Am Freitag, 21.11., informierte die FSK einige hundert Interessierte über die Finanzmängel an der Heidelberger Uni und die Schwachpunkte der geplanten Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG). Enthusiastische Streikboten aus Marburg und Frankfurt brachten den entscheidenden Funken dazu, der Anfang war gemacht. Die ersten AK's nahmen die Planung auf, bereits am Montag, 24.11., fanden Vollversammlungen in einzelnen Instituten statt. Ergebnis: Lucky Streik. Die ersten Transparente wurden gehißt, FSK und Politologen nahmen die Koordination in die Hand. Zur uniweiten Vollversammlung am Mittwoch, 26.11., pilgerten ungeahnte Massen in die Neue Uni. An die 4000 drängten sich in der Neuen Aula und einem zusätzlichen Hörsaal. Wer c.t. kam, mußte sich mit einem Stehplatz auf dem Gang begnügen. Während es auf den Institutsvollversammlungen noch einiges zu diskutieren gab (Was wollen wir eigentlich genau? Ist Streik der richtige Weg? Wer macht mit?), war hier die Stimmung eindeutig: Wir wollen den Streik. Sei es aus Solidarität, aus Empörung über die bundesweite Bildungspolitik und die HRG-Novelle oder aus Protest gegen die Sparpolitik von Trothas. Mit großer Mehrheit wurde der uniweite, aktive Streik bei vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen beschlossen. Am Ende der Woche hatte sich der Großteil der Fakultäten den Protesten angschlossen, größtenteils im produktiven Streik, teilweise aber auch in Form von Aktionen, ohne zu streiken. DiePädagogischen Hochschule beschloß in einer Vollversammlung am Donnerstag ebenfalls den aktiven Streik und gingen mit Aktionen auf die Straße.
Parallel zu den immer zahlreicheren Aktionen in der Öffentlichkeit bildeten sich im Hintergrund weitere Arbeitskreise, um die Grundlagen des Streiks auszuarbeiten. Von den Fachschaften Politik und Geschichte ins Leben gerufen, befaßt sich beispielsweise der AK Zukunftswerkstatt mit den Chancen der Institution Universität, bei der FSK beschäftigen Studis sich mit dem Hochschulrahmengesetz und der BAföG- Reform.
Andere Gruppen kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit. Zahlreiche Dozenten zeigten sich kooperativ, der Hauptbahnhof wurde zum bevorzugten Hörsaal für Seminare und Alternativveranstaltungen.
Im Anschluß an die Großdemo am Freitag, dem 28. November, wurde als Symbol des Streiks spontan die Neue Uni besetzt, in Koordination mit der FSK verwandelten sich ihre Räumlichkeiten zur Streikzentrale. "Ich habe nicht die Absicht, wenn das wie bisher weitergeht, da irgendwie einzugreifen", äußerte sich Rektor Jürgen Siebke am Samstag. Allerdings rechnete er nicht mit der Ausdauer der Besetzer. (vgl. Interview vom 29.11. im ruprecht aktuell, http://ruprecht.fsk.uni-heidelberg.de/aktuell/index.htm). In der folgenden Woche konnten die Passanten auf der Hauptstraße sich vor Aktionen kaum noch retten, ermutigt von der bundesweiten Ausdehnung der Proteste gaben die Heidelberger Studis ihr Bestes an Kreativität und Durchhaltevermögen. Die zweite Vollversammlung beschloß am 3. Dezember einen Forderungskatalog. Die Abstimmung war aufwendig organisiert worden - um die Zustimmung zu den zwölf Punkten des "AK Forderungen" zu ermitteln, wurden über 2000 Wahlzettel verteilt.
