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 Hochschule
28.01.2008

Der gläserne Student

Unsere Datenspur vom FrĂĽhstĂĽck bis ins Bett

Kurz vor Jahreswechsel änderten die Macher des führenden deutschen Onlinenetzwerks StudiVZ die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese erlauben, Datenpakete der Mitglieder für Werbezecke weiterzuverkaufen. Das Unternehmen will mit dadurch endlich schwarze Zahlen schreiben.

Kurz vor Jahreswechsel ging ein Aufschrei durch die Reihen der StudiVZ-Nutzer. Die Macher des führenden Onlinenetzwerks hatten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen dahingehend geändert, dass sie es erlauben, Datenpakete der Mitglieder zu Werbezecken weiterzuverkaufen. Das Unternehmen will mit diesem Schritt endlich schwarze Zahlen schreiben.

Von „Datenklau“, „Stasimethoden“ und „völliger Kapitalisierung“ war die Rede. Dabei ist das Netzwerken per StudiVZ nicht die einzige Situation im Alltag, bei der jeder seine Daten mehr oder weniger freiwillig preisgibt.

Freiwilligkeit ist eines der wichtigsten Kriterien in der Diskussion über den Umgang mit Daten. Peter Zimmermann, Datenschutzbeauftragter Baden-Württembergs, weist auf das Grundrecht der informativen Selbstbestimmung hin – ein wichtiges Freiheitsrecht. Man kann niemanden daran hindern, die eigenen Daten, wem auch immer offenzulegen. Anders verhält es sich beim Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.

Dieses erlaubt die sechsmonatige Speicherung von Telefonverbindungsdaten, IP-Adressen und des Standortes von Mobiltelefonen zum Zeitpunkt des Anrufes. Hier kann keine persönliche Beeinflussung der Datenmenge stattfinden. Deshalb sieht Zimmermann keinen Widerspruch in der Mitgliedschaft im StudiVZ und dem kritischen Hinterfragen der neuen Gesetzgebung.

Ein gewöhnlicher Tag zeigt, wie oft wir ein Stück unserer Persönlichkeit preisgeben. Morgens nach dem Aufstehen: Nach der ersten Tasse Kaffee kann man im StudiVZ nachsehen, ob heute ein Geburtagskind mit im Seminar sitzt. Nebenher noch neue Nachrichten lesen und neue Freundschaften bestätigen.

Das StudiVZ ist die meistbesuchte deutsche Seite im Internet. Im Dezember 2007 wurde die Seite 5,3 Milliarden mal angeklickt. So interessant und informativ die Profile auch sein mögen, man darf nicht vergessen, dass die eingestellten Daten keineswegs so privat sind, wie der Einzelne annehmen mag. Jeder Internetnutzer kann auf sie zurückgreifen. Also auch der Personalchef, der über das kommende Praktikum oder den zukünftigen Traumjob entscheidet.

Caja Thimm, Kommunikationswissenschaftlerin aus Bonn, meint, dass viele Jugendliche blauäugig an diese virtuelle Öffentlichkeit herantreten. Ihrer Meinung nach fehle es vor allem an der Schulung des Problembewusstseins. Der Soziologe Jan Schmidt vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg bemerkt eine steigende Bereitschaft, im Internet persönliche Informationen preiszugeben. Je mehr Freunde dabei sind, desto größer ist der Nutzen und auch der Zwang einer Mitgliedschaft.


Neun Uhr, die Vorlesung rückt näher.

Auf dem Weg zur Uni habe ich Stifte und einen Block gekauft und dabei mit der Karte bezahlt. Betrag, Zahlungsort und Uhrzeit werden an die Bank weitergeleitet.

Kurze Verschnaufpause, auf in die Mensa.

Allmaxx und andere Firmen lauern am Eingang. Billige Rechtsschutzversicherungen gibt es heute zwischen Geschirrband und Schnitzel „Esterhazy“. Jede Versicherung behält sich vor das Wagnis abzuschätzen, das sie mit einem Neukunden eingeht. Das fast allen Anbietern offenstehende Hinweis- und Informationssystem liefert dazu passende Informationen. Die Einwilligung zum Eintrag in diese Datei ist nahezu immer Voraussetzung für einen Vertragsabschluss. Besteht der Verdacht, der Interessent sei Querulant oder notorischer Kläger, erhält dieser ein Absage.

Feierabend, jetzt noch Einkaufen.

Vorlesungen und Seminare sind vorbei. Nun einkaufen. Zum Glück gibt es die Payback-Karte. Dieses System beruht auf einem simplen Tauschgeschäft: Daten gegen Rabatte. Die verstärkte Kundenbindung ist ein lohnender Nebeneffekt. 61 Prozent der deutschen Haushalte sind bereits Payback-Kunden; mehr als die Hälfte sind Frauen. Das Geschäft, bei der die Karte ausgegeben wurde, erhält die genauesten Informationen über das individuelle Kaufverhalten: Karteninhaber, Einkaufstag, Filiale, getätigter Umsatz und das gekaufte Produkt werden registriert. Payback selbst erfährt Verkaufstag, Filiale, getätigter Umsatz und teilweise auch die Warengruppe. Dies ermöglicht es, interessante Personengruppen gezielt zu kontaktieren.

Laut Gesetz darf Payback die Daten erst zehn Jahre nach Kündigung löschen. Der Abend. Kurz E-Mails lesen und dann ab ins Bett. Kostenlose E-Mail-Anbieter wie „Googlemail“ müssen sich über Werbung finanzieren. Vor Eröffnung eines Postfachs muss der Inhaber folgendem Satz zustimmen: "Google wertet die Informationen in Ihren Nachrichten zu verschiedenen Zwecken aus, darunter (...) zur Präsentation von Werbung und zugehörigen Links, (...)."

Persönliche Daten sind ein lohnender Rohstoff, um den viele Unternehmen buhlen. Auch der Verbraucher kann davon profitieren. Doch die Horrorvision der Datenschützer, die vollständige Vernetzung und Speicherung aller oben erwähnten und noch getrennten Systeme, lässt erschaudern.



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von Thomas Heberle
   

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