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 Feuilleton
30.07.2007

„Keine Etikette? – Sehr erfreulich!“

Das Kultstück „Der Studentenprinz“ feierte Premiere bei den Schlossfestspielen

Einmal in seinem Leben will Karl Franz ein anderer sein: Von der Sehnsucht getrieben, der strengen Hofetikette zu entfliehen, zieht es den Thronerben von Karlsberg zum Studieren nach Heidelberg. Der Prinz wird von seinem Erzieher Dr. Engel begleitet. Beide kommen in einem bürgerlichen Gasthaus unter, wo jeden Tag eine Horde von Studenten einkehrt.

Einmal in seinem Leben will Karl Franz ein anderer sein: Von der Sehnsucht getrieben, der strengen Hofetikette zu entfliehen, zieht es den Thronerben von Karlsberg zum Studieren nach Heidelberg. Der Prinz wird von seinem Erzieher Dr. Engel begleitet. Beide kommen in einem bürgerlichen Gasthaus unter, wo jeden Tag eine Horde von Studenten einkehrt. Karl Franz genießt das feuchtfröhliche Studentenleben und verliebt sich in die Wirtsnichte Kathie. Doch das unstandesgemäße Glück ist nur von kurzer Dauer: Der deutsche König stirbt und Karl Franz muss an den Hof nach Karlsberg zurückkehren, um sein Erbe anzutreten.

Am Sonnabend feierte der „Der Studentenprinz“ seine Premiere bei den Heidelberger Schlossfestspielen. Heinz Kreidl inszeniert die pathetisch-süße Operette von Sigmund Romberg in fünf Bildern im Hof der Schlossruine. Musikalisch wird sie von den Heidelberger Philharmonikern begleitet.  

Wer mit dem literarischen Stoff vertraut ist, weiß, dass es sich um einen sehr einfachen Plot handelt. Es gibt keine komplizierten Verstrickungen oder gar Intrigen, und auch in der Inszenierung von Kreidl überrascht diesbezüglich nichts Neues. Ganz nach dem Motto des Prinzen-Erziehers Dr. Engel: „Keine Etikette? – Sehr erfreulich!“, dominieren im ersten Teil des Stückes die Trinkgelage der Heidelberger Studiosi. Der Regisseur stellt ihnen eine Hand voll junger Damen zum Schmusen und Tanzen an die Seite – Berthold Brecht verschmähte den Studentenprinzen deshalb seinerzeit als „Saustück“. Das Bühnenbild ist minimalistisch mit zwei langen Tischen und mehreren Stühlen ausgestattet. Weißrot karierte Tischdecken und braune Klappstühle sorgen für das passende Biergarten-Flair; weiße Tischdecken mit riesigen Blumen- gestecken und antiken, schwarzen Stühlen bringen Glanz und Prunk in die königliche Residenz.

Doch wer Heidelberg liebt, wird das Stück trotz anspruchsloser Handlung einfach schön finden und dahinschmachten. Der Grund: Der Tenor Kevin Tarte, gebürtiger US-Amerikaner, spielt den Studentenprinzen und versprüht seinen kindlichen Charme über die ganze Bühne. Mit strahlend blauen Augen und seinem breiten, wie aufgeklebt wirkenden „Ami-Smile“ fährt er in einer Pferdekutsche vor. Seinen leichten Akzent kann er nicht immer verstecken, aber das macht ihn letzten Endes noch sympathischer. „Wie süß“, denkt man auch, als sich das Pärchen dann endlich in tollpatschig jugendlicher Manier näher kommt. Die Sopranistin Maraile Lichdi wirkt in ihrer Rolle als Kathie etwas groß und blass neben dem zierlichen, sonnenstudio- gebräunten Prinzen, doch ihre gewaltige Stimme lässt schier staunen; ebenso wie ihr Multitasking-Talent, als sie singt, während sie gegen den abendlichen Wind ankämpft, um die Teelichter im Biergarten anzuzünden. Es ist ein wahres Vergnügen, das bunte Durcheinander der langhaarigen Burschen der „Saxonia“ zu beobachten. Wie im wahren Heidelberger Studentenleben fehlen die asiatischen Kommilitonen nicht.

Im zweiten Teil beeindrucken in erster Linie die prachtvollen Kleider der feinen Damen am Königshof. Ein kleines Feuerwerk rundet die Verlobungsfeier von Karl Franz und der Prinzessin Margarete ab, hüllt den Zuschauerraum allerdings auch in eine stinkende Wolke.

Musikalisch vermischt sich der Drei-Viertel-Takt der Wiener Operette mit flotten Jazzelementen des amerikanischen Musicals ebenso wie mit den  zünftigen Studentenensembles. Das herrlich kitschige Liebes- duett „Deep in my heart“ sorgt für den bekannten Gänsehaut-Effekt und den einen oder anderen melancholischen Anfall, denn angelehnt an die Operetten-Tradition von Franz Lehár endet die Geschichte in Tränen. Karl Franz kehrt Jahre später als König nach Heidelberg zurück. Doch schnell wird klar: Man kann die Zeit nicht zurück- drehen. Der noch im zweiten Akt metaphorisch mit Rosenblättern übersäte
Biergarten liegt jetzt brach da. Die einst so fröhlichen Studenten haben längst geheiratet, arbeiten und haben sich nicht mehr viel zu sagen. Schade, dass diese Szene nicht eindrucksvoller dargestellt wurde, handelt es sich doch um ein Gefühl, das jeder kennt und fürchtet. Besonders als Student muss man schlucken, denn diese Szene steht für den Abschied, den jeder von uns eines Tages von Heidelberg und dem schönen, freien Studentenleben nehmen muss.                        
Weitere Aufführungstermine sind der 7. und 8. August, jeweils um 20.30 Uhr im Schlosshof. Die Lieder sind auf Englisch, die Dialoge auf Deutsch. Bei schlechtem Wetter wird die Bühne in den Königssaal verlegt. Tickets und weitere Informationen gibt es unter: www.heidelberger-schlossfestspiele.de


Chronik:
Der deutsche Schriftsteller Wilhelm Meyer-Förster veröffentlichte die zartbittere Liebesgeschichte 1899 erstmals als Roman, damals mit dem Titel Alt-Heidelberg. Schon zwei Jahre später wurde das Werk dramatisiert und avancierte zum erfolgreichsten deutschen Theaterstück der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der internationale Erfolg äußerte sich in zahlreichen Verfilmungen: eine der bekanntesten ist der Stummfilm des Regisseurs Ernst Lubitsch aus dem Jahre 1927. Der ungarische, aber damals in den USA lebende, Komponist Sigmund Romberg bearbeitete das Schauspiel erstmals musikalisch und landete mit seiner Musical-Fassung The Student Prince 1924 einen absoluten Smash Hit am New Yorker Broadway. Der Erfolg breitete sich über den gesamten Kontinent aus und schuf das bis heute so romantisch- verklärte, US-amerikanische Bild Heidelbergs. 1932 schwappte die Operette nach Deutschland über und feierte in Berlin Premiere. Das Stück konnte sich aber nicht behaupten, da dort immer noch das Original von Meyer-Förster lief. Erst 1974 war der Student Prince wieder in Deutschland zu sehen, diesmal bei den Heidelberger Schlossfestspielen, wo es sich zu dem Kultstück schlechthin entwickelte. Erst 2001 verschwand die Operette für kurze Zeit aus dem Programm und kehrte 2006 in den Schlosshof zurück.

von Ulrike Worlitz
   

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