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 Leserbriefe
10.06.2010

"Pauschal und indifferenziert"

Leserbrief zum Artikel "Macht Public Viewing Spaß?" in Ausgabe 126

Eine Rubrik Pro/Contra ist in ihren Einzeldarstellungen pauschal und indifferenziert. Nicht verwunderlich, dass Julia Held in ihrem Plädoyer gegen "Public Viewing" oberflächlich argumentiert und auch richtig so. Jedoch gibt es Grenzen des guten Geschmacks.

Eine Rubrik Pro/Contra ist natürlicherweise in ihren Einzeldarstellungen pauschal und indifferenziert. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Julia Held in ihrem Plädoyer gegen public viewing sehr oberflächlich argumentiert und auch richtig so. Jedoch gibt es für alles Grenzen des guten Geschmacks: An der Stelle, an der sie moniert, in Zeiten des public viewings würden Franzosen und andere diffamiert sowie der harmonische europäische Einheitsgedanke geopfert, sträubt sich in mir alles. 
 
Nicht wegen des ersten Teiles, nein. Auch ich bekenne mich dazu, während einer WM - leider - so gedacht und eventuell auch so einen Mist gegröhlt zu haben. Doch die Kontrastierung dessen gegenüber einem europäischen Einheitsgedanken ist für mich ein Armutszeugnis deswegen, weil es schlichtweg davon zeugt, dass die VerfasserIn zwar das Problem kennt, es aber nicht begriffen hat. 
 
Ein europäischer Einheitsgedanke ist allein deshalb abzulehnen, weil Europa, also das Konstrukt Europa, gerade von seiner Heteregonität lebt. Daher will zumindest ich keinerlei Vereinheitlichung, sie bedeutete eben eine Reduktion jener reichhaltigen Vielfalt der Kulturen, Menschen und Sprachen. Denn ein Einheitsgedanken fußt letzten Endes auf einem gemeinsamen kulturellen Bewusstsein und bedarf auch einer Sprache die vorherrschend ist.

Zwar könnte man meinen, Englisch hätte diese Stellung bereits inne. Jedoch reicht hierfür der Status der meist gesprochenen Fremdsprache beileibe nicht aus. Bricht man es auf die Frage der Kultur herunter, dann ist es ganz klar, dass die verschiedenen Kulturen immer noch verschiedenen sind und es hoffentlich bleiben werden. Von daher ist die Rede vom Einheitsgedanken leider einfach nur unausgegorener Mist, der an der Realität vorbei geht. 
 
Er ist aber auch unausgegorener Mist ignoranter Art: Das, was die Verfasserin moniert, ist doch ein nationaler Einheitsgedanke, der in einer Intoleranz gegenüber anderen Staaten, in dem Fall der (un-)mittelbaren Nachbarn mündet. Mir persönlich erschließt sich nicht, inwiefern es denn tragisch ist, dass diesem ein europäischer Einheitsgedanke geopfert wird oder inwiefern dass etwas zu Kritisierendes darstellt: Denn: Hätte der europäische Einheitsgedanke nicht dieselbe Konsequenz gegenüber nicht europäischen Staaten und Kulturen?! Was wäre dann daran besser?! 
 
Das Problem ist daher ein Einheitsgedanke generell, der auf jeder Ebene abzulehnen ist. Das Gegenargument, dass ein Einheitsgedanke, wenn es ihn denn als solchen gäbe, doch zu Toleranz anhielte, weil man die gegenüber den unmittelbaren Nachbarn erbringen muss, ist hier auch nicht stimmig. Ein Einheitsgedanke erfordert wie oben skizziert eine kulturelle Gleichschaltung, dann wäre von Toleranz keine Spur mehr, weil sie eben überflüssig ist. 
 
In Anbetracht dessen können einem die gröhlenden Fußballfans nur noch sympathischer werden: Sie agieren zwar undurchdacht, aber sie spielen sich nicht so auf, als hätten sie irgendetwas begriffen, obwohl gerade das Gegenteil der Fall ist. Und überdies: Nach meiner eigenen Erfahrung freuen sich die meisten, wenn ihr Team gewinnt, aber sind
durchaus - im Gegensatz  zu mir früher - in der Lage Respekt vor der Leistung des Gegners zu haben, wenn er besser ist. 
 
Also: Lasst uns zusammen die WM schauen und einfach Spaß haben, denn schließlich ist Fußball nur ein Spiel und die Erde dreht sich danach genauso schnell wie vorher.

von Ziad-Emanuel Farag
   

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