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 Wissenschaft
24.12.2011

Risiken und Nebenwirkungen

Ein enges soziales Netzwerk nützt nur seinen Mitgliedern

Soziale Einbindung lässt Außenstehende weniger menschlich wirken. / Foto: Katharina Kolvenbach

Soziale Einbindung ist wichtig. Das ist Konsens. Doch was für den einen gut ist, muss es nicht auch zwangsläufig für andere sein. Eine Studie der Sozialpsychologen Waytz und Epley deutet nun darauf hin, dass soziale Vernetzung zur Entmenschlichung Außenstehender führt.

Wer gut vernetzt ist, hat im Durchschnitt ein höheres Selbstwertgefühl, ist glücklicher und gesünder. Die Sozialpsychologen Adam Waytz und Nicholas Epley haben sich nun der Kehrseite dieser Medaille gewidmet (Journal of Experimental Social Psychology, in press). Eine enge soziale Einbindung kann demnach dazu führen, dass Menschen außerhalb des eigenen Netzwerks als weniger menschlich wahrgenommen und auch entsprechend behandelt werden.

Schon vorher war bekannt, dass die augenfällige Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe die Wahrnehmung von Menschen außerhalb dieser Gruppe verändert. Die Kategorisierung in „wir“ versus „andere“ bewirkt, dass Mitglieder der eigenen Mannschaft, Partei oder Religion als ähnlich und Nichtmitglieder als anders im Vergleich zu einem selbst wahrgenommen werden. Auch die Kategorie „Mensch“ ist von dieser sogenannten Akzentuierung betroffen. Nichtmitgliedern werden auch spezifisch menschliche Eigenschaften wie Idealismus oder Analysevermögen, aber auch spezifisch menschliche Emotionen wie Nostalgie oder Scham abgesprochen.

Waytz und Epley konnten nun zeigen, dass die Bedingung der augenfälligen Zugehörigkeit zu einer Gruppe für diesen Prozess nicht nötig ist. Es reiche schon, sich seiner sozialen Einbindung bewusst zu sein. Dafür führten die Autoren vier Experimente durch. In den ersten drei Experimenten zeigten sie, dass Versuchsteilnehmer, die sich ihrer sozialen Einbindung bewusst waren, Menschen außerhalb ihres sozialen Umfelds Befindlichkeiten und menschliche Eigenschafen signifikant stärker absprachen. Außerdem schätzten sie eine herabwürdigende Behandlung Außenstehender eher als vertretbar ein als die Kontrollgruppe.

Im vierten Experiment brachte ein Teil der Teilnehmer eine nahestehende Person mit, die dann beim Bearbeiten der Materialien mit im Raum anwesend war. Die Kontrollgruppe bearbeitete die Materialien in Anwesenheit eines Fremden. Allen Teilnehmern wurden dabei Fotos von angeblichen Terroristen gezeigt, die an den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt gewesen sein sollten. Anschließend wurde erfasst, wie sehr die Teilnehmer die angeblichen Terroristen entmenschlichten. Außerdem wurde erfasst, in welchem Maß die Teilnehmer es guthießen, wenn die Inhaftierten mit Waterboarding oder Elektroschocks gefoltert würden. 

Diejenigen, deren Freund bei der Bearbeitung anwesend war, entmenschlichten die angeblichen Terroristen dabei signifikant stärker und hatten eine höhere Bereitschaft, den Terroristen Leid zuzufügen. Dabei wurde der Einfluss von sozialer Vernetzung auf die Bereitschaft, Leid zuzufügen, vollständig durch die Entmenschlichung vermittelt.
Diese Ergebnisse rücken die Bedeutung sozialer Vernetzung in ein neues Licht. 

Tatsächlich haben frühere Studien gezeigt, dass Entmenschlichung eine Voraussetzung für aggressives und unmenschlich kriminelles Handeln ist. Im Alltag jedoch zeigen sich die Folgen von Entmenschlichung nur selten in Aggressionen, sondern eher in subtilen Details. Ein Beispiel hierfür sei die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden eines Bettlers am Straßenrand oder auch der Chef, der Mitarbeiter als hirnlose Idioten abwertet und entsprechend behandelt.

Eine enge soziale Einbindung wäre demnach nicht nur ein Schutzfaktor, sondern gleichzeitig Ursache für zahlreiche zwischenmenschliche Konflikte. Vielleicht ein Trost für jene, die dem weihnachtlichen Familienprogramm skeptisch gegenüberstehen.
 

von Simone Mölbert
   

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