Nur die Forderung nach freiem Zugang zu den Hochschulen unter Verzicht auf Numerus Clausus und Auswahlgespräche wurde abgelehnt. Alle anderen Punkte erfuhren starke Zustimmung, darunter die Forderung nach sozialer Absicherung des Studiums, ein Verbot von Studiengebühren, Stopp der Mittelkürzungen und Verbesserung der Studienberatung. Besonders starkes Gewicht wurde im Katalog auf die Forderung nach Mitbestimmung der Studierenden bei universitären Entscheidungsvorgängen gelegt: zwei Punkte waren dem Postulat der Demokratisierung der Hochschule gewidmet. Stichworte sind hierbei die gesetzliche Verankerung der verfaßten Studierendenschaft mit allgemein-politischem Mandat sowie die Mitbestimmung bei Lehr- und Strukturentscheidungen. Die Vollversammlung unterstrich diese Punkte mit einer besonders ausgeprägten Zustimmung, wie sie sonst lediglich der zwölfte Punkt, der die grundlegende Reform der Studien- und Prüfungsbedingungen verlangt, bekam: Nur etwa 200 der 1600 abgegebenen Stimmen entschieden dagegen oder enthielten sich.
Einige der in dem Forderungskatalog enthaltenen Punkte sind auch eine Reaktion auf den Entwurf des HRG. Am offensichtlichsten ist dies beim zweiten Punkt der Fall, der Forderung des Verbots von Studiengebühren. Zwar wird die Frage der Studiengebühren im HRG nicht berührt, doch ist zu befürchten, daß die Länder in der Praxis ihren Spielraum zugunsten der Gebührenerhebung ausnützen. Ein weiteres Beispiel ist der vierte Punkt, der die Interpretation von Regelstudienzeiten als Richtlinie, nicht als Instrument der Studienzeitbeschränkung favorisiert. Im Entwurf zum HRG ist für Studiengänge, die zum Diplom- und Magistergrad führen, eine allgemeine Regelstudienzeit von viereinhalb Jahren festgelegt - ohne Berücksichtigung der Studienbedingungen der einzelnen Fächer. Es besteht zwar eine Ausnahmeregelung für "besonders begründete Fälle", allerdings ist dies nicht näher kommentiert. Vor allem BAföG-Empfänger, die geisteswissenschaftliche Fächer studieren, sind von den knapp bemessen Regelzeiten betroffen, da sich an ihnen die Förderungshöchstdauer orientiert.
Der auf der Vollversammlung verabschiedete Forderungskatalog stellt eindeutig klar, daß es sich beim Streik nicht um eine nette Spaßbewegung handeln soll, sondern um eine Protestbewegung mit deutlichem inhaltlichen Profil. Das ist auch bitter nötig: Das Ziel, durch den Streik eine breite Öffentlichkeit auf den desolaten Zustand der deutschen Unis aufmerksam zu machen, ist mittlerweile erreicht; landauf, landab ist der Streik Medienthema Nummer eins. Die aufmüpfigen Studenten sind die Darlings der Nation, Solidaritätsbekundungen kommen sogar aus dem Kanzleramt. Um den Streik nicht zu einer "Revolution der Kuscheltiere" (Süddeutsche Zeitung) abzuwerten, war also inhaltliche Konkretisierung gefragt.
Doch damit beginnen die Probleme erst: Nun müssen detaillierte Vorschläge für das Hochschulsystem der Zukunft her, doch alles, was den allgemeinen Konsens des "So kann's nicht weitergehen!" übersteigt, scheint umstritten. So fand zum Beispiel die Forderung nach freiem Zugang zu den Hochschulen in der Vollversammlung keine Mehrheit, und auch die pauschale Ablehnung von Studiengebühren oder größerer Autonomie der Universitäten teilen wohl nicht alle Studierenden.
Die Vollversammlungs-Forderungen können daher auch kaum mit neuen Ideen aufwarten, eher sollen alte Besitzstände verteidigt werden. Der Streik - ein wenig Unordnung, um die alte Ordnung wiederherzustellen? Zwar ist es zweifellos wichtig, auch in Zukunft Bildung nicht zum Privileg verkommen zu lassen, also beispielsweise gegen die BAföG-Kürzungspläne zu protestieren. Doch ob das humboldtsche Bildungsideal noch für die heutigen Massenuniversitäten angemessen ist, ob nicht vielmehr Umstrukturierungen nötig wären (Stichworte Hochschulautonomie, Evaluation der Lehre, Straffung der Studiengänge), wird kaum reflektiert. So mancher Prof sieht darin das große Manko des Streiks: Statt Alternativmodelle zu entwerfen, würden althergebrachte - wenn auch berechtigte - Forderungen, zum Beispiel nach mehr Mitbestimmung, mit den aktuellen Streikgründen verquickt, "nach dem Motto 'wenn wir jetzt schon beim Streiken sind, nehmen wir das auch noch mit rein'", so Prof. Dr. Christoph Schmidt von den Volkswirtschaftlern.
