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 Hochschule
09.12.2008

Auslandssemester gestrichen

SchrÀnkt der Bachelor die MobilitÀt der Studenten ein?

Im Zuge des Bologna-Prozesses wurden in den letzten Jahren die neuen Bachelor- und MasterstudiengĂ€nge in Heidelberg eingefĂŒhrt. Ziel war unter anderem die Förderung der MobilitĂ€t der Studenten, zum Beispiel durch eine verbesserte Leistungsanerkennung an der Heimat-UniversitĂ€t. Dem stehen jedoch straffe StundenplĂ€ne gegenĂŒber, die ein Auslandssemester oftmals erschweren. Werden die neuen StudiengĂ€nge ihren Anforderungen also nicht gerecht? Verhindern sie Auslandsaufenthalte eher, als dass sie diese erleichtern?

JA

Imke Buß
Bologna-Expertin des Deutschen Akademischen Dienst (DAAD)

Es kann viele GrĂŒnde geben, warum die „neuen“ StudiengĂ€nge weniger MobilitĂ€t zulassen als die traditionellen StudiengĂ€nge. Ob dies wirklich so ist, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestellt werden, denn genaue Daten gibt es noch nicht.

Das grĂ¶ĂŸte Ziel des Bologna-Prozesses war und ist es, die MobilitĂ€t und InternationalitĂ€t zu verbessern. Der Austausch soll gestĂ€rkt und Auslandserfahrung selbstverstĂ€ndlich werden. Allein bei der Betrachtung der Bachelor- und MasterstudiengĂ€nge können jedoch viele HĂŒrden identifiziert werden, welche die MobilitĂ€t eher verhindern als fördern. So verspĂŒren viele Studierende einen sehr hohen (Zeit-)Druck in ihrem Studium. Dieser Druck wird oftmals gar nicht durch die Professoren vermittelt. Vielmehr handelt es sich um eine Stimmung in der Gesellschaft, die ein schnelles und geradliniges Studium fördert. Doch auch in den Studienordnungen angelegte Systeme bringen zeitliche Restriktionen mit sich.

So gibt es in einigen StudiengĂ€ngen Exmatrikulationsregeln, wenn nach einer bestimmten Zeit ein Prozentsatz an Credits nicht erreicht wurde. Dieser Hintergrund in Zusammenhang mit den immer noch schlechten Anerkennungsquoten macht deutlich, warum sich Studierende derzeit oft von (langen) Auslandsaufenthalten abschrecken lassen. Eine Studie des DAAD aus dem Jahr 2007 brachte alarmierende Zahlen zu Tage: nur 41 Prozent der Studienleistungen wurden vollstĂ€ndig, nur 36 Prozent teilweise anerkannt. DarĂŒber hinaus vermuteten mehr als die HĂ€lfte der Befragten, dass sich ihr Studium aufgrund des Auslandsaufenthaltes verlĂ€ngern wĂŒrde.

Neben der Anerkennungsproblematik sind weitere Hindernisse in der Konzeption der StudiengĂ€nge angelegt. So werden oftmals Module ĂŒber zwei oder mehr Semester angeboten. In einigen FĂ€llen sind diese sogar so aufeinander aufbauend, dass man ĂŒber das ganze Studium verteilt „Kettenmodule“ belegen muss, die einen Auslandsaufenthalt kaum möglich machen. DarĂŒber hinaus wird das European Credit Transfer System (ECTS) noch sehr starr gehandhabt und Instrumente wie das Learning Agreement nicht wie selbstverstĂ€ndlich zwischen der Hochschule, der Zielhochschule und den Studierenden abgeschlossen. Stellen, die zentral an einer FakultĂ€t fĂŒr Auslands-?aufenthalte und deren Anerkennung zustĂ€ndig sind haben noch keine weite Verbreitung gefunden.

Diese Faktoren können unter anderem dazu beitragen, dass Studierende sich vor einem Auslandsaufenthalt scheuen. Denn nicht nur die Anerkennung ist unsicher, auch die Möglichkeit, flexibel wĂ€hrend des Studiums ins Ausland zu gehen, ohne danach aus dem Rhythmus des Studienganges herausgerissen zu werden, ist oftmals nicht gegeben. Ein Hinweis fĂŒr die Auswirkungen der mit in der Regel drei und zwei Jahren recht kurzen StudiengĂ€nge ist die kĂŒrzer werdende Verweildauer im Ausland. Wo vor einigen Jahren ein Auslandsstudium von einem bis zwei Semestern vollkommen normal war, sind heute Aufenthalte von wenigen Wochen bis hin zu einem Semester an der Tagesordnung. In der Konsequenz sind die Erfahrungen mit der fremden Kultur in der Regel weniger intensiv und der Spracherwerb leidet. Doch war nicht genau die InternationalitĂ€t das Ziel des Bologna-Prozesses?



