Schamhaare sind meist noch erhalten. Laut von Hagens hat jeder Mensch ein individuelles "inneres Gesicht", die Plastinate sind "Kunstwerke", nicht aber Kunst.

In der Fachwelt ist die Arbeit des Professors umstritten, die Kirche ist entsetzt. "Hier wird die Würde des Menschen verletzt", echauffiert sich der evangelische Stadtdekan Günter Eltenmüller und fordert die Museumsleitung auf, die Veranstaltung zu stoppen. Hagens hält dagegen, daß die Kirche unwidersprochen tote Körper für Touristen präsentiere, außerdem: "Die Vorwürfe werden dem altruistischen Handeln der Spender nicht gerecht". Mannheims OB Gerhard Widder, auch Vorsitzender des Stiftungsrats, weist ausdrücklich auf die "Gratwanderung" hin.

Wer seine sterblichen Überreste in dem privaten "Institut für Plastination" in Rohrbach zersägen läßt, möchte posthum der Wissenschaft dienen oder vermeiden, "von Würmern zerfressen" zu werden. Reiche Egozentriker, die sich auf diese Weise verewigen wollen, wimmelt Hagen jedoch ab. Er selbst wird sich von seiner Frau in Scheiben schneiden lassen.

Die Finanzierung sichert der Verkauf von Kunststoffen, Präparate läßt sich das Institut nach Arbeitsstunden bezahlen. Zur Kostendeckung der Ausstellung seien mindestens 200.000 Besucher nötig. Zweifellos ist sie informativ und eindrucksvoll. Eines aber bleibt merkwürdig: dieser schwarze Hut. Allen Unkenrufen zum Trotz zeigt sich Gunther von Hagens niemals ohne - außer in seinem Informationsheftfür potentielle Körperspender. (sv)


Heidelberger Profile: Von Nazis und Emanzen

Marie Marcks zum 75. Geburtstag

Die First Lady der Karikatur ist eine Heidelbergerin: Marie Marcks, in Berlin aufgewachsene Graphikerin, Cartoonistin, Autorin, verschlug es kurz nach Kriegsende in die Stadt am Neckar. Nicht zuletzt verdanken wir ihr das CAVE, das sie 1954 zusammen mit Freunden gründete. Mit einem Architekten als Vater, einer Schriftkünstlerin als Mutter und dem Bildhauer Gerhard Marcks als Onkel wurde ihr die Kunst schon an der Wiege gesungen - ihr turbulentes Leben vielleicht weniger...

Als ich in Marie Marcks' efeuumrankten Handschuhsheimer Landhaus ankomme, müssen auf dem Arbeitstisch erst einmal Berge von Abrechnungen und geschäftlichen Korrespondenzen zur Seite geschafft werden - "bis jetzt war mein Buch dran, nun muß ich das endlich mal abarbeiten." Gemeint ist ihre vor kurzem erschienene Cartoonsammlung "Du siehst nie, was ich für Dich tue!", in der sie Lust und Frust einer fünffachen Mutter aus eigener Erfahrung schildert.

Ihr erstes Kind bekam sie während der letzten Kriegswirren, in einer Zeit, als ihr die Greueltaten des Nationalsozialismus erstmals voll bewußt wurden. Ihre Eltern waren schon immer auf Distanz zum Hitler-Regime gewesen - für den Vater war Hitler ein "Verbrecher", die Mutter deckte die jüdischen Studenten ihrer privaten Kunstschule. Marie Marcks selbst fühlte sich lange Zeit hin und her gerissen: Einerseits übten auf ein kleines Mädchen, das am liebsten Indianer spielte, die schwärmerisch-abenteuerlichen, heldenhaft-martialischen Elemente der NS-Propaganda eine gewisse Faszination aus; andererseits geriet sie in der Schule oder bei den verordneten Reichsarbeitsdienst-Einsätzen mit der spießbürgerlichen Kleingeistigkeit der NS-Getreuen in Konflikt - dem BDM hatte sie sich zum Glück entziehen können. Zum Schlüsselerlebnis wurde ihr erst der Bericht eines Soldaten auf "Fronturlaub": Er hatte in Litauen Güterzüge gesehen, randvoll mit vergasten KZ-Häftlingen. "Den ganzen Umfang dieser Machenschaften begriff ich über Jahre und Jahre, bis heute lerne ich da nicht aus", beschreibt sie die schwierige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.

Während der ersten Zeit in Heidelberg holte sie all das nach, was ihr die zwölf Jahre des "Tausendjährigen Reiches" vorenthalten hatten: Um Sartres "Fliegen" zu sehen, trampte man bis nach Hamburg; in Heidelberg waren die Mittelpunkte des kulturellen Lebens der Filmclub und der Jazzkeller CAVE. Ihr Geld verdiente sich Marie Marcks mit Plakatemalen für Feste der US-Army. Bald war jedoch Arbeit am heimischen Schreibtisch angesagt, denn mittlerweile wollten zwei Kinder versorgt werden - und das alleine, da sie sich von deren Vater getrennt hatte. Auch einige Plakate für CAVE-Konzerte sind dabei entstanden - "die hingen in jeder Studentenbude, aber außer Ehre gab's dafür natürlich keine Bezahlung." Trotz der Armut eine glückliche Zeit: "Rauschende Feste haben wir gefeiert, dem Krieg waren wir ja endlich entronnen." Umso erschreckender also die drohende Gefahr eines neuen Krieges: Die BRD wurde wiederbewaffnet, die USA produzierten Atombomben in Serie, Ost und West hielten sich im "Gleichgewicht des Schreckens" - für Marie Marcks der Anlaß, erstmals politische Karikaturen zu zeichnen, anfangs für die wissenschaftspolitische Zeitschrift "atomzeitalter", dann für die "Süddeutsche".

