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 Heidelberg
04.11.2008

ruprecht-Serie: Die RAF und Heidelberg

Von der Studentenbewegung zur „zweiten Generation“

Dieser Tage flimmert der „Baader-Meinhof-Komplex“ über die Leinwände. Einige wichtige Kapitel dieser Geschichte wurden in Heidelberg geschrieben. Der erste Teil der ruprecht-Serie über die RAF und Heidelberg.

Dieser Tage flimmert die Geschichte des „Baader-Meinhof-Komplex“ über die Leinwände. Was wohl kaum ein Zuschauer weiß: einige wichtige Kapitel dieser Geschichte wurden in Heidelberg geschrieben. Der erste Teil der ruprecht-Serie über die RAF und Heidelberg.

Heidelberg in den frühen 70er-Jahren: Die lautstarken Studentenproteste auf den Straßen flauen ab. Die linke Studentenschaft unter Führung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) spaltet sich in Splittergruppen. Der Psychologie-Professor Peter Brückner beschwört die versammelten Studenten auf dem Marktplatz „nicht die Wut zu verlieren“.

„Trotz allem blieb die vorherrschende Stimmung an der Universität anti-staatlich“, erzählt Dietrich Hildebrandt, ein Wortführer der Heidelberger Studentenbewegung. Ihn verschlägt es nach der Auflösung des SDS am 24. Juni 1970 in die KHG, damals die Abkürzung für die „Kommunistische Hochschulgruppe“. Andere wählen radikalere Wege.

Die kranke Gesellschaft abschaffen

Wolfgang Huber, Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik der Universität, gründet im Frühjahr 1970 das „Sozialistische Patientenkollektiv“ (SPK). Hubers therapeutischer Ansatz: „Aus der Krankheit eine Waffe machen!“ Nicht die Patienten sind krank, sondern die kapitalistische Gesellschaft. „Es darf keine therapeutische Tat geben, die nicht als revolutionäre Tat ausgewiesen worden ist“, formuliert Huber. Und so kann es nur eine kausale Therapie geben, die „Abschaffung der krankmachenden privatwirtschaftlich-patriarchalischen Gesellschaft“.

Mitten in Heidelberg, in der Rohrbacher Straße 12, nehmen über 500 Menschen an Hubers therapeutischen Arbeitskreisen teil, darunter viele Studenten. Die politischen Verbindungen zur linken Studentenszene reißen indes bald ab, berichtet der damalige AStA-Vorsitzende Hildebrandt. Trotz ihrer gemeinsamen Herkunft aus der Studentenbewegung wird das SPK für andere linke Gruppierungen zunehmend zur „politischen Konkurrenz“.

Ministerium streicht dem Kollektiv die Unterstützung

Finanziert wird das Therapieangebot des „Kollektivs“ anfänglich von der Universität. Nach Protesten der linken Studentenschaft hatte die Uni die Mietkosten und Hubers Gehalt übernommen. Konservativen Kreisen bleibt das SPK jedoch ein Dorn im Auge. Schon im Herbst 1970 untersagt Kultusminister Wilhelm Hahn dem Heidelberger Rektorat die Unterstützung der Gruppe.

Unter diesem Druck radikalisiert sich das SPK zusehends. Arbeitskreise wie der „AK Sprengtechnik“ werden gebildet. Kaum ein Jahr nach der Gründung steht das Kollektiv im Verdacht, die RAF zu unterstützen. Im Sommer 1971 geht die Staatsmacht in die Offensive. Mehrere Mitglieder und Huber werden verhaftet, Waffen und Sprengstoff entdeckt, das SPK aufgelöst.

Patienten werden zu Geiselnehmern

„Wenn wir umzingelt sind, entweichen wir“ heißt es im letzten Flugblatt, das mit „RAF-Heidelberg“ signiert ist. Und tatsächlich bilden die Überreste des SPK ein ertragreiches Rekrutierungsfeld für die RAF. Mehr als zehn SPK-Mitglieder stoßen zu der Gruppe, die bald darauf zur sogenannten „zweiten Generation“ im „bewaffneten Volkskrieg“ der RAF werden sollte.

Vier von ihnen – Siegfried Hausner, Lutz Taufer, Hanna Krabbe und Ulrich Wessel – überfallen 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm. Vier „Patienten“ aus der Rohrbacher Straße 12.

von Andreas Hofem
   

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