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 Heidelberg
28.04.2009

Ins Flanieren investieren

Braucht Heidelberg einen Neckarufertunnel für eine Stadt am Fluss?

Das südliche Neckarufer: Wo heute Autos fahren, soll südländisches Flanieren möglich sein. Doch der geplante Tunnel ist ein teures und langwieriges Projekt, der den Heidelberger Gemeinderat und die Bewohner polarisiert.

Wo sich heute noch endlose Blechlawinen an der Marstallmensa vorbeischieben, soll nach Beschluss des Gemeinderats in wenigen Jahren direkt am Neckarufer südländisches Flanieren möglich sein. Doch um diese seit Jahrzehnten diskutierte Idee umzusetzen, muss zunächst die Bundesstraße zwischen Karlstor und Bismarckplatz in einen kilometerlangen Tunnel verlegt werden. Ein teures und langwieriges Projekt, welches entsprechenden Widerstand in Heidelberg hervorruft.

JA

Eckhart Würzner
Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg (parteilos)

Am 23. Juli 2008 hat der Gemeinderat mit breiter Mehrheit den Grundsatzbeschluss für das Projekt Stadt an den Fluss mit Neckaruferpromenade und Neckarufertunnel gefasst. Dies war sicherlich eine der wichtigsten Zukunftsentscheidungen für die Stadtentwicklung Heidelbergs.

Heute bestimmen fehlende Radwege und Aufenthaltsflächen, schmale Gehwege sowie die Barrierewirkung und Lärmbelastung des Kfz-Verkehrs die Ufersituation. Ein Tunnel soll das Neckarufer zwischen Bismarckplatz und Karlstor vom Durchgangsverkehr entlasten. Eine Uferpromenade soll den Bürgern und Gästen Heidelbergs das großartige Freiraumpotenzial am Neckarufer attraktiv erschließen. Zwischen der Stadthalle und dem Neckarmünzplatz wird die Promenade als Fußgängerbereich gestaltet.

Der städtebauliche Wettbewerb zur Gestaltung der Neckaruferpromenade hat gezeigt, welcher Qualitätssprung möglich ist. Die Altstadt wird deutlich an Aufenthaltsqualität gewinnen. Durch die attraktive Gestaltung der Plätze und der Uferkante wird sich die historische Rückseite zur belebten identitäts- und imagebildenden Schauseite wandeln.

Die Investitionen für das Projekt Stadt an den Fluss sind Investitionen in die Zukunft, von der viele Generationen nach uns profitieren werden. Den Mehrwert, den das Projekt über Jahrzehnte auf viele Bereiche unserer Stadt entfalten wird, können wir heute nur erahnen.

Ein solides Finanzierungskonzept zeigt, dass wir das Projekt mit den von Bund und Land in Aussicht gestellten Zuschüssen auch finanziell stemmen und zugleich auch alle weiteren großen Bau- und Sanierungsvorhaben realisieren können. Der Baubeginn des Neckarufertunnels mit Kosten in Höhe von 150 Millionen Euro soll 2012 erfolgen. Das Bauende ist für 2016 geplant. Im Anschluss daran kann die mit 30 Millionen Euro veranschlagte Gestaltung der Neckaruferpromenade realisiert werden.

Bis dahin haben für mich die Investitionen im Bereich Bildung und damit die Schulsanierung absolute Priorität. Wir werden in den nächsten Jahren hier große Anstrengungen unternehmen und weit mehr investieren, als dies in der Vergangenheit je der Fall war. Aber auch die anderen großen Projekte, wie Theatersanierung oder Stadthallenerweiterung können realisiert werden, ohne dass wir unseren Schuldenstand über Gebühr erhöhen. Eine Machbarkeitstudie hat die Potentiale für die Stadt am Fluss deutlich belegt. Klar ist aber auch, dass diese nur in Verbindung mit einem Tunnel aktiviert werden können. Ohne einen Neckarufertunnel , ist bei dem heutigen Verkehrsaufkommen auf der B37 von etwa 20.000 Kfz am Tag die Stadt am Fluss nur ein Wunschtraum.

