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Hochschule


Happy Birthday!

Das Studi-Werk kommt in die Jahre

Am 18. Dezember feiert das Studentenwerk Heidelberg sein 75-jähriges Bestehen. Grund genug, diese Einrichtung, die vielen Studierenden nur als "BAföG-Amt" bekannt ist, genauer unter die Lupe zu nehmen.

Als es sich Johann Hermann Mitgau 1922 zur Aufgabe machte, die existentielle Not der Heidelberger Studierenden zu lindern, war wohl kaum abzusehen, daß er damit den Grundstein für ein modernes Dienstleistungsunternehmen legte. Was einst in einer Dachkammer des Marstalls als Notstandshilfe für finanziell schwache Studierende ins Leben gerufen wurde, nahm im Laufe der Jahrzehnte immer neue Formen studentischer Betreuung an: Heute ist das Studentenwerk Schutzherr über 350 Mitarbeiter, 19 Mensen und Cafeterien, sowie über fünfzig Wohnheime im Raum Heidelberg und Heilbronn.

Hunger, Armut und die rasende Inflation machten auch den Heidelberger Studierenden die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg schwer. Beherzt nahm sich der Studentensekretär des AStA, Johann Hermann Mitgau, der Forderung nach Studentenfürsorge an und gründete in Kooperation mit dem Universitätssenat die "Studentenhilfe Heidelberg". In Form von Darlehen gelang es Mitgau, "die studierende Jugend ohne Rücksicht auf Rasse, Partei und Konfession" wirtschaftlich abzusichern. Gestaltete sich die Fürsorge zunächst darin, Studierenden billige Lebensmittel, Kleidung und Lehrmittel anzubieten, so vergab man ab dem Jahre 1925 Stipendien an die "arme Intelligenz". In den folgenden Jahren widmete sich der Verein verstärkt der Errichtung von Wohnheimen. Mit Hilfe von Spenden konnte u.a. das Sibley-Haus am Heumarkt im Jahre 1927 die ersten Studierenden aufnehmen.

Mit der Machtergreifung Hitlers erfolgte die Gleichschaltung aller Studentenwerke. Während der nationalsozialistischen Diktatur wurden die geförderten Studierenden unter Mißachtung der Satzung nach politischen und rassischen Kriterien ausgewählt. Über den Alltag im Studentenwerk während des Hitler-Regimes ist wenig bekannt; der Aktenbestand endet 1934. Mit der Beschlagnahmung des gesamten Vermögens durch amerikanische Truppen wurde das Studentenwerk 1945 der Nazi-Kontrolle entrissen. Obwohl die Mensa bald nach Kriegsende ihre Pforten wieder öffnete, konnten die Studierenden nur mit Hilfe amerikanischer Unterstützung ausreichend versorgt werden.

Eine Erweiterung des Aufgabenspektrums erfolgte im Jahr 1958: Das Studentenwerk war nun zentrale Verwaltungsstelle der ersten finanziellen Beihilfen des Staates.

Aufgrund der rapide wachsenden Studentenzahl nahm man in den 60er Jahren den Ausbau von Studentenwohnheimen in Angriff, besonders im Neuenheimer Feld. Während der Studentenproteste 1968 zogen auch die Heidelberger gegen die Erhöhung von Mensapreisen und für eine Erhöhung der staatlichen finanziellen Leistungen zu Felde. Adressat: das Studentenwerk. Dennoch würdigte man dessen Vorreiterrolle, die es mit der Trägerschaft für eine studentische Kinderkrippe übernahm. Als erstes Studentenwerk der Bundesrepublik reagierte es damit auf den damaligen Babyboom und die Probleme der Studi-Eltern.

Die Einrichtung einer Psychotherapeutischen Beratungsstelle, die Überführung des Studentenwerks in eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die Eröffnung neuer Mensen sowie der Bau von weiteren Wohnheimen bestimmten das Tätigkeitsfeld der 70er und 80er Jahre.

Der konsequente Abbau des Sozialstaats in den 90er Jahren hinterläßt auch im Finanzbereich des Studentenwerks seine Spuren: Betrugen die staatlichen Leistungen 1976 noch 50% des Gesamtetats, so sind es heute weniger als 20%. Erste Auswirkugen machen sich in neuen Mensapreiserhöhungen bemerkbar und in dem Mißstand, daß nur noch 15% der Heidelberger Studierenden BAföG-berechtigt sind. Zahlen sprechen bekanntlich für sich. (cl)

HeidelbergÖkoPlan

Einkauf ganz grün

Wo kann man Biolebensmittel kaufen? Welche Umweltverbände und -ämter gibt es in Heidelberg? Wo liegt die nächste Car Sharing-Station und wie ist sie zu erreichen?

