Dies ist ein Archiv der ruprecht-Webseiten, wie sie bis zum 12.10.2013 bestanden. Die aktuelle Seite findet sich auf https://www.ruprecht.de

ruprecht-Logo Banner
ruprecht/Schlagloch-doppelkeks-Jubiläum
Am 13.10. feiern wir 25 Jahre ruprecht/Schlagloch und 10 Jahre doppelkeks [...mehr]
ruprecht auf Facebook
Der aktuelle ruprecht
ruprecht vor 10 Jahren
Andere Studizeitungen
ruprechts Liste von Studierendenzeitungen im deutschsprachigen Raum
ruprecht-RSS
ruprecht-Nachrichten per RSS-Feed
 Feuilleton
20.05.2011

Recht glücklich

Beim Einsatz verdeckter Ermittler kontrolliert die Polizei sich selbst

Der Einsatz Verdeckter Ermittler greift tief in die Persönlichkeitsrechte Betroffener ein und unterliegt keiner unabhängigen Kontrolle. Ausgerechnet die Behörde, die einen Einsatz durchführt entscheidet, ob er überprüft werden darf.

Die Studierenden, die von Simon Brenner observiert worden sind, haben Glück gehabt. Denn erst die Enttarnung ihres vermeintlichen Freunds und Mitstreiters als Polizisten gibt ihnen die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Einsatzes überprüfen zu lassen und damit ihre Rechte vor Gericht zu verfolgen. 

Die Möglichkeit jedes Bürgers, seine Rechte gegen staatliches Handeln zu verteidigen, gehört zu den unverzichtbaren Grundsätzen unseres Rechtsstaats. Er macht die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz überhaupt erst durchsetzbar und bildet so den „Schlussstein im Gewölbe des Rechtsstaats“, wie der Staatsrechtler Richard Thoma die in Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes festgelegte Rechtsweggarantie nannte. Hier liegt zugleich eine Absage an das alte Verständnis vom Untertan als dem Staat Unterworfenen. Vor Gericht stehen sich Staat und Bürger auf Augenhöhe gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht sieht deshalb mit der Rechtsschutzgarantie die „Selbstherrlichkeit der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger beseitigt“. 

Der Bürger kann sich gegen die Verletzung seiner Rechte logischerweise erst zur Wehr setzen, wenn er von der Verletzung weiß. Dies ist beim Einsatz Verdeckter Ermittler zunächst einmal nicht der Fall. Der Sinn liegt gerade darin, dass der Betroffene den Einsatz nicht bemerkt. 

Verdeckte Ermittler greifen auf schwerwiegende Weise in die Grundrechte Betroffener ein. Mit dem notwendigen Vertrauen kann ein Verdeckter Ermittler in eine Lebenssphäre des Bürgers vordringen, die dessen sensibelste Aspekte der Persönlichkeitsentfaltung umfasst und deshalb als Ausdruck der Menschenwürde vom Grundgesetz als unantastbar geschützt wird. Er kann dessen Wohnung betreten und mit ihm vertrauliche Gespräche führen, ohne dass der Betroffene weiß, mit wem er es tatsächlich zu tun hat. Der Bürger kann nicht mehr selbst bestimmen, was er dem Staat offenbart.

Dadurch sind nicht nur die Meinungsfreiheit und das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung betroffen, sondern auch der rechtsstaatlich ebenfalls zentrale „nemo tenetur“-Grundsatz, demzufolge niemand gezwungen werden darf, sich strafrechtlich selbst zu belasten. Unbeachtet bleibt auch der grundgesetzliche Anspruch auf rechtliches Gehör.

Diese rechtsstaatlichen Probleme sind keine Eigenart Verdeckter Ermittler. Sie stellen sich letztlich bei allen heimlichen oder spontan notwendigen Ermittlungsmethoden wie etwa der heimlichen Tonüberwachung und -aufzeichnung in privaten Wohnungen. Die dabei auftretenden Rechschutzdefizite sollen in der Regel durch besondere Verfahren ausgeglichen werden.

Ein zentrales Instrument ist hierfür der Richtervorbehalt, also die Anordnung der jeweiligen Maßnahme durch einen Richter. Er ist für die Untersuchungshaft in Artikel 104 und für den Lauschangriff in Artikel 13 direkt im Grundgesetz niedergelegt und wird daneben in zahlreichen Gesetzen auch anderen heimlichen Ermittlungsmethoden vorgeschaltet. Mit dem Richtervorbehalt wird die Entscheidung über den jeweiligen Einsatz an eine unabhängige, strikt dem Gesetz unterworfene Instanz überantwortet, die den Grundrechten des Betroffenen besser Rechnung tragen können soll als die von ihrem Ermittlungsinteresse geleiteten Polizeibehörden oder die Nachrichtendienste. Letztere sind außerdem verpflichtet, ihre Aktivitäten an mit Abgeordneten besetzte parlamentarische Kontrollgruppen im Bundestag und in den Landtagen zu melden. 

Im Polizeirecht von Baden-Württemberg sind für den Einsatz Verdeckter Ermittler keine unabhängige Kontrollmechanismen erforderlich. Ãœber seine Anordnung entscheidet der Leiter der jeweiligen Polizeibehörde selbst. 

Ob ein derartiger Einsatz rechtlich überprüft, ja überhaupt öffentlich wird, hängt damit paradoxerweise ausgerechnet von der Instanz ab, die ihn anordnet und durchführt. Je deutlicher ein verdeckter Einsatz gegen die Gesetze verstößt, desto größer wird das Interesse der Polizei, ihre Verfehlung auch weiterhin geheim zu halten. Die den Rechtsstaat erst begründende Bindung der Verwaltung an das Recht läuft mangels unabhängiger Kontrolle ins Leere. Gesetzliche Beschränkungen können noch so eng sein, im toten Winkel des Rechtsstaats werden sie zur bloßen Makulatur. 

Ob die betroffenen Bürger ihre Rechte verfolgen können, hängt dann im schlimmsten Fall davon ab, ob der jeweilige Einsatz zufällig aufgedeckt wird. Mit anderen Worten: vom Glück.

von Max Mayer
   

Archiv Movies 2024 | 2023 | 2022 | 2021 | 2020 | 2019 | 2018 | 2017 | 2016 | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 | 2010 | 2009 | 2008 | 2007 | 2006 | 2005 | 2004