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 Hochschule
13.06.2012

Kein Verlass aufs mündliche Wort

Universität verweigert Karimi befristete Vertretung

Kian-Harald Karimi vertraute der mündlichen Absprache mit dem Romanischen Seminar. / Foto: privat

Kurzfristiger Dozentenwechsel am Romanischen Seminar: Unmittelbar vor Semesterbeginn lehnt das Personaldezernat der Universität Heidelberg den Vertragsabschluss mit Kian-Harald Karimi für eine befristete Vertretung ab. Ein Vertrauensbruch, der Karimis Existenz bedroht.

Überfüllte Seminare, komplizierte Verwaltungswege und schwierige Kommunikation. Romanistikstudenten sind einiges gewöhnt. Doch die Probleme um die Literaturprofessur zu Semesterbeginn hat selbst sie überrascht.

Anstatt der Einführungen in die Literaturwissenschaft klafft plötzlich ein Loch im Stundenplan. Die Erklärung des Seminars folgt in der zweiten Semesterwoche: Kian-Harald Karimi könne die Veranstaltungen aus „administrativen Gründen“ nicht wie geplant halten. Die Vorlesungen werden verlegt. Statt Karimi werde Wolfram Aichinger fortan die Pflichtveranstaltung im Zwei-Wochen-Turnus halten. Um zu ergründen, warum rund 240 Studierende innerhalb einer Woche ihren Stundenplan umstellen und etwa 25 Examenskandidaten den Prüfer wechseln mussten, muss man einige Monate zurückgehen.

Anfang Februar erhielt Karimi vom stellvertretenden Direktor des Romanischen Seminars, Gerhard Poppenberg, die Anfrage, ob er bereit wäre, im Sommersemester eine Vertretung zu übernehmen. Karimi ist im Romanischen Seminar bekannt. Er hatte bereits von 2008 bis 2010 in Heidelberg unterrichtet. „Ich war sehr froh über dieses Angebot, da ich als Stellenloser dringend auf eine Vertretung angewiesen bin“, erklärte Karimi. Er begann umgehend mit den Vorbereitungen und lehnte einen bezahlten Lehrvertrag der HU Berlin ab. Ein voreiliges Vertrauen in die mündliche Absprache mit der Universität Heidelberg, wie sich zeigen sollte.

Kurz vor Vorlesungsbeginn informierte der Geschäftsführende Direktor des Romanischen Seminars, Edgar Radtke, Karimi über Vertragsprobleme. Er riet ihm dennoch seine Vorbereitungen fortzusetzen. Doch das Personaldezernat machte Karimi einen Strich durch die Rechnung. Da Karimi bereits vor weniger als drei Jahren in Heidelberg tätig gewesen sei, komme ein erneuter Vertragsabschluss einem Kettenvertrag gleich. Unter diesen Umständen könne sich Karimi auf eine unbefristete Beschäftigung einklageneinklagen. Das Personaldezernat lehnte den Vertragsabschluss ab.

Dies wollte Karimi nicht auf sich sitzen lassen. Von der Rechtsabteilung des Hochschulverbands ließ er sich absegnen, dass seine Einstellung für die Uni keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen werde. Eine befristete Anstellung „mit Grund“, wie es bei einer Vertretung der Fall gewesen wäre, sei juristisch zulässig. Auch mithilfe einer Anwaltsmediatorin konnte Karimi nichts gegen das Personaldezernat ausrichten. „Man wird mir meine Existenzgrundlage nehmen, wenn nicht in unmittelbar nächster Zeit Ausgleich geschaffen wird“, konstatierte Karimi Ende April in einem persönlichen Brief an Hochschulrektor Eitel.

Nun steht Karimi vor dem Nichts: „Diese Angelegenheit ist für mich eine der größten Niederlagen meines Lebens: Obschon die Privatdozenten dieselbe mühevolle Ausbildung von der Dissertation bis zur Habilitation durchlaufen mussten wie ihre Professorenkollegen, kann ihre womöglich ebenso qualifizierte Arbeit missachtet werden und sogar unbezahlt bleiben. Ein Privatdozent kann ein habilitierter Bettelstudent sein, der wie ich darum kämpft, seine Miete bezahlen zu können.“


Ein nationales Thema
Ein Kommentar von Philipp Fischer

Verwirrung herrschte im April. Die Studenten fragten sich, warum zum Vorlesungsbeginn noch kein Professor für Literaturwissenschaft eingestellt war. Die Einführungsveranstaltung wird nur im Sommersemester angeboten, entsprechend empört sind die, die sie nicht besuchen können. 

Doch nicht nur die Studenten haben Grund, sich zu beschweren: Privatdozenten in ganz Deutschland, wie Kian-Harald Karimi, werden immer öfter abgewiesen. Seit dem Hochschulrahmengesetz, das die Beschäftigung auf zwei Jahre begrenzt, kämpfen viele um einen Job. Die Situation ist also nicht auf Heidelberg oder die Romanistik begrenzt, sondern ein nationales Thema.

Zum Glück für die Studenten wurde doch noch eine Vertretung in Form von Wolfram Aichinger gefunden, der ihnen den Stoff in der kurzen Zeit intelligent und nachhaltig vermittelt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Stelle bald dauerhaft besetzt wird.

von Corinna Lenz und Annika Kasties
   

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