Bis vor kurzem mußte man sich selbst in der diesjährigen "Umwelthauptstadt" des Landes lange durchfragen, um Antwort auf diese und ähnliche Fragen zu bekommen. Jetzt geht es schneller: mit dem ersten Öko-Stadtplan Heidelbergs.Der Plan präsentiert die wichtigsten Anlaufstellen für Bürger, die an umweltbewußtem Leben und Einkaufen interessiert sind. Er bietet einen Überblick über umweltrelevante Ämter, ökologische Anbieter, Rad- und Wanderwege, Recyclinghöfe, über die "teilAuto"-Stationen (Car Sharing) und über alle Umweltverbände Heidelbergs. Er enthält Telefonnummern und Adressen, die durch Pfeile leicht auf der Karte gefunden werden können.

Der ÖkoPlan Heidelberg zeigt mit seiner Vielfalt von Angeboten, daß es nicht schwierig ist, den täglichen Konsum nach ökologischen Kriterien auszurichten und dabei einen wichtigen Teil zum Schutz der Umwelt beizutragen. Erschienen ist er in Absprache mit dem Umweltamt bei "umwelt direkt" im Wolf-Verlag.
Erhältlich ist der ÖkoPlan ab sofort kostenlos in vielen Geschäften, Kinos, Copy-Shops und Ämtern. Außerdem kann er gegen Einsendung von DM 5,- in Briefmarken bei umwelt direkt, Hostackerweg 21, 69198 Schriesheim, bestellt werden. (vb)


Zwei Stunden Ehrenamt pro Woche!?

Die "heidelberger tafel e.V." sucht ständig neue Mitarbeiter

Jeden Tag werden in Heidelberg und anderswo große Mengen von Lebensmitteln weggeworfen: Waren, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, Brot vom Vortag, Obst und Gemüse, das sich nicht verkaufen läßt und Essen, das bei Feierlichkeiten übrig geblieben ist. Gleichzeitig gibt es unzählige Menschen, für die eine ausreichende Portion Essen am Tag keine Selbstverständlichkeit ist.

Fünf Medizin-, zwei Jurastudenten und eine Lehrerin setzten im Juli 1995 ihre Empörung darüber konstruktiv in Taten um. Sie gründeten die "heidelberger tafel e.V." und stellten es sich zur Aufgabe, eben diese Lebensmittel einzusammeln und an Menschen zu verteilen, die auf Essensspenden angewiesen sind.

Mittlerweile zählt der Verein an die dreißig ehrenamtliche Mitarbeiter, die täglich gespendete Lebensmittel aus Heidelberger Hotels, Supermärkten, Bäckereien und von den lokalen Wochenmärkten abholen, um sie dann an Bedürftige weiterzuleiten. Zielgruppe sind nicht nur die Obdachlosen, sondern vor allem auch Menschen, die in "verdeckter Armut" leben, hauptsächlich einkommensschwache Haushalte alter Menschen und kinderreicher Familien, die sich ihrer finanziellen Situation schämen. Dabei arbeitet die "heidelberger tafel" eng mit dem Sozialamt, der Diakonie und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zusammen. Sie versorgt unter anderem die vom Sozialdienst katholischer Männer betreute "Wärmestube" und eine Kinderlernhilfe der Caritas mit Essen.

Vorbild für die "heidelberger tafel" waren "Tafel-Organisationen" in Hamburg, München, Frankfurt, Berlin und anderen deutschen Städten, ausgehend von der Idee eines New Yorker Projekts. Bereits im November 1995 gründeten die Organisationen einen Dachverband in Berlin, die "Deutsche Tafelrunde".

Das größte Problem der "heidelberger tafel" zur Zeit ist die Sorge um den Mitarbeiternachwuchs. Die jetzige Gruppe besteht aus Menschen jeden Alters und Berufes, die Spanne reicht von Studierenden bis hin zu Rentnern und Hausfrauen. Studis sind es allerdings immer zu wenige, da viele der früheren Mitarbeiter bereits den Studien- und Wohnort gewechselt haben. Engpässe entstehen besondes auch während der Semesterferien. Ein Werbekampagne in den Heidelberger Mensen brachte leider wenig Erfolg ein. Und das, obwohl sich die "heidelberger tafel" schon über zwei Stunden Mitarbeit pro Woche freuen würde!