1967 konnte sie bei einem Aufenthalt in San Francisco Hippie- und Studentenbewegung miterleben. Mit diesen eher spielerischen, phantasievollen Protesten verglichen, seien die Heidelberger Studenten zu ideologisiert, zu verbissen gewesen.

In diese Zeit fallen auch Marie Marcks' erste feministische Karikaturen. Nicht von der allmählich erstarkenden Frauenbewegung sei der Anstoß für diese Thematik ausgegangen, sondern von eigenen Erfahrungen: "Ich war ja zwei Jahrzehnte lang die einzige Frau, die ihre Pfoten in der politischen Karikatur hatte, und da merkte ich langsam, daß ich oft einen ganz anderen Blick auf die Dinge hatte als meine männlichen Kollegen." Als Feministin hat sie sich nie bezeichnet - das, was man wohl emanzipiert nennt, war sie ohnehin schon immer, was sollte denn daran nun revolutionär sein? -, außerdem auch hier wieder der Vorbehalt gegenüber allem Dogmatischen: "Die von der Frauenbewegung waren mir zu bierernst mit ihrer ewigen 'Wut und Betroffenheit'." Sich nicht vereinnahmen lassen, immer kritisch Abstand bewahren, ist für Marie Marcks "Karikaturistenpflicht". Über den Polit-Künstler und SPD-Wahlkampftrommler Klaus Staeck urteilt sie lakonisch: "Ein Parteigraphiker - Karikaturisten sollten keiner Partei angehören."

Jüngstes Zeugnis ihres feministischen Engagements ist gewiß Marie Marcks Biographie über ihre Mutter Else Marcks-Penzig, eine für ihre Zeit außergewöhnlich fortschrittliche Frau - "sie war wie ein Rennpferd unter lauter Salatschnecken", charakterisierte sie einmal ihr Mann. Das Buch soll dazu beitragen, die Arbeit der Mutter dem Vergessen entreißen, werden doch die Bucheinbände, die sie Anfang des Jahrhunderts für den Fischer-Verlag gestaltete, allesamt ihrem Lehrer Emil Rudolf Weiß zugeschrieben.

Müde ist Marie Marcks also noch lange nicht, auch wenn ihre Erlebnisse sicherlich zwei oder drei Leben hätten füllen können. Und dann halten sie schließlich noch die fünf Kinder und sieben Enkel in Atem - "nun ja", spöttelt sie zum Abschluß, "die Liebe höret eben nimmer auf." (kebi)


Feuilleton


ruprecht goes movies

Filmtips, und vor allem Meinung

ruprechts Notenskala:

kein ruprecht - nicht empfehlenswert
ein ruprecht - mäßig
zwei ruprechts - ordentlich
drei ruprechts - empfehlenswert
vier ruprechts - begeisternd

Scream (2)

"Magst Du Horrorfilme?", fragt der Anrufer mit der typisch leise-bedrohlichen Stimme das Mädchen mit den typisch blonden Haaren und den typisch großen Brüsten, die sich da in der Küche Popcorn macht und leider nur noch typische 15 Minuten zu leben hat. Dann nämlich wird der unheimliche Serienkiller wieder zuschlagen und sein Opfer fachgerecht er- und zerlegen. "Scream" wäre eigentlich nur einer dieser üblichen Filme, wo Jungs mit ihren Freundinnen reingehen, damit diese vor Schreck schrill aufschreien und ihre Köpfchen an der starken Schulter ihrer Lover bergen können. Craven versteht es zwar, die genreüblichen Mittel routiniert zu handhaben: Atemstockende Spannung und adrenalinpumpende Schreckmomente wechseln einander periodisch ab. Ein bißchen nervt aber die plumpe Art, mit der Craven den Zuschauer auf eine falsche Fährte nach der anderen locken will - was zur Folge hat, daß alles irgendwie irgendwo beliebig wird. Die Lösung ist dann aber ziemlich verblüffend und sowohl von der intellektuellen Konstruktion als auch der Inszenierung des obligatorisch blutigen Showdowns her immerhin etwas anspruchsvoller als gewohnt. Das besondere Moment des Films aber ist die Weise, auf die sich der Altmeister dieses Genres ständig selbst zitiert: mal liebevoll-nostalgisch, mal ironisch, mal bewundernd ob seiner eigenen brillianten Einfälle. Diese Note wird allerdings nur Besuchern auffallen, denen der Name Wes Craven etwas sagt - wie meinem Freund Martin, der mir das Ganze netterweise erklärt hat. Alle anderen werden in "Scream" nur einen zwar professionell gemachten, aber sehr konventionellen und kommerziellen Horrorfilm sehen. Ihnen sei folgender Rat mit auf den Weg ins Kino gegeben: Nur als Pärchen angucken - Mädchen schreit, Junge tätschelt ihr beruhigend den Kopf. Nach der Hälfte wird gewechselt. (kw)

