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 Interview
14.11.2006

Endlich Chef

Der frisch gewählte Oberbürgermeister Eckart Würzner im ruprecht-Gespräch

Eckart Würzner ist Heidelbergs neuer Oberbürgermeister. Im zweiten Wahlgang am 12. November erhielt der Parteilose 53,9 Prozent der Wählerstimmen und setzte sich so gegen Caja Thimm durch. Er ist seit 17 Jahren in der Kommunalpolitik Heidelbergs engagiert und wird am 13. Dezember den Chefsessel im Rathaus von Beate Weber (SPD) übernehmen. Der ruprecht hat ihn in seinem Wahlbüro getroffen, um sich vor dem nächsten Wahlkampftermin noch schnell die wichtigsten Fragen beantworten zu lassen.

ruprecht: Sie haben nach Ihrem Studium promoviert. Was bedeutet Ihnen der Doktortitel?

Eckart Würzner
: Für mich war es einfach wichtig in meinem bisherigen Arbeitsbereich als Geograph noch eine Dissertation anzuschließen. Der Titel ist mir nicht so wichtig. Ich wollte das Thema, das ich ausgearbeitet hatte, noch weiter vertiefen. Meine Dissertation war dazu die ideale Möglichkeit. Freilich kommt dann immer das finanzielle Problem auf: Wie kannst du deine Dissertation finanzieren. Kannst du ein Stipendium erhalten? Glücklicherweise war das bei mir damals der Fall, andernfalls hätte ich wohl keine Doktorarbeit mehr schreiben können, immerhin hatte ich bereits Familie.

Wie wichtig ist eigentlich für Sie der angestrebte Elitetitel der Universität Heidelberg?

Sehr wichtig, für Heidelberg, die Studentinnen und Studenten und die Universität. Es geht dabei nicht nur um die finanziellen Zuschüsse, die wir erwarten könnten, sondern vor allem auch um den Ruf der Universität Heidelberg. Diesen Ruf als Eliteuniversität zu bekommen, wäre unglaublich wichtig. Wir sollten deshalb alles daran setzen, dieses Ziel im nächsten Jahr zu erreichen.

Haben Sie Rektor Hommelhoff nach dem verpassten Elitezuschlag schon aufbauend auf die Schulter geklopft?

Ja, das habe ich. Die Kooperation zwischen Stadt und Universität ist gerade bezüglich der dritten Säule der Exzellenzinitiative, der Zukunftsentwicklung der Universität, sehr wichtig. Wir müssen künftig sogar noch wesentlich enger zusammenarbeiten als bisher. Es geht um sehr viel. Wie sich die Universität in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt, muss in ein gemeinsames Konzept von Stadt und Hochschule gegossen werden.

Auf Ihrer Homepage bezeichnen Sie Heidelberg als die schönste Studentenstadt, die man sich zu Ihrer Zeit vorstellen konnte. Ist sie das auch heute noch?

Ja, aber wir müssen aufpassen, dass wir den Anschluss an die Zukunft nicht verpassen. Heidelberg ist zwar auch heute noch eine wunderschöne Stadt, aber wir müssen alles daran setzen, dass wir auch eine moderne Stadt bleiben.
Nicht nur die Romantik, nicht nur die Historie zählt in Heidelberg. Vielmehr ist es wichtig, gerade den jungen Menschen eine Perspektive zu bieten. Das Heidelberger Solarschiff, für das ich mich auch aktiv eingesetzt habe, ist für mich ein Symbol für eine solche gelungene Symbiose.
Eine historische Stadt mit modernen und innovativen Ideen. Das ist das Besondere, das Reizvolle an Heidelberg.

Wie kann Heidelberg für junge Akademikerinnen und Akademiker attraktiver gemacht werden?

Damit Heidelberg auch für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und junge Unternehmerinnen und Unternehmer interessant ist, brauchen wir vor allem auch neue Kontaktstellen zwischen Forschung und Anwendung. Mit unserem Technologie- und Umweltpark gehen wir hier genau in die richtige Richtung. Außerdem sollten wir als Stadt den Dialog mit den jungen Studentinnen und Studenten intensivieren. Ich werde deshalb eine Anlaufstelle für Studentinnen und Studenten im Rathaus einrichten.

