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 Hochschule
02.06.2008

Senioren-Studium

Wo die Gast(hörer)freundschaft endet

In vielen Veranstaltungen wächst die Unzufriedenheit. Der Grund: überfüllte Räumlichkeiten durch Gasthörer. Doch nicht alle Beteiligten sehen in den "grauhaarigen Eminenzen" unwillkommene Bankdrücker.

In Veranstaltungen der Geschichte, Theologie und Kunstgeschichte wächst die Unzufriedenheit der Studierenden wegen überfüllter Räume durch Gasthörer. Doch nicht alle Beteiligten sehen in den "grauhaarigen Eminenzen" unwillkommene Bankdrücker.

"Soll ich mich für 600 Euro auf die Treppe hocken, während sich ein Senior für vielleicht 100 Euro auf den Bänken breitmacht?", empört sich Geschichtsstudentin Daniela. Wieder einmal ist die dominierende Haarfarbe in den ersten acht Reihen Weiß. Dennoch: Zweihundert der über 50-Jährigen beanspruchen zu Recht ihren Platz als ordentliche Studierende der Universität Heidelberg.

Bei der Mehrheit handelt es sich aber um Gasthörer. 80 Prozent der insgesamt 555 gemeldeten Zuhörer sind laut Statistik der Univerwaltung im Seniorenalter. Vorlesungen in Geschichte, Theologie oder Kunstgeschichte zählen dort zu den Beliebtesten und sind daher oft überfüllt.

Gasthörer kann jeder werden, der eine weiterführende Schule besucht oder eine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Dafür zahlen sie bis zu 102 Euro im Semester. Was viele nicht wissen: "Gasthörer sind keine Mitglieder der Uni", so Alexander Bonath, der in der Univerwaltung für Zulassungsverfahren zuständig ist. Zudem dürfen sie nur Vorlesungen besuchen. Maximum sind zehn Stunden pro Woche.

Bildungshungrige Gasthörer

In der Realität sieht das anders aus. Gasthörerin Ingrid, 50 Jahre, ist sich zwar bewusst, dass sie mit 14 Stunden pro Woche das Limit überschreitet. Da sie aber weiter entfernt wohnt, will sie an ihren beiden "Uni-Tagen" möglichst viele Veranstaltungen besuchen. Zusätzlich nimmt sie aber noch an zwei Seminaren teil – mit Einwilligung der Dozenten.

Nicht alle Professoren sind den interessierten Senioren gegenüber so offen. Sogar eingeschriebenen Fachangehörigen bleibt das mitunter verwehrt. "Wenn sich ein Gasthörer in den Lostopf um die heiß umkämpften Seminarplätze schmuggelt, geht die Offenheit zu weit", meint Student Fabian. Jeder Gasthörer, egal ob Jung oder Alt, nimmt, seiner Ansicht nach den Immatrikulierten die Chance auf den für den Abschluss benötigten Schein.

"Lebensgeschichten nerven"

Zusätzlich entsteht Unverständnis, wenn man selbst auf der Treppe sitzt und Gasthörern auf den Bänken beim Schlafen zusieht. Eine ältere Gasthörerin forderte die Geschichtsstudentin Daniela sogar einmal auf, ihren Sitzplatz zu räumen. Die Begründung: "aus Respekt dem Alter gegenüber".

Steffi, die Theologie und Germanistik studiert, nennt einen weiteren Konfliktherd: "Gasthörer erzählen ständig ihre Lebensgeschichte. Das nervt. Die müssen keine Scheine machen und haben Zeit, die ich durch finanziellen Druck nicht habe." Die verärgerten Studenten fragen sich, was in dieser Situation getan werden kann. "Seitens der Studienverwaltung gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten", so Alexander Bonath. Andreas Barz, Dezernatsleiter für Studium und Lehre, verweist darauf, dass nur die Fakultäten handeln können.

Kein Miteinander der Generationen


Professor Thomas Maissen, der eine der voll besetzten Geschichtsvorlesungen hält, ahnt ein gewisses Unbehagen seitens der immatrikulierten Studenten. Ihm gegenüber habe sich jedoch noch keiner beschwert. Der Geschichtsprofessor hat mit den Senioren nur gute Erfahrungen gemacht: "Es sind interessierte Hörer, die Lebenserfahrung mitbringen und einiges gelesen haben, was sie dann auch nach der Vorlesung gelegentlich ergänzen oder korrigieren, aber stets sehr zurückhaltend."

Auch Steffi hat nichts gegen Gasthörer: "Ich finde es gut, wenn ältere Menschen sich noch weiterbilden." Ihre Kommilitonin Franziska ist der Meinung, dass die Studenten vom großen Allgemeinwissen der älteren Gasthörer profitieren können.

Ein wirklicher Austausch zwischen den Generationen finde dennoch nicht statt. Liegen die Lebenswelten dafür zu weit auseinander? Ein Gegenbeispiel sind Max und Luise. Die beiden Gasthörer sind über 70 und besuchen seit Jahren Veranstaltungen in Politik und Geschichte. Entgegen vorherrschender Klischees ist das Ehepaar keineswegs verbohrt. Sie sind offen und interessiert und zitieren mehrfach in englischer Sprache.

Lebenserfahrung? Unerwünscht.

Gemeinsame Diskussionsrunden im Anschluss an Vorlesungen könnten eine Möglichkeit sein, diesen Austausch zu fördern. Maissen hat diesbezüglich noch eine andere Idee: "Der Bereich, in dem Gasthörer mit akademischem Hintergrund wohl am ehesten hilfreich sein könnten, wäre eine Beratung im Hinblick auf Berufswahl, Praktika, das reale Leben nach dem Studium. Allerdings sind Bereitschaft und Zeit dafür bei den Gasthörern wohl eher vorhanden als bei den Studierenden."  

von Stefanie Fetz, Melanie Schork
   

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