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28.01.2013

Brücke der Verdammnis

„Hässlichste Orte Heidelbergs“ (5) – Die Czernybrücke

Sollte man bei dieser Aussicht nicht lieber wieder umkehren? / Foto: Corinna Lenz.

Die wahrhaft hässlichste Brücke Heidelbergs lässt keinen schönen Ausblick zu, weder auf Bergheim noch auf die Bahnstadt.

In den angrenzenden Wohngebieten freuen sich die Anwohner, dass „immer was los“ ist. Familiendramen, Diebstahl, Raubüberfälle – all dies ließe sich wunderbar von und auf den Balkonen beobachten. Da ist es doch gar nicht so schlimm, wenn Sonntagabend der Fernseher streikt und man den Tatort verpasst.

Erleben kann man hier was, selbst ohne Blick auf die Umgebung. Die Lebensqualität innerhalb der Wohnungen lässt zu wünschen übrig. Ab und zu würde auch mal Wasser von der Decke kommen, „aber da bezahlt man den Preis für das Erlebnis eben mit“. Sehr praktisch sei auch, dass „man eben mal nen Joint um die Ecke bekommt“. Ein Wunder, dass RTL oder RTL2 noch nie hier gewesen sind.

Auch für „Fight Club“ hätte dieser Ort eine wunderbare Szenerie hergegeben. Bloß ein bisschen bunter: Aus dem Ostblockgrau stechen barbierosa Häuser hervor, die sich neben simpsonsgelbe und disneyblaue Bauwerken reihen.

Der clownsbunte Toys‘R‘Us daneben versucht das Ganze noch zu toppen. Dabei wirkt er wie eine betrunkene Dame, die in einem drei Nummern zu kleinem Kleid auf einer Beerdigung Aufsehen erregt. Nicht nur optisch wirkt der Spielzeugladen fehl am Platz: Ein Kinderparadies mitten in einem sozialen Brennpunkt? Nicht einmal Kinder würden ihre Eltern anflehen, dort hinzugehen.

Die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln suggeriert Fremden, dass sie dem Czernyring lieber fern bleiben sollten. Lediglich die Straßenbahn-Linie 22 fährt durch, hinweg zum nicht minder hässlichen Pfaffengrund. Dafür lohnte es sich sicherlich, das ohnehin breite Straßenbild noch zusätzlich mit einem Gleis in der Mitte zu zerteilen und noch breiter zu machen. Nur den Römerkreis zu durchqueren dauert länger.

Aber das scheint gar nicht schlimm zu sein: Fußgänger sind hier ohnehin nicht zu sehen, eignet sich die Czernybrücke für einen romantischen Spaziergang doch mehr schlecht als recht. Die Einsamkeit dieses Stadtgebiets lässt das Flair einer einsamen Stadt im wilden Westen anmuten: Fast könnte man annehmen, dass Büsche durch die Straßen rollen. 

Kein Wunder, zu Fuß ist man hier lieber nicht unterwegs. Der Passant spielt dann entweder unfreiwillig die Hauptrolle in einer Reality-TV-Krimi-Serie oder wird von einem Auto überrollt. Letzteres steht schließlich auf Platz drei der Todesursachen im Czernyring, nach dem „goldenen Schuss“ und Mord- und Totschlag.

Der Ausblick von der Czernybrücke auf eine der ganz und gar nicht schönsten Bahnstrecken Deutschlands lädt nicht, wie auf der Alten Brücke zum Schwärmen, sondern eher zum Suizid ein. Ein Sturz von der Brücke hinab auf die Bahngleise dürfte ein sicherer Plan für den Freitod sein.

von Corinna Lenz
   

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