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 Feuilleton
11.12.2006

Argo: wild und wirr

Moderne Inszenierung der Argonauten im Zwinger1

Wer keine Lust auf vorweihnachtlichen Konsumrausch hat, sollte den Zwinger besuchen. "Argo" zeigt, wohin der materielle Terror führt.

Bei der Eröffnung des neuen Mediamarktes wollen Jason (N. Eleftheriadis) und die modernen Argonauten ganz vorne mit dabei sein. Angesichts modernster Technik, wie Spielkonsolen und Plasmabildschirmen, steht der „Plasmaorgasmus“ kurz bevor. „Es ist so wunderschön, lasst uns bitte rein“, stammeln die verschwitzten Argonauten beim strahlenden Anblick des Schatzes, der wegen des Andrangs unerreichbar bleibt. So schlägt die rauschhafte Begeisterung rasch in rasende Wut und hysterische Gier um. Bleibt nur die Hoffnung auf einen geheimen Weg durch die Kellerkatakomben.

Aber nicht alle sind von den neuartigen Verlockungen gleichermaßen angetan. Die drei alten Frauen im Hintergrund, irgendwie auch Teil des Bühnenbildes, verkörpern die alte polnische Seele, für die der Staubsauger, der nach 30 Jahren den Geist aufgibt, bereits eine mittelschwere Katastrophe darstellt. Mit allerlei Instrumenten unterlegen sie das Stück musikalisch und sorgen für eine vielfältige Geräuschkulisse. Die ungebremste Konsumlust der Jugend beäugen sie kritisch, verschließen sich den technischen Neuerungen aber auch nicht ganz. So löst sich der generationenbedingte Gegensatz irgendwann auf und die beiden dramaturgischen Ebenen verschmelzen.

Die vier Protagonisten durchlaufen auf ihrem geheimen Weg im Untergeschoss des Konsumtempels eine absurde Abfolge mythischer Szenarien. Die große, dunkle und nur spartanisch ausgestattete Bühne deutet die Unwägbarkeiten des Unterfangens bereits an. Die Argonauten schlüpfen in die verschiedensten Rollen. Sie erleben nicht nur die Schöpfungsgeschichte und die Ahndung des Sündenfalls durch den Biss der Schlange, sondern auch die biologische Evolution des Menschen. Jason wandelt sich in diesem szenischen Irrgarten etwa in den blinden Ödipus, den boxenden Rocky und den Widerstandskämpfer des Warschauer Aufstands 1944, der mit aller Gewalt ruhig gestellt wird.

Der Regisseur Sebastian Schug inszeniert „Argo“ als ein düsteres Konstrukt grotesker Situationen, das mit zahlreichen Pointen aufwarten kann. Mit unterhaltsamen Einfällen sorgt er immer wieder für Überraschungscoups, manchmal allerdings gleitet das Stück auf Slapstickniveau ab. Etwa, wenn der einbeinige Stuhl als Penisprothese herhalten muss. Auch der großzügige Einsatz von Kunstblut erinnert bisweilen an Splatterfilme.

Beim letzten Stückemarkt konnte sich „Argo“ den Publikumspreis sichern. Der polnische Autor Marek Kochan nennt das Stück ein „kommerzielles Mysterium“. Manche Fragezeichen wollen tatsächlich nicht verschwinden.

von Sebastian Bühner
   

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