In den nächsten Wochen wird man sich indes wohl überlegen müssen, wie es denn nun weitergehen soll. Die Uni Gießen hat den Streik mittlerweile ausgesetzt, und auch in Heidelberg wird in vielen Veranstaltungen bereits wieder Normalbetrieb gefahren, trotz offiziellen Streiks. Ganz genau wußte man ohnehin nie, was "Streik" eigentlich bedeuten soll: Aktiver Vollstreik durch Boykott aller Seminare und Vorlesungen, "konstruktiver" Streik - also Abhalten der Veranstaltungen, aber in "anderem Rahmen" - oder Lehrbetrieb wie immer, nur bei Bedarf ein bißchen diskutieren? Ungelöst ist das Problem, daß der Begriff des Streiks nicht wirklich für das Unileben angemessen ist, noch immer: Zumindest in der Arbeitswelt möchte man mit einem Streik in erster Linie den Arbeitgeber schädigen, doch der ist sich der Studierende an der Uni eben selbst.
Schade wäre es gewiß, wenn die Proteste nach und nach im Sande verliefen oder nach den Weihnachtsferien schlicht nicht wieder aufgenommen würden. Vielleicht wäre da ein finaler Showdown, zum Beispiel in der Form einer intensiven "Streik-Abschlußwoche", die bessere Lösung. Und dann nach einer kreativen Denkpause ein erneuter Streik, wenn sich noch nichts geändert haben sollte - Aufhänger wie die endgültige Entscheidung über das HRG nächstes Jahr im Bundesrat gäbe es ja genug. (kh, kebi, gan)
Wer kein Prädikatsexamen hat, muß mit einer Wartezeit von bis zu
zwei Jahren rechnen - nutzlos vertane Zeit, ärgerlich besonders für
die, die schnell durchs Studium gekommen sind und nun als Lohn zum Herumsitzen
verdammt sind.
Referendare, die ab April beginnen, sollen nicht mehr wie
bisher verbeamtet werden. Das bedeutet, daß die Vergütung von bisher
ca. 1800,- DM netto monatlich deutlich sinken wird, vielleicht sogar auf unter
1300,- DM. Dann aber könnten Referendare Sozialhilfe beantragen, und damit
würden die Staatsfinanzen keineswegs entlastet.
Seit Bekanntwerden
dieser drohenden Änderungen mobilisiert sich bei den Heidelberger Juristen
Widerstand: Unterschriftenlisten und Flugblätter wurden verteilt,
Arbeitsgruppen, bei denen jeder zum Mitmachen aufgefordert ist (wie etwa der AK
"Juristen in der Warteschleife"), nahmen Kontakt mit Politikern, Presse und den
anderen betroffenen Unis auf;eine Demo in Stuttgart wurde organisiert. Auch
Professoren und Assistenten unterstützen den Protest tatkräftig und
finanziell. 3500 Unterschriften gegen die Referendariatsänderungen liegen
dem Landtag mittlerweile vor, davon 1500 aus Heidelberg. Mit dem Streichen des
Notenverbesserungsversuchs scheint Justizminister Goll (FDP) inzwischen recht
alleine dazustehen: Aus allen Parteien kommt Kritik, in Heidelberg und an
anderen Unis hat sich der Fakultätsrat dagegen ausgesprochen. Was das
Referendariat betrifft, bleibt zu hoffen, daß die Proteste bei der
Haushaltsdebatte am 11. 12. Wirkung zeigen werden. (ah)
H.D. Genscher 16
Volker Rühe 16
Wolfgang Schäuble 18
Matthias Wissman 20
Guido Westerwelle 22
Quelle: Deutscher Bundestag, Bonn. Angaben in Semestern