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18.01.2011

Ausgezeichneter Ägyptologe

Leibniz-Preisträger über seine Forschung und Zukunftspläne

Joachim Friedrich Quack

Foto: bju

Der Ägyptologe Joachim Friedrich Quack ist der einzige Geisteswissenschaftler unter den Preisträgern des Leibniz-Preises 2011. Mit dem ruprecht spricht er über seine wissenschaftlichen Methoden und Ziele. Das Gespräch führte Stefanie Fetz.

ruprecht: Wie erfuhren Sie von der Auszeichnung mit dem Leibniz-Preis?

Joachim Friedrich Quack: Ich war auf einen Tagung in Liechtenstein. Da ich kein Handy habe, konnte mich die Deutsche Forschungsgemeinschaft nicht direkt erreichen. Ich wurde aus einer Podiumsdiskussion herausgerufen. Man braucht ein bisschen Zeit, um eine Sache dieser Größenordnung richtig zu verarbeiten. Ich dachte dann aber gleich: Wow, das ist doch was! (reckt die Faust in die Luft) Es ist eine Auszeichnung, die nicht so leicht zu toppen ist. Aber ich sollte auch schauen, dass ich das qualitative Niveau halte. Es müssen nicht unbedingt weitere Auszeichnungen sein, aber es wäre ganz fatal, mich jetzt nur feiern zu lassen.

Die Rekonstruktion des Buches vom Tempel wurde in der Würdigung Ihrer Arbeit besonders hervorgehoben. Sie haben dafür Handschriften aus der ganzen Welt zusammengetragen. Warum blieben diese so lange im Verborgenen?

Nur wenige Forscher bearbeiten Originalpapyri der Spätzeit. Dazu braucht man einen langen Atem und einen sehr guten Startpunkt. Wenn man einen einzelnen Schnipsel vom Buch der Tempel entdeckt, erkennt man ihn entweder überhaupt nicht oder er wirkt nicht interessant. Bei mir war der Ausgangspunkt die Veröffentlichung eines späthieratischen Textes eines Kollegen, der auf Ähnlichkeiten zu einem gotischen Text hingewiesen hat. Da ich Demotisch lesen kann, habe ich Dinge entdeckt, die – rein paläographisch – zu korrigieren sind, und konnte feststellen, dass es an sich derselbe Text ist – eine innerägyptische Übersetzung also.

Was geschah dann?

Bald danach konnte ich in Kopenhagen eine Papyrussammlung anschauen. Ich hoffte dabei einige weitere Fragmente des Textes zu finden, von dem damals schon ersichtlich war, dass es ein sehr wichtiges Werk über den Tempel war. Das Papyrusmaterial lag damals zum größten Teil noch lose in Blechkisten und in Papierbögen gelegt. Nach drei Bögen fand ich bereits ein Fragment, dessen Text mir extrem bekannt vorkam.

Also etwas Glück war auch dabei.

Ich würde es weniger Glück nennen, sondern eher Ausdauer. Wenn man eine Kiste von oben bis unten durcharbeitet, findet man am Ende alles – auch wenn es ganz unten liegt. Aber es war irgendwie inspirierend, dass so rasch das erste Stück kam und auch gleich eine direkte Parallele. Am Ende der Kiste hatte ich nicht zwei, drei, sondern zwei-, dreihundert Fragmente von einer Reihe verschiedener Handschriften, die alle um Bau und Organisationsfragen vom Tempel allgemein kreisten.

Klingt nach einer Riesenaufgabe.

Ja. Es dauerte entsprechend lang es zu sortieren. Die Erhaltung ist nämlich alles andere als perfekt, ein Fragment in Münzgröße ist noch relativ normal. In Kopenhagen gibt es davon extrem viele, Schätzungen sprechen von bis zu 500.000. Man kann sich das so vorstellen: Tausend große Puzzle in ihre Einzelteile zerlegt, in einen riesengroßen Bottich geschüttet, gründlich umgerührt, etwa drei Viertel des Inhalts vernichtet und dann heißt es: Bauen Sie mal ein Bild daraus.

Momentan arbeiten Sie an einer kommentierten Edition des Buches vom Tempel.

In den letzten 15 Jahre habe ich relevante Fragmente mit Umschrift und Bilddokumentation aufgenommen, das heißt, die Sammlungen sind relativ weit. Jetzt gilt es, die Fragmente wieder zusammenzusetzen. Dabei hilft es, dass es so viele verschiedene Handschriften sind, das heißt, wenn Sie eine Passage haben, die in jeder einzelnen Handschrift unvollständig ist, aber die Lücken sitzen an verschiedenen Stellen, können Sie die Passagen im Textlaut einigermaßen gut wieder herstellen. Ich bin soweit, dass dies für substantielle Bereiche des Textes geschafft ist. Die Übersetzung und die dazugehörigen philologischen Erklärungen sind der nächste Schritt.

Der Leibniz-Preis ist mit 2,5 Millionen Euro dotiert. Wie werden Sie dieses Geld verwenden?

Neben Forschungsaktivitäten möchte ich eine Forschergruppe aufbauen und dafür zunächst eine Reihe internationaler Stipendien vergeben. Sie sollen so ausgebildet werden, dass sie anschließend als Projektmitarbeiter im Bereich der Papyrus-Edition Qualifikationsarbeiten erhalten können. Das soll jedoch nach sieben Jahren nicht einfach vorbei sein. Ich hoffe, dass die Manpower und das Potenzial dieses Materials nicht vergessen wird und die Quellen entsprechend aufbereitet werden können. In der Spätzeit gibt es massenweise unbearbeitetes Material, das eine Aufbearbeitung verdient hat – der Nachholbedarf ist groß. Der Vorteil ist, dass man sich nicht durch Schichten von modernen Interpretationen wühlen muss, wie bei den älteren Epochen, sondern man direkt am Original arbeiten kann. Die Relation Forscher-Material ist ganz anders als bei den älteren Epochen.

Warum ist das Interesse an diesen Epochen so gering?

In den historischen Geisteswissenschaften seit dem 19. Jahrhundert gibt es so etwas wie einen Kult des Ursprünglichen. Man glaubt die ältesten Phasen einer Kultur seien die reinen und unverdorbenen und danach ginge es vor allem bergab. In Ägypten wird das Ganze bei der Betrachtung gekoppelt mit Fragen nach politischer Macht, da kann nicht bestritten werden, dass Ägypten im dritten und zweiten Jahrtausend vor Christus eine expansive Großmacht war, im ersten Jahrtausend vor Christus dagegen relativ häufig von fremden Herrschern unterworfen und letztlich Teil der hellenistischen Welt und dann Provinz des römischen Reiches wurde. Für jemanden, der sich mit Ägypten als politische Macht identifiziert, ist das weniger attraktiv. Es ist vielleicht auch eine Frage des Geschmackes, da ältere Kunstwerke als ästhetisch wertvoller angesehen werden. Wenn ein Objekt hässlich aussieht, sagt man, so sei es römisch bis falsch.

   

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