Shootingfish (3)

Zwei Jungs haben einen großen Traum: ein richtiges Zuhause. Sie träumen beide von einem "herrschaftlichen Anwesen" - am besten auf dem Lande. Und sie sind ihrem Ziel auch schon sehr nahe: Schlitzohrig haben sie sich in ihrer Bude - einem stillgelegten Gasometer mit post-atomarem Interieur - ein Geldversteck eingerichtet, in dem die nötige Summe schon fast bereitliegt.

Doch auf der Zielgeraden häufen sich die Unvorhersehbarkeiten: Erst begegnen sie einem Mädchen (Kate Beckinsale als Georgie) - Komplikationen sind unvermeidlich.

Nicht immer ist die Handlung der Komödie geschlossen - die Überleitung einiger Szenen geschieht durch allzu "zufällige" Ereignisse, und das Happy End ist schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt vorhersehbar. Doch das stört nicht: Regisseur Stefan Schwartz hat mit großem Gespür für ironische Zwischentöne dafür gesorgt, daß dem Plot nicht das Gepräge einer amerikanischen Schnulze aufgedrückt wurde: zum Beispiel, wenn er sich bei der romantischsten Szene nur bei den Nahaufnahmen für perfekte Ausleuchtung der Gesichter entschied - die Totale aber vor einer bewußt kitschigen Pappkulisse abdrehte. Fazit: Ein Film ohne Tiefgang, aber eine sehr gute Unterhaltung, deren Wortwitz auch in der synchronisierten Fassung (großes Lob!) nicht verlorengeht. (gan)

Ganz oder gar nicht (3)

Die deutschen Kritiker waren des Lobes voll: Der Film sei keine öde Reihe platter Witze, sondern beweise einen "gewitzten Scharfblick für Milieuspezifisches" (SPIEGEL) - will heißen, in "Ganz oder gar nicht" ist mehr drin als im routinierten Yuppiezwerchfell-Gekitzel von Sönke Wortmann oder im Proll-Ulk eines Tom Gerhardt. Dabei ist das Rezept denkbar simpel: Anstatt Beziehungsalbereien in den abenteuerlichsten Konstellationen zu zeigen, konfrontiert Regisseur Peter Cattaneo einfach eine düstere Tristesse mit einer verzweifelt-verrückten Idee: Im Post-Stahlboom-Sheffield lungern ein paar Stahlkumpels rum - ohne Arbeit, ohne Zukunft. Anstatt ihre Zeit im Job-Center totzuschlagen, wollen sie eine Striptease-Nummer aufziehen. Da gibt es aber vorher noch eine Menge Probleme zu lösen: Sexy Tangoschritte einüben, pflichteifrigen Bobbies erklären, was man halbnackt und singend in einer abbruchreifen Fabrikhalle tut, und vor allem: Ganz oder gar nicht...? Eheprobleme und Vater-Sohn-Geschichte bringen den richtigen Schuß Schwermut in diese übermütige Geschichte. (kw)

Oscar Wilde (3)

England 1882: Der 28jährige Schriftsteller Oscar Wilde kehrt von einer Vortragsreihe aus den USA und Kanada zurück nach England. Selbstbewußt begeistert er die Upper-class Londons mit seinem Charme.Er heiratet Constanze Lloyd. Als ihm mit seinen ersten Komödien der Durchbruch gelingt, liegt ihm London zu Füßen. Dann wird sich der Schriftsteller seiner homosexuellen Neigungen bewußt. Verhältnisse mit jüngeren Männern bestimmen sein Leben. Eine flammende Beziehung mit dem jungen Adeligen Lord Alfred Douglas führt schließlich zu seinem gesellschaftlichen und physischen Ende.

Mit "Oscar Wilde" ist Regisseur Brian Gilbert ein gefühlvolles Portrait des Schriftstellers und vor allem des Englands des ausgehenden 19. Jahrhunderts gelungen. Schonungslos entlarvt er die vordergründige Moral der Oberschicht. Leider gerät er dabei in Klischees und gibt dem Film eine zu moralisierende Note. Brilliant aber die Leistung von Stephen Fry als Oscar Wilde - kleinere Längen des Filmes lassen sich so leicht verschmerzen. (mg)


MOVIE

Studentisches Kino

Die Nächte werden immer länger und kälter, und wer jetzt einen Freund hat, sollte das auch nutzen: Es gibt keine bessere Jahreszeit als den Winter, um ins Kino zu gehen.
Wer Publikumserfolge verpaßt hat oder endlich einen Kultfilm sehen will, kommt mit den Programmen von movie in der Altstadt und dem Kino im Feld auf seine Kosten - ohne dabei sein Budget zu strapazieren.
In der Altstadt finden die Vorführungen mittwochs ab 19:30 Uhr im Hörsaal 13 der Neuen Uni statt.

