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18.05.2012

Endlich nicht mehr mundtot

Baden-Württemberg führt die Verfasste Studierendenschaft wieder ein

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (von links): Romen Link, Mitinitiator der Kampagne „VS – Ohne mich“, Laura Maylein von der Landesstudierendenvertretung und Bildungsministerin Theresia Bauer. / Foto: Christoph Straub

Die Hochschulpolitik in Baden-Württemberg wird sich in diesem Sommer wesentlich verändern: Nach 35 Jahren führt die Landesregierung die Verfasste Studierendenschaft wieder ein. Grund zum Jubeln sehen viele Studenten dennoch nicht.

Seit dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr läuft im Ländle so manches anders. Zu erkennen ist dies beispielsweise in der Bildungspolitik: Die Studiengebühren wurden schon abgeschafft. Nun folgt im Sommer die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft (VS).

Aber warum wird die VS wieder eingeführt? Und welche Auswirkungen wird das für die Studierenden haben?
Bisher gab es in Baden-Württemberg für die Gesamtheit der Studierenden keine Möglichkeit der politischen Meinungsäußerung. Die VS soll dies in Zukunft möglich machen – und das mit weitreichenden Konsequenzen: Als organisierte Stimme der Studierenden soll sie studentische Interessen gegenüber der Hochschule, der Politik, sowie in der Öffentlichkeit vertreten. 

Um ihre Finanzierung sicherzustellen, wird von den Studierenden einmal im Semester ein Beitrag erhoben werden. Nimmt sie zu einem Thema Stellung, so spricht sie im Namen aller Studierenden. Zu ihrem Aufgabenbereich können beispielsweise die Verhandlungen um das Semesterticket oder Beratungstätigkeiten in den Bereichen Studium, Studienfinanzierung oder Soziales gehören.

Über die nun anstehende Wiedereinführung zeigte sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer auf einer Podiumsdiskussion in Heidelberg gerührt. Sie wurde außerdem nicht müde zu betonen, dass beim Gesetzesentwurf darauf geachtet wird, „kein Einheitsmodell, sondern ein Höchstmaß an Freiheit für passgenaue Lösungen vor Ort zu gewährleisten“. 

Ähnlich wie Theresia Bauer begrüßen die Studierenden die Wiedereinführung der VS. Das von der Ministerin angepriesene „Höchstmaß an Freiheit“ sehen sie im Gesetzesentwurf der Landesregierung jedoch nicht.

Schon zu Beginn des Jahres stellte die Landesstudierendenvertretung einen eigenen Gesetzentwurf vor. Laut Laura Maylein, Sprecherin der Landesstudierendenvertretung, sehe dieser eine größere Nutzung der Satzungsautonomie vor. Denn es sei nötig, unterschiedliche Hochschulgrößen und unterschiedliche Strukturen anzuerkennen. Die Rahmenbedingungen des Entwurfs der Landesregierung setzen der VS in dieser Hinsicht jedoch Grenzen. 

Ein konkretes Problem ist zum Beispiel die Streichung des Sockelbeitrags für die Allgemeinen Studierendenausschüsse, was bei kleinen Hochschulen mit wenigen Studierenden zu einem zu geringen Finanzvolumen führen könnte – denn bei dem Beitrag, der von der VS erhoben wird, handelt es sich um ein Pro-Kopf-Finanzierungsmodell. Eine weitere Befürchtung betrifft bereits bestehende Modelle, wie zum Beispiel das Heidelberger Fachschaftsmodell, das nicht in die VS überführt werden könnte. 

Romen Link, Landesvorstandsmitglied der CDU Baden-Württemberg und Mitglied der RCDS-Kampagne „VS – Ohne mich“ übt Kritik von ganz anderer Seite. Er hält die VS an sich für überflüssig: „In einer VS werden sich die gewählten Studentenvertreter zu einem nicht geringen Teil mit Verwaltungsaufgaben beschäftigen, die durch die Selbstorganisation und die damit verbundende Aufgabenerweiterung erst entstehen.“

Dennoch muss die VS bis spätestens Ende Dezember 2013 an den Hochschulen eingeführt werden. In Heidelberg, so erläutert die AG „Verfasste Studierendenschaft“, gibt es dazu bereits seit etwa einem Jahr ein Konzept. Darin hätten alle Fachschaften einen festen Sitz, während die Sitze der Hochschulgruppen je nach Wahlbeteiligung und Ergebnis verteilt würden. 

Ob es aber tatsächlich darauf hinausläuft, steht noch nicht fest. Denn derzeit kann noch von jedem, der möchte, ein eigener Vorschlag eingebracht werden. In einem offenen Verfahren werden diese später diskutiert werden, bevor sie das Rektorat auf ihre Rechtskonformität überprüft und alle Studierenden in einer Urabstimmung über die endgültige Satzung abstimmen dürfen.

von Christoph Straub
   

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