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 Hochschule
14.11.2006

Auf den Barrikaden

Es geht um mehr als nur Studiengebühren

Hunderte Studenten wurden im vergangenen Semester festgenommen, in Frankfurt Autobahnen blockiert, in Marburg die Univerwaltung besetzt. Und in Heidelberg? Kleindemos mit originellen Ideen aber wenig Rückhalt unter den Studenten.

Hunderte von Studenten wurden im vergangenen Semester festgenommen, in Frankfurt Autobahnen blockiert, in Marburg die Univerwaltung besetzt. Und in Heidelberg? Kleindemos mit originellen Ideen aber wenig Rückhalt unter den Studenten.

„Eigentlich ist der Zugang zur Hochschule aber ein Thema, das die ganze Gesellschaft betrifft“, meint dazu Christoph Lüdeckes, Mitglied im Vorstand des Freien Zusammenschlusses von Studierendenschaften. In Heidelberg hingegen scheint die Bildung nicht einmal Sache der Studenten zu sein. „Die Gebühren kommen, dagegen kann man nichts mehr machen“, hört man. Was aber übersehen wird, ist die Möglichkeit auch gegen Etabliertes zu demonstrieren.

Die letzten Endes systemstürzenden Montagsdemonstrationen in der ehemaligen DDR sind da ein gutes Beispiel. Natürlich sind die Studiengebühren nicht gleichzusetzen mit einem gescheiterten Wirtschafssystem, Terror und Bespitzelung. Es geht heuer allerdings auch nicht mehr nur um die Campusmaut. Vielmehr sehen viele den „GAU des deutschen Systems“ bevorstehen, dem die Köpfe seiner Bevölkerung als einzige Ressource dienen.

Sogar die Politiker bekennen sich in seltener Eintracht zur essentiellen Notwendigkeit der Bildung. „Mehr Akademiker braucht das Land“, skandieren sie, sparen aber gleichzeitig die Universitäten tot. Die Novemberausgabe des Unicum berichtet von katastrophalen Zuständen der Bausubstanzen deutscher Hochschulen.

Und auch Professoren halten die Zustände für unannehmbar. Der Heidelberger Religionswissenschaftler Gregor Ahn mokierte sich in einer Vorlesung lautstark über die lokalen Verhältnisse: „Mit dieser Ausstattung ist im internationalen Wettbewerb nicht zu bestehen.“

Kongruent dazu sind die Zahlen des Bundesamts für Statistik: Die Anzahl der jeweils vom Professor zu betreuenden Studenten wächst seit Jahren. Von 32 im Jahr 1972, stieg die Zahl der Studenten pro Professor bis zum Jahr 2005 auf 52. Warum die Politik dennoch nicht handelt?

Weil Studenten keine Lobby haben, außerdem nicht wählen gehen und so den Politikern keine Wählerstimmen verschaffen? Zudem steht hinter den heutigen Zuständen die Taktik mittels einer Erhöhung der Studentenzahlen die Arbeitslosenstatistik zu schönen, und nicht der Bedarf an Hochschulabsolventen.

Viele Studenten sehen sich allerdings als zukünftige Arbeitslose und vermeiden daher jedes Aufmucken gegen das System. Ohne Reformen und massive Mehrausgaben im Bildungsbereich wird es aber zukünftig noch weniger Arbeitsplätze in Deutschland geben.

Dass die Solidarität unter den Studenten nicht groß ist, ist auch dadurch zu erklären, dass viele schon heute Semestergebühren bezahlen, etwa an privaten Fachhochschulen, und andere wiederum bereit sind, für eine verbesserte Bildung tiefer in die Tasche zu greifen.

In Hessen wiederum haben die Studenten eine größere Motivation, auf die Straße zu gehen als in Baden-Württemberg: Die Einführung von Studiengebühren steht wahrscheinlich im Widerspruch zur Landesverfassung. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) plant daher, wie auch die rot-grüne Opposition im Landtag, eine Verfassungsklage vor dem Staatsgerichtshof einzureichen.

Die Erhebung von Studiengebühren bleibt eine politische Entscheidung und daher auch ‚protestfähig’. In Freiburg hat man daher beschlossen, beim bundesweiten Boykott der Studiengebühren mitzumachen (siehe Seite 6), in Heidelberg ist man sich noch nicht einig.

Was viele Studenten derweil übersehen ist, dass sie in den nächsten Jahren massivst geschröpft werden: Das Kindergeld wird nur noch bis zum 25. Lebensjahr gezahlt, die Mehrwertsteuer erhöht, die Minijobregelung verschärft. Die Preise für Mieten und Semesterticket steigen. Zusammen mit Studiengebühren und Verwaltungsbeiträgen kommen auf viele Kürzungen von bis zu 300 Euro im Monat zu.

Völlig aus der Diskussion herausgerutscht sind dabei die Alternativen zur Campusmaut: Die einkommensabhängige Akademikersteuer, alias „Nachgezogene Studiengebühren“ und das „Hochschulsponsoring“, müssen dringend wieder diskutiert werden.

von Johannes Dahmen, Paul Heesch
   

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