05.11. Tage wie dieser
12.11. Romeo & Julia
19.11. Kopfgeld
26.11. Knockin' on heaven's door
03./04.12. Die Feuerzangenbowle
10.12. Shine
17.12. Trainspotting
07.01. Mars Attacks
14.01. Das Leben ist eine Baustelle
21.01. Dem Himmel so nah
28.01. Der englische Patient

Im Neuenheimer Feld jeden Donnerstag ab 20 Uhr:

06.11. Schindlers Liste
13.11. Time of the Gypsies
20.11. Easy Rider
27.11. Die Liebenden von Pont-Neuf
04.12. Panzerkreuzer Potemkin
11.12. Nach fünf im Urwald
18.12. Nightmare before Christmas
08.01. Tati's Schützenfest
15.01. The Rocky Horror Picture Show
22.01. Citizen Kane
29.01. Opfer


ruprecht on the record

Musiktips

Tower of Power
Rhythm & Business

Tower of Power sind Kultband und bereits Legende. Seit über 20 Jahren stehen Tower of Power für besten Soul und Funk. Während die Besetzung ständig wechselte, blieb die Musik im wesentlichen immer die gleiche. Im wesentlichen. In den letzten Jahren sind die Songs zunehmend süßlicher geworden, ausgefeilte Rhythmen und prägnante Bläserarrangements, die das Markenzeichen der Band waren, wurden zunehmend verwässert. Der große kommerzielle Erfolg blieb dennoch aus. Das aktuelle Album ist wieder funkiger, doch finden Tower of Power nicht zu ihrer alten Hochform (und auch zu keiner neuen).

Die Musik ist austauschbar geworden, Glanznummern wie "Soul with a capital S", "I like your style" oder "Diggin' on James Brown" sucht man vergeblich. Das Album plätschert dahin, ohne Höhen und Tiefen. Der Titel täuscht, besser wäre wohl "Business instead of Rhythm" gewesen. Mehr Vergnügen versprechen die Live-Auftritte, Anfang November sind T.O.P. in Deutschland. (papa)

Roachford Feel

Andrew Roachford und seine Band stehen seit"This Generation" für eingängige Blackmusic mit knackigen Drums, einprägsamem Gesang und quirligem Gitarrensound. Mit "Feel" knüpfen Roachford drei Jahre nach Erscheinen des letzten Longplayers nahtlos an den Vorgänger an. Wenig Hitverdächtiges, eher ruhige, unspektakuläre Musik mit ausgefeilten Arrangements.

Manchmal allerdings sind einige Songs nicht nur der Texte wegen nahe an der Grenze zum Kitschigen. Der klare, unverschnörkelte Stil des Titelsongs wird zum Ende hin allzu poppig mit Background Vocals aufgefüllt, endet im nichtssagenden Radio-Plätschersound. Glänzend hingegen Nummern wie "Move on" und "Someday". Hier spielt Roachford nicht nur seine Qualitäten als Sänger voll aus, auch sein Gitarrenspiel und die dynamischen Arrangements bereiten großes Hörvergnügen. Klanglich überzeugt das mit großem Zeitaufwand eingespielte Album ebenso. Etwas zu brav und schnörkellos, aber hörenswert. (papa)

Chick Corea, Gary Burton
Native Sense
The New Duets

25 Jahre nach ihrem schon legendären ECM-Album "Crystal Silence" liegt nun das dritte Studioalbum dieses Ausnahme-Duos vor. Zwei meisterhafte Solisten verschmelzen bei diesen Aufnahmen zu einer Einheit aus Klavier und Vibraphon. Halsbrecherisch fegen sie zusammen über Unisono-Phrasen, werfen sich gegenseitig kurze Motive zu, die ohne Bruch vom anderen aufgenommen und weitergeführt werden. Sogar mitten in Melodielinien wird getauscht. In "Love Castle" und "Duende" wechselt Burton sogar zwischen Vibraphon und Marimba, ohne daß man es so richtig wahrnimmt.
Latinotango und Rumba, Varationen über Bartoks "Bagatelles" und zum abstrakten Kammer-Bop hochstilisierte Mozartthemen: Das Album zeichnet sich durch seine extreme Vielseitigkeit aus. Zusätzlich wechseln bereits bekannte Kompositionen wie "Love Castle" und "Armando's Rhumba", die bereits in den Siebzigern als Big-Band-Arrangements auf Coreas Album "My Spanish Heart" veröffentlicht wurden, mit Stücken, die extra für dieses Duett geschrieben wurden. Ein unglaublich spannendes Album, jedes Stück voller überraschender Details. Ruhige und treibende Stücke wechseln sich ab, und Burton und Corea schaukeln sich immer wieder zu Höhepunkten auf. Sicher das Beste, was bisher bei dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit entstanden ist. (jm)


Der Präsi

Lobo - ein abgefräggter Comic

Bei Lobo sind sich die Fans einig: Entweder haßt man ihn von der ersten Seite an oder hält ihn für die coolste Comicfigur überhaupt. Um den Comic selber gibt es dagegen kaum Diskussionen, wie auch die beim Deutschen Dino Verlag erschienene neue Serie zeigt: gut gezeichnet, passende Farben und coole Texte, wenn da nur nicht Lobo selber wäre.

