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13.11.2007

Privatkapital für den Hörsaal

Stiftungsunis: Die Zukunft des deutschen Hochschulsystems?

Hochschulen, die sich die Rechtsform „Stiftungsuniversität“ geben, erhoffen sich davon zusätzliche Mittel privater Unternehmen und Investoren sowie mehr Gestaltungsfreiheit. Auch in Frankfurt (Oder) beschloss der Senat im September die Umwandlung in eine Stiftungsuniversität. Damit ist die Uni nicht mehr unmittelbar dem Bundesland unterstellt. An der Spitze steht ein mehrheitlich aus externen Mitgliedern bestehender Stiftungsrat, der den Haushaltsplan beschließt. Kritiker bangen nun um die Freiheit der Wissenschaft.

Hochschulen, die sich die Rechtsform „Stiftungsuniversität“ geben, erhoffen sich davon zusätzliche Mittel privater Unternehmen und Investoren sowie mehr Gestaltungsfreiheit. Auch in Frankfurt (Oder) beschloss der Senat im September die Umwandlung in eine Stiftungsuniversität. Damit ist die Uni nicht mehr unmittelbar dem Bundesland unterstellt. An der Spitze steht ein mehrheitlich aus externen Mitgliedern bestehender Stiftungsrat, der den Haushaltsplan beschließt. Kritiker bangen nun um die Freiheit der Wissenschaft.



JA

Gesine Schwan
Präsidentin der Europa-Universität, Viadrina, Frankfurt (Oder)



Stiftungsuni – was heißt das? Private Hochschulen? Studiengebühren? Ein engerer Schulterschluss zwischen Uni und Wirtschaftsunternehmen?

Für die Europa-Universität Viadrina, die gerade in eine Stiftungsuniversität umgewandelt wird, heißt es das alles nicht. Vielmehr wird diese Universität im nächsten Jahr mit ihrer Selbstverwaltungsordnung, die erhalten bleibt, einen neuen Träger bekommen: eine öffentlichrechtliche Stiftung nach brandenburgischem Recht. Deren Stiftungsrat wird weitgehend die bisherige Aufsicht durch das Wissenschaftsministerium ersetzen. Da sie weiterhin im Wesentlichen durch eine jährliche Zuwendung aus dem Brandenburger Haushalt finanziert wird, muss und will sie sich auch weiterhin dem öffentlichen Bildungsauftrag stellen. Dieser folgt aus den Erfordernissen des Landes Brandenburg, der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union insgesamt der Freiheit und Verantwortung von Wissenschaft. Sie muss und will also ihre Tätigkeit durchaus demokratisch legitimieren.

Aber die Kontrolle darüber hat für die große Entwicklungslinie nur noch das Wissenschaftsministerium. Die Ministerin wahrt einen Zustimmungsvorbehalt, wenn es zum Beispiel um den Wirtschaftsplan geht oder wenn dem Land zusätzliche Kosten oder Risiken entstehen könnten. Ansonsten ist sie eines von insgesamt neun Mitgliedern des kontrollierenden Stiftungsrats, von denen der Senat der Universität eines bestimmen und sechs weitere vorschlagen kann. Diese Mitglieder ernennt die Ministerin, ein weiteres aus eigenem Ermessen. Entscheidend bei dieser neuen Form ist die erheblich erweiterte Autonomie der Universität. Sie ist weitgehend vom Haushaltsrecht befreit, kann ihre Liegenschaften lukrativ bewirtschaften und über ihre Einnahmen befindet sie ebenfalls nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst. Da sie ihre inneruniversitären Maßnahmen nicht fortlaufend mit dem Ministerium rückkoppeln muss, können diese viel schneller verwirklicht werden. Das neue Modell räumt mehr Freiheit für Initiativen ein und ermutigt sie durch kurze Umsetzungswege. Entsprechend verlangt es jedoch auch mehr Verantwortungsbereitschaft.

Aber nur wer sich einbringt, vermag sich wirklich mit der Universität zu identifizieren. Und diese Identifikation ist wichtig, wenn eine Universität ihr Bestmögliches leisten will. Das macht nicht nur mehr Spaß. Es kommt auch dem öffentlichen Bildungsauftrag zugute.

