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 Wissenschaft
13.11.2007

TEAM = Toll, Ein Anderer Macht‘s

Wie „Soziales Faulenzen“ die Teamarbeit erschwert oder verbessert

Der Minimalist als LeistungstrĂ€ger, Schmarotzertum als gemeinschaftsfördernde Maßnahme? Oder ist "Social Loafing" doch vielmehr ein lĂ€stiges AlltagsphĂ€nomen. Die psychologische Forschung bringt Interessantes ans Licht.

„Ich mach’s dann halt, wenn’s keiner will“, giftet die Studentin mit dem blonden Pferdeschwanz. „Nee, nee! Also eigentlich sollte das doch der Dingsda machen, aber der ist ja wieder mal nicht da“, entgegnet ihr der Kommilitone gegenĂŒber , eine dritte Gestalt schielt hinter einem Laptop hervor und rĂŒffelt: „Das ist wieder typisch, wir machen die ganze Arbeit und der steckt unsere gute Note ein.“ Eine Standardsituation, wie sie sich tĂ€glich an Unis ereignet. Die Referatsgruppe kĂ€mpft mit  dem bekanntesten Problem der Teamarbeit: Der fehlende Kommilitone ist ein Teamschmarotzer und Trittbrettfahrer. Jemand, der gerne mal in der sozialen HĂ€ngematte schlummert und andere fĂŒr sich arbeiten lĂ€sst.

Es handelt sich um eine typische Variante des „Der-Hans-der-machtsdann-eh“- PhĂ€nomens. Ein simples menschliches Verhaltensmuster. Jeder kennt es und hat es selbst schon ausprobiert. Das beschriebene PhĂ€nomen nennt sich „Social Loafing“. Ein Fachbegriff, der in der Sozialpsychologie zu Hause ist und zu Deutsch „Soziales Faulenzen“ bedeutet. „Soziales Faulenzen beschreibt ein Verhalten, bei dem sich eine einzelne Person hinter einer Gruppe versteckt und den Anschein erweckt, diverse Leistungen zu erbringen, obwohl sie nicht erbracht werden“, erklĂ€rt Professor Joachim Funke, Leiter des Psychologischen Instituts der UniversitĂ€t Heidelberg.

Dabei ist Soziales Faulenzen etwas Universales und lĂ€sst sich weder auf eine Altersgruppe oder soziale Schicht begrenzen. Wenn wir die Möglichkeit haben, steckt in jedem von uns ein kleiner Faulenzer“, weiß Funke. Menschen versuchen  möglichst vorteilhaft durchs Leben zu kommen, auch wenn andere darunter leiden mĂŒssen. Soziales Faulenzen findet sich nicht nur in der Teamarbeit, sondern auch im alltĂ€glichen Leben: „Wenn Sie in der Straßenbahn schwarzfahren, dann betreiben Sie im Prinzip auch Soziales Faulenzen. Sie beschaffen sich auf Kosten anderer einen ‚free-ride‘“, erklĂ€rt Funke.

Warum neigen Menschen zum Sozialen Faulenzen? Eine Antwort bietet der „Ringelmann-Effekt“. In den frĂŒhen 1920er Jahren fĂŒhrte der französische Agraringenieur Maximilian Ringelmann ein Experiment zur Beurteilung der LeistungsfĂ€higkeit von Menschen in Gruppen durch. Indem er mehrere Personen so fest wie möglich an einem Seil ziehen ließ, fand er heraus, dass die Teilnehmer des Experiments alleine mehr Kraft aufbrachten, als gemeinsam in der Gruppe. Etwas, das mit dem gemeinsamen Ziehen zu tun hatte, hielt sie davon ab, ihr Bestes zu geben. Obwohl das Ringelmann-Experiment hauptsĂ€chlich Aufschluss ĂŒber die physische LeistungsfĂ€higkeit des Menschen gibt, lĂ€sst sich hier von einer Variante des Social Loafing sprechen. Es geht darum, KrĂ€fte zu sparen. Egal, ob in einer Referatsgruppe oder beim Tauziehen – wenn wir können, sparen wir unsere KrĂ€fte und es kommt zu einer sozialen Leistungshemmung.

In der Teamarbeit hat Soziales Faulenzen oft negative Folgen. Teamschmarotzer stellen eine enorme Belastung fĂŒr die Gruppe dar und können im schlimmsten Fall das Ziel des ganzen Teams zum Scheitern bringen. Die heimliche Hoffnung des einzelnen Faulenzers, die anderen werden es schon richten, bringt die restlichen Gruppenmitglieder auf die Palme: Die Aktiven fĂŒhlen sich ausgenutzt und schrauben daher ihre Anstrengungen ebenfalls zurĂŒck.

Neben dem klassischen Teamschmarotzer lassen sich noch vier weitere Teamtypen identifizieren: Mindestens genauso anstrengend wie Trittbrettfahrer sind Menschen, die die gesamte Arbeit an sich reißen und Ideen ihrer Kollegen bereits im Keim ersticken. Diese „Alphatierchen“, nehmen sich als unentbehrlich wahr und klagen spĂ€ter, die Gruppe hĂ€tte sie alleine gelassen. Weitere Teamtypen sind die BedenkentrĂ€ger, die HarmoniesĂŒchtigen und OpferlĂ€mmer. Letztere gelten auch als Teamtrottel, die meistens unliebsame Arbeiten erledigen. Wenn Teamarbeit die persönliche Leistung hemmt und zu Konflikten fĂŒhrt, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem eigentlichen Sinn von Gruppenarbeit. TatsĂ€chlich gelangen Menschen durch Kontakt und Interaktion mit Anderen zu neuen Sichtweisen und Erkenntnissen. In Gruppensituationen kann der Einzelne von den FĂ€higkeiten der anderen profitieren. „Bei Gruppenarbeit geht es immer auch um die Organisation sozialer Kompetenzen – TeamfĂ€higkeit ist heute eine SchlĂŒsselkompetenz“, sagt Joachim Funke.

FĂŒr das Soziale Faulenzen gibt es eine Lösung: das Bewusstmachen der eigenen Verantwortlichkeit fĂŒr den Gruppenerfolg. Eine Verantwortungsethik, die dem sozialen Faulenzer klar macht, dass sein Beitrag wichtig oder unabdingbar ist. Neben der persönlichen Einsicht mitverantwortlich zu sein, können aber auch Angst und Druck Trittbrettfahrer mit ins Boot holen.

Social Loafing hat aber auch gute Seiten: Oft ist es sinnvoll zurĂŒckzutreten, Menschen mit grĂ¶ĂŸerer Kompetenz den Vortritt zu lassen und damit zum Erfolg des Teams beizutragen. Doch ist das stille Erschleichen von Leistungen letztlich nicht etwas zutiefst Menschliches? Nicht nur Studenten praktizieren Soziales Faulenzen, bestĂ€tigt Funke: „Schauen Sie mal in die Gremien auf FakultĂ€tsebene, wo die Professoren sitzen. Auch hier lĂ€sst sich Soziales  Faulenzen erstaunlich gut beobachten.“


von Jenny Genzmer, Stephanie Uther
   

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