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10.11.2010

Nordlicht und Mitternachtssonne

Das besondere Licht macht den Reiz Norwegens aus

Berge und Meer, Kultur und Natur, Nordlicht und Mitternachtssonne. Norwegen fasziniert durch seine Kontraste. Eine Reise vom südlichen Bergen in den hohen Norden des Landes.

Berge und Meer, Kultur und Natur, Nordlicht und Mitternachtssonne. Norwegen fasziniert durch seine Kontraste. Eine Reise vom südlichen Bergen in den hohen Norden des Landes.

Es ist kurz nach Mitternacht als wir frierend den Gipfel des Lovstakken erreichen. Unter uns liegt Bergen, die zweitgrößte Stadt Norwegens. Heute Nacht ist sie in ein schimmerndes, grünes Licht getaucht: das Nordlicht.

Obwohl Bergen im Süden des Landes liegt, gibt es Tage, an denen sich die Sonne nur wenige Stunden zeigt. Im Sommer geht sie erst gegen Mitternacht langsam unter, um dann kurz darauf gegen drei Uhr wieder aufzugehen. Im hohen Norden kann man die Mitternachtssonne erleben. Im Winter wird es hingegen tagelang nicht mehr hell.

In vielen anderen nördlichen Gefilden lässt die dunkle Jahreszeit die Selbstmordrate regelmäßig in die Höhe schnellen – nicht so in Norwegen. Das liegt an der überdurchschnittlichen Lebensqualität. Die Arbeitslosenquote ist gering, die Staatsausgaben für Bildung und Gesundheitswesen überdurchschnittlich hoch. Das Land ist reich an Erdöl und beinahe der gesamte Strombedarf wird durch die Energiegewinnung aus Wasserkraft gedeckt.

Volkssport Bergwandern

Die nachhaltige Stromgewinnung passt zur Mentalität der Norweger, denn die Mehrheit der Menschen ist sehr naturverbunden. Wer sonntags einen der unzähligen Berge besteigen möchte, ist mit Sicherheit nicht allein. Oftmals wird man von Einheimischen überholt, die sich schon in einem sehr betagten Alter befinden. Auch kleine Kinder, oft erst sechs Jahre alt, erklimmen schon die Gipfel Norwegens.

Bergwandern ist hier der Volkssport. Einmal jährlich, im Mai, findet die Sieben-Berge-Wanderung in Bergen statt, die Strecke umfasst 35 Kilometer, rund 2300 Höhenmeter gilt es zu überwinden. Diese Massenveranstaltung wird aber von vielen Norwegern gemieden. Sie genießen die Natur lieber ohne Zeitdruck und ohne tausende Mitstreiter.

Leben ist teuer, aber Reisen billig

Norwegen übt aber nicht nur auf Bergsteiger einen besonderen Reiz aus, sondern auch auf Wassersportler. Die weitläufige Küste und die unzähligen Fjorde laden zum Schwimmen und Angeln ein. Als wichtiger Wirtschaftszweig gilt in Norwegen immer noch die Fischerei und der umstrittene Walfang. Frischer Fisch und Meerestiere sind ein wichtiger Bestandteil der norwegischen Küche, auch wenn diese nicht ganz billig sind.

Generell sind die Lebenshaltungskosten in Norwegen extrem hoch. In den Kneipen kostet ein Bier zehn Euro und mehr. Eine Zigarette kostet 50 Cent und Wein im günstigen Fall umgerechnet 12,50 Euro. Die ebenso hohen Gehälter in Norwegen gleichen das hohe Preisniveau aber wieder aus. Allein das Reisen ist billig. Nur 40 Euro kostet eine 3000 Kilometer lange Zugfahrt in den Norden des Landes.

Kulturstadt Oslo

Mein erster Halt ist Oslo. Laut Statistik ist sie eine der teuersten Städte der Welt. Wie auch in Bergen haben hier viele Künstlern ihre Spuren hinterlassen. In Oslo wirkten unter anderem der Bildhauer Gustav Vigeland, Komponist Edvard Grieg und der Maler Edvard Munch, dessen berühmtestes Werk „Der Schrei“ im Munch-Museum ausgestellt wird. Kultur wird in Norwegen großgeschrieben.

