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 Heidelberg
12.07.2011

Kosmodrom vor dem Aus

Eine EU-Richtline gefährdet die Existenz des neuen Kulturzentrums

Kosmodrom

Kosmodrom

Im März öffnete das Kulturzentrum Kosmodrom im Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund. Der benachbarte Klebstoffhersteller Henkel-Teroson hat jetzt Einspruch gegen die weitere Nutzung eingelegt, da man mit gefährlichen Stoffen arbeitet. Eine Lösung des Konfliktes scheint nicht unmöglich.

„Seid ihr gut drauf?“ fragt „Blazer“ in die Halle. Das Geschrei des Publikums ist vermutlich als positive Antwort zu werten. Mit einem Mix aus Beatbox und Techno schafft es der selbsternannte „Vocal DJ“, die vornehmlich jugendlichen Zuhörer zu begeistern. „Blazer“ ist einer von sechs Künstlern, die an diesem Abend im Heidelberger Kulturzentrum Kosmodrom auftreten

Dort findet zum zweiten Mal die Nachwuchsveranstaltung „Rampensau“ statt, bei der junge Nachwuchsmusiker aus der Region ihr Können unter Beweis stellen. „Blazer“ ist zum ersten Mal dabei: „Das Kosmodrom ist besonders für junge Künstler eine coole Sache“, sagt er, „Sowas gibt es in Heidelberg in der Form noch nicht.“ Doch es könnte bereits sein letzter Auftritt im Kosmodrom gewesen sein.

Erst Ende März eröffnete das Kulturzentrum in einer ehemaligen Fabrikhalle im Industrieviertel des Pfaffengrund. Seither gab es viele Konzerte, Workshops und Partys. Nebenan befindet sich jedoch der Klebstoffhersteller Henkel-Teroson, der gegen die Nutzung des Kulturzentrums Einspruch eingelegt hat. Henkel arbeitet mit gefährlichen Chemikalien, deren Gebrauch unter die „Störfallverordnung“ der Europäischen Union fällt. Diese fordert einen „angemessenen Abstand“ zwischen bestimmten Unternehmen und öffentlich genutzten Gebäuden. Was mit einem „angemessenen Abstand“ gemeint ist, erwähnt die Verordnung nicht.

„Diese Richtline war vorher nie ein Thema“, sagt Fabian Zehnig. Fabian ist Mitglied des Vereins „Spielraum“, der das Kosmodrom betreibt. Im April 2010 haben er und einige andere Mitglieder des „Spielraum“ die ehemalige Fabrikhalle in der Siemensstraße 40 zum ersten Mal betreten: „Damals war das hier nur ein leerer großer Raum.“ Viele freiwillige Helfer bauten die Halle um und gestalteten sie neu.

Der Aufwand hat sich gelohnt. Der Konzertsaal des Kosmodrom besticht besonders durch seine Ausstattung: Bühnenbild, Beleuchtung und Dekoration sind gut aufeinander abgestimmt. Auf kleinen Stehtischen kann man seine Getränke abstellen, die eine oder andere Couch sorgt für Entspannung von schweißtreibenden Tanzeinlagen. Dazu kommen noch eine großzügig ausgestatte Bar, ein kleines Kassenhäuschen und eine Garderobe. Dass der Großteil der Wände dabei nur aus dünnen Holzplatten besteht, fällt nicht weiter auf.

Viele der Baumaterialien mussten sie aus eigener Tasche bezahlen, eine neue Musikanlage konnte erst einmal nur auf Raten finanziert werden, erzählt Fabian weiter. Zur Eröffnung Ende März kamen knapp 200 Leute in die frisch renovierte Fabrikhalle. Seitdem gibt es pro Monat um die zehn Veranstaltungen. Tendenz steigend. „Gerade in letzter Zeit kamen immer mehr Gäste zu uns.“ Schon im Februar haben sie die Nutzungsänderung für die Fabrikhalle beantragt.

Im Zuge des Verfahrens mussten alle Nachbarn befragt werden, ob sie Einwände gegen das Kulturzentrum haben. Niemand hatte Probleme damit – bis auf Henkel-Teroson. Das Unternehmen legte erst Einspruch bei der Stadt ein, dem dann das Regierungspräsidium in Karlsruhe stattgab. Der ruprecht wollte von Henkel genauer wissen, warum sie Einspruch einlegten. Eine Antwort lag bis Redaktionsschluss nicht vor.

Die Zukunft des Kosmodrom ist damit ungewiss. Fabian betont: „Wir wollen auf keinen Fall Öl ins Feuer gießen.“ Er hofft auf eine gütliche Einigung mit Henkel. Dabei setzt er viel Vertrauen in die Stadt Heidelberg und ihren Beauftragten für Kultur- und Kreativwirtschaft, Frank Zumbruch, der das Kulturzentrum stets unterstützt hat.

Auch Zumbruch möchte auf jeden Fall die Schließung des Kosmodrom vermeiden. Derzeit wird das Thema in der Stadtverwaltung mit größter Aufmerksamkeit bedacht. Sogar Oberbürgermeister Eckart Würzner hat sich eingeschaltet. „Wir wollen alle unbedingt eine positive Lösung erreichen,“ so Zumbruch. Die Stadt will zwischen den Parteien vermitteln. Neue geeignete Räume zu suchen sei für ihn die „ultima ratio“.

Wer wie zwischen wem vermittelt ist „Blazer“ egal. Wichtig sei nur, dass dabei eine Lösung herauskommt. „Wenn das Kosmodrom schließen müsste, wäre das sicherlich das Schlechteste für alle Beteiligten.“ Inzwischen ertönen aus der Halle wieder laute Bässe, eine Band aus Ludwigshafen hat angefangen zu spielen. „Blazer“ verabschiedet sich, um der erneut tobenden Masse beizuwohnen.

von Michael Graupner
   

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