Sie sind Lehrbeauftragter der Uni Heidelberg. Welchen Wert hat für Sie Ihre Tätigkeit als Dozent?

Die Lehrtätigkeit ist für mich eine einmalige Chance, den Kontakt zur Jugend zu halten. Auch halte ich es für unerlässlich, das eigene Profil immer wieder zu schärfen und neue Impulse zu bekommen. In Universitätsseminaren bekomme ich stets neue Anregungen – und das hält jung. Ich möchte auch als Oberbürgermeister versuchen, weiterhin als Gastdozent an der Universität Heidelberg zu lehren.

Halten Sie eine Familiengründung während des Studiums, mit all den kommenden Belastungen wie den Bachelorstudiengängen und Studiengebühren, heute noch für machbar?

Ja, auf jeden Fall. Ich halte die Studienzeit sogar für eine gute Zeit, um Kinder zu bekommen und eine Familie zu gründen. Das ist für mich kein Widerspruch, muss allerdings auch gefördert werden. Ein gelungenes Beispiel ist hier der Universitätskindergarten. An der Ausarbeitung dieser Strukturen muss sich auch die Stadtverwaltung beteiligen.

Haben es die Studenten heute leichter oder schwerer als noch zu Ihrer Zeit als Student?

Ich glaube nicht, dass es da einen großen Unterschied gibt. Ich habe meinen Studentinnen und Studenten immer gesagt: Wer ein klares Ziel hat und sich für dieses Ziel einsetzt, hat auch die Chance, später einen guten Beruf zu bekommen und die eigenen Pläne zu verwirklichen. Wichtig ist meines Erachtens, bereits während des Studiums so viele Praktika wie möglich zu machen.

In Heidelberg ist der Protest gegen die Studiengebühren weitgehend ausgeblieben. Wären Sie dagegen auf die Straße gegangen?

Prinzipiell bin ich nicht gegen die Erhebung von Studiengebühren. Auch Bäcker- oder Dachdeckergesellen zahlen für ihre Ausbildung. Dennoch gilt für mich der Grundsatz, dass jeder das Recht auf einen freien Zugang zur Universität hat, egal aus welchem Elternhaus man kommt. Das bedeutet, Stipendien für die guten Studentinnen und Studenten zur Verfügung zu stellen und auch die Studiengebühren als Kredit zur Verfügung gestellt zu bekommen. Später, wenn man dann im Berufsleben steht, kann man dann diese Studiengebühren sukzessive zurückzahlen. Man müsste im Rahmen des vorliegenden Modells meines Erachtens aber noch einiges korrigieren. Klar muss sein, dass die Gebühren zur Verbesserung der Lehre und nicht für allgemeine Verwaltungsaufgaben verwendet werden dürfen. Dies müsste klar geregelt werden. Wofür sollte man denn überhaupt auf die Straße gehen? Jeder sollte sich unbedingt für die Dinge einsetzen, die ihm persönlich am Herzen liegen. Ich habe mich zum Beispiel stark für den internationalen Klimaschutz eingesetzt. In internationalen Organisationen, aber auch als Umweltbürgermeister in Heidelberg.

Mit welchem Satz werben Sie für ein gutes Image von Heidelberg?

Heidelberg ist der internationale Standort für Wissenschaftler, die an neuen, zukunftsorientierten Konzepten arbeiten!

Möglichst kurz und prägnant: Ihre Vision von Heidelberg als Stadt am Fluss, gesetzt den Fall, Sie hätten bei der Planung komplett freie Hand?

Heidelberg hat als Stadt am Fluss eine einzigartige Chance, die man bis jetzt noch nicht genutzt hat. Ich halte es für wichtig, dass Heidelberg diese Chance nutzt und sich zum Fluss hin öffnet, also weg von einer bandförmigen Erschließung hin zu einer flächenhaften Innenstadtentwicklung. So kann auch Kultureinrichtungen der entsprechende Raum geboten werden. Ich stelle mir da eine Kulturmeile vor, eine Promenade mit Flair, auf der man sich aufhalten und flanieren kann.
In anderen Städten wie Düsseldorf und Köln ist das auch bereits umgesetzt worden.

