Nachrichten

23.06.2011

Vorlesung 2.0: virtuell und digital

Einige Universitäten bieten bereits Podcasts von Vorlesungen an

Vorlesungen schwänzen, ohne klausurrelevanten Stoff zu verpassen? So kann man sich das vorstellen, wenn Vorlesungen als Podcast im Internet abrufbar sind. Hochschulen wie die Ruhr-Universität Bochum und die TU Darmstadt haben diese Form des E-Learnings bereits teilweise verwirklicht.

In der heutigen Zeit hat sich durch die Vielfalt der digitalen Medien nicht nur eine große Auswahl ergeben, miteinander zu kommunizieren. Auch für Bildung und Forschung bieten sich nun mehr Möglichkeiten, Lehrmaterialien zu vermitteln. 

 Darum hat 2008 ein „Dual Mode Beirat“, ein Gremium bestehend aus Dozenten und Leitern verschiedenster Fachbereiche an der TU Darmstadt, eine E-Learning-Strategie entwickelt: Studenten haben nun die Wahl, entweder die Vorlesungen im Hörsaal zu besuchen oder sie über eine Plattform im Internet virtuell zu nutzen. Laut Homepage seien all ihre Lehrveranstaltungen „im Web dauerhaft dokumentiert, nachvollziehbar und leicht erreichbar“. 

„2004 gab es ein Projekt namens ´,Dual Mode‘, in dem diese E-Learning-Strategie geboren wurde“, so Annika Hartmann, pädagogische Mitarbeiterin der TU Darmstadt. Schon vor Entwicklung dieses Projektes sollen Vorlesungen im Netz zugänglich gemacht worden sein. „Professor Steinmetz vom Bereich Multimedia Kommunikation und Pädagogik-Professor Sesink stellten bereits 2004 ihre Vorlesungen im Netz zur Verfügung“, erinnert sich Hartmann.

Die Studenten an der TU Darmstadt sind über Online-Vorlesungen geteilter Meinung. Informatik-Student Daniel Thul findet die Online-Aufzeichnungen zur Wiederholung vor Klausuren hilfreich, doch kann er sich nicht vorstellen, eine Vorlesung nur virtuell zu besuchen: „Da fehlt mir doch etwas die Motivation, konsequent über das Semester zu lernen.“ 

Soziologie-Studentin Nastasja Kolb sieht in dieser Form des E-Learnings einen Vorteil: „Dadurch, dass bei uns in den Vorlesungen keine und in den Seminaren nur teilweise Anwesenheitspflicht besteht, lässt sich das Studium besser mit eventuellen Nebentätigkeiten vereinbaren.“ 

Birgt die Veröffentlichung im Internet nicht die Gefahr, dass das Urheberrecht der Lehrenden auf die Vorlesungen verletzt werden könnte? „Man kann sich nie davor schützen, dass Schindluder damit getrieben wird“, so Anne Bieberstein, Mitarbeiterin des E-Learning Centers an der TU Darmstadt. „Die Lehrkräfte, die ihre Veranstaltungen im Netz zur Verfügung stellen, haben aber das Urheberrechtsgesetz auf ihrer Seite und das Ideal, Bildung an die Öffentlichkeit zurückzugeben.“ 

Auch an der Ruhr-Universität Bochum wird diese Art des E-Learnings praktiziert. Nicola Kaminski, Professorin für Neugermanistik, stellt im Rahmen einer Ringvorlesung bereits seit fünf Jahren Aufzeichnungen ihrer Vorlesung ins Internet. In ihren Augen können diese Podcasts sogar die Studienzeit verkürzen: Überschneiden sich zwei Pflichtveranstaltungen eines Studenten, so hat er durch die Aufzeichnungen die Chance, unweigerlich Verpasstes nacharbeiten zu können. 

In der Regel bleiben die Vorlesungen nur für das Semester online abrufbar, in dem sie auch live stattfinden. Zugänglich seien diese nur für die Studenten, die auch für die jeweilige Veranstaltung eingeschrieben sind. Die Germanistik-Professorin störe der Gedanke, dass die Podcasts für eine längere Zeit abrufbar seien oder gar zum Download zur Verfügung ständen. Man würde dann später „mit sich selber konfrontiert, aber in einem Stadium, in dem man sich nicht wiedererkennt“. Zudem gebe der Lehrende in der Vorlesung auch immer Teile der eigenen Forschung frei, die so in einem noch nicht druckreifen Stadium veröffentlicht würden.

Veränderungen haben sich seit Einführung der Podcasts ebenfalls eingestellt. Klausuren seien laut Kaminski durch die Möglichkeit der wortgetreuen Wiederholung inhaltlich präziser geworden.

Da drängt sich die Vermutung auf, dass wir Vorlesungen bald nur noch virtuell besuchen können. Diese Befürchtung teilt Kaminski nicht, denn „der Podcast kann die live-Veranstaltung nicht ersetzen.Gemeinsames Lernen und Diskutieren funktioniert nur dort“. Studenten sollten noch in naher Zukunft den Weg in die Uni finden und den Podcast nur als begleitendes Medium nutzen.

von Corinna Lenz und Julian Schmitt
   

ruprecht anrufen