Wegen der größeren Leistungsfähigkeit, aber auch weil das Gesetz dies begünstigt, wächst überdies die Chance einer Stiftungshochschule, zusätzliche private Finanzhilfe zu finden. Da mag die Aura des Begriffs „Stiftung“ eine Rolle spielen, aber eben auch ganz handfeste gesetzliche Vergünstigungen. Insgesamt erscheint mir deshalb unser Stiftungsmodell besonders gut geeignet zu sein, Autonomie und Verantwortung besonders erfolgsversprechend miteinander zu verbinden.



NEIN

Torsten Bultmann
Geschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftler



In der Fragestellung überlagern sich unterschiedliche zwei Diskussionen,
die es gilt, auseinander zu halten. Die Rechtsform „Stiftung“ kann im Einzelfall eine nützliche Sache sein. Niemand würde die kritische Theorie deswegen hinterfragen, weil das Frankfurter Institut für Sozialforschung 1923 von einem privaten Mäzen gestiftet wurde. Es war offenbar eine Möglichkeit, unkonventioneller Forschung den Weg zu bahnen, die im akademischen Normalbetrieb keinen Platz hatte. Ob die Stiftungsform für die Viadrina zweckmäßig ist, will ich hier daher gar nicht bewerten.

Ob es sich dabei um ein Zukunftsmodell für das deutsche Hochschulsystem handelt, ist eine gänzlich andere Frage, die eindeutig verneint werden muss. Wer sich etwa Forschungsgebiete und Sponsoren der knapp 400 Stiftungsprofessuren an deutschen Hochschulen anschaut, kommt schnell zu dem Schluss, dass es sich dabei überwiegend nicht mehr um traditionelles Mäzenatentum handelt, sondern um Investitionen der Industrie in die Hochschulforschung. Auch dies mag im Einzelfall sinnvoll sein. Bezogen auf das Hochschulsystem bedeutet es jedoch einen wachsenden und öffentlicher Kontrolle entgleitenden Einfluss mächtiger gesellschaftlicher Privatinteressen. Diese nutzen die staatliche, das heißt öffentlich finanzierte, Infrastruktur quasi als "Gratisproduktivkraft" mit, um so den Ertrag der unmittelbar privat erbrachten Investitionssumme zu vermehren. In früheren Zeiten war es die Regel, dass nach fünf Jahren privater Finanzierung eines Stiftungslehrstuhls dieser durch zusätzliche Landesmittel weiter finanziert wurde. Heute wird es zunehmend zur Praxis, dass unter Hinweis auf die "Haushaltsautonomie" die Hochschulen genötigt werden, die von den Stiftern durch befristete Finanzierung erschlossenen Forschungsgebiete durch »kostenneutrale« Umwidmung eigener Haushaltsmittel weiter zu führen. Dafür werden dann andere Wissenschaftszweige eingestellt, die im Horizont ökonomischer Verwertung als „nicht rentabel“ erscheinen. Die Stifter erhalten so einen überproportionalen Einfluss sowohl auf die fachliche Struktur der Hochschulen als auch auf die Zweckbindung öffentlicher Haushaltsmittel.

Man kann sich vorstellen, was geschieht, wenn ein von den Stiftern eingesetzter »Stiftungsrat« die Haushaltsaufstellung gleich selbst übernimmt und das Präsidium der Hochschule einsetzt, wie es derzeit an einigen niedersächsischen Hochschulen der Fall ist. In der neuen Management-Sprache ist die Stiftung eine Form von „public private partnership“ (PPP). Das klingt freundlich und unbeschwert und suggeriert eine Kooperation unter Gleichen. Der Trend geht jedoch eher dahin, dass durch PPP der öffentliche Sektor für private Interessen funktional verfügbar gemacht wird. Umgekehrt proportional nimmt der Einfluss des politischen Souveräns der Bürgerinnen und Bürger ab. Demokratietheoretisch gesprochen: Eine höchst bedenkliche Entwicklung.

von Beate Brehm
   

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