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 Hochschule
08.03.2012

Jubel, der im Halse stecken bleibt

Entwurf zur Verfassten Studierendenschaft enthält böse Überraschungen

Dieses Plakat soll endgültig der Vergangenheit angehören. Doch der grün-rote Gesetzentwurf ist dafür keine Garantie. / Foto: UAstA Freiburg

Ein Ziel der grün-roten Landesregierung ist es, die Verfasste Studierendenschaft in Baden-Württemberg nach 35 Jahren wiedereinzuführen. Im Juni soll es soweit sein. Doch ein Grund zum Jubeln ist das derzeit noch nicht meint Ziad Emanuel-Farag.

Eine der heikelsten Fragen dabei war das politische Mandat. Wie soll sich die Verfasste Studierendenschaft als Interessensvertretung der Studierenden artikulieren? Der aktuelle Entwurf der Landesregierung formuliert es in § 65(4) folgendermaßen:

Im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nimmt die Studierendenschaft ein politisches Mandat wahr. Sie wahrt nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen die weltanschauliche, religiöse und parteipolitische Neutralität.

Kritiker fürchten zu Recht, dass diese Formulierung wieder einen Maulkorb enthalten könnte. Denn wie sollen Studierende ihre Interessen artikulieren, wenn sie dabei neutral bleiben müssen. Ist es Studierenden nun verboten, Standpunkte zu vertreten die eine Nähe zu einer bestimmten Partei oder Ideologie aufweisen?

Ebenfalls irritiert die Ausgestaltung der Satzungsautonomie. In der vorangestellten Erläuterung heißt es zwar: 

Die Verfasste Studierendenschaft kann im Rahmen ihrer Satzungsautonomie Satzungen erlassen, über die Höhe der Beiträge bestimmen und einen Haushaltsplan aufstellen. (...) Die Studierendenschaft erhält mit der Satzungs- und Finanzautonomie große Gestaltungsspielräume, die eine wirksame Vertretung der Interessen der Studierenden sicherstellen soll und die die Gegebenheiten der jeweiligen Hochschule berücksichtigt.

In § 65b(6) heißt es jedoch plötzlich: 

Die Satzungen und der Haushaltsplan bedürfen der Genehmigung des Vorstands der Hochschule.

Das bedeutet: Studenten dürfen sich zwar ihrer Regeln selbst geben, aber ob sie in Kraft treten entscheidet das zuständige Rektorat. Wenn die grün-rote Landesregierung behauptet, dass so Autonomie aussehen soll, ist das eine dreiste Lüge.

Auch die Finanzautonomie ist eine Mogelpackung, da das Rektorat "mit am Tisch sitzt", wie es die taz kommentierte. Anstatt einer neutralen Prüfungsinstanz müssen die Studenten eine "für den höheren Verwaltungsdienst qualifizierte Kraft" einstellen, die das Ganze verwaltet. Der Landesrechnungshof, der normalerweise für solche Prüfungen zuständig ist, wäre als neutrale Instanz den Haushalt überprüfen vollends ausreichend.

Die Satzung selbst kann nicht an bestehende politische Strukturen angepasst werden. So sieht der Gesetzesentwurf die Wahl einer Studierendenschaft für die gesamte Universität und eine von Fachschaften für die einzelnen Fakultäten vor. Diese agieren unabhängig voneinander.

Dies wird allerdings jenen Hochschulen nicht gerecht, an denen es seit der Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft 1977 unabhängige Modelle gibt. So gibt es zum Beispiel in Heidelberg eine Fachschaftskonferenz (FSK), die als Zusammenschluss der Fachschaften die Studierendenvertretung der gesamten Universität bildet. Die Fortführung eines solchen Modells in einer verfassten Form ist in diesem Gesetzesentwurf jedenfalls nicht vorgesehen.

Bei der Umsetzung gibt es noch weiteres gravierendes Problem: lebhaftes Desinteresse der Betroffenen. So konnte der Entwurf zwar auf einer Internetplattform einige Wochen lang diskutiert werde. Die Seite zählte zwar 48.000 Besucher, jedoch verfassten nur 190 Nutzen die 508 Beiträge. Ziemlich wenig bei über 290.000 Studierenden in Baden-Württemberg. Oder ist dies vielleicht gar ein Ausdruck um sich greifender Resignation? 

In der aktuellen Form ist der Gesetzesentwurf noch kein Grund zum Jubeln, sondern allenfalls zu verhaltener Freude.

 


INFO: Die Verfasste Studierendenschaft (VS) ist die Interessenvertretung und politische Stimme der Studierenden bei allen Fragen, die sie betreffen. Eine solche Interessensvertretung ist zum Beispiel bei den Verhandlungen um das Semesterticket hilfreich, da das Studentenwerk und der Verkehrsverbund Rhein-Neckar bisher keinen offiziellen Ansprechpartner hatten. Bis zum Verbot 1977 im Zuge der Unruhen während des Deutschen Herbstes gab es auch in Bayern und Baden-Württemberg Verfasste Studierendenschaften. Danach bildeten sich hier unabhängige, inoffizielle Studierendenvertretungen heraus, um die Aufgaben der VS weiterzuführen. In Heidelberg gibt es seit 1989 die Fachschaftskonferenz. 

   

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