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 Feuilleton
20.08.2009

Feuchte Sommernachtsträume

Donizettis "Liebestrank" bei den Heidelberger Schlossfestspielen

In einer extravaganten Inszenierung nahmen sich die Heidelberger Schlossfestspiele Gaetano Donizettis "Liebestrank" an. Freunde des modernen Theaters kamen dabei voll auf ihre Kosten.

Wer hätte ihn nicht manchmal gerne einen Liebestrank zur Hand, mit dem man den oder die Angebetete im Handumdrehen zu Füßen liegen hat? Die Idee ist der Stoff für den mittelalterlichen Mythos von "Tristan und Isolde" und inspirierte in der Renaissance erneut den italienischen Opernregisseur Gaetano Donizetti. Dieses Jahr nahmen sich die Heidelberger Schlossfestspiele dem Stück an.

Die gebotene Kulisse ist beeindruckend, selbst wenn man nach einigen Jahren Heidelberg schon ein paar Mal zum Schloss aufgestiegen ist. Die Aufführung findet im Schlosshof statt, der am frühen Abend bei gutem Wetter von der Abendsonne in ein mildes Licht getaucht wird. Zur Pause kann man dann raus auf die Terrasse mit einem wunderbaren Blick über die Stadt. Das Bühnenbild wurde schlicht gewählt, wie sich später herausstellte nicht zuletzt, um viel Bewegung auf der Bühne zu ermöglichen. Die Masse der Statisten reist denn auch mit dem VW-Bus an und stürmt zu Beginn der Aufführung als Touristen verkleidet die Bühne. Die verblüffende Szene ist als stürmischer Einstieg gut gewählt und sorgte so für Heiterkeit im Publikum.

Denn was im Mittelalter noch gereicht haben mag, um die Massen ehrlich anzurühren, wurde schon von Donizetti gänzlich ins Komische verkehrt. So bringt er den selbstherrlichen Soldaten Berlcore ins Spiel, der plötzlich mit einer Schar Kameraden im Dorf erscheint und siegessicher um die Hand der schönen Adina anhält. Die zeitgenössische Inszenierung sieht daher direkt am Anfang der Aufführung ihre Stunde gekommen. Um das Publikum gar nicht erst mit der Ãœberlegung in die Verlegenheit kommen zu lassen, ob hier vielleicht zur Abwechselung einmal durch eine klassische Inszenierung provoziert werden soll, wurde einfach der heute als klassisch zu bezeichnende Weg gewählt. Die Soldaten feiern also in Tabledancermanier ihren Einzug ins Dorf, was seine Wirkung bei Protagonistin Adina nicht verfehlt.  

Diese ist einem Spielchen keineswegs abgeneigt und erfreut sich am gequälten Ausdruck in den Gesichtszügen ihres verweifelten Verehrers Nemorino. Für diesen gerade zur rechten Zeit erreicht Dulcarama, ein gewinnsüchtiger Arzt, die Provinz. Für alle möglichen und unmöglichen Leiden führt der als Transvestit auftretende Doktor ein Mittelchen im Gepäck. Auf den tragikomischen Helden zugeschnitten fehlt dabei nicht der Liebestrank der Königin Isolde. Nemorino scheut keinen Moment, dafür sein gesamtes Geld aufzuwenden. Der erworbene Trank ist jedoch nichts anderes als eine Flasche Freixenet, die in Liebesangelegenheiten nur bedingt zu helfen vermag.

Um sich dem sicheren Gewährleistungsverlangen seines Klienten rechtzeitig entziehen zu können, erläutert Dulcarama als lebender Beipackzettel, dass eine Wirkung erst nach einem Tag erwartet werden kann. Wie im wirklichen Leben verfehlt der Trank allerdings nicht völlig seine Wirkung, sondern lässt Nemorino wegen seines gelebten Placeboglaubens fortan nur so vor Selbstbewusstsein strotzen. Doch hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, da Adina sich inzwischen in den Vorbereitungen für die Hochzeit mit Belcore am selben Abend befindet. Erst mit einer zweiten Flasche Alkohol kann sich der Unglückliche derart in Stimmung trinken, dass er seine Angebetete wieder für sich zu begeistern vermag. Eine Erbschaft macht ihn dann noch zum reichen Mann und gibt Adina den Rest. Komik und Spannung des Gefühlschaos werden abschließend in einem gemeinschaftlichen Besäufnis aufgelöst.

Wem dies der Absurditäten zu viel ist, der wird die Oper an dieser Stelle bereits verlassen haben. Alle anderen durften sich an einem sehr extravaganten Stück jenseits der ausgetretenen Pfade erfreuen.

von Stefan Bornecke
   

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