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29.01.2012

Tugendterror oder nötige Maßnahme

NEIN zu Alkoholverboten auf öffentlichen Plätzen

Frederick Brütting ist Landesvorsitzender der Jusos Baden-Württemberg und Bürgermeister der Gemeinde Heubach bei Stuttgart / Foto: privat

Schlägereien, Müllberge und Alkoholleichen. Die Kommunen klagen über Exzesse - meist jugendlicher Trinker - auf öffentlichen Plätzen. Frederick Brütting, Vorsitzender der Jusos Baden-Württemberg und Bürgermeister von Heuberg, lehnt Alkoholkonsumverbote ab.

Die grün-rote Landesregierung treibt eine brisante Änderung des Polizeigesetzes im Land voran: Städte und Gemeinden sollen in Zukunft den Alkoholkonsum auf ihren öffentlichen Plätzen verbieten dürfen. Überraschend dabei ist, dass vor allem Bürgermeister mit grünem Parteibuch im Land als Chef-Lobbyisten der Verbotspolitik auftreten.

 Als junger Bürgermeister einer Stadt mit 10.000 Einwohnern und Vorsitzender der Jusos im Land kann ich darüber nur den Kopf schütteln, denn der Plan der Landesregierung ist in zweifacher Hinsicht gefährlich: Erstens lässt sich die grün-rote Landesregierung auf eine populistische Symbolpolitik ein, zweitens bahnt sich ein gemeinsamer Bruch der Wahlprogramme von Grünen und SPD an. Man ahnt es, das Brechen von Wahlversprechen und populistische Verbotspolitik war doch bisher die Angelegenheit von CDU und FDP im Land. Für eine Koalition, die mit dem Anspruch auf einen „neuen Stil“ und eine „neue politische Kultur“ im März letzten Jahres auf Stimmenfang ging, ist das starker Tobak.

 Ich bin der festen Überzeugung, dass sich soziale Probleme in unseren Städten nicht mit Verboten lösen lassen. Eine öffentliche Trinkerszene lässt sich mit einem Alkoholverbot nicht auflösen und darum geht es den Befürwortern eines Verbotes auch nicht. Ziel eines Alkoholverbots auf bestimmten Plätzen ist es, eine Trinkerszene zu verschieben, nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“.

 Bereits um die Jahrtausendwende gab es in Baden-Württemberg erste Versuche eines Alkoholverbots, zum Beispiel in Freiburg (unter dem Grünen-OB Salomon) und in Heilbronn (unter dem konservativen OB Himmelsbach). Diese Verbote scheiterten nicht nur vor den zuständigen Verwaltungsgerichten, sie scheiterten auch inhaltlich: In Heilbronn verbot die Stadtverwaltung den öffentlichen Alkoholkonsum in weiten Teilen der Innenstadt. Für die örtliche Trinkerszene sollte allen Ernstes ein Bauwagen auf einer Wiese im außerhalb der Innenstadt liegenden Industriegebiet aufgestellt werden, dort könne in Ruhe Alkohol konsumiert werden.

 Das Heilbronner Beispiel belegt eindrucksvoll, dass die Verbotspolitiker günstig und einfach soziale Probleme aus dem Straßenbild verdrängen wollen. Für mich ist die Einführung solcher „Maßnahmen“ schlicht eine Bankrotterklärung von Politik und Zivilgesellschaft. Stattdessen muss „Hinschauen statt Wegschieben“ das Stichwort sein.

 Wer in Ausbildungsplätze, Arbeitsmaßnahmen, Prävention, Sozialarbeit und Jugendhäuser investiert, der packt Probleme an ihrer Wurzel, anstatt sie weg zu schminken.

 In den großen Universitätsstädten im Land kommt übrigens noch eine weitere erschreckende Komponente hinzu. Hier werden durch die Verbotsdebatte junge Menschen, vor allem Studentinnen und Studenten, pauschal verunglimpft und kriminalisiert. Während Vereins- und Straßenfeste regelmäßig in unfassbaren Trinkgelagen auch unter der Beteiligung kommunaler Würdenträger enden, soll in den Universitätsstädten die junge Generation ins Visier der Behörden geraten, wenn auf dem Weg zur Kneipe ein Bier getrunken wird.

 Alles das hat unser Land nicht nötig. Kluge Kommunalpolitiker brauchen keinen Verbotswerkzeugkasten aus Stuttgart. Und die neue Landesregierung tut gut daran, ihre Wahlversprechen zu halten. 

   

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