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 Feuilleton
05.05.2008

Gans großer Unfug

„Ein Teil der Gans“: Was soll der Dildo im Hintergrund?

Geht es beim Sankt-Martinsfest um Gänsebraten oder um uneigennütziges Teilen? Unter welchen Voraussetzungen geben wir heute überhaupt noch von unserem hart erkämpften Wohlstand ab?

Geht es beim Sankt-Martinsfest um Gänsebraten oder um uneigennütziges Teilen? Unter welchen Voraussetzungen geben wir heute überhaupt noch von unserem hart erkämpften Wohlstand ab? „Ein Teil der Gans“ von Martin Heckmann, seit April im Heidelberger Zwinger-Theater zu sehen, will sich diesen Fragen nähern und scheitert dabei letztlich an der ständigen Destruktion der eigenen Antworten.

Bettina (Ute Baggeröhr) und Victor (Holger Stockhaus) erwarten am Martinsabend Besuch: Bettinas potentiellen neuen Arbeitgeber Amin (Florian Hertweck) mit Ehefrau Tara (Monika Wiedemer). Bettina braucht den Job als Empfangsdame in einem Hotel, um das eigene Häuschen abzubezahlen. Noch bevor der Besuch sich einstellt, taucht jedoch ein dunkelhäutiger Skin vor der Türe auf. „Max“, so stellt er sich vor, behauptet, eine Autopanne gehabt zu haben. Aus Angst vor einer Störung des perfekten Abendessens verbannt ihn Bettina jedoch in den Garten, wo ihn Amin später schließlich entdeckt und doch ins Haus lässt.

Gesellschaftskritik durch abstrusen Klamauk

Private und gesellschaftliche Konflikte dieser Konstellation liegen auf der Hand: Bettinas verzweifeltes Buhlen um Amins Gunst, die unangenehmen Gesprächspausen beim Abendessen unter Fremden, das Aufeinanderprallen von überzogener Gastfreundlichkeit und Fremdenhass. Leider will Regisseurin Mareike Mikat all das und mehr in nur hundert Minuten darstellen. In hektischen Szenenwechseln, heillos überladen mit gesellschaftskritischen Anspielungen, wirkt keine Szene in ihrer Symbolik konsequent, kann kein Motiv wirken.

Stattdessen verliert sich das rasante Stück in abstrusem Klamauk: Keine Requisite bleibt ungenutzt; Plastikpistolen, rasche Kostümwechsel, ekstatischer Tanz zu Rapmusik von „Azad“ oder blinde Zerstörung des Bühnenbildes führen dazu, dass die angedeuteten Charaktereigenschaften der Figuren und die Aussagen einzelner Szenen immer wieder wie Seifenblasen zerplatzen, ohne dass sich ein schlüssiges Gesamtkonzept entwickelt.

Die Sankt-Martinsfrage

So geht auch die überraschende Wendung des Stücks im Feuerwerk der Effekte unter: Amin und Tara stellen sich als Asylbewerber heraus, „Sie haben Ihre Zeit gehabt. Jetzt sind andere dran,“ schreit Amin. Der eben noch gastlich bewirtet wurde, will jetzt „ein Stück vom Glück“ und macht deutlich, dass sich die Sankt-Martinsfrage heute nicht nach einem Stück Gänsebraten stellt.

Schade, dass im nächsten Moment die große, blutige Prügelei zwischenihm und Victor losbricht und niemandem  die Zeit bleibt, diesen Gedanken auch zu Ende zu denken. Dass im Hintergrund des Bühnenbildes zum Schluss ein mannsgroßer Dildo zu entdecken ist, stört da auch nicht mehr.

von Beate Brehm
   

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