Vor zwei Jahren erst wurde in Oslo die neue Oper eröffnet. Das besondere an dem Millionenprojekt ist die architektonische Ausführung: Das Gebäude wurde einem treibenden Eisberg nachempfunden. Die Bauweise ermöglicht es den Besuchern, auf das Dach der Oper zu steigen und von dort aus die ganze Stadt zu überblicken.

Jedes Jahr am 17. Mai, dem norwegischen Nationaltag, wird im ganzen Land mit Eiscreme und Hot Dogs die Verabschiedung des Grundgesetzes vor rund 200 Jahren gefeiert: Große Paraden ziehen durch die Straßen und viele Norweger tragen eine landestypische Tracht. Beendet wird der „Grunnlovsdag“, wie er im Norwegischen genannt wird mit einem großen Feuerwerk.

In Oslo befindet sich auch der königliche Palast, der über der Hauptstraße auf einer kleinen Anhöhe thront. Die hier lebende Königsfamilie Norwegens zeigt sich volksnah. Als im März die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull auch in Norwegen den Flugverkehr lahmlegte, stieg der König auf öffentliche Verkehrsmittel um.

In Norwegen duzt man sich. Das höfliche „Sie“ ist fast ausgestorben. Auf die Frage, wie man den König ansprechen würde, lacht meine Norwegischlehrerin: „Ja, selbst den würde ich duzen. Ich glaube, der ist da auch ganz locker.“Es gibt es zwei Sprachen: Das „Nynorsk“ wurde um 1850 herum von dem Sprachwissenschaftler Ivar Aasen aus west- und zentralnorwegischen Dialekten zu einer Schriftsprache konstruiert. „Bokmal“ hingegen ist eine norwegisierte Variante des Dänischen. Im Norden wird vereinzelt auch die Sprache der Lappen, „Sami“, gesprochen.

Im Norden vertraut man sich

Die Reise führt uns nun über den Polarkreis weiter in den Norden. Während der 17-stündigen Zugfahrt wird uns die Weite des Landes bewusst. Oft fahren wir stundenlang ohne auch nur ein Haus zu entdecken. Trotzdem bietet die Fahrt viel Abwechslung: Wasserfälle, Gletscherausläufer und riesige Berglandschaften ziehen an uns vorbei.

Bodo ist die nördlichste Bahnstation, von hier aus kommt man mit dem Zug nicht mehr weiter. Die nächsten vier Stunden verbringen wir auf einer Fähre, die uns endlich an unser Ziel bringt: die Lofoten, eine kleine Inselgruppe vor der nord-norwegischen Küste.

Die Menschen hier leben von der Fischerei. In den nächsten Tagen wohnen wir in einem alten Fischerhäuschen. Einen Schlüssel gibt es nicht. Der Besitzer erklärt: „Kein Haus ist abgeschlossen. Hier auf der Insel vertraut man sich.“

Das merkt man auch, als wir tags darauf ein Auto mieten. Wir müssen weder Kreditkartendaten hinterlegen oder das Auto im Voraus bezahlen. Wir sollen den Wagen nach dem Ausflug bei der Autovermietung abstellen und Schlüssel samt vereinbartem Betrag in den Briefkasten werfen.

Mitternachtssonne

Unser Ausflug führt uns an das Ende der südlichen Insel Moskenesoy. Es ist Sommer und obwohl es schon spät in der Nacht ist, scheint noch die Sonne. Wir lassen das Auto am Fuß der Klippen stehen und bahnen uns den Weg an den äußersten Zipfel. Unter uns liegt das Meer, über uns die Mitternachtssonne.

Ich fühle mich auf einmal wieder an die kalte Nacht auf dem Lovstakken erinnert. Ebenso wie das Nordlicht sorgt die Mitternachtssonne für das besondere Licht, von dem alle schwärmen, die Norwegen besuchen.

von Philine Steeb
   

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