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 ProContra
24.01.2012

Null Promille unter freiem Himmel

Braucht es Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen? JA

Boris Palmer (Die Grünen) ist Oberbürgermeister von Tübingen / Foto: Manfred Grohe

Drei grüne Bürgermeister darunter Boris Palmer (Tübingen) drängen derzeit auf ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen. Sie glauben, dass man den Probleme mit meist jugendlichen Trinkern anders nicht in den Griff bekommen kann. 

Straßen und Plätze sind für alle da. Wo alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, muss der Staat die Freiheit zur Nutzung öffentlicher Räume durch Alkoholverbote schützen. Mit einem Verbot löst man keine Probleme. Das gilt auch für das Phänomen der sich immer weiter ausbreitenden öffentlichen Saufgelage. Bevor man an Verbote denkt, muss man die Probleme exakt analysieren und nach Lösungen suchen.

Nicht wegdiskutieren kann man einen veränderten Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft. Ich bin keine 40 Jahre alt, trotzdem war der Begriff des „Vorglühens“ in meiner Jugend noch völlig unbekannt. Auch von „Alkopops“ habe ich erst erfahren, als mein Studium zu Ende war. Heute ist es hingegen fast schon ein Bestandteil der Jugendkultur, sich mehrmals wöchentlich hochprozentig zu besaufen und den Alkohol dafür billig in großen Mengen aus dem Supermarkt mitzubringen. 

In vielen Innenstädten führt dies zu immer größeren Problemen mit Lärm, Dreck und Gewalt. Der Innenminister des Landes, Reinhold Gall (SPD), sieht in rund 15 größeren Städten im Land eine akute Bedrohung für die öffentliche Ordnung, der ohne Alkoholverbote kaum mehr beizukommen ist. In den betroffenen Innenstädten ist es an den Brennpunkten häufig bis früh in den morgen so laut, dass Anwohner keinen Schlaf mehr finden. Und wenn die Stadt es nicht schafft, zwischen fünf und sechs Uhr die Scherben, Flaschen und Fastfoodreste zu beseitigen, dann laufen Passanten am nächsten Tag durch Schlachtfelder. Aus den Polizeiberichten kann man entnehmen, dass Gewalt unter jungen Leuten fast ausschließlich mit einem hohen Promillespiegel im Blut ausgetragen wird. 

Nun ist es ein gutes Recht, auch mal mit einem Bier auf einer Bank zu sitzen und entspannt den Abend zu genießen. Eingriffe in solche Freiheitsrechte darf man nicht leichtfertig vollziehen. Allein eine begrenzte Lärmbelästigung oder auch nur die ärgerliche Vermüllung des öffentlichen Raums reichen nicht aus, für ein Verbot von Alkohol auf Straßen und Plätzen. Zur Lösung dieser Probleme gibt es sanftere Mittel. Der Einsatz von Streetworkern kann den jungen Menschen helfen, Ihren Umgang mit Alkohol verantwortlich zu gestalten. Der Einsatz von Polizeistreifen und kommunalem Ordnungsdienst bei Nacht kann effektiv Gewalt und Exzessen vorbeugen.
In Tübingen haben wir folglich diese Mittel zuerst eingesetzt. Es wurden in den letzten fünf Jahren jeweils zwei Stellen für Streetwork und nächtliche Streifen des kommunalen Ordnungsdienstes, der Ortspolizei, geschaffen. Beides hat sich bewährt, doch es reicht nicht aus. 

Wenn sich erst einmal hundert Leute gemeinsam am Rand der Tübinger Altstadt betrunken haben, können zwei unbewaffnete Ortspolizisten gar nicht mehr eingreifen. Entweder ziehen sie unverrichteter Dinge ab – das ist eher die Regel – oder sie müssen größere Verstärkung herbeirufen, falls die Situation kritisch erscheint. Eine wirkliche Handhabe gibt es trotzdem nicht. Platzverweise sind erst möglich, wenn es schon zu spät ist und die ersten Fäuste fliegen. 

Die Stadt Freiburg hat in einer solchen Lage mit einem räumlich und zeitlich begrenzten Alkoholverbot gute Erfahrungen gemacht. Die Zahl der Gewalttaten ging deutlich zurück. Es kommt gerade nicht zu einer simplen Verlagerung, die Brennpunkte lösen sich auf. Genau so wichtig ist mir, dass der öffentliche Raum damit für alle zugänglich gehalten wird. Denn wenn ein Platz erstmal von betrunkenen Horden besetzt ist, traut sich dort niemand mehr hin. Die Verteidigung des Rechtes, sich frei und sicher auf Straßen und Plätzen zu bewegen, ist die Einschränkung des Rechtes, sich nach belieben zu betrinken, wert, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. 

   

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