Lobo ist schlicht und einfach verrückt, bekloppt und kann nicht mit irdischen Maßstäben gemessen werden. Die Hebamme, die bei seiner Geburt assistierte, nannte ihn ein Monster, büßte rasch ihre Finger ein und landete in der Irrenanstalt, und damit ging es ihr noch besser als dem Arzt, der bei der Geburt draufging. Ein liebliches Kind einfach, so lieblich, daß es den paradiesischen Planeten Czarnia in eine Hölle verwandelte, und letztlich tötete Lobo auf grausame Weise seine fünf Milliarden Mit-Czarnianer, und das nur, weil er einzigartig sein wollte. Seiner Karriere tat dies jedenfalls keinen Abbruch, als Kopfgeldjäger klagt ihn keiner an, wenn Lobo seine Opfer nicht mehr an einem Stück zurückbringt. Etwas, das ihm häufig passiert, vor allem, wenn er wieder in einer seiner geliebten abgefräggten Keilereien landet, in denen ihm selber nicht viel passieren kann. Lobo ist so stark wie Superman, was er auch in Kämpfen mit ihm bewies, und er kann sich selber klonen, eine hilfreiche Fähigkeit, wenn man mal wieder in die Luft gesprengt wurde.

Naja, man sieht: An Lobo scheiden sich wirklich die Geister. Als normal denkender Mensch kann man ihn einfach nicht mögen, geschweige denn lieben, aber andererseits ist gerade Lobos rebellischer Charakter, vor dem nichts und niemand sicher ist, wohl der Grund, wieso er so viele Anhänger hat. (jr)


Neuer Stern

Frank Cho - Student und Cartoonist

Larson hat seine Karriere beendet, Watterson hat aufgehört zu zeichnen, und der Rest ist nicht einmal der Rede wert... Wo soll das alles enden, wenn die besten Cartoonisten einfach mit ihrer Arbeit aufhören und Zeitungen in der ganzen Welt plötzlich ihren besten Grund verlieren, gekauft zu werden. Aber dann kam plötzlich dieser Student und zeichnete Cartoons für Diamond Back, die Studentenzeitung der Universität von Maryland, und auf einmal steht wieder ein Stern am Himmel. Frank Cho wurde innerhalb dreier Semester, in denen er seinen Cartoon "University2" erfand, zum Star, denn seit Anfang des Jahres beliefert er elf amerikanische Tageszeitungen, darunter so bekannte Blätter wie The Washington Post und Chicago Tribune. Dabei hat Cho aber nichts von seinem Biß verloren, mit dem er einst das Leben als Student beschrieb.

Am Anfang steht ein Irrtum: Drei Versuchstiere für Drogen (ein Schwein, eine Ente und ein Bär) kommen durch eine fehlgeleitete Postsendung an ein College und können sich dort dank toleranter Gesetze einschreiben. Was folgt, ist ein exzessives Leben im Suff auf der Suche nach der Frau fürs Leben, oder doch nur für die Nacht.

Chos Feder ist superb, seine Texte noch besser, wenn man mit ihm übereinstimmt, daß es nur zwei wichtige Themen an der Uni gibt: gorgeous women and beer. Und wenn Ralph, der Bär, anfängt, über das Leben zu sinnieren, erinnert man sich gleich an Calvin und Hobbes' Schlittenfahrten. Cho hat aber seinen ganz unverkennbaren Stil: Seine Tiere im Comicstil und seine Frauen sind immer perfekt. Auch in seinem neuen Projekt "Liberty Meadows", das auf verschiedenen Charakteren aus "University2" aufbaut, hat aber einen anderen Inhalt: An einer Klinik werden ausgeflippte Tiere eher mit kläglichen Erfolgen behandelt. Ein Lichtblick in jeder tristen Zeitung, der uns lange erhalten bleiben wird. Frank Cho hat einen Fünfzehnjahresvertrag. Zeit genug, einen Nachfolger zu finden. (jr)


Gruß aus Trinidad

Lesefreude im Gefangenenlager

"Wie kommt ein deutscher Oberleutnant im März 1944 nach Trinidad?" Diese Frage sollte der Beginn einer interessanten Geschichte werden. Die Vorgeschichte der Frage ist schnell erzählt: Eine Studentin leiht sich in der UB "Strong Poison" von Dorothy Sayers (erschienen 1930) aus und findet auf den Eingangsseiten des Buches einen Eintrag. Daraus geht zweifelsfrei hervor, daß ein Oberleutnant A. Pröschel im März 1944 im Besitz des Buches gewesen sein muß. An sich nichts Besonderes, wenn da nicht "Trinidad, 4.3.44" stünde.

