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 Wissenschaft
16.11.2011

Zellen auf der Rennbahn

Heidelberger Forscher suchen schnellste Zelle

Die Zellen beim „World Cell Race“ auf ihren Bahnen aus Fibronektin. Foto: Manuel Théry

Eingesetztes Phasenkontrastmikroskop im Nikon Imaging Center. Foto: Remmer Janssen

Einhundert Teilnehmer, sechs Rennstrecken auf der ganzen Welt, eine Distanz von 0,1 Millimeter und kein 
gemeinsames Ziel. So sieht das internationale Zellenrennen aus.

Unbeachtet von Sportbegeisterten fiel in Heidelberg der Startschuss für einen außergewöhnlichen Wettlauf: Zellen von Mensch, Maus und anderen Tieren traten auf einer Strecke von einem Zehntel Millimeter gegeneinander an. Die Grundlage bildeten schmale, parallele Rennspuren aus Fibronektin, ein Protein, das Zellen aktive Ortsveränderung ermöglicht – sogenannte Zellmigration. Dazu sprießen aus den Zellen Fortsätze, die der Fortbewegung dienen. Mit modernen Lichtmikroskopen werden diese Bewegungen aufgenommen, wobei allein in einer Nacht eine Datenmenge von 70 Gigabyte entstand. 

Neben Heidelberg nahm am „World Cell Race“ auch Labore in San Francisco, Boston, London, Paris und Singapur teil. Die Suche nach der schnellsten Zelle unter den 100 Teilnehmern ist zwar abgeschlossen, aber die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht.

Die Idee zum „World Cell Race“ stammt vom französischen Biophysiker Manuel Théry aus Grenoble, der sich seit längerem mit Zellmigration beschäftigt. Die Umsetzung ist vor allem den beteiligten Instituten und Partnern aus der Wirtschaft zu verdanken. Dazu gehören das Heidelberg Bioquant und das angelagerte Nikon Imaging Center (NIC) der Uni Heidelberg, welches vom japanischen Optik-Unternehmen Nikon gefördert wird.

"Ein Grund für die Teilnahme war der Spaß am Projekt", sagt der zuständige Projektleiter Holger Erfle, Leiter der RNAi Screening Facility. Andererseits zeichne sich diese Forschung dadurch aus, dass in einem standardisierten Verfahren die Geschwindigkeit von 100 Zellen festgestellt werden konnte. "Im menschlichen Körper gibt es eine viel zu hohe Anzahl von Parametern", sagt NIC-Direktorin Ulrike Engel. So könnte dieses Projekt der Krebsforschung helfen, da entartete Zellen sich schneller fortbewegen als normale Zellen und so Metastasen bilden.

Erfle sieht hier jedoch keine Möglichkeit zur direkten Anwendung. Die Geschwindigkeit unter Standardbedingungen im Labor lasse sich nicht mit der im Körper vergleichen. Es gebe jedoch die Möglichkeit des Ausweitens: Man könne weniger Zellen verwenden und zugleich ein RNA-Screening anwenden.

Bei einer internen Auswertung ist den beiden Forschern eine Zelle aufgefallen, die im ständigen Wechsel rollte, sich anheftete und wieder rollte. Eine ungewöhnliche, aber schnelle Fortbewegungsart. Bei Fibroblasten, Bindegewebszellen, die unter anderem selbst Fibronektin synthetisieren, konnten sie dagegen eine stärkere Kraft zur Anheftung - genannt Adhäsion - beobachten, die zur Verlangsamung der Zelle führte.

Als schnellste Zellen werden in der Fachwelt derzeit die neutrophilen Granulozyten gehandelt, doch Erfle zweifelt daran. Zwar seien diese Zellen im Körper in der Immunantwort zu einer schnellen, gerichteten Bewegung fähig, aber im Versuch fehle der Stimulus für die gerichtete Bewegung. Dabei war es jedoch unerheblich, in welche Richtung sich die Zellen bewegten. So sind einige Zellen sogar rückwärts gelaufen und könnten trotzdem Sieger werden.

Im Gegensatz zu regulären Sportarten, ist den Forschern Doping beim Zellrennen durchaus erlaubt: Gentechnisch veränderte Zellen, die Proteine überexprimieren, könnten sich schneller bewegen. Somit lasse sich feststellen, welche Gene für Proteine codieren, die die Zellmigration steuern.

Ãœbrigens erhält nicht nur die schnellste Zelle eine Ehrung, sondern auch die Langsamste. Diese werden auf der Siegerehrung im Dezember bekannt gegeben, die auf der alljährlichen Tagung der Amerikanischen Gesellschaft für Zellbiologie (ASCB) stattfindet.

Holger Erfle könnte sich durchaus ein neues Projekt vorstellen. „Mit den ersten Versuchen hat man in Heidelberg viele Erfahrungen gesammelt und kann jetzt weiterführende Versuche planen“, sagt Ulrike Engel.

von Remmer Janssen
   

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