Hosianna in der Höhe
Zweiter Teil der Thingstätten-Historie
Erstmals erschienen am 16. Juni 2003, in der ruprecht Ausgabe 84
Steil und wasserarm ist der Heiligenberg. Das weiß jeder, der schon einmal die Heerscharen junger Menschen zur Walpurgisnacht mit ihren Getränkekisten zum Gipfel pilgern sah. Und dennoch lebten jahrtausendelang Menschen auf diesem Berg. Die zu drei Seiten abfallenden Hänge bieten Schutz vor Angreifern und ideale Voraussetzungen für eine Befestigung.
Nicht nur die Kelten wussten die exponierte Lage zu nutzen. Auch in den folgenden Jahrhunderten kam dem Heiligenberg besondere Bedeutung zu. „Mercuriusberg“ nannten die Römer den Heiligenberg nach ihrer Kultstätte, dem Tempel zu Ehren des Gottes Merkur auf der hinteren Kuppe. Mit den Römern verschwand auch der Name des Berges. Um den Tempel herum entstand im frühen Mittelalter die Karolingische „Aberinsburg“ auf dem nun als „Aberinsberg“ bekannten Heiligenberg.
Mit der Schenkung des Berges samt dem Königshof an die Benediktinerabtei Lorsch im Jahre 882 wurde die Burg zu einer Kirche ausgebaut. Der Erzengel Michael wurde zum Patron der Kirche, die 1025 mit einem weiteren Umbau zum St. Michaelskloster wurde. Im 13. Jahrhundert übernahm der Mainzer Erzbischof die Macht über die Abtei Lorsch und besetzte St. Michael mit Prämonstratensern von Allerheiligen im Schwarzwald. So wurde aus dem „Aberinsberg“ der „Allerheiligenberg“, woraus der Name „Heiligenberg“ entstand.
Die letzten drei Mönche von St. Michael sollen 1503 von einem umstürzenden Glockenturm erschlagen worden sein. Das Kloster ging in die Hände der Universität über, die es 1589 zum Abbruch frei gab. Bei Bauarbeiten im September 1968 kratzten die Arbeiter eine Bleikapsel aus den Fugen der Klostermauer und warfen sie achtlos weg. Spaziergänger entdeckten das unscheinbare Stück und öffneten es. Im Inneren funkelten acht Goldmünzen.
Auf der vorderen Kuppe des Berges zeugen die Ruinen des Klosters St. Stephan vom Leben der Mönche. Bei Aufräumarbeiten im Jahre 1932 entdeckte man hier das Grab der Hazecha wieder. Ihr Mann, der Ritter Ricfried, hatte dem Kloster einen Großteil seines Besitzes übergeben, bevor er zu einem Kreuzzug aufbrach. Vermutlich kehrte er nicht zurück. Zum Dank für seine Spende erhielt seine Witwe ihr Grab im Westchor der Kirche.
Den Grundstein für das Kloster legte im Jahre 1090 der Benediktinermönch Arnold. Er erbaute eine kleine Klause mit Kapelle und stiftete ihr seinen Grundbesitz. Abt Anselm aus Lorsch unterstützte diese Neugründung und ließ sie zu einem Kloster ausbauen. Doch wie beim Großen Bruder St. Michael schwand auch hier Mitte des 16. Jahrhunderts das Leben aus den alten Mauern. Als letzter Mönch wird 1550 ein Bruder Moritz genannt.
Danach dienten die Mauern von St. Stephan als Baumaterial für andere Gebäude. Mit dem Ende der Klosterzeit kehrte vorläufig Ruhe auf dem Heiligenberg ein. Bis in die Neuzeit sind die Klosterruinen und die von den Nationalsozialisten erbaute Thingstätte beliebte Ausflugsziele.