Daß der Oberleutnant auf Trinidad keinen Truppenurlaub machte, zeigt der Eintrag "Trinidad Prisoner of War Camp" sowie der eingeklebte Zettel der UB Heidelberg, der verrät, daß das Buch ein Geschenk des "Offiziers-Kriegsgefangenenlagers Trinidad" ist. Auf Trinidad, einer Insel vor der Küste Venezuelas, die zum damaligen Zeitpunkt noch eine Kolonie Englands war, gab es aber kein Kriegsgefangenenlager. Bei der weiteren Suche stieß ich dann nochmals auf den Namen Trinidad, allerdings war nicht die Karibikinsel gemeint, sondern eine Stadt in den USA, im Südosten von Colorado. Das dortige Lager wurde Anfang 1943 eingerichtet und hauptsächlich mit Offizieren, unter anderem Oberleutnant Pröschel, belegt.

Vom Kriegseintritt der USA 1941 bis1945 nahmen die amerikanischen Streitkräfte knapp 3,8 Millionen deutsche Soldaten gefangen. Ungefähr 380.000 dieser Soldaten wurden in die USA verbracht. Zum Zeitpunkt des Bucheintrages befanden sich etwa 130.000 deutsche Soldaten in Kriegsgefangenenlagern der USA. Die überwiegende Anzahl dieser Soldaten gehörte zur Heeresgruppe Afrika, die im Mai 1943 in Tunesien kapitulierte.

So ist es also sehr wahrscheinlich, daß Oberleutnant Pröschel ein Angehöriger dieser Heeresgruppe war und sich schon Mitte 1943 in einem Lager in den USA befand.

Im Kriegsgefangenenlager Trinidad scheint er dann im März 1944 in den Besitz des Buches gelangt zu sein. Erworben hat es der Oberleutnant wahrscheinlich in der Kantine des Lagers, in der sich die Soldaten neben Zigaretten, Bier und Süßigkeiten auch Magazine und Bücher kaufen konnten. Bezahlt wurde mit Kantinen-Coupons, die die Soldaten als Sold oder Arbeitsentgelt (achtzig Cents pro Tag) erhielten. Offiziere wie Oberleutnant Pröschel mußten nicht arbeiten und erhielten zwanzig Dollar Sold im Monat. Da konnte sich der Oberleutnant einen Krimi für 25 Cents bequem leisten. Die eingetragene Signatur im Buch (k 5611 Lb.O.T. = library officers Trinidad?) läßt aber auch noch an eine andere Möglichkeit der Beschaffung denken. Die meisten Lager verfügten über eine Bücherei, in der sich oft sowohl deutsche als auch englische Bücher befanden. Vielleicht hatte sich der Oberleutnant das Buch ausgeliehen, später aber nicht mehr zurückgegeben. Neben einer Bücherei und einem Theater gab es im Lager Trinidad seit Juni 1944 noch eine "Lagerhochschule", wo Vorlesungen und Kurse unter anderem in Theologie, Islamkunde, Mathematik und Chemie gehalten wurden. Ob der Oberleutnant noch in den Genuß dieser Angebote kam, ist nicht sicher zu sagen, denn er scheint in Trinidad nicht der letzte Besitzer des Buches gewesen zu sein. Indiz dafür ist, daß sein Name mit der gleichen Tinte durchgestrichen wurde, mit der auch der unleserliche Name eines Leutnants als Eigentümer eingetragen ist. Warum das Buch den Besitzer wechselte, ist unklar. Vielleicht wurde der Oberleutnant in ein anderes Lager verlegt oder verkaufte das Buch weiter.

Der Leutnant unleserlichen Namens scheint dann das Buch bei der Rückführung nach Deutschland mitgenommen zu haben, so daß es im Januar 1949 vom "Offiziersgefangenenlager Trinidad" der UB Heidelberg geschenkt wurde. (col)



Allerlei


Hier habt ihr das Wort

Leserbrief

Zu "Anständige Studenten, süße Philsophen" von S. Vetter (sv) in Nr. 49:

Liebe Kommilitonen,

in Eurem Impressum ist zu lesen, daß sich ruprecht als "unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist" versteht. Dennoch kann man bei Eurem Artikel "Anständige Studenten, süße Philosophen" nicht von objektiver Meinungsbildung sprechen. (..)

Ihr sprecht von "selbsternannten Vorzeigestudenten". Ist etwa die FSK, als beherrschende Gruppierung im ASTA und deren Führungsanspruch innerhalb der Studentenschaft, nicht auch selbsternannt? Von einer mehrheitlichen Legitimation seitens der Studenten kann wohl keine Rede sein bei einer Wahlbeteiligung von unter zehn Prozent!

Die Schwarz-Weiß-Malerei, die Studenten die Guten (aber auch nicht alle, sondern nur die, die der eigenen Weltanschauung anhängen) und die Professoren/Dozenten die Bösen (..) ist doch ziemlich einfach. Aber es scheint mehr als nur zwei Parteien zu geben, oder sind diese "anständigen Studenten" etwa nur verirrte Nestbeschmutzer der übelsten Sorte?

(..) (W)er ist Feind von wem? (..) Ist die universitas nicht eine Körperschaft von Lehrenden und Lernenden, also eine Gemeinschaft?