Abschließend möchte ich nochmals den Mut und Weitblick der gemeinderätlichen Entscheidung in den Fokus rücken, der auf Fortschritt und Entwicklung ausgerichtet ist. Denn wir alle wissen: Stillstand bedeutet Rückschritt.


NEIN

Kai Dondorf
Heidelberger Gemeinderat (Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wollen die Stadt am Fluss – aber ohne Tunnel! Die Vorteile, die sich die Tunnelbefürworter von CDU und SPD im Gemeinderat erhoffen, stehen in keinem Verhältnis zu den Baukosten in Höhe von 180 Millionen Euro. Die Stadt Heidelberg muss davon 100 Millionen Euro schultern. Mit dieser Summe könnten viel sinnvollere Dinge angepackt werden.

Ideen dazu gibt es viele. Ein sehr große Anzahl Heidelberger Bürgerinnen und Bürger sieht das genauso. Eine kleine Auswahl der Ideen, welche anderen wichtigen und sinnvollen Dinge mit dieser Summe bewegt werden könnten, gibt es unter www.heidelberg-mitmachen.de.

Es gibt echte Alternativen zum Tunnel. Mit weniger Geld und schnellerer Bauzeit kann das Neckarufer deutlich aufgewertet werden, zum Beispiel durch Gestaltung des Neckarlauers, wo heute die Schiffe der Weißen Flotte anlegen. Hier können attraktive Cafés und Freiflächen entstehen. Bei der Tunnelvariante wird nicht – wie oft vermutet – das gesamte Neckarufer der Altstadt zur verkehrsfreien Zone. Lediglich wenige hundert Meter ab der Alten Brücke werden entlastet, auf dem größten Teil der Strecke fahren weiterhin Anwohner, Anlieferer und Busse, also mehrere hundert bis tausend Kfz pro Tag.

Die Befürworter des Tunnels sprechen durch seinen Bau von Verbesserung der Lebensqualität. Aber ist es für die Lebensqualität in Heidelberg entscheidend, ob wir einige hundert Meter auf einer Asphaltfläche mit Neckarblick spazieren gehen können? Oder wird Lebensqualität nicht eher durch ein abwechslungsreiches Kulturangebot, durch ausreichenden und günstigen Wohnraum, durch ein gutes und gerechtes Bildungswesen, durch eine intakte Umwelt und durch vielfältige soziale Projekte erreicht? In diesen Bereichen könnte mit 100 Millionen Euro wirklich etwas zum Wohle aller bewegt werden.

Auch als Konjunkturprogramm für Heidelbergs Handwerk und die hiesigen Wirtschaftsbetriebe wird der Tunnelbau nicht taugen. Die Arbeiten werden sicher nicht von Heidelberger Firmen ausge-führt. Die Altstadt und der Einzelhandel werden durch den Tunnel nicht aufgewertet. Kein Kunde wird mehr Waren einkaufen, weil er weiß, dass er nach dem Einkauf am Neckar entlang spazieren kann! Die Befürworter versuchen, den Tunnel als Allheilmittel für alle Probleme der Altstadt zu verkaufen. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Und was hat die junge Generation vom Tunnel? Falls die Röhre tatsächlich gebaut werden sollte: Eine Verdopplung der städtischen Schulden auf 260 Millionen Euro bis 2016, jährliche Unterhaltungskosten von etwa einer Million Euro, und viele verpasste Chancen, für die dann kein Geld mehr zur Verfügung stehen wird.

Die zentrale Frage ist, ob wir in Beton investieren wollen oder in Menschen. Aber noch ist Heidelbergs Zukunft nicht verbaut, am 7. Juni sind Kommunalwahlen. Danach sehen wir weiter.

von Benjamin Jungbluth
   

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