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 Wissenschaft
26.12.2010

Medienmasche Nanotechnologie

Wie Gentechnik als Nanotechnologie präsentiert wird

Grafik: Spiffistan / Wikimedia Commons

Die deutschen Medien reden vom „Nano-Hype“, während es für die Gentechnik gleichzeitig Kritik hagelt. Aber was, wenn „Nano“ und „Gen“ viel miteinander gemeinsam haben? Dann wird das eine mit dem anderen verwechselt. Manchmal auch absichtlich.

Nanotechnologie wird von Politikern, Forschern und Industrie als die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Sie befasst sich mit den Wechselwirkungen von künstlich hergestellten Partikeln, die kleiner als 50 Nanometer sind. Diese Größendimension umspannt die Ausmaße von größeren Molekülen bis hin zu einzelnen Atomen. Forscher fasziniert es, dass Stoffe wie Wasser oder Metalle neue und oft unvorhergesehene Eigenschaften zeigen, wenn sie auf Partikel dieser Größenordnung reduziert werden.

Innerhalb der Medien genießt die Nanotechnologie einen guten Ruf, im Gegensatz zu der Atomenergie oder der Gentechnik. Eine Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zum Thema „Wahrnehmung der Nanotechnologie in der Bevölkerung“ zeigt, dass auch die Meinung innerhalb eines breiten Laienpublikums als relativ enthusiastisch zu bewerten ist.

Die Studie des BfR macht auch deutlich, dass die positive Wahrnehmung der Nanotechnologie mit einer mangelnden Aufklärung zum Thema einhergeht, ähnlich wie manche Abneigungen und Ängste gegenüber der Gentechnik von einer mangelnden Kenntnis der wissenschaftlichen Hintergründe herrühren. Forschung und Industrie halten die positive Wahrnehmung der Nanotechnologie für eine gute Grundlage, um eine fachgerichtete Aufklärung und Diskussion zu entfachen. Allerdings birgt das gute Image auch die Gefahr einer Verschleierung und Manipulation.

Das Besondere an der Nanotechnologie ist, dass sie als Fachrichtung sowohl in der Theorie als auch in der Praxis die Grenzen der naturwissenschaftlichen Disziplinen einreißt. Anwendungsgebiete umfassen Autolacke und Mikroprozessoren, Lebensmittelzusätze und Arzneimitteloptimierung, Gentherapie und Entwicklung von extrem belastbaren Materialien.

An sich hat die Naturwissenschaft schon wesentlich früher Nanotechnologie betrieben, ohne sie so zu nennen. Die Wirkung eines jeden Medikaments im Körper findet im Nanomaßstab statt, doch erst das Aufkommen von leistungsstarken optischen Verfahren machte es möglich, diese Vorgänge im Mikrokosmos auch aufzulösen. Entscheidend für die Forscher heute ist also, dass sie viele bereits bekannte Prozesse nun aus einer feineren Perspektive wahrnehmen. Aus dieser Nano-Perspektive heraus ist es dann auch möglich, gezielter neue Erkenntnisse zu sammeln, sowie innovative Techniken zu entwickeln.

Als Tausendsassa bildet die Nanotechnologie daher Überlappungen mit der Chemie, der Physik oder der Molekularbiologie, wodurch manche ihrer Aspekte nur ein Haarbreit von der Gentechnik entfernt sind. Unter Gentechnik fällt ein breites Spektrum an molekularbiologischen Methoden, mit denen Forscher gezielt das Erbgut DNS und die aus ihnen entstehenden Proteine markieren, isolieren, verändern, manipulieren und synthetisieren. DNS und Proteine sind beide Moleküle, die von ihrer Größe in den Nanobereich einzustufen sind. Außerdem hat sich die Molekularbiologie soweit entwickelt, dass sie mittlerweile anfängt, künstlich hergestellte Proteine und DNS – oder Nanopartikel – als Werkzeuge einzusetzen, anstatt wie früher ausschließlich mit in biologischen Systemen vorkommender DNS und Proteinen zu arbeiten.

In Anbetracht dieser inhaltlichen Überschneidungen stellt sich nun die Frage, ob nicht das positive Image der Nanotechnologie genutzt werden kann, um wissenschaftliche Inhalte zu vermitteln, die früher unter Gentechnik gefallen wären. Für die Präsenz von Gentechnik in den Medien wäre diese Neuetikettierung zweifelsohne ein Gewinn, doch wird diese Taktik auch angewendet? Medien, die an ein breites Publikum gerichtet sind, fokussieren sich oft auf die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten, wobei die Schnittstellen zwischen Biologie und Nanotechnologie nur selten Erwähnung finden.

Bei PR-Artikeln von Biotechfirmen oder Pharmakonzernen sieht es da schon anders aus. Ein beliebtes Thema ist eine Form der Krebstherapie mit sogenannten Nanocarriern. Bei diesen handelt es sich um kleine Pakete, die natürlich vorkommenden Transporteinheiten von Zellen nachempfunden sind und deswegen besonders leicht in jene Zellen einzudringen vermögen. Verschwiegen wird jedoch, dass die in den Nanocarriern geladenen Wirkstoffe meist gezielt gegen die DNS und RNS der Tumorzellen, sprich ihr genetisches Profil gerichtet sind. Moderne zielgerichtete Krebstherapie ist daher von der Genetik nicht zu trennen. Bayer-Schering, das umsatzstärkste deutsche Pharmaunternehmen, sowie Boehringer Ingelheim mit dem zweithöchsten Umsatz in Deutschland investieren beide in diese Technik.

Eine dreistere Verschleierung findet sich bei Sanofi-Aventis, eines der umsatzstärksten Pharmaunternehmen der Welt. Dort wird in einem Artikel über Nanomedizin eine Technologie beschrieben, mit der Sanofi-Aventis es geschafft habe, das Herzgewebe von Patienten mit Herzklappenmissbildungen nachwachsen zu lassen, indem sie die körpereigenen Zellen zur Regeneration anregen.

Allerdings handelt es sich bei dieser wissenschaftlichen Methodik nicht um Nanotechnologie, sondern um Epigenetik – einer Spielart der Genetik. „Hinter dem rasanten Wachstum der Nanotechnologie erkennt man unschwer eine Umbenennung etablierter Forschungsfelder“ schreibt auch der Philosoph Joachim Schummer in seinem Essay „Vormoderner Populismus im futuristischen Gewand“. Der Essay erschien im Spiegel. Inwiefern diese Umbenennung in den Medien quantitativ zu einer Verschleierung von verruchten Forschungsfeldern wie der Genetik benutzt wird, ist bisher kaum erforscht. Überhaupt ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Nanotechnologie noch viel zu wenig verbreitet.

von Xiolai Mu
   

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