(..) Ist es nicht legitim, wenn die Dozentenschaft andere Interessen als die Studentenschaft vertritt? Doch sind diese Interessen so gegensätzlich (..)? Wir Studenten sind nur für wenige Jahre an dieser Universität, somit haben die Dozenten zwangsläufig andere Interessen und Schwerpunkte, sie garantieren ja schließlich die Kontinuität und den Ruf einer Universität. Daß vieles im Argen liegt, ist unbestritten.

(..) Geht es wieder einmal mehr um das eigene Machtbedürfnis? Und wo liegt dann der Unterschied zwischen Studenten und Dozenten? (..) Sowohl die Forderungen der Studenten sind gerechtfertigt als auch die der Dozentenschaft.

Im Wissen um diesen Sachverhalt muß gemeinsam für die Sache der Universität gestritten werden und nicht gegeneinander. (..) Nur das Überwinden der Polarisierung und Dogmatisierung kann eine Lösung bringen.

Michael P. Breusch

Es handelte sich um einen Bericht, der keinerlei Meinung oder Weltanschauung vermittelte. (Anm. der Red.)
Die Redaktion behält sich die Kürzung von Leserbriefen vor.


Termine

Seid dabei

Ringvorlesung: Gene und Gesellschaft

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Zentrum für Molekulare Biologie Heidelberg (ZMBH)

12.11.97 Prof. Werner Deutsch
Gene, Verhalten und Individualität: Zwillingsforschung - eine kritische Betrachtung

26.11.97 Prof. Urs A. Meyer
Auswirkungen des Genomprojekts auf Medizin und Gesellschaft: Zukunftsperspektiven für Diagnostik und Therapie
Hörsaal 1 im Kommunikationszentrum des DKFZ, Im Neuenheimer Feld 280, jeweils 17 Uhr.

Information: Markus Elstner, DKFZ, Tel.: 06221- 422338

Vortragsreihe, Film und Ausstellung: Widerstand im Nationalsozialismus

04.11.-09.12. Ausstellung "Widerstand im Nationalsozialismus"
11.11. - 19:00 A. Lustiger: "Wi-derstand der Juden 1933 bis 1945"
18.11. - 19:00 Edgar Bamberger: "Selbstbehauptung und Widerstand von Sinti und Roma im Nationalsozialismus"
25.11. - 19:00 Dr. Pierre Durand: "Widerstand im Konzentrationslager Buchenwald"

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
Bremeneckgasse 2, 69117 Heidelberg

Spieleabend

jeden Mittwoch ab 18 Uhr
Heidelbär - Spieleladen
Untere Straße 28, Tel. 600887


Impressum

Wer wir sind

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht ruprecht als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurInnen sind willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr im Haus der Fachschaften in der Lauerstr. 1, 3. Stock. Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die AutorIn die Verantwortung.

V.i.S.d.P.: Gundula Zilm, Schiffgasse 9, 69117 Heidelberg

Redaktionsadresse: ruprecht, Lauerstr.1, 69117 Heidelberg, Tel./Fax 06221/542458

E-Mail: ruprecht@urz.uni-heidelberg.de

Druck: Caro-Druck, Frankfurt

Auflage: 12.000

Graphiken: hn, papa

Die Redaktion: Katharina Hausmann (kh), Jochen Maul (jm), Gabriel Neumann (gan), Harald Nikolaus (hn), Patrick Palmer (papa), Jannis Radeleff (jr), Bernd Wilhelm (bw), Melanie Ziegler (mz), Gundula Zilm (gz)

Freie Mitarbeiter(innen): Verena Bopp (vb), Christian Collet (col), Bertram Eisenhauer (bpe), Marc Goergen (mg), Kerstin Hilt (kebi), Boris Palmer (bp), Stephanie Vetter (sv)

Red.-Schluß für Nr. 51: 23.11.1997

ISSN: 0947-9570

ruprecht im Internet: http://ruprecht.fsk.uni-heidelberg.de


Die Letzte


10 Jahre ruprecht - die 50.

Prominente gratulieren:


Message received from:
Bill.Gates@Microsoft.com

Liebe Freunde vom ruprecht!

Jetzt feiert Ihr schon die fünfzigste Ausgabe Eurer gelungenen Zeitung! Herzlichen Glückwunsch! Auch wenn Ihr nicht von Beginn an mit meiner wundervollen Software arbeiten durftet, so hat Sie Euch doch während vieler, vieler Arbeitsstunden sehr viel bedeutet - da bin ich mir ganz sicher. Ohne WINDOWS wärt Ihr zwar bestimmt in der Hälfte der Zeit fertig geworden, wenn nicht früher, aber wo bliebe da die Gemeinschaft? Was wäre mit der liebgewonnen kollektiven Panik, wenn plötzlich (und das zum 17. Mal innerhalb von 5 Stunden) das Netz zusammenbricht? Oder das schöne Gefühl, die ganze Freude von Lay-Out, Korrektur und Texten noch einmal durchleben zu dürfen, weil ein Virus die gesamte Ausgabe gefressen hat und Ihr leider vergessen habt, ein Back-Up anzulegen? Auch die kleinen Freuden des Daseins, an die wir alle uns schon so sehr gewöhnt haben - wie plötzlich verschwindende Textteile oder kreative Trennhilfen - gäbe es nicht, wenn es mich nicht gäbe.

