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22.06.2011

Uni-Lehramt auch an PH

Die beiden Hochschulen wollen enger zusammenarbeiten

Eine Bildungspartnerschaft soll die Lehramtsstudierenden von Uni und Pädagogischer Hochschule zusammenbringen. Die fachdidaktische Ausbildung der Gymnasiallehrer soll sich dadurch verbessern. Lehrerverbände kritisieren das „Gleichheitsprogramm“ der grün-roten Landesregierung.

Gymnasiallehrer sollen zukünftig nicht nur an der Uni, sondern auch an der Pädagogischen Hochschule (PH) ausgebildet werden. Das hat die neue Wissenschaftsministerin Theresia Bauer vorgeschlagen. „In den Uni-Studiengängen gibt es zu wenig Bezug zur Praxis“, sagt Florian Kollmann, Mitarbeiter in Bauers Abgeordnetenbüro*. Das soll sich laut Koalitionsvertrag ändern. Ziel ist es allerdings nicht, die Studiengänge für gymnasiales Lehramt ganz an die PH abzugeben, sondern die Uni-Ausbildung um pädagogische und fachdidaktische Inhalte zu erweitern. 

Nun beraten Kultus- und Wissenschaftsministerium darüber, die Lehrerausbildung zwischen Uni und PH zu verzahnen. Schon lange beklagen Lehramtsstudenten die schlechte didaktische Ausbildung. „Wir Gymnasiallehrer können viel von den PH-Studenten lernen, weil sie sich viel stärker für die Schüler interessieren und nicht nur an ihre Fächer denken“, sagt Romanistik-Studentin Inga Bathke. 

Auch die Uni hat das Problem erkannt und will nun umgestalten. Gemeinsam mit Uni-Rektor Bernd Eitel hatte PH-Rektorin Anneliese Wellensiek bereits Anfang 2011 einen Antrag beim Land gestellt, der Bildungspartnerschaften zwischen den beiden Hochschulen aus einem Innovations- und Qualitätsfond fördern soll. „Wir wollen die Angebote von Uni und PH aufeinander abstimmen und den Wahlpflichtbereich vergrößern“, kündigt Wellensiek an. 

Sie und Eitel sind sich einig, dass angehende Studienräte, Grundschullehrer oder Sonderpädagogen gemeinsame Veranstaltungen besuchen sollten. „In meinen Seminaren zur Fachdidaktik habe ich damit bereits in meiner Zeit an der Uni Hamburg sehr gute Erfahrungen gemacht“, betont Wellensiek. Bisher gibt es diese Kooperation nur als Projektpartnerschaft. Die Uni-Studenten profitieren so vom pädagogischen und didaktischen Schwerpunkt der PH. Umgekehrt könnten die PH-Studenten vom Uni-Fachwissen profitieren. 

Auch die Politik hat eingestanden, dass auf diesem Gebiet schon lange etwas hätte passieren müssen. Mittlerweile wechseln nahezu 75 Prozent eines Grundschuljahrgangs an das Gymnasium, die laut Wellensiek nun die eigentliche „Haupt-Schule“ sei. „Gymnasiasten sind keine homogene Gruppe mehr“, erklärt die PH-Rektorin. 

Die Gymnasien müssten eine immer stärkere Inklusionsleistung erbringen, um auf die verschiedenen Herkünfte und Leistungsunterschiede der Schüler eingehen zu können. Dies funktioniere besonders gut mit einem breiten Fächer fachdidaktischer Fähigkeiten, die eine Lehrkraft im Laufe ihrer Ausbildung in Bildungspartnerschaften zwischen Uni und PH erlernen soll. 

Scharfe Kritik gibt es vom Philologenverband, der befürchtet, dass die wissenschaftliche Lehrerausbildung unter dieser Reform leide. Als „Gleichheitsprogramm“ und „grün-roten Frontalangriff“ auf das Bildungssystem bezeichnet Bernd Saur, Vorsitzender des Philologenverbandes Baden-Württemberg, den Vorstoß. Die Ausbildung der Lehrer von Uni und PH gemeinsam durchzuführen, sieht der Verband als Bedrohung der Bildungsqualität im Land. Allein der hohe fachwissenschaftliche Anteil in der Ausbildung könne verhindern, dass das Abitur an Niveau verliere und damit auch Baden-Württemberg als Wissenschaftsstandort in Gefahr gerate. 

Doch Wellensiek, Eitel und nun auch die Landesregierung sehen das anders und sind sich im Groben einig. Die Hochschulen stehen bereits in den Startlöchern und warten nur darauf, bis sich die zuständigen Ministerien Kultus (SPD) und Wissenschaft (Grüne) abgestimmt haben. 


*Aufgrund eines Missverständnisses hatten wir Herrn Kollmann irrtümlich als Pressesprecher des Wissenschaftsministeriums bezeichnet.

von Benjamin Weineck
   

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