Nebenbei sucht der Verein ein Ladenlokal, um in Zukunft auch Lebensmittel direkt an die Bedürftigen abzugeben, die sie auf ihren täglichen Verteilungstouren nicht berücksichtigen können.

Die "heidelberger tafel" trifft sich jeden Dienstag um 20.00 Uhr im Heidelberger Selbsthilfebüro in der Alten Eppelheimerstr. 38 (im Hinterhof) und ist montags bis freitags von 10-12 Uhr telefonisch erreichbar unter 06221 - 166579, sonst per Anrufbeantworter oder per Fax unter 06221 - 161331. (vb)


Heidelberger Profile: Schräger Typ mit Hut

Der Alltag des "Körperwelten"-Initiators Gunther von Hagens

Der Zeiger rückt auf zehn. Der Mann mit dem schwarzen Hut erscheint. Selbstverständlich pünktlich, steuert er geradlinig auf uns zu, reicht uns die Hände. Wasserblaue Augen, verborgen unter der Filzkrempe, scheinen uns geradewegs zu durchdringen... Was ist nun dran an diesem Mann, der das Zerschneiden von Leichen zu seinem Lebensziel gemacht hat? Wird er auch uns plastinieren? Sieht er auch uns nur als potentielle Ganzkörperpräparate?

Die natürliche Scheu vor dem Tod, Anatomie a n "echten Körpern" und Aufklärung für Laien wie für Fachleute - das sind seine Maximen. "Mein Lebenswerk beruht auf der uneigennützigen Körperspende vieler Menschen, die sich meinem Institut und mir persönlich anvertraut haben."
Wie sieht ein Tag im Leben des Gunther von Hagens aus?
Während gewöhnliche Menschen morgens um sieben das Haus verlassen, um für acht Stunden ihrer Arbeit nachzugehen, sich dann Familie oder Freizeit widmen, ist für Workaholic von Hagens die Arbeit auch sein einziges Hobby. Um für seine Professur an einer chinesischen Universität auch sprachlich gerüstet zu sein, ist der frühe Morgen zunächst mit Chinesisch lernen verplant. Es folgen die unausweichlichen Pressetermine, denen er sich zwei- bis dreimal täglich stellen muß. Wer Säuferlebern und Raucherlungen - am Stück oder in Scheiben - in einer Ausstellung zeigt, muß mit hohem Medieninteresse rechnen.
Doch diese Chance nutzt er auch, um sei- ne Philosophie von Leben und Sterben mitzuteilen.
Dabei orientiert er sich an fernöstlichen Lehren: "In Japan erhält der Mensch nach dem Tod einen neuen Namen auf dem Grabstein. Es vollzieht sich ein vollkommener Identitätswandel."

Seine praktische Anwendung: Von Hagens grenzt die Emotionen deutlich von seiner Arbeit ab. Wenn eine Leiche in sein Institut für Plastination eingeliefert wird, hat sie das Stadium "individueller Trauer und Pietät" bereits überwunden. Im Präpsaal "eilt der Tote dem Lebenden zur Hilfe". Für den Erfinder der Plastination steht der Wille des Spenders - Umwandlung in ein instruktives, gutes Studienobjekt - im Vordergrund.

Mit diesem langsamen Arbeitsprozeß verbringt er seine Nachmittage.

Oft vergehen bis zu 1000 Arbeitsstunden, bis sich von Hagens mit einem lebensnahen Präparat zufrieden gibt. Doch das ist nicht alles: Auch die Weiterentwicklung der Kunststoffe und die Ausbildung von zukünftigen Plastinatoren steht auf seinem Nachmittagsprogramm. Dabei arbeiten zur Zeit zehn Fachkollegen aus allen Teilen der Erde mit ihm zusammen: Japaner, Kirgisen, Russen, Chinesen und Deutsche sind in seinem Labor anzutreffen.

Daß er nach seinem Ableben von seiner Frau - ebenfalls Plastinatorin - plastiniert werden will, sieht er nicht als außergewöhnlich an, sondern nur als Konsequenz seines Lebenswerks.

Der öffentlichen Kritik an "Körperwelten" ist er sich bewußt, doch vertritt er selbstbewußt sein Konzept: "Viele meiner Gegner haben die Ausstellung noch nicht einmal besucht."

Und was sind die Zukunftspläne eines Wissenschaftlers, der beim Anblick von Brotschneidemaschinen unweigerlich an das Zersägen von Schädelhälften denkt? "Ein Menschenmuseum wäre für mich ein großer Reiz, das nicht auf Sensationen beruht, sondern den Menschen in seiner ganzen Ästhetik zeigt." (krs,mg)


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