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 Wissenschaft
28.01.2013

Die Macht der Gemeinschaft

Geschichtsstudenten verfassen ein Buch über Genossenschaften

Acht Heidelberger Geschichtsstudenten haben Aufstieg, Entwicklung und Untergang zweier Mannheimer Genossenschaften untersucht. Daraus ist ein Buch mit ausschließlich studentischen Beiträgen geworden, das im März erscheinen wird.

Einst gab es in Mannheim zwei große Genossenschaften: Die Großeinkaufsgesellschaft (GEG) und den Konsumverein. Beide sorgten für ein höherwertiges Angebot und die Versorgung der Bevölkerung in Kriegs- und Krisenzeiten, beide verschwanden in den 1980er Jahren. Nun haben acht Geschichtsstudenten der Universität Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Verein Industriekultur Rhein-Neckar ihre Geschichte erforscht und in einem Buch zusammengetragen, das im März erscheinen wird.

Mit ihrer Dozentin Katja Patzel-Mattern begannen die Studenten, anlässlich des Internationalen Jahres der Genossenschaften 2012 und im Rahmen eines Seminars zur Sozialgeschichte, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung dieser Institutionen zu erforschen, die im 19. Jahrhundert, in der Zeit der Hochindustrialisierung entstanden. Bei der Suche nach Beispielen aus der Umgebung stieß man auf die GEG und den Konsumverein. Die Studenten begannen, die beiden Fälle zu untersuchen, nicht nur in ihrem Seminar, sondern auch in ihrer Freizeit. In Bibliotheken und Archiven, bei der Besichtigung genossenschaftlicher Bauten und im Gespräch mit Zeitzeugen kamen sie an Informationen. Von Journalisten und Ausstellungsmachern erhielten sie Ratschläge zur populärwissenschaftlichen Darstellung des Wissens.

Dass Studenten publizieren, kommt gelegentlich vor, ist aber bisher eher die Ausnahme. Schon studentische Beiträge in Fachzeitschriften sind eher selten, vor allem in den Naturwissenschaften. Zwar ist es prinzipiell möglich, hier auch als Student Artikel zu veröffentlichen. Mit der Zeitschrift Geo gibt es außerdem ein von Studenten betriebenes Publikationsorgan, in dem man Hausarbeiten veröffentlichen kann. Aber die meisten wollen einen Artikel in großen Fachzeitschriften wie „science“ oder „nature“, und die nehmen vor allem Texte von Professoren.

Bei Büchern sind studentische Publikationen noch seltener. Auch hier gibt es in den Geisteswissenschaften noch etwas mehr Möglichkeiten. Als wegweisend gilt eine Publikation, die ebenfalls von Geschichtswissenschaftlern erstellt wurde, diesmal an der Humboldt-Universität in Berlin. Nachdem die Studenten im Seminar Gerichtsakten zum Fall eines Schwarzhändlers aus der Zeit des zweiten Weltkriegs analysiert hatten, sammelten sie die Aufsätze unter dem Titel „Den Schiebern auf der Spur“ in einem Fachbuch.

Meist aber fangen die Schwierigkeiten bereits bei der Suche nach einem Verlag an. Publikationen von Professoren werden gerne genommen, solche von Studenten eher selten. Der jetzige Fall jedoch gehört zu den glücklichen, in denen tatsächlich ein von Studenten geschriebenes wissenschaftliches Buch veröffentlicht wird.

Die Studenten untersuchen, welche Bedeutung die beiden Genossenschaften für die Stadt besaßen, was ihre Mitglieder bewegte und antrieb, welchen Ideen und Idealen sie sich verpflichtet fühlten - und warum sie, im Gegensatz zu anderen Genossenschaften in Mannheim, schließlich doch untergingen. Das Buch vertritt die These, dass Konsumverein und GEG das Ziel hatten, die Bevölkerung an der Gestaltung ihrer Versorgung zu beteiligen, die Qualität der Waren zu gewährleisten und den gleichberechtigten Zugang aller zu ihnen zu sichern.

Damit stehen sie ganz in der Tradition der Genossenschaften, die sich als Zusammenschlüsse mit dem Ziel sehen, die soziale Förderung ihrer Mitglieder zu ermöglichen. Ende des 18. Jahrhunderts in England und Mitte des 19. auch in Deutschland aufgekommen, folgten sie dem Grundgedanken, dass eine Gemeinschaft handlungsfähiger ist, als es ihre Mitglieder zusammengenommen wären, würde jeder allein agieren: „Mehrere kleine Kräfte vereint bilden eine Große“, formulierte es einer der Begründer des deutschen Genossenschaftswesens.

Das Buch zeigt somit die Geschichte zweier Vereinigungen, die mit dem Ziel antraten, eigenverantwortliches Wirtschaften und gesellschaftlichen Ausgleich zu verbinden, jedoch an gesellschaftlichem, politischem und wirtschaftlichem Wandel, an Misswirtschaft und Bereicherung scheiterten.

von Michael Abschlag
   

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