Was fehlt noch in Heidelberg?

Es fehlt nicht wirklich viel in Heidelberg. Ich glaube, wir müssen vor allem die kulturelle Vielfalt, die sozialen Einrichtungen und Schulen wieder in den Fokus nehmen. Wir haben beispielsweise bei den Schulen und Bildungseinrichtungen einen enormen Sanierungsbedarf. Auch die Theatersanierung steht an, die Fahrradwege müssen saniert werden, und, und, und.

Ihr größter Erfolg in der Kommunalpolitik bisher?

Mein größter Erfolg ist für mich, dass wir es geschafft haben, Heidelberg im Umweltschutz auch international bekannt zu machen. Das Heidelberg diesen internationalen Zuspruch erfahren hat, zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg.

Neben Ihren Wahlkampfplakaten – was dürfen Sprayer noch „dekorieren“?

Für die Jugend in Heidelberg gibt es großartige Möglichkeiten, wenn man sich wie bisher zusammensetzt und gemeinsame Konzepte entwickelt. Ich will den Dialog fortführen, indem ich ein regelmäßiges Treffen mit den Jugendlichen – und nicht nur mit dem Jugendgemeinderat – einrichten werde: „Würzner im Dialog mit der Jugend.“

Bietet Heidelberg ein ausreichendes kulturelles Angebot für junge Menschen?

Wir haben ein sehr interessantes Kulturangebot, es ist nur sehr schwierig sich zurechtzufinden. Gerade den Neu-Heidelbergern und Neu-Heidelbergerinnen, den Erstsemestern fehlt häufig die Orientierung. Wenn man den Meier liest, bekommt man zwar einen Einblick, es gibt aber noch viele weitere interessante Angebote, die dort nicht genannt werden. Wir müssen unser Kulturangebot besser nach außen kommunizieren, das steht für mich fest. Viele Studentinnen und Studenten kennen zum Beispiel die Halle02 nicht – das Kulturprogramm ist also besonders im Bereich der Kommunikation noch verbesserungswürdig.

Wie viel echter Kampf steckt eigentlich in einem so langen Wahlkampf?

„Kampf“ ist sicherlich nicht ganz der richtige Ausdruck. Eine sachliche Auseinandersetzung ist für mich das oberste Ziel, aber es gibt natürlich auch Aktionen, die nichts mehr mit einer sachlichen Auseinandersetzung zu tun haben, wenn falsche Aussagen gestreut werden oder persönliche Angriffe erfolgen. Das ist bei diesem OB-Wahlkampf aber nur am Rande der Fall. Die Wahlkampfzeit fordert zudem ohne Zweifel extrem viel Energie.

Wofür nehmen Sie sich jetzt nach dem Wahlkampf wieder Zeit?

Für die Familie. Die musste in letzter Zeit sehr hinten anstehen. Das ist eine Zeit lang vertretbar, darf aber nicht zu lange so gehen. Deshalb freue ich mich schon darauf, wieder mehr Zeit für meine Söhne, Töchter und natürlich meine Frau zu haben.

Das Gespräch führten Jörn Basel und Beate Brehm


Dr. Eckart Würzner wurde 1962 in Goslar geboren und verbrachte seine Kindheit in Frankfurt und Düsseldorf. Er studierte Geographie mit Geologie und Jura im Nebenfach in Mannheim und Heidelberg.
Nach acht Semestern machte er sein Diplom und erhielt vom Land Baden-Württemberg ein Promotionsstipendium. Seine bereits mit 18 Jahren gegründete Familie finanzierte er während Studium und Dissertation durch Arbeiten in Behörden und der Wirtschaft. Seit 1989 ist er Umweltfachberater der Stadt Heidelberg. Hier leitet er außerdem die Abteilung „Technischer Umweltschutz“ und die Umweltschutzbehörde. Den vorläufigen Höhepunkt seiner politischen Karriere markierte der Antritt des Bürgermeisteramtes für Umwelt und Energie im Jahr 2001. An der Universität Heidelberg ist er seit sechs Jahren als Lehrbeauftragter im Bereich Energie- und Umweltmanagement tätig.

von Jörn Basel, Beate Brehm
   

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