NEIN

Dieter Lenzen, VizeprĂ€sident der Hochschulrektorenkonferenz

„Förderung der MobilitĂ€t durch Überwindung der Hindernisse, die der FreizĂŒgigkeit in der Praxis im Wege stehen“ – neun Jahre nach der Verabschiedung dieser Kernforderung in der Bologna-ErklĂ€rung von 1999 sind die deutschen Hochschulen diesem Ziel ein gutes StĂŒck nĂ€her gekommen. Dieses gemeinsame Ziel haben die europĂ€ischen Bildungsminister in ihrem Londoner KommuniquĂ© im Mai 2007 noch einmal ausdrĂŒcklich bekrĂ€ftigt.

Das Chiffre „Bologna“ steht fĂŒr die international verstĂ€ndlichen StudienabschlĂŒsse Bachelor und Master und vor allem fĂŒr die Chance zu einer umfassenden Modernisierung aller Studienangebote. Die deutschen Hochschulen haben die Studienreform im Bologna-Prozess von Anfang an als strategischen Schwerpunkt ihrer Neuausrichtung angenommen. Sie haben sich die Ziele des Prozesses zu eigen gemacht und begreifen sie als Chance zur Internationalisierung des Studiums in einem gemeinsamen EuropĂ€ischen Hochschulraum.

Bedauerlicherweise ist die grenzĂŒberschreitende MobilitĂ€t insbesondere der Studierenden gesunken, weil innerhalb Deutschlands und Europas die Anerkennungsfragen nicht eindeutig geregelt sind und die Gleichwertigkeit der StudiengĂ€nge nicht erreicht wird. Der Umbruch der Studienstrukturen durch den Bologna-Prozess stellt fĂŒr alle Beteiligten tĂ€glich eine neue Herausforderung dar. Die MobilitĂ€tsrate ist dabei die Messlatte fĂŒr den Erfolg der Studienreform.

Doch die neuen Bachelor- und MasterstudiengÀnge erleichtern laut einer gemeinsamen Umfrage des HIS Hochschul-Informations-Systems, des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes und der Hochschulrektorenkonferenz bereits heute vielen Studierenden den Studienortswechsel sowohl innerhalb Deutschlands als auch ins Ausland.

Es gibt immer weniger strukturelle und bĂŒrokratische Hindernisse, die frĂŒher hĂ€ufig die MobilitĂ€t gebremst haben. Man kann auch die so genannte „vertikale“ MobilitĂ€t nutzen: WĂ€hrend Studierende fĂŒr das Bachelor-Studium eine Hochschule in der NĂ€he ihres Wohnortes auswĂ€hlen, zieht es Master-Studenten hĂ€ufig in die Ferne.

Klar ist, dass sich MobilitĂ€t im Bachelor-Studium trotz der Erfolge bei der Umsetzung der Bologna-Reformen und seiner Instrumente nicht von allein einstellt. An der grundsĂ€tzlichen Bereitschaft der Bachelor-Studierenden zur AuslandsmobilitĂ€t mangelt es jedenfalls nicht. Daher mĂŒssen die Anstrengungen von allen Beteiligten in diesem Bereich in Deutschland intensiviert werden, um die neuen Bachelor- und Master-Programme flexibler, vergleichbarer und internationaler zu machen. Das kann etwa durch die Schaffung von fest ins Curriculum integrierten Auslandsphasen oder der Einrichtung von Double- und Joint-Programmen geschehen.

Den Studierenden ist jedenfalls zu sagen: Wer auch an einer auslÀndischen Hochschule studiert, gewinnt auf jeden Fall. Nicht nur weil immer mehr Arbeitgeber auf solche internationalen Erfahrungen achten, sondern vor allem, weil die Zeit im Ausland ungemein bereichernd ist. Nirgendwo bekommt man so gute Einblicke in fremde LÀnder und Kulturen, wie bei einem Aufenthalt vor Ort, wo sich die enge Heimat-Perspektive relativiert.

von Stefanie Fetz
   

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