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13.05.2013

Heidelberger Wasserspiele

"Hässlichste Orte Heidelbergs" (6): Mittelanlage Kurfürsten-Anlage

Obdachlos: Eine leere Bierflasche auf der Suche nach einem Besitzer. / Foto: Michael Graupner

Wo Schwertfische auf Nahrungssuche gehen, Kaninchen aber nicht. Dieser Ort hat seine Berechtigung in dieser Serie allein schon aufgrund seines Namens verdient: Mittelanlage Kurfürsten-Anlage.

Ein Name, über den man wie über eine der schrägen und kaputten Betonplatten stolpert. Kein Wunder, dass er hier nirgends eine Erwähnung findet und erst durch eine Anfrage an die Stadt Heidelberg ausfindig gemacht werden konnte.

Der Platz und die umliegende Grünanlage wurden nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut. Eine letzte umfassende Renovierung erfolgte in den siebziger Jahren, in der Ära des damaligen Oberbürgermeisters Reinhold Zundel, der architektonisch so manches Unwesen in der Stadt trieb. Die Hauptstraße und der Bismarckplatz tragen immer noch Narben aus dieser Zeit.

Eingepresst zwischen dem Verwaltungsgebäude der Stadtwerke und dem im Erdgeschoss eines Mietshauses angesiedelten Kaufland, gehen hier Wasser und insbesondere Gerstensaft eine einzigartige Symbiose miteinander ein. So schmücken fünf Springbrunnen den Platz, an dessen Spitze ein verrosteter, schlauchförmiger Wasserspeier thront. Das Wasser hat an diesem Nachmittag eine überraschend klare Konsistenz. Keine Spur von der braunen Brühe, die sonst im Herbst vor sich hin dümpelt. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass bei der Gestaltung der Mosaikböden der Versuch unternommen wurde Heidelberg die Aura einer ozeanischen Stadt zu verleihen: Meerespflanzen, Hummer und Seepferdchen schwimmen auf dem Meeresgrund. Ein Schwertfisch jagt nach Thunfischen und Makrelen. Der Neckar war für Reinhold Zundel scheinbar nicht genug.

Ringsherum prägt ein Regenwasserverwaschenes Rot die Betonplatten. Auch an ihnen nagt der Zahn der Zeit: Unkraut wuchert aus allen Fugen, Löwenzahnpflanzen bevölkern die Ecken. Dass sich hier noch keine Kaninchen-Kolonie angesiedelt hat, mag vor allem daran liegen, dass andere Bewohner für gewöhnlich den Platz besetzen.
So verwandelt sich die Anlage täglich in einen beliebten Treffpunkt für Heidelberger Stadtstreicher, die, laut und gestenreich mit einem Bier in der Hand, von den Erlebnissen ihres Tages berichten. Doch wirklich respektvoll gehen sie mit dem Platz nicht um. Bierkartons werden achtlos ins Gebüsch geschmissen. Glasscherben liegen herum. Und aus so mancher Ecke dringt ein penetranter Uringeruch hervor.

Auch ein Gang durch die unmittelbar anliegende Grünanlage schafft es nicht die eben aufgenommenen Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Im Gegenteil: Der Rasen wirkt lieblos und oberflächlich geschnitten, Unterholz gedeiht an den Bäumen, Sträucher wachsen wild vor sich hin. Aus einem Steinpfad sprießen zahlreiche Kleeblätter. Ein Vierblättriges ist nicht dabei.

von Michael Graupner
   

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