Ich weiß, Ihr seid mir dankbar dafür und überlegt fieberhaft, wie Ihr euch revanchieren könnt. Aber glaubt mir: Eure Freude ist mir Dank genug - und Ansporn für immer fehleranfälligere Programme!

Where do you want to go today,

Bill Gates


Alice Schwarzer
Verlag Frauen für Menschen
Rosa-Luxemburg-Platz 1
50001 Köln

Hallo Mitstreiterinnen von ruprecht,

zehn Jahre Arbeit in einer chauvinistischen Männerdiktatur erfordert sehr viel Stehvermögen, das nur wahre Frauen haben. Im bisherigen Kampf gegen den männlichen Faschismus, für die Freiheit der Frau und das große "I" habt Ihr schon einige Siege davongetragen, obwohl Ihr die weibliche Hälfte Eurer LeserInnenschaft immer noch nicht aus den entwürdigenden zwei Klammern in der Unterzeile Eures Titels befreien konntet. Schwere Sorgen bereitet mir vor allem Eure letzte Seite, auf der Eure Männer ihre sexistischen Phantasien immer noch ungehindert ausleben dürfen. "Ich und mein Magnum" war derart geschmacklos und frauenfeindlich, daß ich es als Anschauungsobjekt für mein Seminar "Wie lese ich Männermagazine richtig" benutzen mußte. Faßt Euch endlich ein Herz und schreitet zur Kastration dieser sexbesessenen Horde unzivilisierter Machos!

Viel Erfolg für die Zukunft,

Alice Schwarzer


Helmut Kohl, Bundeskanzler

Der Kanzler
Blühende Landschaften e.V.
Marbacher Str. 11
67071 Ludwigshafen-Oggersheim

Sehr geehrte Redaktion,

zum zehnjährigen Jubiläum und zur fünfzigsten Ausgabe Ihrer Zeitung möchte ich meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen. Erst kürzlich konnte ich einem Kollegen Ihrer Zunft, meinem besonders geschätzten Freund Rudolf Augstein, für seine langjährige Unterstützung und stets loyale Berichterstattung danken.

Beim Lesen Ihres hervorragend gemachten Blattes spürt man wahrlich den Ruck, der endlich durch unser Vaterland gegangen ist. Heidelberg wurde durch Sie zum Synonym für das aufstrebende Unternehmertum, das den Standort Deutschland mit seinen schönen Landschaften wiederbelebt hat. Sie unterstützen die deutsche Wirtschaft tatkräftig und produzieren nicht im Ausland, sondern in unserer geliebten Heimat. Mit besonderem Stolz erfüllt mich, daß die Stadt, in der ich einst die schönsten Jahre meiner Jugend verleben durfte, nun erneut eine Elite hervorgebracht hat.

Ich bin überzeugt, daß auch Ihnen ein bedeutender Platz in der deutschen Geschichte sicher ist und setze mein vollstes Vertrauen in Sie.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Kohl


To Ruprecht
Lauerstr.1
69117 Heidelberg
Germany

Boris Becker
z.Z. Hotel Sheraton
67532 New York, USA

New York, 1. November 1997

Liebe Freunde zu Hause,

erst einmal ganz, ganz herzliche Glückwünsche zu Eurem tollen Jubileum Jubeläem zum Bestehen Eurer Zeitung, und das schon so lange, äh... 10 ganze Jahre. Ich wollte ja auch immer mal, also, naja, mal so richtig bei Euch mitmachen. Aber damals, wo ich Euch dann diesen Ardikel Text geschickt habe, Ihr wißt noch, diese Geschichte über den "Leimener Tennisverein Ackerfurche", wo ich dann erzählt hab, wie schwer es ist, die richtige Tennishose in der Kaufhalle zu kriegen, weil die Verkäuferinnen da ja überhaubt nich wißen, wie doll die von Schiesser immer im Schritt kneifen. Aber den hab ich dann ja nie im ruprecht gesehn, und da wußt ich dann nich, habt Ihr den nur vergessen oder habt Ihr den nicht gemögt, na, das hat mich dann äh... mental schon total runtagezogen. Aber drotzdem hab ich den ruprecht ja immer gelesen, sogar als ich auf den kleinen Noah damals vorm Greissaal gewardet hab, weil ich die letzte Seite immer echt gut fand. Bloß diese Sachen auf den ersten Seiten, die fand ich dann nich so gut, weil ich hab die auch nich so ganz verstanden, da kam so oft das Wort Hochschule vor, und die Heidi Müller Schule, wo ich damals hingegangen war, die war gar nich hoch. Und dem Vati von der Steffi hab ich auch immer einen mitgebracht, weil die da nur einmal im Monat Klopapier kriegen. Der hat sich immer ganz doll gefreut!
Wenn nicht gerade mein Pilot im Urlaub wär, wär ich mal vorbei gekommen zum Gratulieren, ganz bestimmt!
Macht weider so, ganz viele Grüße von Babs und dem Kleinen (der kann schon übers Netz gucken).

Euer

Boris

P.S.: Ich kann Euch den Text nochmal schicken, falls Ihr die nicht mehr findet.


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